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General Pelets Urtheil über die Angelegenheiten des Orients

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Titel: General Pelets Urtheil über die Angelegenheit des Orients
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 115; 117; 119; 121; 123 S. 457-458; 465-466; 473-474; 482-484; 490-492
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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[457]

General Pelets Urtheil über die Angelegenheiten des Orients.[1]


Der Kriegsruf erschallt; er ertönt von den Ufern des Pruth bis zu den Gestaden des Bosporos, und schallt wieder in den Echos des Peloponneses. Das Geschütz der drei Mächte, donnernd an den Küsten Messenien’s, verkündigte die Befreiung Griechenlands. Die Erinnerungen so großen Ruhms und so großen Unglücks heiligen diesen Krieg. Aber ein Franzose darf sich fragen, welche Folgen daraus für sein Vaterland hervorgehen werden.

Seit vierzig Jahren bietet Europa den Anblick eines weiten Schlachtfeldes dar. Lange Zeit erhob das republicanische und das kaiserliche Frankreich seine Adler über alle Standarten des Continents. Nachdem es die Coalition der Souveräne besiegt hatte, trug es seine Fahnen gegen Rußland, dessen Fortschritte seit einem Jahrhundert Europa bedrohten. Frankreich unterlag. Die Coalition warf die Maske ab. Ungeheure Armeen erstanden. Der Czar bemächtigte sich des militärischen Zepters; er ordnete die Theilung der Beute. Oestreich und Preußen erhielten in Italien und Frankreich Entschädigung für die Länderstriche, die ihnen Rußland in Polen entzog.

Der allgemeine Friede ward geschloßen, Europa aber blieb unter den Waffen. So lange ein Mann lebte, hielten die Souveräne den Blick auf seinen einsamen Felsen gerichtet. Welchen Vorwand zu solchen Bewaffnungen aber hat man noch, seit jener Mann todt ist? Soll man es gerade heraus sagen? Die Mächte waren bewaffnet gegen die Rechte und Gefühle, die sie einst angerufen hatten, um die Völker gegen Frankreich aufzuregen. Die Furcht, die sie einflößten, verlängerte die Kriege der Diplomatie, verschob die Vergrößerungs-Entwürfe. Wir sahen, wie vor einigen Jahren Congreß auf Congreß folgte. … Die Heere erklärten den Constitutionen den Krieg, und überzogen den ganzen Süden Europas.

Griechenland, das Vaterland so vieler großen Männer, der Gegenstand der Bildung unsrer Jugend, das von den Russen so oft aufgeregte Griechenland, kämpfte indessen gegen seine Unterdrücker. Mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung erlag; den Ueberlebenden blieb nur zwischen Sieg oder Tod die Wahl. Der ottomanische Fanatismus wollte alle Rebellen vernichten. Jahre lang blickten die Cabinete gleichgültig auf den Martyrtod der Mitchristen. Endlich fürchten sie, eine der Mächte möchte diese heilige Sache zu der ihrigen machen, und in dem blutgetränkten Lande alte Entwürfe zur Ausführung bringen. Drei Cabinete treten als Vermittler auf, aber mit so entgegengesetztem Interesse, daß ihre Vereinigung als eine politische Verirrung bezeichnet wurde. Zwei andere Mächte, nicht weniger interessirt, wollen dem Bunde nicht beitreten, und bleiben Zuschauer der bewaffneten Unterhandlung.

Welches sind nun die Beziehungen und die wirklichen Absichten der europäischen Mächte? Welches wird ihre Haltung in einem Monate seyn? Nicht in leeren Demonstrationen, in Verträgen, in denen jeder seine geheimen Gedanken zurückhält, darf man eine Aufklärung über ihr künftiges Betragen suchen, sondern in den wirklichen Interessen der Cabinete.... Jeder Staat hat eine sich gleichbleibende Politik; er kann für Augenblicke sich davon entfernen, aber er muß beständig darauf zurückkommen. Auch kennt jeder das Geheimniß seiner innern Lage, welches er mehr oder weniger ängstlich zu verbergen sucht, und welches oft alle diplomatischen Berechnungen beherrscht. Endlich müssen auch die Privatinteressen der Minister, der Höfe, der Oligarchie in Berathung gezogen werden, welche in unsern Tagen einen so großen Einfluß in den Angelegenheiten Europas üben. Mitten in einer solchen Vermischung von fundamentalen und augenblicklichen Interessen, von innern Schwierigkeiten und persönlichen Rücksichten, kann man da wohl sich schmeicheln, die Zukunft vollständig voraus zu sagen? Wir sehen blos, daß die diplomatischen Kriege sich erneuern, und daß alle Mächte unter den Waffen stehen. Ein einfaches statistisches Gemälde wird hinreichen, uns ihre Mittel kennen zu lehren.

Versuchen wir, die sinnreiche diplomatische Lection, die einst Segur von Aranda erhielt, zu wiederholen, und stellen wir uns vor eine Karte. Wir sehen, daß gegenwärtig der Mittelpunkt Europa’s sich gerade an dem westlichen Vorsprunge der russischen Grenzen befindet, an der Oder, zu Wiernszow, zwischen Warschau und Breslau, weniger entfernt von Saint-Vincent als von dem Ural. Untersuchen wir die Fortschritte, welche das Reich der Czaren gemacht hat; betrachten wir seine Stellung im Jahre 1696, 1808 und 1828. Seine westlichen Gränzen sind um 250 Stunden uns näher gerückt. Wiernszow liegt im Mittelpunkt eines Zirkels, der durch Moskau, Constantinopel, Reggio in Calabrien, Limoges, Oxford und Wasa in Finland läuft. Es ist 80 Stunden von Wien, Chemnitz, Berlin, 160 vom Rhein. Die Soldaten des Czars [458] würden noch früher vor diesen Hauptstädten seyn, wenn sie den Weg über Posen und Krakau nähmen. Jener Grenzenvorsprung Rußland trennt die Heere Oestreichs und Preußens, umgibt und nimmt die Hälfte ihres Gebiets in den Rücken. Ein anderer Vorsprung, von Bessarabien gebildet, umfaßt die Grenzen Ungarns und Siebenbürgens. Endlich ist Moskau, die wahre Hauptstadt Rußlands, von Constantinopel nicht weiter entfernt als von Passau und Hamburg, Städte, welche oft von seinen Heeren durchzogen wurden.

Die Russen, die 1696 noch ziemlich entfernt vom finnischen Meerbusen waren, haben allmälig einen großen Theil des baltischen an sich gezogen. Sie berührten noch nicht das schwarze Meer; nun besitzen sie die Hälfte desselben. Nur hundert Stunden liegen ihre Küsten von Constantinopel, und eine Ueberfahrt von wenigen Stunden trägt dahin die Eskadern von Sebastopol. In Asien hat es Georgien erobert, und stößt an Armenien so wie an Persien. Die Schifffahrt des caspischen Meeres ist vollständig in seine Hand gegeben. Von hier sind es noch fünfhundert Stunden nach Ostindien. [2] Gegen den Orient umfaßt Rußland den ganzen obern Theil Asiens. Während es an den atlantischen Ocean und das Eismeer stoßt, besitzt es eine weite Küstenstrecke im nördlichen Amerika. Auf allen diesen Küsten hat es Häfen, Militär- und See-Colonien. Auf der Westküste Amerikas wie auf der Ostküste Asiens gewinnen seine Schiffe den Vorrang vor denen des übrigen Europas. Endlich kann es Escadern bauen und ausrüsten in Ländern, wohin die Engländer, ferne am nördlichen Ende des atlantischen Meeres wohnend, nur nach langer Ueberfahrt gelangen. Indem so Rußland das Centrum des alten Continents inne hat, das Eis-, so wie das Südmeer begrenzt, berührt es die Hauptquellen des Welthandels. Man kann also wohl sagen, daß England und Rußland um Erde und Meer rivalisiren.

