Gefährliches Unkraut

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Textdaten
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Autor: J.
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Titel: Gefährliches Unkraut
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 735–736
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Gefährliches Unkraut.

Der Kampf ums Dasein ist nicht allein in der Thierwelt entfesselt, auch in dem stillen Pflanzenreiche ringt Art gegen Art. Wer Augen für das Walten und Weben der Natur hat, sieht diesen Kampf auf Schritt und Tritt. Der Naturforscher verfolgt ihn mit Interesse, der Landwirth mit tiefem Ingrimm, wenn die bebauten Aecker zu Schlachtfeldern in diesem stillen Kriege werden und die sorgsam gehegte Saat nutzbringender Pflanzen dem Unkraut unterliegt.

Da grünt im Frühjahr der Klee zur Freude des Landmannes, und das üppige Wachsthum verspricht einen guten Schnitt; allein obwohl der Himmel lacht und Regen und Sonnenschein in richtigem Maße abwechseln, verändert sich unverhofft das günstige Bild. Das frische Grün der Blätter schwindet, verdorrt senken sich die Pflanzen zu Boden, das ganze Kleefeld krankt, aber über den siechen Kulturpflanzen erhebt sich kerzengerade, lebensvoll, in violettrothen Blüthen prangend, der „Kleeteufel“, der Urheber dieser Verwüstung.

Unter dem Schutze des Blätterdaches der Kleepflanze hat er gekeimt und sich spargelartig erhoben, während seine Wurzeln unter der Erde ihr Minierwerk begannen. Er hat fadenartige Saugwurzeln ausgesandt und sie in die Wurzeln des Klees versenkt; hierdurch entzog er diesem seine Nahrung und wuchs als Schmarotzer auf fremde Kosten.

Wir wandern an einem andern Kleefeld vorüber; es steht in gutem Wachsthum, aber während wir unsern Blick darüber hinschweifen lassen, entdecken wir hier und dort breite muldenartige Vertiefungen, Stellen, an welchen der Klee zurückgeblieben ist und wie niedergetreten auf dem Erdboden liegt. Haben hier etwa Hirsche oder Rehe geäst? Durchaus nicht. Was wir vor uns haben, das ist wieder der stille Kampfplatz verschiedener Pflanzen. Auch hier ist der Klee einem Feinde erlegen, nur ist dieser nicht auf den ersten Blick sichtbar, er erhebt sein Haupt nicht so frech wie der Kleeteufel. Nähern wir uns der Stelle und bücken uns, so bemerken wir, daß die Kleepflanze von feinen gelben, röthlichen und purpurnen Fäden umstrickt ist. Das sind die blattlosen gelben Stengel der Kleeseide, welche mit kleinen weißen und röthlichen Blüthen besät sind. Auch die Kleeseide ist ein Schmarotzer, ernährt sich jedoch auf andere Weise als der Kleeteufel. Ihr Samen keimt zusammen mit der Kleesaat; er entsendet fadenartige Wurzeln in die Tiefe der Erde und fadenförmige Stengelchen hinauf an die Oberfläche. Diese feinen Ranken suchen gleich denen der Ackerwinden die Stengel des Klees zu umspinnen. Ist ihnen dies gelungen, so bohren sie sich mit Saugwurzeln in das Innere der Stengel ein und haben damit ihre Existenz als Stengelschmarotzer begründet. Denn von diesem Augenblick an stirbt die Wurzel der Kleeseide ab und der Schmarotzer nährt sich nur noch vom Safte der Kleepflanze. Diese siecht natürlich dahin, die Kleeseide aber spinnt ihre Netze weiter aus und treibt lebenskräftig ihre Blüthen.

Eine ähnliche Windenpflanze, die „Flachsseide“, nistet sich auf den Flachsfeldern ein und bewirkt hier in gleicher Weise ihre Verheerungen.

Geht in den geschilderten Fällen das Schmarotzerthum gleichsam hinterlistig vor, so sehen wir andere Arten des Unkrauts in ritterlicher oder raubritterlicher Art zum offenen Kampfe gegen die Kulturpflanzen ziehen.

