Geschicht-Beschreibung der Stadt Wißbaden/Erste Abtheilung: Das Teutsche und Römische Wisbad
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Zweyte Abtheilung: Das Fränckische und Kayserliche Wißbad » | |||
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Daß die alte Einwohner des Teutschlandes, und also auch unserer Wißbadischen Gegend, ehedessen ihre eigene einheimische Landes-Könige und Fürsten gehabt haben, denen sie, gewisser massen, Gehorsam geleistet, das wird uns von dem Tacito G. c. 7. 11-15. und anderen alten Römischen Geschicht-Schreibern, als von welchen wir lediglich die erste Nachricht von dem [4] Zustand des ehemaligen Teutschlandes hernehmen müssen, ausdrücklich bezeuget. Es werden uns auch von diesen Geschicht-Schreibern, hier und dar in ihren Schriften, verschiedene solcher damaligen Königen und Fürsten würcklich nahmhaft gemacht. Es sind aber deren, der Zahl nach, wenige, und ihre besondere Benennung ist, nach unserm dermaligen Zweck, von keinem sonderlichen Nutzen und Nothwendigkeit. Daher wir uns auch mit nahmentlicher Anführung derselben nicht aufzuhalten haben. Diejenige alte Teutsche Könige und Fürsten aber, welche einige neuere Geschicht-Schreiber, sonderlich Aventinus in der Bayerischen Chronick, weitläuftig benennen und bechreiben, werden gar von den heutigen Gelehrten, aus gutem Grunde, größtentheils vor ungewiß und zweifelhaft gehalten. Und also haben wir um so viel weniger Ursache, derselben hier insbesondere mit Nahmen zu gedencken. Genug ist es, daß sie würcklich ihre eigene eingebohrene Herren und Landes-Vorsteher gehabt haben. Es hat sich aber dieser eigenherrische und ziemlich freye Zustand der alten Teutschen Völcker, kurz vor Christi Geburt, gar sehr geändert. Denn da haben die damalige Römer, oder Bewohner der Stadt Rom in Italien, angefangen mit ihren Kriegs-Heeren aus Gallien über den Rhein in Teutschland zu gehen, und die daselbst wohnende Teutsche Völcker, unter allerley [5] gemachtem Vorwand, zu bekriegen, auch so viel möglich gewesen, unter ihre würckliche Bottmäßigkeit zu bringen. Sie sind auch nachher, nach der Geburt Christi, unter ihren nach und nach gefolgten Kaysern, und deren Feldherren, immerzu in diesem ihrem Unternehmen fortgefahren, und haben in den Teutschen Ländern, sonderlich um den Rhein-Strom herum, sich mehr und mehr fester zu setzen, sich alles Ernstes bemühet. Es ist also von selbst gar begreiflich, daß sie auch die Gegend, wo Wißbaden gelegen, weil sie dem Rhein-Strom und der Stadt Maintz, darin sie gemeiniglich damals eine Römische Besatzung hielten, so gar nahe gewesen, bey guter Zeit unter ihre Herrschaft zu bringen, werden getrachtet haben. Und es bezeugen einige ihrer damaligen Geschicht-Schreiber würcklich, daß ihnen dieses Vornehmen ziemlicher massen gelungen sey. Denn so meldet Florus L. 4. c. 12, und Tacitus A. 1. c. 51. daß Drusus, der Stief-Sohn, und Germanicus, der Stief-Enckel des Römischen Kaysers Augusti, die Usipeter, welche, nach einiger Gelehrten Meynung, wie unten wird gezeiget werden, eben die damalige Wisibäder gewesen, bezwungen haben. Und Tacitus bezeuget G. c. 29. daß die Mattiacken, welche ebenfalls unser Wißbaden, kraft unten anzuführender Beweis-Gründen, bewohnet haben, unter dem Gehorsam der Römer gestanden [6] haben. Es werden auch diese Zeugnüsse durch die mancherley in Wißbaden gefundene, mit Römischen Aufschriften versehene Steine, welche unten sollen beschrieben werden, nachdrücklich bestätiget. Denn diese geben klärlich genug zu erkennen, daß Römische Kriegs-Leute, von welchen diese Steine ursprünglich herrühren, ehemals zur Besatzung in Wißbaden gelegen, und also dieser Ort den Römern damals würcklich zugehöret habe. Wie denn auch durch die übrige alte Römische Denckmahle in und bey Wißbaden, welche unten ausführlich werden benennet werden, dieses alles annoch weiter überflüßig bestärcket wird. Dessen nicht zu gedencken, daß diese Römer selbst eine eigene Stadt und Festung, wie bald soll gezeiget werden, dicht an das alte Teutsche Wißbad angebauet haben, und sie also, ganz ohnstreitig, würckliche Beherrscher des damaligen Wißbads gewesen sind. Wie es aber damals mit der Herrschaft der Römer in Teutschland überhaupt so beschaffen war, daß dieselbe von keiner beständigen Dauer gewesen, und sie gar manchmal von den aufrührisch-gewordenen Teutschen wieder sind ausgejaget, und über den Rhein zurück getrieben worden; so ist gar leicht zu vermuthen, daß sie dergleichen auch von den damaligen Teutschen Einwohnern des Ortes und der Gegend Wißbaden manchmal werden erfahren haben müssen. Ja es meldet Tacitus [7] H. L. 4. c. 37. ausdrücklich, daß zur Zeit des Römischen Kaysers Vitellii (ohngefähr um das Jahr Christi 70.) die vorgedachte beyde Wißbadische Völcker, die Usipeter und Mattiacken, nebst den Catten oder Chatten, (das ist, nach der damaligen Teutschen Aussprache, Hatten, oder, wie es nachher ausgesprochen worden, Hassen oder Hessen) gar über den Rhein gegangen, und die Römer selbst in der Stadt Maintz belagert, und grosse Beute gemacht hätten. Und von dergleichen mehrerern Unternehmungen der damaligen, sonderlich Rheinländischen, Teutschen gegen die Römer sind die alte Römische Geschicht-Schreiber voll. Indessen haben dennoch diese Römer, aller dergleichen öfteren Abwechselungen ihres Kriegs-Glückes ohngeachtet, ihre Herrschaft über die Teutschen, um den Rhein herum, ziemlicher massen, bis in das vierte Jahrhundert nach Christi Geburt behauptet. Um solche Zeit aber hat sich ein grosser Schwarm allerley mannhafter Teutscher Völcker, unter dem Nahmen der Allemannen, zusammen geschlagen, und hat die Römer das mehreren Theils ihrer Herrschaft über die Teutschen, sonderlich um den Mayn- und Rhein-Strom herum, nach dem Zeugnüß des damaligen Römischen Geschicht-Schreibers Ammiani, beraubet, dagegen aber einer eigenen Herrschaft über die dasige Länder sich angemasset, und eigene Könige hin und wieder [8] gesetzet. Es ist von denselben auch Wißbaden in Besitz genommen worden. Wie denn der gemeldte Geschicht-Schreiber verschiedene solche Allemannischen Königen, welche das Land gegen Maintz über, und also auch die Wißbadische Gegend, beherrschet haben, mit Nahmen nennet, nemlich den Hortar, Suomar, Mackrian, Hariobaud, Rando, H. L. 18. c. 2, L. 27, c. 9, L. 29. c. 9, L. 30. c. 4, Edit. ver. Und hält Winckelmann in seiner Heßischen Chronick P. 6. L. 2. c. 4. nicht ohne Grund, davor, daß der vorgemeldte Nahme Hariobaud, nach der Teutschen Aussprache, nichts anders sey, als: Herr im Bad, das ist: Herr im Wißbad; wie denn dieser Hariobaud ein Bruder des Mackrians gewesen, welchem Wißbaden, wie unten deutlicher wird gezeiget werden, würcklich damals zugehöret hat. Es haben auch diese Allemannen solche ihre Herrschaft in den bemeldten Landen, wiewohl unter beständigen Kriegen mit den Römern, und mancherley Abwechselungen des Kriegs-Glückes, wie auch erlittenen Ueberzügen von den Vandalen und Hunnen, fast zweyhundert Jahre lang fortgeführet und erhalten. Bis sie endlich, nicht gar lange vor dem Jahr Christi 500. von den Francken, gegen welche sie sich viele Jahre hindurch tapfer vertheidiget, sind bezwungen, und ihrer Länder, folglich also auch der Wißbadischen Gegenden, [9] völlig sind beraubet worden, wie solches in der folgenden zweyten Abtheilung mit mehrerem wird berichtet und bestätiget werden. Und so ist denn aus denen bisher angeführten Zeugnüssen verschiedener Geschicht-Schreiber, und mehr andern gemeldten Beweis-Gründen, ziemlich deutlich zu ersehen, daß Wißbaden ohngefähr, kurtz vor der Zeit der Geburt Christi an, bis gegen das Jahr Christi 500. theils von einheimischen Teutschen, theils von auswärtigen Römischen Herren, wechselsweise ist beherrschet worden, und folglich also nicht ohne Grund, in diesem Zeitlauf, das Teutsche und Römische Wißbad von uns benennet werde.