Das Reich der Czaren, das mehr als die Hälfte der Oberfläche Europa’s, den neunten Theil des Festlandes, den achtzehnten der Erde einschließt, zählt nur 48 Millionen europäischer Bevölkerung, und 678 Individuen auf eine Quadratmeile. Die Massen der Einwohner sind auf einem Raume von geringer Ausdehnung vertheilt, um Moskau, in den obern Gegenden der Wolga, des Borysthenes und in den westlichen Provinzen. Dieß ist der wirkliche Mittelpunkt der russischen Macht. Das Uebrige sind Wüsten von hundert Stunden, mit einigen tausend Einwohnern, gleich Colonien, deren Zahl zu vergrößern ziemlich gleichgültig ist. Nur gegen Westen hat Rußland Nachbarn, die es zu fürchten braucht; sonst ist es überall von Völkern umgeben, die ihm keine Besorgniß einflößen können. Die Ausdehnung und Entfernung bietet in diesen Gegenden keine Schwierigkeiten dar; sie verschwindet gleichsam durch die Ebenen, wo die Befehle so schnell durch Telegraphen und Courriere weiter befördert werden, und wo die Transporte im Sommer auf den Kanälen, im Winter auf dem Eise fast mit gleicher Leichtigkeit stattfinden. Diese Umstände machen die Zerstücklung des jetzigen Rußlands äußerst schwierig und rücken sie auf jeden Fall sehr weit hinaus. Zerstückelungen der äußersten Theile würden diese zu schwach lassen rücksichtlich der einem selbstständigen Lande nöthigen großen Basen der Bevölkerung, der Produkte und des Reichthums. [465] Zwei Betrachtungen, die anderswo ohne Bedeutung seyn würden, erhalten eine entschiedene Wichtigkeit bei diesen nicht civilisirten Nationen. Die Bevölkerung Europas enthält 70 Millionen Slaven, 62 Millionen germanischen und 65 Millionen lateinischen Ursprungs. In Rußland leben 47 Millionen der ersteren, die übrigen in Polen, der Moldau, in Croatien etc. Der zweite Stamm verbreitet sich über Deutschland, England und Schweden; die vom lateinischen Stamm wohnen in den mittäglichen Staaten. Zur griechischen Religion bekennen sich 57 Millionen, wovon der größte Theil in Rußland; 7 Millionen wohnen in der Türkei, und 3 Millionen auf östreichischem Gebiete. Der Selbstherrscher aller Reussen ist ein Abkömmling der Fürsten der Slaven (d. i. der Nation des Ruhmes, [3] und somit von einem Stamm, der auch da wo er einige benachbarte Länder bewohnt, in Sprache, in Sitten und Gebräuchen keinen besondern Unterschied zeigt; der Kaiser ist zugleich das Oberhaupt seiner Kirche, und der unumschränkte Gebieter der Gewissen wie der Personen. Unter diesem doppelten Titel hat der Czar einen unermeßlichen Einfluß auf seine Staaten, und auch auf jene, welche er erobern will.

Indessen ist nicht zu übersehen, daß das russische Reich auch seine Unvollkommenheiten hat. Die Meere, welche Europas Küsten umgeben, diese wahren Straßen des Handels und des Reichthums sind ihm verschlossen; nur vom weißen Meere aus, das einen Theil des Jahres mit Eisfeldern bedeckt ist, kann es dahin gelangen. Die Flüsse, welche auf seiner ganzen Oberfläche eine herrliche innere Schifffahrt begünstigen, münden in die Ostsee und ins schwarze Meer, deren Pforten von fremden Mächten bewacht werden. Zwei Citadellen, am Eingange des Sunds und des Bosporos, sperren alle Wasserstraßen Rußlands. Der größte politische Plan, der je gefaßt wurde, ist ohne Zweifel jener Peters des Großen. Indem er die Nothwendigkeit erkannte, die Mündungen seiner Flüße frei zu machen, baute er auf ihren ruhigen Wellen ansehnliche Flotten, rückte gegen beide Meere vor, und gründete Petersburg, als seine provisorische Hauptstadt. Er hinterließ diese großartigen Entwürfe seinen Nachfolgern, die ihnen treu blieben; er öffnete ihnen den Sund und den Bosporos. Diese beiden Meerengen, besonders die letztere, sind die einzigen Auswege für den innern Handel und die Produkte Rußlands. [4] Ihr Besitz ist unentbehrlich für seinen Handel, seinen Ackerbau, und für die Fortschritte seiner Civilisation. Nichts kann Rußland von diesem bedeutenden Ziele abbringen.

Rußland ist der Feind Europas, [5] weil es zu seiner Zeit jede Macht in ihrem Gebiete schmälern, und einen usurpatorischen Einfluß auf sie ausüben kann. Es befindet sich in gleicher Stellung wie das römische Volk zur Zeit seines Wachsthums. Es gibt in unsern Tagen ein leichteres Mittel, die Staaten zu beherrschen, als es die Militär-Colonien des alten Roms waren: dies ist die Marine, worin gerade die schwache Seite unsrer Staaten besteht. Besitzt Rußland einmal Matrosen und die Waldungen des Archipels und des baltischen Meeres, so wird es der gefürchtete Nebenbuhler Englands, und bald dessen Sieger. Es wird Europa mit festen Punkten umzingeln, und am Sund, auf Heligoland oder einer Insel des Texels und Zelands, auf Jersey oder Minorka einige Gibraltars bauen. Vielleicht begnügt es sich, den vorspringenden Winkel von Polen zu runden, indem es dessen zerrissene Provinzen wieder vereinigt, und seine europäische Citadelle, zwei Meilen von Glogau, auf einer der Inseln in der Oder errichtet. Wo ist dann die Freiheit und Unabhängigkeit Europas? Entweder muß Rußland in die Grenzen von 1763 zurückgedrängt werden, oder seine großen Entwürfe gehen in Erfüllung.

Man beschuldige mich nicht der Uebertreibung. Seit einem Jahrhundert sind diese Absichten offen verkündet; vergebens haben wir sie 1812 bekämpft. Europa steht an der Entwickelung dieses Dramas, welche unmittelbar auf die Eroberung von Constantinopel folgen muß; und was für Rußland eine augenblickliche Anstrengung ist, wird ihm zur Gewohnheit werden. Diese Macht kann unermeßliche Armeen ausrüsten; denn sie besitzt in ihrer Bevölkerung [466] und in ihren Manufakturen die Elemente der außerordentlichsten Bewaffnung. [6] Doch könnte sie diese Anstrengungen nicht lange aushalten, noch weniger sie erneuern. Rußland rechnet darauf, daß es in Constantinopel, in Wien oder anderswo die erforderlichen Summen finden werde, um seinen Militäretat zu unterhalten. Für sich allein würde es nicht die Kosten von drei Feldzügen auf gleichem Kriegsschauplatz in den Fürstenthümern (Moldau und Wallachei) bestreiten können; und sollten seine Armeen einige Unglücksfälle erfahren, so würde eine Wiederherstellung derselben sehr schwer seyn.

