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Frischlin (Schubart)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Christian Friedrich Daniel Schubart
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Titel: Frischlin
Untertitel:
aus: Sämtliche Gedichte, 2. Band, S. 426–429
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1786
Verlag: Buchdruckerei der Herzoglichen Hohen Carls-Schule
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google = Commons
Kurzbeschreibung: Gedicht auf Nikodemus Frischlin
Siehe auch Hohenurach
Eintrag in der GND: [1]
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[426]
 Frischlin *).


Wo liegt Frischlin, der Bruder meines Geistes,
     Wo scharrten sie des Edeln Asche hin?
Wo ist sein Grab mit stillem Moos bewachsen?
     Wo liegt Frischlin?

5
Er schlummert nur – vielleicht auf einem Anger!

     Dann Fürstenhaß lag auf ihm Hügelschwer.
Und Pfaffen brüllten über seiner Leiche:
     Verdammt ist er!

[427]
Und doch, Frischlin, hat dir vom Aug herunter
10
     Der Aetherstrahl des Genius geflammt;

Und besser warst du, als die Hasser alle,
     Die dich verdammt.

Als Knabe schon griefst du mit kühnem Finger
     Ins Saitenspiel. Als Jüngling wirbelst du

15
Der Lyra Stralen. Deine Töne flogen

     Den Wolken zu,

Die um den Mond wie Silberduft sich ziehen.
     Versammelt waren Roma’s Dichter drauf.
Sie stuzten: Aus den Wäldern der Barbaren

20
     Steigt Sang herauf?


Dir hat Apoll, wie Plautus! deinem Bruder,
     Mit eigner Hand den Sokkus angeschnürt.
Und Jokus hat in seinen Nektarkeller
     Dich selbst geführt.

25
Er reichte dir in einem Faunenhorne

     Des Göttertrankes viel. Da stieg dein Herz
Herauf ins Antlitz, und die Lippen trofen
     Von hellem Scherz.

[428]
Dich hat Homers und Maro’s Geist belächelt,
30
     Und selbst der Geist des stürmenden (Pindar.)

Es segneten der Alten Geister alle
     Dich unsichtbar.

Dein Auge sah nicht mit dem Scholiasten
     Nur Wörterkram und Periodenfluß.

35
Es sah das Schöne; sah das Wetterleuchten

     Des Genius.

Wie silbernes Geträufel aus den Wolken
     War deine Red’ im vollgedrängten Saal.
Die Wahrheit schien ein Schwerdt in deinem Munde,

40
     Ein Wetterstral.


Als Römer schriebst du; aber deine Seele
     Voll Vaterland, liebt deutschen Biderton.
Du sprachst den stolzen purpurnen Tirannen
     Ins Antliz Hohn.

45
Da schlug Gewaltthat dich in Eisenfessel.

     Sie gieng voll Hohn um deine Gruft herum,
Und brüllte: Ha, da fault er nun, mein Hasser,
     Auf ewig stumm.

[429]
Du aber schnellst mit wuthbeflammten Händen
50
     Die dichtgeringte Eisenlast entzwei.

Entreißst dich muthig durch des Kerkers Quater
     Der Sklaverei.

Doch ach! an eines grauen Felsen Wurzel
     Fand er, der Edle, seinen Märtrertod.

55
Ein Winzer sah den Dichter blutig liegen

     Im Morgenroth.

Wo ruht er nun, der Bruder meines Geistes?
     Wo scharrten sie des Edlen Trümmer hin?
O sagt mir’s, daß ich ihn mit Thränen salbe:

60
     Wo liegt Frischlin??

*) Der Literator würde mich dauren, dem ich’s erst erweisen müßte, daß Frischlin ein vortreflicher Kopf war. Der Dichter, Redner, geschmackvolle Philolog, – noch mehr, der Märtirer für die Wahrheit, einigte sich in ihm. Noch hat er weder Monument, noch Biographen. Also, einstweilen nur diese Roßmarinstaude auf sein Grab! –