Daß die alte Teutschen solche ansehnliche Städte und Flecken, wie sie bey den Römern und andern wohlbelebten Völckern schon vormals gewöhnlich waren, sollten angeleget und erbauet haben, das wird von dem Tacito G. c. 16. verneinet. Denn ihre gantze Lebens-Art, und also auch ihre Bau-Art, war schlecht und kurtz begriffen. Sie haben
[10] aber dennoch ihre Städte, oder vielmehr Flecken, nach ihrer Teutschen Art, gehabt. Und Tacitus selbst, wie auch andere Römische Geschicht- und Erd-Beschreiber machen uns deren nicht wenige in ihren Schriften nahmhaft. Absonderlich haben sie sich gar gerne an solchen Orten angebauet, welcher mit besonderen Vorzügen der Natur, vor andern, begabet gewesen; weil sie, nach dem Bericht des Taciti A. 13. c. 57. geglaubet, die Götter wären in solchen Gegenden näher, als in andern, und könnten also das Gebät der Menschen daselbst eher hören, als an andern Orten. Da nun Wißbaden ein solcher Ort ist, welcher, wegen des daselbst hervor quillenden warmen Gesund-Wassers, einen gar nahmhaften Vorzug vor manchen andern Gegenden des Teutschlandes behaupten kan, als ist ziemlich sicher zu vermuthen, daß solcher in Zeiten, von denen in die dasige Gegend gekommenen alten Teutschen Völckern, werde seyn wohnhaft gemacht worden. Wenn aber, oder, zu welcher Zeit eigentlich solches geschehen sey? das ist unmöglich zu sagen. Denn die alte Teutschen haben, wie Tacitus G. c. 2. und 19. meldet, keine Schriften gekennet, noch Bücher gehabt, dadurch sie das Andencken von dergleichen Dingen auf die Nachkommene haben übertragen und fortpflantzen können. Die alte Römer aber, denen es am Können und Wollen, etwas schriftlich
[11] aufzuzeichnen, nicht gefehlet, haben zwar, als sie, kurtz vor Christi Geburt, in Teutschland gekommen, eine und die andere Nachricht von der damaligen Beschaffenheit des Teutschlandes eingezogen, und ihre Geschicht-Schreiber haben solche, theils in lateinischer, theils in griechischer Sprache, schriftlich verfasset, und diese ihre Schriften sind auch bis auf unsere Zeiten, wiewohl nur zum Theil, und dabey in vielen Stücken sehr verstümmelt und unvollkommen, erhalten worden. Allein sie geben uns in denselben nur bloß allein davon einige Nachricht, was die Römer damals vor Völcker und Oerter in Teutschland angetroffen haben; von der ersten Anrichtung und Erbauung aber solcher Oerter geben sie uns keine Nachricht, und haben auch solche nicht wohl geben können, weil sie keine bey den Teutschen selber, als den eigentlichen Einwohnern des Landes, vorgefunden haben. Wir müssen also, wenn wir die erste und älteste Nachricht von einem Ort in Teutschland, davon wir vermuthen, daß derselbe sehr alt seyn müsse, haben wollen, uns bloß allein damit befriedigen lassen, daß wir forschen können: ob die Römer solchen Ort, um die gemeldte Zeit, allschon würcklich darin angetroffen haben, oder nicht? Und wenn wir denn also bey ihnen hinlängliche Nachricht finden, daß sie solchen würcklich damals angetroffen haben, so haben wir von
[12] dem Alterthum eines solchen Ortes schon Zeugnüsses genug, ob wir gleich von der eigentlichen Zeit und den übrigen Umständen seiner Erbauung keine Nachricht erlangen können. So ist, z. E. wenn man fraget: zu welcher Zeit die benachbarte sehr alte Stadt Maintz (welche zwar wohl eigentlich in dem gantz alten Gallien gelegen, doch aber die ehemalige Gräntzen des Teutschlandes gar genau berühret hat) erbauet worden? bey den ältesten Römischen Geschicht-Schreibern keine weitere Nachricht hiervon zu finden, als daß solche Stadt damals, als die Römer, um die Zeit der Geburt Christi, an den Rhein-Strom gekommen, schon vorhanden gewesen sey; (wie sie denn derselben mit Nahmen gedencken) von der eigentlichen Zeit aber und den übrigen Umständen ihrer Erbauung ist bey solchen Geschicht-Schreibern keine Nachricht zu finden, weil ihnen, als Frembdlingen, keine bekannt gewesen, und die eingebohrene Einwohner des Landes ihnen keine, weil sie keine gewußt, ertheilet haben. Eben so verhält sichs mit Wißbaden. Und wenn wir also nun in dieser Absicht uns in den gemeldten Schriften der alten Römischen Geschicht-Schreiber umsehen, und nachforschen: ob sie etwan auch einige Meldung thun, daß ihre Landes-Leute, die Römer, bey ihrer ersten, kurtz vor Christi Geburt geschehenen Ankunft in Teutschland, unser Wißbad allschon
[13] würcklich vorgefunden haben? so sind allerdings bey ihnen solche Nachrichten zu finden, daraus ziemlich deutlich (so viel nemlich solche alte und frebmde Schriften Deutlichkeit haben) abzunehmen ist, daß dieser Ort damals würcklich allschon vorhanden, und ein angebaueter Bad-Ort gewesen sey. Ihre Zeugnüsse davon sind diese: Erstlich gedencken die Römische Geschicht-Schreiber, welche kurtz vor, und bald nach der Geburt Christi gelebet: Caesar B. G. L. 4. c. 1, Florus L. 4. c. 12, Tacitus A. L. 1. c. 51. L. 13. c. 55. etc. daß sich damals ein besonderes Volck in Teutschland befunden habe, welches Usipeter und Usipier genennet worden. Und der damalige Erd-Beschreiber Ptolemaeus thut G. L. 2. c. 11. eines Teutschen Volckes, welches er Visper nennet, und einer Teutschen Stadt oder Fleckens, welchen er Usbium oder Visbium nennet, Meldung. Diese Völcker halten verschiedene grosse Kenner der Teutschen Alterthümer, nahmentlich: Spangenberg in der Sächsischen Chronick p. 55. Winckelmann in der Heßischen Chron. p. 124. 128. 129. Hert in Notit. vet. Germ. Pop. p. 85. Juncker in der Geogr. der mittl. Zeit p. 123. Eckard in Dissert. de Apoll. Gr.&Mog. p. 10. etc. vor die alte Wisibäder; und den Ort Usbium oder Visbium (dessen auch in des Plinii Hist. Nat. L. 9. c. 15. laut einigen Ausgaben desselben gedacht wird) hält Irenicus
[14] in der Exeg. Germ. p. 418. vor das alte Wißbaden. Ihre Gründe von solcher Muthmassung sind diese: Erstlich, sagen sie, ist die Gleichheit des Nahmens, bey dieser Sache, gar zu offenbar. Denn die Griechen und Lateiner haben in ihrer Sprache, bekannter massen, unter ihren Buchstaben kein W gehabt, sondern haben, an statt desselben, gemeiniglich sich des Buchstabens U oder V bedienet; folglich haben also die damalige Römer das, was die Teutschen Wisibäder genennet, durch Usibäder, Usipeter, oder kürtzer, durch Usipier und Visper, den Ort Wißbaden aber durch Usbium oder Visbium ausgesprochen. Zweytens, sagen sie, ist aus diesen gemeldten Römischen Geschicht-Schreibern deutlich genug zu ersehen, daß diese Völcker, nemlich die Usipeter, nahe bey den Catten oder heutigen Hessen, und nahe bey dem Rhein gewohnet haben. Denn es meldet Caesar l. c. daß die Usipeter von den benachbarten Sueven (darunter er, wie Cellarius über diesen Caesar B. G. L. 1. c. 37. anmercket, und es den Gelehrten ohnehin nicht unbekannt ist, hauptsächlich die Catten begreifet) hart seyn gedränget worden. Und Florus berichtet l. c. deutlich, daß der Römische Feldherr Drusus bey seinem ersten Kriegs-Zug in Teutschland (welcher gantz vermuthlich von Maintz aus, als woselbst er, wie die beste Ausgaben des Flori l. c. lesen, eine Brücke
[15] über den Rhein errichtet hat, unternommen worden) zuerst die Usipeter, so denn die Tenchrerer (Mayn-Länder) und Catten (Hessen) angetroffen und bezwungen habe. Und Tacitus bezeuget G. c. 32. ausdrücklich, daß diese Usipeter zwischen den Catten und dem Rhein gewohnet haben; welches alles, wenn man es zusammen nimmt, auf die Wißbadische Gegend ziemlich genau, und fast ohnstreitig, eintrift. Soll man also nunmehr sagen, was von diesen vorgegebenen Beweis-Gründen zu halten ist? so muß man freylich, ohne vieles Bedencken, frey bekennen, daß dieselbe von keiner geringen Wichtigkeit seyen, und es also allerdings zu vermuthen sey, daß einige Teutsche Völcker ehemals die Wißbadische warme Brunnen in einer Wiesen-Gegend angetroffen, und sich daselbst angebauet, auch daher der Ort Wisebaden, sie selbst aber Wisebäder, oder, nach Römischer Mund-Art, Usibäder, Usipeter, Usipier und Visper seyen benennet worden. Doch es äussert sich hierbey eine nahmhafte Schwierigkeit. Nemlich es lehren die bald anzuführende Zeugnüsse einiger alten Römischen Geschicht-Schreiber gar deutlich, daß zu eben der Zeit, da die vorgedachte Usipeter vorhanden gewesen, ein Teutsches Volck, Nahmens Mattiacken, das alte Wißbad bewohnet und benennet habe. Folglich stehet also schwer zu begreiffen, wie