Betrachten wir die Karte von Europa. Im Südwesten des westlich vorspringenden Theils von Rußland sehen wir die verschiedenen Staaten, welche den österreischischen Kaiserstaat bilden. Verschieden durch Ursprung, Clima, Character, Interessen, durch die Regierung selbst, sind sie nur durch eine politische Aggregation mit einander verbunden. Diese, dem Anschein nach absolute Monarchie ist eine wahre Oligarchie, die durch den hohen Adel aller ihrer Königreiche regiert wird, welcher die ersten Staatsämter in Besitz genommen und sich auf den übrigen Adel der untern Stellen stützt. Daraus geht eine Stätigkeit der Ansichten und eine Festigkeit des Betragens hervor, wodurch Oesterreich in mehreren unglücklichen Epochen gerettet wurde. Unter seinen Staaten müssen ausgezeichnet werden: Ungarn, das ein slavisches Königreich ist, [7] mehr als den dritten Theil der österreichischen Bevölkerung bildet, und eifersüchtig seine Verfassung und die alten Privilegien zurückfordert; Gallizien und Italien, welche beide Länder ein Viertheil der Bevölkerung des Kaiserstaats enthalten, und Interessen haben, die denen Oesterreichs entgegengesetzt sind.

Der wesentlichste Vorzug Oesterreichs besteht in der Anhäufung und Fruchtbarkeit seines Gebiets, in seiner Bevölkerung, und in seiner Armee, die es leicht auf 600,000 Mann [8] bringen könnte, und die stets sich von den erfahrenen Unfällen schnell wieder erholt. Die innern Provinzen haben natürliche Grenzen; im Osten und Norden die Karpathen, das Riesen- und Erzgebirge; im Westen die Kette des Böhmerwaldgebirges, den Inn und Tyrol; im Süden die Kärnthner Alpen und die Sau. Jenseits dieser Naturschranken aber liegen die herrlichsten Besitzungen: die Lombardei, Gallizien, das Littorale am adriatischen Meere. Stark und groß in dem Innern seiner Länder, wo es um Komorn eine Central-Vertheidigung gebildet hat, ist Oesterreich dagegen schwach in seinen äußern Theilen, die weit entfernt sind, die Ergebenheit der andern Provinzen zu theilen. [473] Das politische System Oesterreichs ist das der Stabilität. Die geringste Erschütterung kann seine neueren Eroberungen, selbst Ungarn, in Gefahr bringen. Die nöthige Ergänzung für Oesterreich wäre der Besitz der Donaumündungen, welcher Strom drei Viertheile seiner Gewässer aus dem Kaiserstaate empfängt. Die Donau ist durch die Fürstenthümer und durch türkische Provinzen geschlossen; sie würde es noch mehr durch Rußlands Eingriffe werden. Beiden großen Reichen sollte das schwarze Meer gemeinschaftlich angehören. – Haben die Czare den Thron und die Religion der Griechen in Constantinopel wieder hergestellt, so werden sie Gallizien, die Bukowina, Siebenbürgen, das Banat, Slavonien, Dalmatien, und selbst einen Theil Ungarns als alte Dependenzen der alsdann von ihnen in Besitz genommenen Länder zurückfordern; und bald werden diese Länder sich ihnen in die Arme werfen. Dann gibt es kein Oesterreich mehr. Das unmittelbare Interesse dieser Macht fordert also, sich dem Einfalle in die Türkei, so wie jeder Gebiets-Erweiterung Rußlands zu widersetzen. –

Erlaubt aber die innere Politik dem Wiener Hofe, einen Krieg in Ungarn und Gallizien zu beginnen? Könnten Armeen, die nur aus Slaven gebildet sind, nicht leicht einen unabhängigen slavischen Staat schaffen, hinter welchem Rußland alle seine Pläne[WS 1] ausführen würde? Wenn Kaiser Franz, seiner erhabenen Großmutter nachahmend, bei den Ungarn Hülfe forderte, und wenn er zugleich ihre gesetzmäßigen Rechte anerkennen wollte, so würden sie auch jetzt noch rufen: Moriamur pro rege nostro! Auch die andern Völker würden in diesen Ruf einstimmen, wenn der Kaiser, um die Unabhängigkeit seiner Krone zu sichern, ihre politische Freiheit verbürgen wollte. Der Krieg mit Rußland wird künftig eine Nothwendigkeit für Oesterreich seyn. Warum also warten, bis jene Macht ihre Kräfte vermehrt hat?

Nahe an dem westlichen Vorsprunge des russischen Reichs liegt Schlesien, eine Barriere von Festungen, die gegen die Einfälle des Orients erbaut wurden (?). Von der Oder aus bis zum Rhein ist ein langer Strich des Festlandes von den Völkern des deutschen Bundes, von den Staaten der Häuser Sachsen und Hessen, von mehreren kleinen Fürsten, von Hannover und den Hansestädten besetzt. Man findet hier ferner die constitutionellen Monarchien von Bayern, Würtemberg und den Niederlanden, die keinen andern Wunsch haben können, als sich zu erhalten, und deren größte Macht in der Anhänglichkeit ihrer Völker besteht.

Im Norden dieses Bundes dehnt sich vom Niemen bis zur Saar der dünne Streif der preussischen Provinzen aus, die von einigen fürstlichen Gebieten und von Hannover in ihrem Zusammenhange unterbrochen sind. Preussen reicht bis an beide Endpunkte der Civilisation Europas; seine Grenze, die 50 Lieus von Wien entfernt war, liegt gegenwärtig 70 Lieus von Paris. Bis jetzt war dieses Königreich das Medium, welches den Continent der russisschen Oberherrschaft unterwarf. Durchaus künstlich und ein Werk der Geschicklichkeit seiner Könige und der Hingebung des Volks i. J. 1813 ist Preussen wesentlich ein militärischer Staat, aber gemäßigt von dem liberalen und philosophischen Geist der Regierung.

Schwach durch die Lage seiner Länder, aber stark durch seinen kriegerischen Geist, durch seine Institutionen, besonders durch seine treffliche Armee, bedroht Preussen alle seine Nachbarn. Es bildet gegenwärtig ein bedeutendes Gewicht in der Wagschale Europas; es hängt von Preussen ab, auf welche Seite diese sich neigen soll. Morgen aber vielleicht wird es zu spät seyn, und dieses Königreich wird die Beute derjenigen werden, deren Usurpation es bisher begünstigte. Es zählt unter seinen Einwohnern 2,500,000 Polen; Danzig ist Polens Ausmündung. Noch mehr als Oesterreich dem russischen Angriff ausgesetzt, bedarf es vor allem einer Arrondirung seiner Provinzen. Es hat weder von dem Czar, der es erst unlängst verkürzte, und aus freiem Antriebe nie eine Handvoll Land abtreten wird, etwas zu erwarten, noch von Frankreich, das nichts verlieren kann, ohne seine Existenz gefährdet zu sehen. Es bleibt daher zu untersuchen, wo das Berliner Cabinet Entschädigung erhalten soll. Ganz Preussen begreift, daß sein Interesse dem russischen entgegengesetzt ist; vorzüglich fühlt dieß die Armee, denn sie hat besondere Zwiste mit der russischen auszugleichen, welche mit ihrer Hülfe die Herrin Europas wurde. Ohne die preussische Erklärung im Januar 1813 hätten die Russen das linke Weichselufer [474] nicht betreten, kaum würde ihnen Lithauen nach geschlossenem Frieden geblieben seyn. – für das Wohl und die Ruhe Europas ist zu wünschen, daß der Hof diese Gesinnungen der Nation und des Heeres theile.