Im Sommergetreide, auch auf Kartoffelfeldern, erblickt man öfter eine bis zu 60 cm hohe Pflanze mit krautigem einfachen oder ästigen Stengel und lanzettlichen Blättern. Die unteren Blätter sind fiederspaltig, die oberen einfach. Die Pflanze ist blaugrün an Stengel und Blatt, oben aber trägt sie leuchtend gelbe Strahlen- und Scheibchenblüthem. Ihr lateinischer Name lautet Chrysanthemum segetum, im Volksmunde heißt sie die „gelbe Wucherblume“. Sie macht ihrem Namen alle Ehre, denn wo sie sich einmal eingestellt hat, verwandelt sie den Acker bald in ein schön gelbes, aber nichts weniger als gewinnbringendes Blumenfeld. Wegränder sind ihre Niststätten, von denen aus sie meistens ihre Raubzüge gegen die Aecker unternimmt.

An Wegrändern und feuchten Gräben lauert auch der gemeine Huflattich, hervorstechend durch seine großen, bis 25 cm im Querdurchmesser haltenden, herzförmigen, auf der Unterseite weißwollig behaarten Blätter. Er blüht frühzeitig, schon im März und April; seine Blüthen sind denen der Kuh- oder Kettenblume ähnlich, unterscheiden sich von diesen jedoch durch die wollige Behaarung und den Besitz von schuppigen braunen Blättchen. Wenn die goldgelben Blüthenköpfchen des Huflattichs welken und der Samen zu reifen beginnt, dann wächst noch der Blüthenschaft in die Höhe, der einen möglichst hohen Standpunkt zu erreichen sucht; [736] denn sein Samen ist beflügelt, und so strebt die Pflanze danach, ihn dem Winde möglichst günstig darzubieten, damit er dann weit über Aecker und Felder verbreitet werde.

Wie einst die Mongolenschwärme den Drang nach dem Westen verspürten, so wandert ferner ein älteres gelbes Unkraut von Osten gen Westen. Es ist das „Frühlingskreuzkraut“ (Senecio vernalis), das in unseren östlichen Provinzen auf Sandfeldern und Schonungen besonders zahlreich verbreitet und bereits bis nach Brandenburg vorgedrungen ist. Es blüht zweimal im Jahre, im Mai bis Juni und im September bis November, sein befiederter Samen wird wie der des Huflattichs vom Winde verweht.

Auch die Wiesen haben ihre gefährlichen Feinde. An den Ufern der Flüsse und Bäche, an Grabenrändern wächst die „gebräuchliche Pestwurz“ (Petasites officinalis), die mit außerordentlich großen Blättern ausgestattet ist; erreichen doch diese sogar 40 cm im Querdurchmesser. Wo sich die Pestwurz ausgebreitet hat, da wächst kein Gras.

Der Landwirth kennt diese seine Feinde, und verschiedene Regierungen haben Verordnungen erlassen, laut welchen die Grundbesitzer verpflichtet sind, die genannten Arten von Unkraut auf ihren Feldern zu vernichten. Es genügt aber dabei nicht, diese Feinde der Felder vom Acker zu entfernen und abseits zu werfen, sondern man muß sie wirklich vernichten, was am einfachsten durch Verbrennen geschieht.

Um nun die Landwirthschaft im Kampfe gegen das Unkraut zu unterstützen, hat der Realgymnasiallehrer B. Farwick die geschilderten Schädlinge in naturgetreuen farbigen Abbildungen auf sechs Tafeln zusammengestellt (Verlag von Fr. Wolfrum, Düsseldorf). Dieselben eignen sich vorzüglich als Lehrmittel fär den Anschauungsunterricht in den Schulen. Der Kampf des Menschen gegen das Unkraut ist an sich ein fesselndes Thema, die Vorführung und Besprechung jener gefährlichen Pflanzen bietet außerdem mehrere pädagogische Vortheile. Der Schüler lernt nicht nur die Pflanzengestalten kennen, er wird auch in merkwürdige Geheimnisse des Pflanzenlebens eingeführt, und zugleich wird in ihm durch den Hinweis auf die Verpflichtung, die Schädlinge auszurotten, der gemeinnützige Sinn wachgerufen oder gestärkt.

Aus diesem Grunde möchten wir die Farbendrucktafeln „Wucher- und Schmarotzerpflanzen, deren Vertilgung behördlich angeordnet ist,“ als Bildungsmittel für die Jugend den Schulen zur Beachtung empfehlen.

Es wird gut sein, den Winter zum sorgfältigen Studium der Tafeln zu benutzen, damit die bösen Feinde im kommenden Frühjahr die Vertheidiger des heimathlichen Bodens wohl gerüstet finden. J.