[16] solches zu eben solcher Zeit von den Usipetern habe geschehen können? Allein es ist diese Schwierigkeit annoch gar wohl zu heben. Nemlich man kan aus den oftgemeldten Römischen Geschicht-Schreibern, sonderlich aus dem Tacito, gar deutlich ersehen, daß nicht nur die damalige verschiedene Teutsche Völcker öfters freywillig ihre Wohn-Stätten verändert, H. 4. c. 73. etc. sondern sich auch einander nicht selten vorsetzlich in den Haaren gelegen, und eines das andere aus seinem Wohn-Sitz mit Gewalt vertrieben habe, G. c. 33. etc. Folglich kan es also gar wohl geschehen seyn, daß die Mattiacken die Usipeter aus ihrem Wißbad heraus gejaget, und sich dasselbe zugeeignet, auch demselben, nach ihrer besonderen Sprach-Art, einen andern Nahmen, nemlich Matten-Bad oder Mattenack (davon unten weiterer Bericht folget) gegeben haben. Da denn vermuthlich die alten Usibäder oder Wisibäder sich Seit-wärts gezogen, und der Mattiacken Nachbarn geblieben sind, auch, weil sie einmahl Einwohner des Wiesenbads gewesen waren, den Nahmen der Wisibäder oder Usibäder fernerhin, nebst allen denjenigen, die sich zu ihnen geschlagen, behalten haben. Und diese Muthmassung wird durch das würckliche Zeugnüß des Caesars sehr bestätiget. Denn er meldet 1. c. ausdrücklich, daß schon zu seiner Zeit, das ist, ohngefähr 50. Jahre vor Christi Geburt, die Usipeter von
[17] den Sueven oder Catten (von welchen die Mattiacken, wie unten wird berichtet werden, herkommen) so heftig seyen angefeindet worden, daß ein guter Theil derselben seine alte Wohnstätten verlassen, und sich nach dem Unter-Rhein gewendet hätte. Und hat es also aus diesem Grunde gar wohl seyn können, daß zu gleicher Zeit Usibäder und Mattenbäder, das ist, alte und neue Wißbäder haben vorhanden seyn können. Doch, es sind verschiedene gelehrte Forscher der Teutschen Alterthümer, welche zwar durch die gar zu offenbare Gleichheit des Nahmens Usipeter und Wisibäder sich fast gedrungen finden, diese Völcker in dem alten Wißbad zu suchen, bald aber auch, wegen der obgemeldten Schwierigkeit, wieder etwas wanckend werden, und fast lieber den Nahmen der Usipeter von dem Flüßlein Us, in der Wetterau, herleiten, auch dieselbe Gegend zu ihrem eigentlichen Wohn-Sitz bestimmen. Wiewohl auch wieder andere (wie denn bey dergleichen alten Völcker-Nahmen die Gelehrten, nicht selten, gantz verschiedene Meynungen zu haben pflegen) sich finden, welche sie lieber ursprünglich in den Unter-Rheinischen Landes-Gegenden suchen wollen. Man kan mehrere Nachricht von diesen mancherley Meynungen der Gelehrten, wegen dieser Usipeter, in des Bernhards Wetterauischen Alterthümern p. 19- finden, und hat der Leser Freyheit diese
[18] verschiedene Muthmassungen solcher Gelehrten selber bestens zu prüfen, und diejenige, welche ihm, die wahrscheinlichste zu seyn düncket, zu erwählen. Zweytens finden sich bey den alten Römischen Schrift-Stellern, Plinio und Ammiano, einige Nachrichten daraus noch weiter ziemlich deutlich abzunehmen ist, daß Wißbaden, um die Zeit, als die Römer in Teutschland gekommen, schon ein angebaueter Bad Ort gewesen sey. Der erste schreibet in seiner Natur-Geschichte L. 31. c. 2. ohngefähr 70. Jahre nach Christi Geburt, also: „Sunt et Mattiaci in Germania fontes calidi, tran Rhenum, quorum haustus triduo fervet. Circa margines, vero pumicem faciunt aquae.“ Das ist: Es giebt auch bey den Mattiacken in Teutschland, jenseits des Rheins, heisse Brunnen, deren geschöpftes Wasser drey Tage lang warm bleibet. Um den Rand aber leget es einen Bims- oder Sandstein an. Daß durch diese heisse Brunnen der Mattiacken keine andere, als die Wißbadische warme Gesund-Brunnen, verstanden werden, solches wird klar erhellen, wenn wir darthun, daß diese Mattiacken in keiner andern Gegend, als um Wißbaden herum, gewohnet haben. Wir beweisen solches aus folgenden Gründen: Erstlich setzet der gedachte Plinius l. c. diese Mattiacken trans, und Tacitus G. c. 29. ultra Rhenum, das ist, jenseits des Rheins, auf Teutschlandes Grund und Boden. Denn den Römern
[19] hieß die rechte Seite des Rheins, welche das ehemalige Teutschland berührete, jenseits, weil sie ausser ihrem damaligen Gebiete lag. Die lincke Seite des Rheins aber, welche das ehemalige Gallien berührte, hieß ihnen, disseits, weil sie zu ihrem damaligen Gebiete gehörete. Man kan also, nach diesem Grunde, die Mattiacken unmöglich, die doch einige thun, in Seeland setzen, denn solches Land lag den Römern nicht jenseits, sondern disseits des Rheins, auf Gallischem Grund und Boden. Zweytens setzet Tacitus diese Völcker nahe an den Rhein. Denn er saget l. c. sie hätten an ihrem Ufer, nemlich des Rheins, sich eingeschränckt gehalten, und gegen die Römer freundschaftlich bezeiget. Es gehen also diejenige fehl, welche diese Völcker tief in dem inneren Teutschland suchen. Drittens giebt der mehrgemeldte Tacitus H. L. 4. c. 37. nicht undeutlich zu verstehen, daß diese Mattiacken ihre Wohnstätten nahe um die Cattische, das ist, die Heßische, Landes-Gegenden gehabt hätten. Denn er saget daselbst, wie bereits oben berühret worden, daß sie, zur Zeit des Römischen Kaysers Vitellii, nebst den Usipetern und Catten, einen gemeinschaftlichen Aufstand gegen die Römer erreget, und so gar die, denenselben zugehörig-gewesene, Stadt Maintz belagert hätten. Wie hätten Sie aber solches, nach der damaligen Verfassung des Teutschlandes, da die verschiedene Völcker desselben selten eins waren,
[20] füglich thun können, wenn sie nicht nahe bey einander gewohnet hätten. Folglich fällt also auch das Vorgegeben derjenigen weg, welche diese Völcker in die heutige Marck-Grafschaft Baden setzen, denn solches Land war allzuweit von der Heßischen Landes-Gegend entfernet. Viertens, muß man denn endlich, nachdem man diese Völcker bis um die Rheinische und Heßischer Landes-Gegenden herum aufgespüret, solche weiterhin und nahmentlich daselbst an einem solchen Orte suchen, wo, nach dem angeführten Zeugnüß des Plinii, sehr heisse Brunnen sind. Diese sind aber, in der gemeldten Gegend, nirgends anderstwo anzutreffen, als in Wißbaden. Denn obgleich das Embser- und Schlangen-Bad, wo ebenfalls warme Brunnen sind, auch in dieser Gegend liegen, so besitzen sie doch die sehr grosse Hitze nicht, welche Plinius von den Mattiackischen warmen Brunnen bezeuget, und können also durch dieselbe keinesweges verstanden werden. Zwar wollen einige annoch um deßwillen einen Anstand nehmen, dieses Zeugnüß des Plinii auf die Wißbadische warme Brunnen zu deuten, weil er von den Brunnen der Mattiacken l. c. bezeuget, daß ihr haustus, oder geschöpftes Wasser drey Tage lang warm bleibe, welches aber bey dem Wißbadischen warmen Wasser sich nicht also befindet. Allein es dienet hierauf zur Antwort: Erstlich, daß man eben nicht nöthig habe, die Worte des Plinii:
[21] drey Tage lang, in ihrer äussersten oder strengesten Bedeutung zu nehmen, weil Plinius, wie den Gelehrten bekannt ist, den Fehler hat, daß er, in seinen Beschreibungen der mancherley Seltenheiten der Natur, sich öfters allzu leichtglaubig bezeiget, und eine Sache mehrmalen grösser machet, als sie würcklich ist. Ja, es scheinet, daß er, bey Benennung dieser drey-tägigen Hitze welche er den gedachten Brunnen beyleget, fast selber stutzig worden. Denn er setzet sogleich diese Worte hinzu: So aber jemanden eines oder das andere, von diesen Dingen, als unglaublich vorkommen sollte, der wisse, daß in keinem Theil der Natur grössere Wunder zu finden seyen, als bey dergleichen heissen Brunnen. Zweytens, so kommt es hierbey auch noch vornemlich darauf an, daß man wisse, wie man das Wort: haustus, oder geschöpftes Wasser, eigentlich verstehen solle? Verstehet man es also, daß man dieses heisse Wasser in ein kleines offenes Gefässe schöpfet, und an die freye Luft stellet, so wird wohl nicht allein das Wißbadische warme Wasser nicht, sondern auch kein anderes heisses Wasser auf der gantzen Erde, von solcher Hitze seyn, daß es nur drey Stunden, geschweige drey Tage lang, solche seine Hitze, auf diese Art, behalten könne. Verstehet man es aber also, daß man dieses heisse Wasser behend aus seiner Quelle in ein grosses