An Preussen reiht sich ein zertrümmerter Staat, dessen Andenken im Herzen aller Eingebornen fortlebt. Friedrich Wilhelm III besaß die Hauptstadt Polens und einen Theil der besten Provinzen, deren sich jetzt Rußland bemächtigt hat; doch hat der König noch einige dieser Trümmer sich erhalten. Es wäre die höchste Politik, die alte Schutzwehr des Orients wieder aufzurichten, und dadurch einen langen Frieden zu gründen. Europa hatte seine Blicke auf Preussens königliches Haus gerichtet; ihm wollte es das Schicksal einer edlen Nation anvertrauen (?). Die persönlichen Tugenden des Königs könnten ihm das Vertrauen seiner früheren Unterthanen wieder gewinnen. Ein schönes Königreich ließe sich zwischen der Oder, der Düna und der Abdachung der Karpathen errichten. – Folgen wir diesem Traum: die Mündungen der Donau sollten zur Entschädigung für Gallizien dienen; Schweden sollte seine 1808 verlornen Provinzen wieder erhalten; die Niederlande sollten sich von der Schelde bis zur Steknitz ausdehnen; – und Frankreich ..!! [9]

Im Westen Europas sehen wir die brittischen Inseln, wo 115 Millionen Menschen, die in Asien, Afrika und Amerika vertheilt leben, von einigen Oligarchen beherrscht werden. Sie haben den Koloß überwunden, der Europa beherrschte. In diesem großen Kampfe haben sie die Kraft des englischen Patriotismus, den Muth der Land- und Seetruppen, die Allmacht des Goldes und die Geschicklichkeit einer nicht gerade redlichen, doch tiefen und beharrlichen Politik entwickelt. Sie haben eine neue Armee geschaffen und sie zum ersten Rang unter den europäischen Heeren erhoben. Nach der Zerstörung aller andern Flotten beherrschen ihre Schiffe den Ozean. So ist England jetzt die Hauptstadt der Welt. Auf der Themse hat es den Thron des Handels errichtet; hier liegen die Magazine aller Erzeugnisse der Erde, hier das unermeßliche Zeughaus, das jüngst dem ganzen Festlande Waffen lieferte, das sich stets vom neuen füllt, und die Grundlage der brittischen Herrschaft ist. Als Canning den Krieg der Meinungen gegen die Meinungen proklamirte, konnte er sagen: Alta sedet Aeolus arce.

England umfaßt mit seinen Citadellen Europa: es besitzt Helgoland, Jersey, Gibraltar, Malta, Corfu und die jonischen Inseln. Weiter hinaus hat es sich des Vorgebirges der guten Hoffnung, der Inseln Seylan und Isle de France bemächtigt ... Stets war es der Feind des Festlandes und vor allem Frankreichs, seines Nachbars und Nebenbuhlers. Nachdem es Alles unterworfen und zerstört hat, wodurch es beunruhigt werden konnte, richtet es seine Absichten gegen Rußland, indem es hier Gefahr für seine Marine und für seinen Handel, und andere entferntere Gefahren voraussieht. England besitzt Geld genug, es besitzt Schiffe, Truppen und unberechenbare Hülfsquellen, um, seiner beharrlichen Politik folgend, Rußland zu bekämpfen. Seit dem Sturze Napoleons leben diese beiden Staaten im Zustande der Eifersucht. Das Ministerium Canning’s schien sich an die Spitze der liberalen Institutionen in beiden Welten zu stellen. St. Petersburg blieb das Hauptquartier des Absolutismus und der oligarchischen Coalition. In England scheint Alles auf Begünstigung der allgemeinen Civilisation und der brittischen Industrie gerichtet; in Rußland dagegen treibt Alles zu Eroberung, denn die slavischen Horden sind für Invasionen geschaffen.

Portugal führen wir nur als eine Kolonie von London an. Spanien zählt seit vierzehn Jahren für Nichts in der politischen und militärischen Wagschale Europas, obgleich es bestimmt war, eine schöne Rolle zu spielen. [482] Schweden, das zwei Jahrhunderte lang der Schrecken Rußlands war, ist dessen Vasall geworden. Die Alands-Insel verbinden die Küsten von Upland und Finland. Wenn das Eis die Meerenge bedeckt, so kann man die fünf Meilen breite Ueberfahrt in wenigen Stunden machen. So ist Stockholm durch die Nähe der Kosacken beherrscht. Wenn jedoch noch jetzt, bei dem Kriege Rußlands gegen die Türkei, der ehemalige Marschal Pontecorvo sich an die nicht sehr ferne Zeit erinnern wollte, wo Gustav III die Fensterscheiben in den Wohnzimnmern der großen Catharina klirren machte, so könnte Rußland wieder furchtbare Gegner finden.

Richten wir unsere Blicke auf den muthmaßlichen Schauplatz des nahen Krieges. Zwischen dem adriatischen und dem schwarzen Meere finden wir die europäische Türkei, die im siebenzehnten Jahrhundert einen großen Theil von Siebenbürgen, die Moldau, die Ufer des schwarzen Meeres und die Krym besaß. Sie beherrschte damals eine Menge Völker, die gegenwärtig ihre Waffen gegen den Halbmond kehren. Durch den Vertrag von Akierman ist die Türkei auf das rechte Ufer der Donau zurückgeworfen, während die Mündungen dieses Stromes bei dem großen Bogen von Silistria umgangen werden können, während Servien, eine griechische Provinz, gegen Bosnien und Bulgarien vordringt. Und – Constantinopel liegt hinter dem rechten Flügel der türkischen Armee und nur 100 Stunden von der Grenze. Diese Hauptstadt, auf einer Landzunge zwischen dem Meere von Marmora und dem schwarzen Meere, wird zwar durch die ziemlich steile Kette des großen Balkan gedeckt; die verschiedenen [483] Engpässe dieses Gebirgs, die Reihe von Stellungen, die Constantinopel unmittelbar beschützen, die Halbinsel von Gallipoli, fordern die Aufmerksamkeit der Kriegsverständigen; einige schlechte Festungen finden sich zerstreut an der Donau, im Innern der Provinzen und an der Küste; mehrere Schlösser sperren den Eingang der Dardanellen und des Bosporos. Man weiß aber, mit welcher Nachlässigkeit die Türken ihre Festungen bauen und unterhalten.

Untersuchen wir jetzt die Aufstellung großer Truppenmassen, was uns Licht für die Zukunft geben kann. Die große russische Armee, unter Sacken, hatte ihr Hauptquartier in Mohilow, und dehnt sich rechts gegen Wittepsk, links gegen Kiew. Die zweite Armee, unter Wittgenstein, stand am Pruth. Das lithauische Corps und die polnische Armee, unter dem Großfürsten Constantin, besetzten die Ufer der Weichsel und des Niemen. Die Armee von Georgien stand an der Grenze von Persien. Kleinere Corps hatten Finland, Orenburg und Sibirien besetzt. Diese Vertheilung der Truppen zeigte Rußlands Plane. Noch vor kurzer Zeit war Alles gegen den Südwesten von Europa gerichtet, fast nichts gegen den Orient. Es scheint aber jetzt gewiß, daß der größte Theil der russischen Truppen gegen die Moldau vorgerückt ist.

Der Militäretat der Türkei hat solche Revolutionen erfahren, daß es unmöglich ist, nur einigermaßen genaue Angaben über die Zusammensetzung und nur über die Größe derselben zu erhalten. Man weiß blos, daß die europäische Organisation mit Erfolg unter Selim III angefangen wurde, und man darf glauben, daß die gegenwärtigen Resultate nicht ohne Bedeutung sind. In diesem Augenblick beruft der Sultan die Gläubigen zu einem Religionskriege, und zeigt sich zu großen Anstrengungen entschlossen.

England, unter allen Mächten bei den Angelegenheiten des Orients am meisten betheiligt, ist zugleich die entfernteste und an Landtruppen schwächste Macht; für den Seekrieg aber besitzt es imposante Kräfte. Will es ernstlich den Krieg, so wird seine Thätigkeit und seine Voraussicht Ersatz für die Entfernung leisten. Durch Marinesoldaten, durch die Garnisonen in Malta und in den jonischen Inseln, und durch das kleine Corps von Portugal wird es der ersten Gefahr begegnen. Es hat zu seiner Disposition die Streitkräfte des Ibrahim Pascha, welche schnell nach Gallipoli und Constantinopel übergeführt werden können. Eine schnelle Landung, einige guten Offiziere werden hinreichen, den ersten Anstrengungen der Türken eine Richtung zu geben, und die Vertheidigung der Hauptstadt zu sichern. Eine kleine Anzahl Schiffe wird das schwarze Meer beherrschen, wo Rußland, wie man behauptet, wenig maritime Kräfte besitzt. Auf solche Art würde England Zeit gewinnen, Europa aufzuregen.

Die österreichischen Armeen haben noch keinen bekannten Sammelplatz; man hat nur von einem Lager in Gallizien gesprochen. Es gibt keinen Theil Oesterreichs, wo dessen Gruppen so nahe bei Constantinopel ständen, als dies bei den Russen an den Mündungen des Pruth der Fall ist. Sireth und Cronstadt geben zwei Vereinigungspunkte für die Offensive, Belgrad und Lemberg eignen sich zur Aufstellung von Beobachtungscorps. Belgrad ist zweimal so weit als Silistria von Constantinopel entfernt. Doch würde die geringste Bewegung einer österreichischen Armee bei dem Zusammenfluß der Sau wahrscheinlich die Russen aufhalten, es sey denn, daß sie mit großer Ueberlegenheit auftreten. Solche Aufstellung würde aber Grund zu einem Kriege zwischen Rußland und Oesterreich geben, dessen Schauplatz Ungarn und Gallizien und die ganze Strecke von Schlesien bis ans schwarze Meer seyn würde. Truppenversammlungen gegen Cattaro, Gradisca und Brod an der Sau würden die Absicht anzeigen, in Bosnien und Albanien einzudringen.

Die Zeitungen haben die Bildung eines preussischen Lagers bei Neisse, am südlichen Ende Schlesiens angekündigt. – Preussen, das über zweihundert Stunden von der Mündung des Pruth entfernt ist, wird keinen unmittelbaren Theil an den Angelegenheiten der Türkei nehmen. Wir haben jedoch gesehen, daß, weil es an alle großen europäischen Staaten grenzt, es einen höchst achtbaren Einfluß ausüben kann. Je nachdem es sich für das System des Sultans oder des Czars erklärt, wird es seine Macht gegen Rußland oder gegen diejenigen Regierungen richten, welche die Sache der Türken vertheidigen. Im erstern Fall würde der Krieg an den Küsten der Ostsee ausbrechen, und vielleicht nicht den Fuß des Balkan erreichen. Im zweiten Fall würde der Continent gelähmt seyn. Das preussische Cabinet würde den europäischen Frieden erhalten, in dem es dem Mittelpunkt Rußlands gegenüber 100,000 Mann bei der Beugung des Niemen, und eine gleich starke Macht an der südlichen Grenze von Schlesien gegen Tarnowitz aufstellte, von wo es schnell den obern Bug gewinnen könnte. Für die Continentalmächte ist es sehr wichtig zu sehen, ob die preussischen Truppen sich auf dem rechten oder linken Ufer der Elbe sammeln, indem daraus abzunehmen ist, auf wessen Seite sich Preussen wenden wird. Hat das Geschütz von Navarin noch nicht Europas Täuschungen zerstreut, so werden sie, denke ich, bei dem Donner der Batterien am Pruth bald völlig verschwinden müssen. Alle diplomatischen Actenstücke können diesen doppelten Angriff nicht verschleiern. Rußland findet einen günstigen Augenblick, den Krieg zu beginnen, den es bei allen Griechen zum Nationalkriege zu machen wußte. Wird es diesen Augenblick verlieren wollen? Wird es warten, bis die jungen Prinzen, welche auf den Stufen der benachbarten Throne stehen, gegen die russischen Eroberungsentwürfe die Kraft des Alters und der neuen Ideen kehren? Ist nicht überdem selbst die Autokratie den Gesetzen der Nothwendigkeit unterworfen? Der russische Adel bedarf der Eroberungen, um den Absatz seiner Produkte zu sichern; und dieser Adel besitzt noch eine große Macht, die sich zu verschiedenen Zeiten kund gegeben hat. Er herrscht in der Armee. Vielleicht ist es auch dringend nothwendig, so große, seit langer Zeit vereinte Massen von Soldaten nicht in Unthätigkeit zu lassen. [484] Fragen wir nun: welche militärischen Operationen die ersten seyn dürften?

In einem Feldzuge gegen die Türkei muß die Basis der russischen Armeen der Dnieper seyn, von Khotin, unfern der österreichischen Bukowina, bis nach Bender und Ovidiopol. Es ist wahrscheinlich, daß die zweite Armee den Pruth überschreiten und in der Gegend von Silistria über die Donau setzen wird, um die Mündungen dieses Stroms und die nördliche Spitze der Bulgarey zu umgehen. Die Ufer des Pruth werden vielleicht nicht vertheidigt, denn die Türken sind noch in der Wallachey eingerückt. Da dies Land aber Sumpfboden hat und wegen Mangel an Heerstraßen schwer in demselben fortzukommen ist, so wird der russische General wohl den Frühling erwarten müssen.

Die große Armee, staffelförmig bei Kaminiez und Jassi aufgestellt, wird den General Wittgenstein unterstützen, während sie die österreichischen Provinzen beobachtet. Je nach den Nachrichten, welche das russische Cabinet von den Absichten Preussens und Oesterreichs erhält, werden das lithauische Corps und die polnische Armee sich bei Wilna, Warschau oder Zamoisk vereinen. – In den Irrgarten aller möglichen Voraussetzungen, die bei der Einmischung dieser Mächte denkbar sind, wollen wir uns nicht einlassen.