[22] Gefässe z. E. in ein zwey- oder drey-öhmigtes Spund-Faß füllet, und es wohl zugespündet und verwahret, so wird solches allerdings, zumal bey warmen Sommer Tagen, seine Hitze zwey bis drey Tage lang würcklich behalten. Und erzehlet Weber in seiner Teutschen Beschreibung des Wißbads p. 34. daß, wenn ehemals der Graf Ludwig von Nassau-Saarbrücken das Wißbadische warme Wasser, auf solche Art, habe nach Weilburg bringen lassen, solches annoch so heiß daselbst, ob dieser Ort gleich über 6. Meilen weit von Wißbaden entfernet ist, angekommen sey, daß gedachter Herr nicht eher darin habe baden können, bis man es erst vorher noch einige Zeit lang in etwas habe verkühlen lassen. Und da dergleichen Schöpfen und Wegführen des Wißbadischen warmen Wassers vermuthlich auch ehemals, zu der Römer Zeiten, gleichwie es jetzo zuweilen fast täglich geschicht, wird gewöhnlich gewesen seyn, so ist es gantz glaublich, daß Plinius in den oft-gemeldten Worten ein solches Schöpfen verstanden, und also sein Zeugnüß von der drey-tägigen Hitze des Wißbadischen warmen Wassers keine sonderliche Unrichtigkeit in sich habe. Wiewohl es überhaupt vor das Wißbadische warme Wasser, wegen dieses Zeugnüsses des Plinii, schon genug ist, daß es, zumal in seiner grossen Haupt-Quelle, fast denjenigen hohen Grad der Hitze besitzet, den ein rechtheisses Wasser irgend haben kan. Denn es
[23] scheinet würklich fast kochend oder siedend zu seyn, weil es diejenige Würckungen äussert, welche ein kochend- oder siedend-gemachtes Wasser ordentlich zu äussern pfleget; wie davon unten, in Beschreibung der Natur-Seltenheiten des Wißbads, ausführlicher wird gehandelt werden. Was auch endlich noch den Pumicem, Bims- oder Sandstein, welchen Plinius den Mattiackischen Brunnen zuschreibet, anbelanget, so ist solcher so reichlich und überflüßig in unserm Wißbad anzutreffen, daß ihm hierin keines von den obgemeldten andern, in unserer Gegend sich findenden, Bädern wird beykommen können; wie die Wahrheit dessen, durch den Augenschein selbst, sich jedermann offenbaret. Man nennet in Wißbaden diesen Pumicem oder Sandstein in den Bädern, von alten Zeiten her, den Senner oder Sender, welcher Nahme gantz vermuthlich, seinem Ursprung nach, nichts anders ist, als Sänder, Sänderich oder sandiger Stein. Der andere alte Römische Geschicht-Schreiber, welcher, nebst dem bisher angeführten Plinio, des alten Wißbads gedencket, ist der oben benennte Ammianus. Dieser meldet (ohngefähr um das Jahr Christi 371.) H. L. 29. c. 9. daß der Römische Kayser Valentinian damals mit seinem Kriegs-Volk aus Gallien über den Rhein in Teutschland gesetzet, um den Allemannischen König Mackrian, welcher sich in den Aquis
[24] Mattiacis oder Matten-Bad aufgehalten, zu überfallen. Als aber solcher in Zeiten davon geflüchtet, so habe er aus Zorn dieselbe gantze Gegend verwüstet, und sey die Verwüstung so groß gewesen, daß der neue König Fraomar, den er diesen Allemannen (welche die Bucinobanter, das ist, nach der Teutschen Aussprache, die Buchhaaner, von den Buchhaynen oder Haanen, die sie auf dem Berge Taunus oder dem Hayn bewohnet, sind benennet worden) gegeben, nicht habe im Lande bleiben können. Daß durch diese Aquas Mattiacas oder Matten-Bad abermal kein anderer Ort, als das alte Wißbad, verstanden werde, das siehet man gar deutlich aus dem, was dieser Geschicht–Schreiber bald hierauf weiter meldet. Nemlich, er setzet hinzu: dieses verwüstete Land habe gelegen contra Moguntiacum, das ist, gegen Maintz über. Und L. 30. c. 4. gedencket er, daß, als der vorbenennte König Mackrian wieder herbey in sein Land gekommen, mit dem Kayser Valentinian Friede zu machen, solches geschehen sey prope Moguntiacum ad ipsam marginem Rheni, das ist, nahe bey Maintz an dem Ufer des Rheins, auf Teutschem Grund und Boden. Aus welchem allen, wenn man es zusammen nimmt, ziemlich deutlich und überzeugend, so viel nemlich bey den kurtzen und dunckelen Nachrichten solcher alten Schrift-Steller möglich ist, erhellet, daß man diese
[25] oft-gemeldte Mattiackische Brunnen und Bäder an keinem andern Orte, als in unserm Wißbad, zu suchen habe. Und eben dieses alles hat die meisten gelehrten Forscher der Teutschen Alterthümer bewogen, daß sie in ihren öffentlichen Schriften, ohne allen Anstand, und gleichsam einhellig, diese Aquas Mattiacas vor das alte Wißbad erklärt haben, z. E. Willich und Beuther in ihren Anmerckungen über den Tacitum G. c. 29. Cluver in Germ. Antiq. p. 519. Winckelmann in der Heßischen Chron. p. 73. etc. Fürstenberg in Monum. Paderb. p. 246. Cellarius in Geogr. Antiq. T. I. p. 474. Hert in Notit. vet. G. P. p. 81. Juncker in der Geogr. der mittl. Zeit p 105. Spener in Notit. Germ. Antiq. p. 217. Bernhard in den Wetterauischen Alterth. p. 88. etc. wie man solche ihre Zeugnüsse davon, dem völligen Inhalt nach, kan angeführet finden in des Verfassers Merckw. der Stadt Wißb. P. 1. p. 18, P. 2. p. 14. Und sind sonderlich unter denselben des gründlichgelehrten Geographi Cellarii Worte, vor andern, sehr merckwürdig, als welcher l. c. also schreibet: Mattiacae Aquae sunt omnium consensu Thermae Wisbadenses, e regione Moguntiaci. Das ist: Die Mattiackische warme Brunnen sind nach dem einstimmigen Urtheil aller (gründlichen Kenner der Teutschen Alterthümer) die Bäder zu Wißbaden, gegen Maintz über. Daß aber übrigens durch die,
[26] bey denen vorgemeldten Römischen Geschicht-Schreibern, Plinio und Ammiano, vorgekommene Worte: Fons und Aqua, das ist: Brunn und Bad, keine blosse Brunnen und Bäder im freyen Felde, sondern ein angebaueter und bewohnter Bad-Ort angedeutet werde, das brauchet bey denen, welche die Sprach-Art der alten Römischen oder lateinischen Schrift-Steller verstehen, keines besondern Beweises. Denn die wissen, daß, wenn bey solchen Schrift-Stellern z. E. die Fontes Belleni, Aquae Sextiae, Gratianae etc. vorkommen, solche keine blosse unbewohnte Bad-Gegenden, sondern angebauete und bewohnte Gesund-Brunnen und Bad-Oerter gewesen seyen. Und wird also ein gleiches eben auch von unsern Fontibus und Aquis Mattiacis oder Matten-Bad, aus diesem Grunde, ohnstreitig gelten müssen, folglich also daraus hinlänglich genug erhellen, daß Wißbaden, als die alte Römer, um die Zeit der Geburt Christi hin, in die Rheinländische Gegenden gekommen, allschon ein angebaueter und bewohnter Bad-Ort oder Teutscher Flecken gewesen sey. Es ist hierbey noch mit wenigem anzumercken, daß auch Tacitus A. l. c. 56, und Ptolomaeus G. L. II. c. 11. eines alten Teutschen Ortes Nahmens Mattium und Mattiacum, Meldungen thun, und es ist sehr wahrscheinlich, daß wenigstens durch den letzten, wo nicht auch durch den ersten, unsere Aquae
[27] Mattiacae oder altes Teutsches Mattenbad bedeutet werden. Man darf aber, wenn man dieses vor gegründet hält, den oben die gemeldten bey dem Ptolomaeo gleichfalls vorkommenden, Teutschen Ort Usbium nicht vor unser altes Wißbad halten, denn Usbium und Mattiackum sind bey ihm zwey unterschiedene Oerter. Oder man muß vermuthen, daß etwan Ptolomaeus irriger Weise zwey Oerter daraus gemachet hätte, da es doch nur zwey Nahmen eines Ortes gewesen, nemlich Wiesenbad und Mattenbad; welches denn auch, weil die alte Römische Schrift-Steller, bekanntlich, nicht allezeit die gehörige Kundschaft von der eigentlichen Beschaffenheit des Teutschlandes gehabt haben, sich leichtlich hat eräugnen können.