Die angreifende Armee wird sodann auf den Straßen von Tirnowa, Dschumla und Bazardschik vorrücken; eine Colonne wird über Mangalia den steilen Küsten des Meeres folgen. Die Flotte und die Transportschiffe werden sich der Armee stets nahe halten, um die Lebensmittel zu sichern. Eine der ersten Operationen muß die Belagerung von Rustschuk und Silistria seyn. Die russischen Truppen werden bald am Fuße des Balkans stehen, wo dann die eigentlichen Kriegsoperationen beginnen müssen. Hier hatten bisher alle ihre Siege ein Ende. Doch sind diese Berge kein unübersteigliches Hinderniß; denn man findet mehrere einander ziemlich nahe liegende Pässe. Ist die Armee durch dieselben gedrungen, so muß sie sich der befestigten Stadt Warna bemächtigen, deren Hafen ihr eine vortheilhafte Verbindung mit Odessa geben und ihr Hauptdepot werden wird. Es ist wahrscheinlich, daß die Armee von Georgien ihre Operationen gegen die Perser an den Küsten des caspischen Meeres fortsetzt.[10]. [490] Man darf sich über die Schwierigkeiten dieses Krieges nicht täuschen, er wird sich in die Länge ziehen und schrecklich seyn; denn die Wuth eines doppelten Fanatismus wird in ihm entbrennen, die wilden Osmanlis werden glauben, für die Fahne ihres Propheten zu fechten; sie werden sich dem Tode weihen, um ihre Moscheen und die Gräber ihrer Väter zu vertheidigen. Die Mahommedaner in Persien, in Asien und Africa werden ihren Brüdern in Europa zu Hülfe eilen. Wenn je die Russen nach Constantinopel kommen, so müssen sie noch die südlichen Küsten der Propontis erobern; sie müssen durch feste Plätze und Lager, durch einen Länderstreif in der Halbinsel von Scutari, in der alten Troas, bis zu den historischen Namen des Scamander und des Granicus [11] vordringen. Rußland wird alle seine Kräfte aufbieten müssen, um einen solchen Krieg zu führen. Man darf sonach voraussetzen, daß der Czar, ehe er ihn unternimmt, sich der Allianz oder der Neutralität der benachbarten Mächten versichert haben wird. Sicher aber wird er sich nicht den Gefahren einer solchen Unternehmung aussetzen, um an den Ufern der Propontis einen unabhängigen Staat [12] zu errichten, der ihm in einigen Jahren diesen Durchgang verschließen könnte. [491] Indessen werden die politischen Schwierigkeiten sich nach dem Maße der russischen Siege, selbst vermehren. „Was machen wir aus Constantinopel?“ fragte Katharina den Kaiser Joseph. Seitdem hat das Cabinet von St. Petersburg unaufhörlich die Frage gegen die benachbarten Mächte wiederholt; keine der letzteren aber hat zu antworten gewagt, weil der ganze Streit über die europäische Türkei sich in der That auf die Hauptstadt beschränkt. Der Czar würde gern die Hälfte des türkischen Gebiets jedem Anderen überlassen, wenn er sich nur desjenigen Theils versicherte, der zwischen der Donau, dem ägeischen Meere, dem Vardar, der obern Morawa und dem Timok liegt. Welche Wichtigkeit aber hätten die Inseln des Archipels für England, das schon die jonischen und Malta besitzt? Welche Bedeutung hätten Croatien, Bosnien, Albanien, selbst Servien für Oesterreich, dem die Küsten des Adriatischen Meeres ohnedieß gehören, wenn Rußland die Mündungen der Donau verschließen kann? Was sollte Frankreich erhalten, das seinen alten levantischen Handel, seine Vorrechte in Constantinopel, und die ihm gebührende Herrschaft auf dem mittelländischen Meere aufwiegen könnte? Was wird das russische Cabinet den Schweden und Preussen anbieten, um ihnen bei einer solchen Vergrößerung seiner Macht für die nothwendig damit verbundene Schmälerung der ihrigen Ersatz zu geben? Wird es ihnen vielleicht Erwerbungen im Westen zusichern?

Die Diplomatie kann für den Augenblick die Frage über die türkischen Angelegenheiten aufschieben; so wie Rußland aber mit seinen Heeren die Donau überschreitet, wird die Lösung nicht länger von der Hand zu weisen seyn. Man kann heute die Fürstenthümer für Rußland, Croatien und Klein-Servien für Oesterreich, Morea und die Abdachung des agraphischen Gebirges für England, die große Schutzmacht der Hellenen, von den Besitzungen des Sultans losreissen; dann wäre England zu Wasser Constantinopel so nahe benachbart, als Rußland zu Lande, und könnte dem übrigen Europa für einen temporären Waffenstillstand Bürge seyn. Worin würde aber, bei dem einen oder bei dem andern System, der Antheil Frankreichs bestehen, für welches es wichtiger ist, ein Dorf im Norden, als ganze Distrikte im Süden zu erhalten?

Bei diesem großen Kampfe muß ein einziger Gedanke alle französischen Herzen beherrschen. Was ist das Interesse, welches ist die Stellung des Vaterlandes? Wir haben bisher nicht von Frankreich gesprochen. Es ziemt uns nicht, die Geheimnisse seiner Stärke und seiner Politik offenbar zu machen; was aber alle Welt sieht, dürfen auch wir in Erwägung ziehen. Die Charte zeigt uns Frankreich in derselben Lage, wie vor mehr als hundert Jahren unter Ludwig XIV; denn was es anderwärts verloren hat, beträgt wohl so viel als die Erwerbung von Lothringen. (?) Man betrachte dagegen Rußland unter Peter dem Großen, [13] Oesterreich unter Ferdinand III, England unter Jacob II, welches letztere seitdem 115 Millionen Unterthanen in Indien erworben hat; man betrachte die Staaten des Churfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dessen berühmter Nachfolger sagte: „Ludwig XIV hat einen Feind mehr als er bemerkte.“ Sehen wir auch, was aus unsern alten Alliirten, der Türkei, Schweden und Spanien, geworden ist!! Suchen wir die Stellen, welche das unglückliche Polen, die Republiken Venedig und Genua einnehmen... Wir befinden uns heutigen Tages außerhalb jenes europäischen Gleichgewichtes, wie es durch den Frieden von Achen, Hubertsburg und Teschen bestimmt wurde.

An dem westlichen Ende des europäischen Festlandes gelegen, zwischen Meeren, an denen es zahlreiche Häfen und alle Elemente einer guten Marine besitzt, hat Frankreich zugleich einen so mannigfaltig wechselnden Boden, daß es alle Früchte des Ackerbaues, der Industrie und des Handels im Ueberfluß hervorzubringen vermag. Es ist so reich, daß es alle Anstrengungen, alle Unglücksfälle der letzten vierzig Jahre zu ertragen im Stande war. Das französische Volk ist kriegerisch, geistreich, lebhaft, gewerbfleißig; seit mehr als zwei Jahrhunderten sind durch eine Reihe von Revolutionen seine moralischen Eigenschaften und die Kräfte seines Willens entwickelt worden. Auch kann man sagen, daß in diesem weiten Reiche jeder einzelne Mensch für etwas zählt. In eine Masse vereint, haben die Franzosen sich seit langer Zeit als unüberwindlich gezeigt. Die Grenzen Frankreichs sind wenigstens auf der einen Hälfte ihrer Ausdehnung hinlänglich gegen fremde Angriffe geschützt; gegen Norden aber ist der reichste, der Hauptstadt zunächst liegende Theil des Landes seiner Schutzwehren beraubt. Unser schönes, von allen Nachbaren beneidetes Vaterland behielt seine Integrität nur, weil seine kriegerischen Bürger Furcht einflößen, weil es untheilbar und zu einem gewissen Gleichgewicht in Europa nothwendig ist. Seine, seit Jahrhunderten vereinten Provinzen zeigen ein organisches Ganzes, wie es kein anderer Staat aufzuweisen hat. Seine Macht kann bedeutend durch die Macht der benachbarten Repräsentativ-Staaten vermehrt werden.

Frankreich hat, nach der Sorge für seine Erhaltung, nur ein großes Interesse, und dieses besteht darin, daß es sich wieder zu dem Range erhebe, den es in der Mitte der Regierung Ludwigs XV behauptete. Alle Entschädigungen, die man ihm bei einer Theilung der Türkei anbieten möchte, würden seine Stellung nur bedenklicher machen. Als Continental-Macht muß Frankreich, obgleich entfernt von Rußland, dessen Vergrößerung fürchten, und kann nicht zulassen, daß Rußland andere Staaten erdrücke; denn der Krieg mit diesem würde am Ende auf Frankreich allein zurückfallen. In den Angelegenheiten des Orients scheinen Frankreichs Interessen in letzter Reihe zu stehen; doch wird, durch die Sorge für seinen Handel, für seine Marine, und selbst für seinen Ackerbau, ihm [492] die Pflicht auferlegt, sich auf das Ernstlichste einer Eroberung der europäischen Türkei zu widersetzen.

Wir grenzen gegenwärtig an alle Mächte, deren Kräfte sich bedeutend vermehrt haben: an Preussen, unsern unmittelbaren Nachbar; an England, durch die Meere, die unsre beiderseitigen Küsten bespühlen; an den deutschen Bund durch Bayern und Baden; wir berühren, in gewisser Rücksicht, selbst Rußland – wegen seiner Familienbündnisse – und Oesterreich durch unsere Verhältnisse zu Italien. Frankreich hat also direkte Beziehungen zu allen großen Staaten; seine Politik und seine Lage fordern, daß es seine Entschlüße mit denen seiner Nachbaren nach dem Grade ihrer Nähe in Einklang bringe. Durch seine Lage am weitesten von den Angelegenheiten des Orients entfernt, kann es sich zuletzt aussprechen und daher ohne Schwierigkeit im Zustande einer bewaffneten Neutralität behaupten, die Reiche, welche das wahre Gleichgewicht und die Ruhe Europas zu erhalten wünschen, in einen Bund vereinen, und dadurch sich an die Spitze der öffentlichen Meinung stellen, welche sich als eine wahre Macht erwiesen hat, seitdem die Völker auf die Kriege ihrer Fürsten und auf die Regierungen Einfluß gewonnen haben.

Frankreichs Neutralität wäre nur eine jämmerliche Selbsttäuschung, wenn sie nicht auf die Stärke der Bajonette gestützt würde. Ein Staat sichert seine Unabhängigkeit im Frieden nur in so weit als er im Stande ist, dieselbe durch den Krieg zu behaupten; diese Nothwendigkeit wird noch dringender in einem Augenblicke, wo Europa von einem allgemeinen Brande bedroht ist, und wo man nicht weiß, wer Freund oder Feind ist. Frankreich muß ungesäumt seinen Militär-Etat wieder herstellen im Verhältniß zu seiner Bevölkerung, seinem Reichthum, und vorzüglich im Verhältniß zu den Kräften der übrigen Mächte Europas; [14] es muß seine mobilen Truppen, seine Reserven und seine stehenden Corps für die innere Vertheidigung wieder organisiren, nach den im Auslande gegebenen und im Innern oft gelungenen Beispielen. Wenige Worte, wenige Handlungen werden hinreichen, um in Frankreich wieder jenen kriegerischen Geist zu wecken, der im Herzen aller seiner Kinder lebt. Die Würde der Krone verlangt, daß ihre Diplomaten von jenen Armeen unterstützt werden, welche ganz Europa kennt, von jenen Armeen, deren Veteranen und Conscribirte mit edlem Stolze sich auf allen Schlachtfeldern zeigen können.

Wenn die Entwürfe, mit denen wir uns beschäftigen, chimärisch und unsere Besorgnisse übertrieben sind, so ist es darum doch nicht weniger wahr, daß in dem großen Lager, das Europa heißt, der Krieg jeden Augenblick ausbrechen kann, und daß es unmöglich ist, die Resultate des ersten Kanonenschußes vorauszusehen, so wenig als die Veränderungen, welche sich, nach zwei oder drei Feldzügen, in den Allianzen ergeben möchten. Indem man die französische Armee auf einen achtbaren Fuß setzt, kann man damit noch immer leicht verbinden, was man der Sparsamkeit in den Finanzen, den Interessen des Ackerbaues und der Industrie, so wie den Rechten des Bürgers, dem Staate nur die schlechthin nothwendige Zeit zu widmen, schuldig ist. Der General Lamarque und der Obrist Marbot haben treffliche Ansichten aufgestellt über die Organisation der Militärkräfte. Ganz Frankreich muß der Vermehrung seiner Armee Beifall schenken; denn diese Armee, um stark zu werden, muß zugleich wesentlich national seyn, und vom letzten Soldaten bis zum Marschall eine ununterbrochene Kette bilden. Frankreich wird seine Unabhängigkeit und seine Freiheit durch die Organisation einer solchen Armee gesichert sehen.

Ich schließe mit einem Ausspruch, der mit etwas veränderten Worten Friedrichs II Gedanken wiederholt. Das Gleichgewicht Europas soll fortan nie gestört, das Daseyn keines Staates soll bedroht, die Würde keiner Krone, die Rechte keines Volkes sollen verletzt werden, ohne Frankreichs Einschreiten.... Die ewige Gerechtigkeit, die Wünsche der Völker, die Ehre der Mächte fordern, daß Griechenland für immer vom türkischen Joche befreit und vom fremden Einfluße unter der Bürgschaft aller Mächte unabhängig sey. Das Interesse Europas aber erheischt, daß die Türkei zwischen der Donau und der Propontis erhalten werde; es verlangt vielleicht noch mehr, um die Ruhe der Welt zu sichern.