Es haben aber die gemeldte, in Teutschland gekommene, Römer, als sie sich vorgenommen, sich darinen fest zu setzen, und daher allerley Städte und Festungen, nach Römischer Art hin und wieder in demselben, sonderlich um den Rhein-Strom herum, zu errichten angefangen, annoch dicht bey unser Teutsches Wißbad eine besondere Römische Stadt und Festung angeleget und erbauet. Der Beweis hiervon ist dieser: 1, Es findet sich mitten in Wißbaden eine sehr alte ansehnliche Mauer, welche, von alten Zeiten her, die Heidnische Mauer genennet wird, und also, kraft dieses Nahmens, aus der alten [28] Heiden Zeit annoch herrühret. Sie wird unten ausführlich beschrieben werden. 2, Diese Mauer ist ohnstreitig eine Stadt- oder Ring-Mauer gewesen, welche das ehemalige Wißbaden umringet und verwahret hat. Denn sie ist in und bey der Stadt befindlich, und man kan nicht absehen, zu was Ende sie bey der Stadt sollte seyn errichtet worden, wenn sie nicht derselben zu einer Ring-Mauer gedienet hätte. 3, Sie scheidet die Bad-Gegend und den übrigen Theil des Wißbads gar kenntlich von einander. 4, Sie hat aber nicht die Bad-Gegend oder den alten Teutschen Bad-Ort des Wißbads, sondern den übrigen Theil desselben umgeben. Es ist zwar nur ein einfaches Stück dieser Mauer gegenwärtig vorhanden, und da der gegenseitige Umfang derselben (welcher doch nothwendig ehedessen ebenfalls muß vorhanden gewesen seyn, und die Stadt völlig umringet haben) heut zu Tage fehlet, so könnte man in einen Zweifel gerathen, ob die Stadt, welche diese Mauer umgeben, auf dieser oder jener Seite der Mauer gelegen habe, und also entweder der alte Bad-Ort, oder aber der anderweitige Theil des Wißbads von dieser Mauer umgeben worden wäre? Allein es sind deutliche Anzeigungen vorhanden, daraus man klärlich siehet, daß diese Mauer nicht den Bad-Ort, sondern den übrigen dabey liegenden Theil des Wißbads umgeben habe. [29] Es finden sich nemlich in dieser Mauer einige alte Thürne, welche von alten Zeiten her Kessel (Castella) genennet werden. Einer derselben stehet auf dem sogenannten Heidnischen Berge, der andere in der sogenannten Metzger-Gasse. Diese alte Thürne sind auf derjenigen Seite der Mauer, welche den Bad-Ort oder die Bad-Gegend des Wißbads berühret, an die Mauer angeschlossen, nemlich also:
Heidnische ▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄ Mauer
Kessel oder Thürne.
Bad-Gegend des Wißbads.
Dieses giebet eine klare Anzeige, daß diese Seite der Mauer, wo diese Thürne angeschlossen stehen, die äussere Seite der Stadt-Mauer gewesen sey, und also folglich die Stadt selber, welche von dieser Mauer umschlossen worden, nicht inner- sondern ausserhalb der Bad-Gegend gelegen habe. Denn dergleichen Anschluß-Thürne haben ihren ordentlichen Stand nicht in- sondern aus-wendig an den Mauern. Die Exempel vieler hin und wieder annoch zu sehender alten Stadt-Mauern, daran ordentlicher Weise daran befindliche Thürne jedesmal auswärts an den Mauern angeschlossen stehen,
[30] und auch, der abgezweckten Vertheidigung wegen, auswärts haben stehen müssen, lassen uns an der Wahrheit dieser Sache, die ohnehin von allen Mauer-Verständigen bestätiget wird, gar nicht zweifeln. Es sind dergleichen äussere Thürne auch in den neueren Stadt-Mauern, und selbst in der neuen Wißbadischen, hier und dar zu sehen, und werden dieselbe insgemein Rundele genannt. 5, Diese Mauer, welche, wie man aus den überbliebenen Stücken derselben abnehmen kan, sehr groß und starck gewesen, ist kein Werck der alten Teutschen, sondern der alten, in Teutschland ehemals angekommenen, Römer. Es wird solches unten, in der Beschreibung dieser Mauer, ausführlich bewiesen werden. 6, Folglich ist also auch die Stadt selber, welche diese Mauer umschlossen hat, nicht von den Teutschen, sondern von den Römern erbauet worden. Denn es ist leicht zu erachten, daß diese grosse und starcke Mauer nicht um deßwillen werde seyn errichtet worden, daß sie einige schlechte Häuser oder vielmehr leimerne Hütten (dergleichen sich in dem alten Teutschen Wißbad, wie in allen andern Flecken der alten Teutschen, nach dem Zeugnüß des Taciti G. c. 16. werden befunden haben) habe umgeben sollen. Sondern es ist gantz sicher zu schliessen, daß sie um solcher Wohnungen und Gebäude willen, welche einige Gleichförmigkeit mit der
[31] ansehnlichen Ring-Mauer gehabt, und derselben werth gewesen, erbauet worden sey. Dergleichen ansehnliche Wohnungen und Gebäude aber haben die alte Teutschen, nach dem eben angeführten Bericht des Taciti, nicht gehabt, sondern die Römer. Man siehet aus diesem allen so viel, daß die Römer, bey ihrer Ankunft in unserer Gegend, allschon die eigentliche Bad-Gegend des Wißbads angebauet gefunden haben, denn sonst würden sie dieselbe, wegen ihrer warmen Bad-Quellen, gantz vermuthlich, mit in ihre Ring-Mauer eingeschlossen, und selber angebauet haben. Sie haben auch diesen alten Bad-Ort, aller Wahrscheinlichkeit nach, eben wegen seiner nützlichen Bäder, in seinem Wesen gelassen, und den einländischen Teutschen, solchen ferner zu bewohnen, verstattet. Sie haben aber neben diesen alten Bad-Ort eine besondere neue Stadt und Festung, nach ihrer Römischen Art, erbauet, und sich derselben, als einer Cidatelle oder Burg gegen die Teutsche Anwohner (welche, weil sich bey den Bädern gemeiniglich vielerley Volck versammlet, gar leicht zu Meuterey und Aufstand hätten veranlasset werden können) bedienet. Wenn, oder zu welcher Zeit eigentlich dieses Römische Wißbad errichtet worden sey? das lässet sich zwar so genau nicht bestimmen. Weil aber doch, wie unten wird gezeiget werden, vormals unter denen, in Wißbaden
[32] befindlich-gewesenen, Römischen Stein-Aufschriften auch eine sich befunden hat, welche, wie man aus einigen guten Gründen urtheilen kan, zu den Zeiten des Römischen Kaysers Augusti ist errichtet worden, so wird es sehr wahrscheinlich, daß die Römer allschon um solche Zeit sich in Wißbaden angebauet haben. Wie denn aus dem Römischen Geschicht-Schreiber Floro L. 4. c. 12. bekannt ist, daß der Feldherr dieses Kaysers, Drusus, nicht nur in Teutschland sich sehr ausgebreitet, sondern auch über 50. Festungen, um die Ufer des Rheins herum, angeleget habe. Und von solchen Festungen scheinet unser Römisches Wißbad eine gewesen, und also um solche Zeit angeleget worden zu seyn. Es wird dieses alles, was bisher von der vermuthlichen Erbauung des Teutschen und Römischen Wißbads ist gemeldet worden, durch die, in dem folgenden annoch vorkommende, weitere Nachrichten immer mehr und mehr klärer gemacht und bestätiget werden.