  1. Le spectateur militaire. Man vergl. Serons-nous Russes out serons-nous Anglais? Discussion sur les affaires d’Orient dans leur rapports avec les intérêts de la France. Paris 1828.
  2. Die Entwürfe Rußlands gegen Ostindien sind keineswegs bloße Chimären. Chatarina, Napoleon, Alexander haben sich mit diesem Gedanken beschäftigt. Die Plane wurden entworfen. Die Armeen sollten sich auf der Dona, dem Don, der Wolga einschiffen, über das caspische Meere nach Asterabad setzen, von wo sie in zwei Monaten an den Ufern des Indus angekommen wären. Die Russen könnten ihre Expedition durch Escadern unterstützen, die von dem Meere von Ochotsk ausliefen, und die, um das Cap Comorin zu erreiche, blos etwas weiter als die Hälfte des Wegs zu machen hätten, welche die von den Häfen Europa’s ausgehenden Schiffe zu durchlaufen haben. Anm. des Verf.
    Ueber die Schwierigkeiten, die nach der Ansicht eines sehr unterrichteten Engländers, ein Einfall in Indien hätte, vergleiche man den in Num. 20 und den folgenden Blättern des Auslandesenthaltenen Aufsatz: „Von dem muthmaßlichen Erfolge einer Invasion in Indien“. Anm. d. Red.
  3. Slava heißt der Ruhm
  4. In den letzten Jahren überschwemmte Rußland das südliche Frankreich mit Getreide aus Odessa, und verursachte durch den niedrigen Preis desselben unserm Ackerbau einen empfindlichen Verlust. Seitdem das schwarze Meer geschlossen ist, hat sich in diesem Departement der Preis des Getreides verdoppelt, während das Korn in den südlichen Provinzen Rußlands sich aufhäufte, wo die Bevölkerung und der Anbau sich täglich vermehren. Das polnische Getreide vergrößert jetzt ebenfalls die Ausfuhr dieser Macht. Alle russischen Produkte können leicht ins schwarze Meer kommen, welches durch mehrere Kanäle mit dem ganzen Reiche und mit der Ostsee verbunden ist. Die Staatsmarine rastet jetzt unthätig in Sebastopol; wenn aber der Ausweg sich öffnet, wird man sie bald in einem blühenden Zustand sehen.
  5. M. s. den Vertrag vom 19ten Jan. 1815, welcher, (gegen die Ausbreitung Rußlands) Frankreich, Oesterreich und England verband, und sonach eine Nachahmung der Politik Choiseuls und des deutschen Reichs war.
  6. Wilson berechnet Rußlands Militärstand im Kriege auf 1,200,000 Mann; der Verfasser der Schrift „über die Militär-Kolonien,“ Robert Lyal, beschränkt ihn auf 870,000 Mann. Der Spectateur militaire hat in einem früheren Hefte neuere Nachrichten über Rußlands Militärkräfte gegeben, die indessen nur vom Friedensstand zu gelten scheinen; sie geben folgenden Bestand der russischen Armeen: Kaiserliche Garde 23,800 Mann Infanterie, 11,300 M. Cavallerie, 108 Stück Geschütz der Artillerie zu Pferd, und 72 St. der Art. zu Fuß. – Erste Armee 142,200 M. Inf., 43,680 M. Cav., 403 St. Art. zu Fuß und 208 St. Art. zu Pferd. – 2. Armee 63,000 M. Infant., 3360 M. Cav., 120 St. Art. zu Fuß, 16 St. Art. zu Pferd, und 6500 M. irreguläre Truppen. – Lithauisches Corps 35,800 M. Inf., 4560 M. Cav., 60 St. Art. zu Fuß, 28 St. zu Pf., und 2500 M. irreguläre Truppen. – Finländisches Corps 8400 M. Inf., 24 St. Art. zu Fuß, 500 M . irreg. Trup. – Corps in Georgien 28,400 M. Inf., 840 M. Kav., 48 St. Art. zu Fuß, 10,500 M. irreg. Trup. – Orenburgisches Corps 8400 M. Inf., 1000 M. irreg. Trup. – Sibirisches Corps 8400 M. Inf., 5000 M. irreg. Trp. – Die Stärke der polnischen Armee ist auf 33,500 M. in Friedenszeiten bestimmt. Hierbei wären noch die Militär-Kolonien nachzutragen, besonders ihre Cavalerie in den Gouvernements Chatherioslow und Cherson. Einige dieser Regimenter haben bis 1700 M. in der Reserve. Eine sehr wichtige Urkunde sagt: Man kann von jetzt an versichern, daß Rußland in der Ukräne einen Waffenplatz gegen die Türkei hat, der zugleich sehr drohend für Oesterreich ist. Eine der Kolonien hatte 250,000 russische Maß Getreide für die Armee angeboten, welche in die Türkei dringen sollte.
  7. Der Verfasser ist hier in offenbarem Irrthum: Ungarn ist ein ungarisches, aber kein slavisches Königreich. Der ganze herrschende und freie Theil der Nation bildet einen eigenen Völkerstamm, der sich Magiaren nennt, und in dessen Sprache keine Spur der Verwandtschaft mit der slavischen zu finden ist. Die in Ungarn wohnenden Slaven sind die Unterthanen, die Leibeigenen der Ungarn.
    Anm. d. Uebers.
  8. Ein ausführlicher Etat, den ich für authentisch halte, gibt die Streitkräfte Oesterreichs auf dem Kriegsfuß auf 624,000 Mann an, nämlich: 43 Regimenter deutsche Infanterie = 177,000 M,; – 15 Regim. ungar. Inf. = 85,000 M.; – 20 Bataillons Grenadiere = 15,000 M.; – 20 Bat. Jäger = 16,000 M.; – 19 Reg. Grenz-Inf. = 73,000 M.; – Landwehr = 80,000 M.; – ungar. Insurrection = 80,000 M.; – 14 Reg. Cuirassire und Dragoner = 14,000 M.; – 23 Reg. leichte Cavallerie = 32,000 M.; – 5 Reg. Inf. = 20,000 M.; – Militär-Fuhrwesen = 7000 M. etc. – Derselbe Etat gibt den Friedensfuß nur auf 227,000 M. an. – Mann schäzt die Landwehr, die Oesterreich aufstellen kann, auf 400,000 Mann.
  9. Aubernon, in seiner Schrift: Considérations historiques et politiques, schlägt vor, das Haus Sachsen auf den Thron von Polen zu setzen, auf welchen es durch die Constitution von 1791 berufen wurde, und Preussen durch das ihm so gelegene Sachsen zu entschädigen.
  10. Es muß hiebei bemerkt werden, daß zur Zeit, als Gneral Pelet diesen Aufsatz schrieb, der zwischen Rußland und Persien geschlossene Friede noch nicht in Paris bekannt seyn konnte.
    Der Uebersetzer.
  11. Vielleicht könnte man sich darauf beschränken, die Landenge des thrazischen Chersonesus zu öffnen, um in Kriegszeiten den Durchgang der Schiffe aus dem Meere von Marmora in den Archipelagus zu erleichtern.
  12. Ist die Wiederherstellung des griechischen Reichs möglich? Diese Frage ist schwer zu lösen. Die ganze Bevölkerung der Türkei beträgt 24 (?) Millionen Menschen, unter denen 14 Millionen Mahommedaner, 7 Millionen Griechen etc. Die Oberfläche enthält 41,000 Quadratmeilen; dabei rechnet man 591 Menschen auf die Quadratmeile. Die europäische Türkei hat 10,600,000 Einw., wovon 3,241,000 Mahommedaner, und 4,300,000 Griechen. Zieht man davon ab die Moldau, die Wallachei und einige Theile von Bulgarien, mit 1,500,000 Einw., für Rußland; Servien, Bosnien und Albanien, mit 1,500,000 Einw. für Oesterreich; Morea, den Archipel und Livadien, mit 1,600,000 Einw., für England und die Hellenen: so würden für das neue Reich ungefähr 5 Millionen Seelen bleiben, deren größere Hälfte aus Türken, folglich aus unversöhnlichen Feinden der an Knechtschaft gewöhnten Griechen bestände. In diesem vom Kriege verwüsteten Lande müßte Alles geschaffen werden, – Ackerbau, Industrie, Handel, Verwaltung, Finanzen, und vor Allem ein Volksgeist. Eine sehr mächtige Hand wäre nöthig, um diese entgegengesetzten Elemente zu vereinen und ein Reich zu gründen. Man kann nicht daran denken, seine Grenzen weit in Anatolien hinein zu tragen, weil hier die mahommendanische Bevölkerung die zahlreichere ist. Die europäischen Türken würden sich vielleicht eher dem russisschen Scepter unterwerfen, der bereits 2,524,000 mahommedanische Unterthanen zählt.
  13. Im Jahre 1722 hatte Rußland 14 Millionen Einwohner; i. J. 1742 nur erst 16 Mill.; i. J. 1762 bereits 20 Mill. Jetzt berechnen die Denkwürdigkeiten der Petersburger Akademie die jährliche Vermehrung der Bevölkerung auf 550,000 Seelen. Die Bevölkerung des ganzen russischen Reichs wird auf 59,544,000 Seelen geschätzt, nämlich 44,118,000 für das europäische Rußland; 3,702,300 für Polen und 11,713,100 für Asien und Amerika.
  14. Daß das französische Ministerium eine Reorganisation des Militärs in der Art beabsichtigt, kann nach den neuesten Verhandlungen der Deputirtenkammer keinem Zweifel mehr unterliegen.
    A. d. R.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Plane