Wenn die Muthmassung einiger Gelehrten von den alten Usipetern, in Absicht auf [33] unser Wißbad, wie wir solche kurtz vorher angeführet haben, Grund hat, so sind die erste und älteste Einwohner desselben keine andere gewesen, als eben diese alte Teutsche Völcker, welche auf Teutsch Wisebäder, auf Römisch aber Usibäder oder Usipeter sind genennet worden, und welche also diesen Nahmen von den Bad-Quellen selber, welche sie in einem Wiesen-Grunde gefunden und angebauet, erhalten, solche Benennung aber hernach auf alle diejenige, welche sich in der dasigen Gegend zu ihnen geschlagen, ausgebreitet haben. Und kan man von ihnen bey den Römischen Geschicht-Schreibern, Caesare und Tacito etc. verschiedene merckwürdige Nachrichten antreffen. Sie müssen aber, wenn diese Vermuthung gegründet ist, nachmals von einem andern Teutschen Volcke, welches Mattiacken genennet wird, aus diesem ihrem Bad-Ort vertrieben, und Seit-wärts seyn gejaget worden. Denn daß diese Mattiacken solchen, in den Mittel-Rheinischen Gegenden befindlich-gewesenen, und mit sehr heissen Quellen versehenen Bad-Ort, das ist, Wißbaden, würcklich bald nach Christi Geburt bewohnet und benennet haben, das ist kurtz vorher ziemlich deutlich, aus verschiedenen alten Römischen Geschicht-Schreibern, bewiesen worden. Es sind diese Mattiacken, wie man nicht ohne Grund aus dem Tacito G. c. 29. schliesset, ihrem Ursprung nach, [34] eigentlich Catten oder Hessen gewesen. Die Catten aber haben, nach oben angeführten Zeugnüssen des Caesars, (der sie unter dem Nahmen der Sueven begreifet) die Usipeter sehr hart gedränget. Wie denn diese Sueven und Catten so mächtig waren, daß die andere Teutsche Völcker davor hielten, die unsterbliche Götter selber wären ihnen nicht gewachsen, siehe den Caesar B. G. L. 4. c. 7. Und kan es also gar wohl geschehen seyn, daß von einem Theil dieser mächtigen Catten das damalige Wißbad eingenommen, und nach ihrer besondern Sprach-Art, an statt Wiesenbad, Mattenbad oder Mattenack, sie selber aber Mattenbäder oder Mattenacken oder Mattiacken sind genennet worden. Denn in der alten Teutschen Sprache heisset das Wort Matte eine Wiese, und das Wort Aaa, Aba, Ach, heisset ein Wasser, und hat dieses letzte eine Gleichheit mit dem lateinischen Wort Aqua, siehe hiervon das Hydrographische Lexicon p. 1. und des Wachters Gloss. Germ. p. 9. Mithin ist also Mattenach oder Mattenack so viel als Mattenbad, und Mattenacken oder Mattiacken so viel als Mattenbäder. Es haben diese Mattiacken, wie man aus dem Tacito l. c. und dem Martiale Epig. L. XIV. n. 25. abnehmen kan, die Kauf- und Handelschaft geliebet, auch sind sie zugleich von einer sehr rauhen und kriegerischen [35] Gemüths-Beschaffenheit, laut dem Zeugnüß des Taciti l. c. gewesen. Wie sie denn das Hertz gehabt haben, daß sie um das Jahr Christi 70. in Gesellschaft der Usipier und der Catten, wie bereits oben berühret ist, gar über den Rhein gegangen, und die Römer in der Stadt Maintz belagert haben. Sie sind zwar genöthiget worden, die Belagerung wieder aufzuheben, sie haben aber doch sehr reiche Beute gemacht, und überhaupt den Römern um den Rhein herum sehr grossen Schrecken eingejaget, siehe davon den Tacitum H. 4. c. 37. Es sind aber diese Mattiacken nicht beständig die alleinige Einwohner unseres Bad Ortes geblieben, sondern es sind, wie oben hinlänglich bewiesen worden, die Römer, um die Zeit der Geburt Christi hin, auch dazu gekommen, und haben sich durch die Gewalt der Waffen zu Mit-Einwohnern in demselben gemacht, ja gar eine eigene Römische Stadt und Festung bey das alte Teutsche Wißbad angebauet. Da denn zu vermuthen ist, daß vornemlich allerley Römische Kauf- und Handels-Leute, wegen des Gewerbes mit den Badenden, wie auch die gewöhnliche Kriegs-Leute, wegen der nöthigen Besatzung, sich in derselben werden aufgehalten, und zum Theil auch daselbst sich würcklich häuslich niedergelassen haben. Es hat sich aber endlich um das vierdte Jahrhundert nach Christi Geburt ein Teutsches Volck, mit Nahmen [36] Allemannen, das ist: allerley Männer, oder: allesamt Männer, (wie sie denn Ammianus durchgängig als sehr tapfere und behertzte Leute beschreibet) aufgeworffen, und durch Bekriegung der Römer, wie ebenfalls oben bewiesen worden, den Ort und die Gegend Wißbaden überwältiget und eingenommen, und also auch, wie leicht zu erachten stehet, zum Theil bewohnet. Bis sich nachmals gegen das Jahr Christi 500. wie in der zweyten Abtheilung wird gezeiget werden, diese Allemannen durch die Francken haben müssen aus ihren Landen, und also auch aus Wißbaden, verdrängen lassen. Zwar ist nicht zu dencken, daß diese verschiedene Völcker, welche das alte Wißbad, kraft der bisher angeführten Zeugnüssen, nach und nach eingenommen haben, jedesmal die alten Einwohner desselben, es wäre denn, daß sie sich äusserst widersetzet, völlig sollten ausgerottet haben. Allein es ist doch auch gar leicht zu vermuthen, daß solche alte Einwohner gemeiniglich dabey, nach dem gewöhnlichen Schicksal bey solchen feindlichen Ueberzügen, so dünne werden gemacht worden seyn, daß sich nachmals Platz genug vor diese und jene neue Einwohner wird gefunden haben. Dessen nicht zu gedencken, daß doch jedesmal bey solchen Fällen, gantz vermuthlich, mancherley neue Kriegs-Völcker in den Ort, zur Besatzung desselben, werden eingeleget, und also derselbe auch [37] dadurch mit allerley neuen Einkömmlingen, welche diese Kriegs-Leute nach sich gelassen, wird seyn vermehret worden.
Daß man sich an dem alten Wißbad, in so lange dasselbe nur allein von eingebohrenen Teutschen Völckern bewohnet worden, keine förmliche Stadt, oder zierlich-zusammengebaueten Ort, vorzustellen habe, das ist aus dem bereits oben angeführten klaren Zeugnüß des Taciti deutlich genug abzunehmen. Denn derselbe meldet G. c. 16 ausdrücklich, daß sich die alte Teutschen mit Erbauung ordentlicher, zierlicher und wohl-verwahrter Städten und Flecken gar nicht aufgehalten, sondern ihre Wohnhäuser ohne Ordnung und Zusammen-Reihung, ja in ziemlicher Weite von einander, auf die einmal erwählte Plätze schlechthin aufgestellet und erbauet hätten. Man hat also, kraft solcher Nachricht, gantz sicher zu glauben, daß das gantz alte Teutsche Wißbad bloß allein aus einem geringen Flecken, oder wenigen schlechten Wohnhäusern und Hütten, in und bey der Bad-Gegend
[38] desselben werde bestanden haben. Es haben aber die alte Römer, als sie in unsere Gegenden gekommen, annoch neben diesem Teutschen Bad-Ort, wie bereits oben gezeiget worden, eine eigene Römische Stadt erbauet, und diese ist freylich ohnstreitig von gantz anderer Gestalt und Beschaffenheit gewesen, als das Teutsche Wißbad. Die alte Heidnische, zum Theil noch vorhandene, Stadt-Mauer, welche diese Römische Stadt ehemals umgeben, zeiget klärlich, daß dieses Römische Wißbad nicht nur unten an dem Fusse des so genannten Heidnischen Berges, sondern auch oben auf demselben gestanden habe. Denn bis dahin hat sich diese Mauer, wie noch zu sehen ist, erstrecket. Und es ist noch jetzo auf diesem Heidnischen Berge, um diese Mauer herum, allerley altes Neben-Gemäuer, vermuthlich von ehemaligen daselbst gestandenen Gebäuden und Schantzen, in und uber der Erde befindlich. Und da sich diese Mauer auf der anderen Seite bis hinter das heutige herrschaftliche Schloß, wie die Grund-Stücke derselben, die man noch vor weniger Zeit daselbst herausgegraben, zu erkennen gegeben, erstrecket hat, so siehet man wohl, daß die gemeldte Römische Stadt, welche von dieser Mauer umgeben worden, von einer beträchtlichen Grösse müsse gewesen seyn. Doch lässet sich der eigentliche Bezirck derselben dermalen nicht bestimmen. Denn es ist nur ein einfaches
[39] Stück dieser Mauer annoch vorhanden, und das gegenseitige Stück, und der weitere gantze Umfang derselben, (welcher doch nothwendig ehemals auch muß vorhanden gewesen seyn, und die Stadt auf allen Seiten umschlossen haben) fehlet heut zu Tage, nachdem ihn die Länge der Zeit aufgerieben, völlig. Doch ist zu vermuthen, daß diejenige gantze Gegend unseres Wißbads, die man noch heut zu Tage (wie unten wird gezeiget werden) die Stadt heisset, zu der alten Römischen Stadt werde gehöret haben. Was die weitere Gestalt und Beschaffenheit dieses Römischen Wißbads anbelanget, so ist dasselbe, sonder allen Zweifel, nach der Gewohnheit der Römer, mit viel bessern Gebäuden und Wohnhäusern, als das Teutsche Wißbad, versehen gewesen. Wie denn ohnehin aus der ansehnlichen Gestalt der gemeldten Stadt-Mauer deutlich genug abzunehmen ist, daß die Stadt selbst in keiner schlechten Verfassung sich werde befunden haben. Doch lässet sich eben auch aus der Grösse und Stärcke dieser Mauer nicht unfüglich schliessen, daß die Stadt mehr eine Festung und Soldaten-Stadt, als eine Gewerb- und Burger-Stadt werde gewesen seyn. Wie denn die in unserm Wißbad vormals vorhanden-gewesene, unten zu beschreibende, Römische Soldaten-Steine sattsam zu erkennen geben, daß dasselbe von den Römern, so lange sie die Ober-Hand in
[40] unsern Gegenden gehabt, sehr fleißig mit Soldaten beleget worden sey. Und es ist ohnehin aus den alten Römischen Geschicht-Schreibern bekannt, daß die Colonien oder Pflantz-Städte, welche die Römer ehemals in Teutschland, sonderlich um den Rhein und um die Donau herum, angeleget haben, mehrentheils Schantz-Städte oder Festungen gewesen, dadurch sie, die anwohnende Teutschen im Zaum zu halten, getrachtet haben. Sonst ist noch zu mercken, daß zwar unser mehrgemeldtes Römisches Wißbad von dem Teutschen Wißbad durch die oft-benennte Stadt- oder Ring-Mauer, wie der Augenschein zeiget, abgesondert gewesen; doch ist zu vermuthen, daß es zugleich durch ein oder das andere Thor mit demselben, sonderlich um der Bäder willen, werde verbunden, und also diese beyde Oerter gleichsam Stadt und Vor- oder Neben-Stadt damals werden gewesen seyn. Wiewohl doch auch selbst in dem Römischen Wißbad sich hinlängliche Bad-Quellen befunden haben. Weil übrigens unser Wißbad, seiner Land-Lage nach, auf der einen Seite an den grossen Wald der so genannten Höhe angräntzet, so ist noch mit wenigem zu bemercken, daß dieser Wald sich vormals, in den gantz alten Teutschen und Römischen Zeiten, viel näher an Wißbaden gestrecket habe, als heut zu Tage. Denn es finden sich nicht nur ohnweit dieser Stadt, nach dem Walde zu, solche
[41] Feld-Gegenden, welche durch ihre Nahmen, z. E. Oberrod (Ueberried) Röder, Hayn-Bühel etc. deutlich genug anzeigen, daß vormals Wüsteneyen und Waldungen oder Hayne daselbst gewesen, solche aber nachmals ausgerodet, und in Aecker und Weinberge seyen verwandelt worden; sondern es sind auch überhaupt alle die Weingarten, welche dermalen zwischen der Stadt und dem Walde auf den Bergen anzutreffen sind, in den gedachten alten Zeiten noch nicht vorhanden, sondern vermuthlich Heiden und Waldungen daselbst befindlich gewesen. Um das Jahr Christi 280. hat der Römische Kayser Probus, nach dem Bericht des Eutropii L. 9. c. 11. erst in Gallien Weinreben pflantzen lassen, und von dar ist nachmals dieser Wein-Bau auch in Teutschland unter der Hand erst bekannt und gewöhnlich gemacht worden.
Man träget sich übrigens in Wißbaden mit einer alten Sage, daß an dem Ort, wo die Stadt stehet, vor Alters ein grosser Bad-See gewesen sey, darin sich die Leute gebadet hätten, und mit Nachen darauf herum gefahren wären. Ja, es setzen einige noch weiter hinzu, daß damals der Rhein bis an Wißbaden gegangen, und gleichsam einen Damm (wie es möglich gewesen, daß das Wasser des Rheins einen Damm habe machen, und das Bad-Wasser aufhalten können? das ist schwer zu
[42] begreifen) um diesen Bad-See gemacht hätte. Es sey aber nachmals ein See-Rauber (vielleicht hat jemand etwas von dem alten Ulysses, oder gar von dem Hercules, welche Teutschland vormals sollen besuchet haben, aus dem Tacito G. c. 3. und 2. gehöret) gefangen worden, welcher, weil man ihme das Leben geschencket, zur Danckbarkeit die Felsen im Rhein bey Bingen eröfnet, und dadurch diesem Strom gegen freyen Lauf, den er noch hat, verschaffet, und also denselben von Wißbaden abgeleitet hätte etc. Allein es sind dieses alles solche Dinge, die den geringsten Grund nicht haben, und, Teutsch zu reden, nichts anders, als Mährlein leichtglaubiger Leute. Denn was einmal den vorgegebenen Bad-See anbelanget, so kan es zwar gar wohl möglich seyn, daß in den gantz alten Zeiten, ehe Menschen in die Wißbadische Landes-Gegend gekommen, welche den Ausfluß der warmen Wasser–Quellen in eine rechte Ordnung gebracht, solche wohl einen oder den andern kleinen See oder Weyher, nach Art solcher starcken Quellen, haben machen können. Und also kan es auch wohl möglich seyn, daß die allererste Ankömmlinge von Menschen in der Wißbadischen Gegend einen solchen warmen See damals daselbst angetroffen haben. Allein wer will heut zu Tage noch etwas von einem solchen damals möglich-gewesenen Vorfall wissen oder benachrichtigen können, da
[43] Wißbaden, wie oben gezeiget worden, eine Wohnstadt von sehr hohem Alter ist? Und wie sollte sich dieser Umstand der Sache (wenn er ja würcklich Grund hätte) durch so viele hundert Jahre hindurch, bey den vielen grossen Veränderungen, die unsere Stadt erlitten, mündlich haben erhalten können? Wäre es doch ja auf solche Art eine Sache gewesen, die nichts besonderes und ausserordentliches in sich gehalten, und also auch nicht verdienet hat, durch eine mündliche Sage mühsam fortgepflantzet zu werden. Geschichts doch noch alltäglich, daß starke Wasser-Quellen, ehe sie ihren gehörigen Ablauf finden, mehrmalen einen und den andern kleinen See oder Weyher machen. Allein wer wird sich in den Sinn nehmen, hieraus ein solches besonderes Werck zu machen, welches würdig wäre, auf manche hundert, ja tausend Jahre mündlich fortgepflantzet, oder im Andencken erhalten zu werden? Wollte aber jemand gar vermuthen, es habe zwar das alte Wißbad eine Zeit lang hindurch seine zahlreiche Einwohner gehabt, dieselbe aber hätten bey den vorhanden gewesenen warmen Quellen dieses Ortes keine ordentliche Bäder und Badhäuser oder Hütten, nach der Art ihrer Zeit, angerichtet, sondern nur allein diese Quellen in einen See zusammen geleitet, und sich, nebst andern angekommenen Bad-Gästen, darin, als in einer offenen Schwemme,
[44] gebadet, der würde sich etwas vorstellen, welches noch bey keiner Bad-Stadt irgendwo sich zugetragen hat. Denn alle alte Nachrichten von denselben ergeben dieses, daß die Einwohner einer Gegend, so bald sie etwan einige warme Wasser-Quellen darin wahrgenommen, so fort darauf sind bedacht gewesen, besondere bequeme Wohnungen und Bäder, zum Gebrauch der Badenden, anzurichten, keinesweges aber einen offenen Bad-See oder Weyher zu veranstalten. Die alte Teutschen zwar haben, wie Caesar B. G. L. 6. c. 21. meldet, die Gewohnheit gehabt, sich ohne Scheu in offenen Flüssen zu baden; Allein diese waren, wie L. 4. c. 1. deutlich zu ersehen, kalte Fluß-Wasser, und das Baden darin war ein solches Baden, welches noch auf den heutigen Tag in Teutschland, wiewohl mit Beobachtung einer mehrerern Zucht, in dergleichen offenen Flüssen gäng und gäbe ist. Davon aber sind die warme Gesund-Bäder, und die Bad-Art bey denselben nicht nur jetzo gantz und gar unterschieden, sondern sind auch zu aller Zeit und bey allen Völckern, wie alle Nachrichten bezeugen, davon unterschieden gewesen, und ist in keinem eintzigen Geschicht-Buch eine Spur davon zu finden, daß jemals bey einem Bad-Ort ein offener Bad-Weyher zum Gebrauch der Bad-bedürftigen Menschen, seye gesetzet worden. Denn was den ehemaligen Krancken-Teich oder Weyher Bethesda
[45] zu Jerusalem, Joh. 5. anbelanget, so war derselbe eigentlich nur an sich ein Fisch- und Reinigungs-Weyher, und wurde er von den Krancken nicht um seines Wassers, sondern um derer ausserordentlichen Wunder-Bewegung des Engels willen, zu gewissen Zeiten gebrauchet; mithin ist er also mit den ordentlichen Gesund-Wassern, und der Art, dieselbe zu gebrauchen, in keine Vergleichung zu stellen. Gesetzt aber auch, es hätten die gantz alte und erste Teutsche Einwohner unseres Wißbads sich einige Zeit lang mit einem solchen offenen Bad-See beholffen, (davon wir jedoch heut zu Tage, wegen Länge der Zeit, und wegen Abgang schriftlicher Nachrichten, gar nichts mehr wissen können) so ist doch gantz gewiß zu glauben, daß, so bald die reinliche, und der ordentlichen Bäder, aus ihrem Italien her, gewohnt-gewesene Römer, um die Zeit der Geburt Christi hin, in unsere Wißbadische Gegend gekommen, und sich darin fest gesetzet, kein solcher ungewöhnlicher Bad-See in Wißbaden im Gebrauch werde geblieben seyn. Und was selbst die eigentliche Bad-Gegend des Wißbads (als in welcher vermuthlich dieser vorgegebene Bad-See hat sollen befindlich gewesen seyn) anbelanget, so zeigen die viele alte unter-irdische Canäle und Mauern, welche in solcher Gegend hier und da gar häufig, und zwar ziemlich tief in der Erde, immerzu angetroffen und entdecket werden, sattsam
[46] genug an, daß vormals keinen Bad-See, sondern ordentlich-gebauete Bäder und Bad-Häuser daselbst gestanden haben. Und da man an solchen alten Canälen und Grund-Mauern deutlich mercket, daß ihre Lage auf die dermalige Verfassung der Bäder und Badhäuser nicht zutrift, sondern eine gantz andere Stellung hat, so siehet man daraus gantz offenbarlich, daß die Bäder und Bad-Häuser in dieser Gegend schon oftmals abgeändert worden, und also dieses Bad-Land schon längstens müsse bebauet und bewohnet gewesen seyn. Wie es denn auch würcklich noch eher, als die anderweitige Stadt-Gegend, eben seiner Bad-Quellen wegen, ehemals, wie bereits oben bewiesen worden, von den alten Teutschen Völckern angebauet und bewohnet worden ist. Es ist aber die mehrgemeldte alte Sage von dem Wißbadischen Bad-See gantz vermuthlich, wenn sie anderst noch einigen Schein-Grund vor sich hat, daher entstanden: Man hat jederzeit aussenwärts, vor Wißbaden, einen Weyher gehabt, dahinein sich das gesammte warme Wasser aus den Bad-Häusern ergossen hat. Heut zu Tage heisset derselbe: der Weyher auf dem warmen Damm, oder, der warme Damm-Weyher. Vormals hat er auch gemeiniglich schlechthin der warme Weyher, oder auch (l. St. f. 150.222. etc.) der Nachen-Weyher geheissen, vermuthlich aus der Ursache, weil man zuweilen mit
[47] Nachen auf demselben herum gefahren ist. Vielleicht hat er auch zu Zeiten der Bad-Weyher oder Bad-See geheissen, oder es haben sich doch etwan manchmal einige Leute zur Lust darin gebadet etc. Dieses alles hat also nachmals unter der Hand gar leicht Gelegenheit geben können, daß man ein solches Gedichte auf die Bahn gebracht: das seyen vormals in Wißbaden keine besondere ordentliche Bäder, sondern nur ein grosser Bad-See vorhanden gewesen, darin man sich gebadet, und auf welchem man mit Nachen herum gefahren wäre. Wer da weiß, wie die gemeine Erzehlungen von ausserordentlichen alten Seltenheiten insgemein durch gantz ordentliche Dinge (die aber verkehret werden) ihren ersten Ursprung zu nehmen pflegen, dem wird diese Vermuthung von dem Ursprung des vorgegebenen Wißbadischen Bad-Sees gar nicht ungereimt vorkommen. Was aber weiterhin das obgemeldte Vorgeben, daß der Rhein gar ehedessen sich auch bis an Wißbaden erstrecket habe, anbelanget, so ist solches vollends gantz und gar ohne allen Grund. Denn es hat dieser Strom jederzeit, so viel man aus allem alten bewährten Geschicht-Büchern abnehmen kan, eben die Ufer in unserer Gegend gehabt, die er noch jetzo hat. Wenigstens haben ihn die alte Römer, als sie um die Zeit der Geburt Christi hin, in Teutschland gekommen, in eben der Verfassung gefunden, wie er noch jetzo ist;
[48] massen sie sonst, z. E. das gegen Maintz über befindliche Cassel, welche sie ohnstreitig, wie der Nahme Cassel (Castellum) anzeiget, erbauet haben, nicht hätten erbauen können, wenn in solcher Gegend kein trucken Land, sondern Rhein gewesen wäre. Und daß auch vor der damaligen Ankunft der Römer dieser Strom keine andere Verfassung gehabt hat, das schliesset man gantz sicher daraus, weil diese Römer von den eigenen Teutschen Einwohnern des Landes nichts dergleichen (da sie doch, nach allem sich genau zu erkundigen, gewohnt waren) erfahren, und in ihren Schriften angemercket haben. Folglich wird also ein heutiger Einwohner unserer Gegend dasjenige von solchen alten Dingen nicht wissen können, was die Einwohner derselben gantz alten Zeit selbst nicht gewußt haben. Nächst dem, so ist es zwar nicht ohne, daß dieser Rhein-Strom gleich andern Strömen, manchmal, auch in unserer Gegend, seine Ufer überschreitet, und die daran stossende Lande, an theils Orten, überschwemmet. Allein solche Ueberschwemmungen sind von keiner langen und beständigen Dauer. Auch hat niemals eine solche zufällige Ergiessung desselben, sie mag gleich durch dieses oder jenes seyn verursacht worden, so groß seyn können, daß sie sich bis an Wißbaden hin hätte erstrecken können, weil die Anhöhe, in welcher Wißbaden, in Absicht auf den Rhein, lieget, gar zu groß ist. Wer das nicht glauben kan, der darf nur an der
[49] so genannten Saltz-Bach, (von dem, in dieselbe sich ergiessenden, gesaltzenen Bad-Wasser also benahmet) welche von Wißbaden aus bis in den Rhein fliesset, hinab gehen, und die vielen Wasser-Fälle, welche die daran liegende zahlreiche Mühlen nach einander haben, und wohl über hundert Werck-Schuhe[WS 2] betragen, anmercken, so wird er an der Wahrheit dieser Sache weiter nicht mehr zweifeln. Und müste auf diesen Fall, wenn der Rhein seine Ergiessungen jemals bis an Wißbaden hin erstrecket hätte, derselbe auch sein anderseitiges Ufer, wo das sehr alte Maintz lieget, in eben solcher gleichen Höhe jedesmal überschritten, folglich also öfters in diese Stadt eingedrungen, und dieselbe überschwemmet haben, davon aber die Geschicht-Schreiber derselben nicht das geringste wissen. Es hat zwar diese Stadt Maintz ehemals etwas mehr abwärts von dem Rhein gestanden, als jetzo; allein kein einziger Maintzischer Geschicht-Schreiber giebt zur Ursache dessen den Rhein, oder desselben damals vorgewesene Ergiessungen, an. Und wie hätte es auf solchen Fall, wenn der Rhein jemals in unsern Gegenden so hoch gestanden hätte, mit dem Mayn-Strom, welcher bey Cassel in den Rhein fällt, ausgesehen? Wie weit hätte derselbe zurücktreten, und welche Ueberschwemmungen hätte derselbe weit und breit anrichten müssen? davon aber die allerälteste, auch Römische,
[50] Geschicht-Schreiber nicht das geringste wissen. Und was die Felsen in dem Rhein bey Bingen anbelanget, welche denselben, wie einige meynen, vormals in seinem Lauf sollen aufgehalten, und die grosse Ergiessungen desselben verursachet haben, nachmals aber weggeräumet worden seyn; so ist solches ebenfalls ohne allen Grund. Denn obgleich diese Felsen von Zeit zu Zeit immer in etwas mehr erweitert worden sind, so sind sie doch niemals so groß gewesen, daß der Rhein dadurch seinen Lauf nicht hinlänglich hätte nehmen können. Und es haben die alte Römer, um die Zeit der Geburt Christi, wie auch andere, in den nachmaligen Zeiten, gefolgte Völcker immerzu eben so wohl, obgleich mit einiger mehreren Unbequemlichkeit, diese Felsen, oder das so genannte Binger-Loch, mit Schiffen befahren, als die Leute zu unserer Zeit, wie alle alte Geschicht-Bücher solches bezeugen. Doch es ist nicht nöthig, bey Widerlegung des vorgegebenen Wißbadischen Bad-Sees und seines vermeynten Rheinischen Dammes sich länger aufzuhalten. Denn der Ungrund dieser Sache fällt einem jeden, der dieselbe vernünftig überleget, gar leicht von selber in die Sinnen. Und wenn der blosse Nahme einer alten Sage (die jedoch manchmal neu genug ist) einen hinlänglichen Grund von der Wahrheit der gesagten Sache abgeben könnte, so müsten mehr dergleichen alte
[51] Sagen, die in Wißbaden nicht ungemein sind, z. E. von dem ehemals vorhanden gewesen seyn-sollenden unterirdischen Weg von dem benachbarten Sonnenberg bis nach Clarenthal; Item, von dem Ursprung des Nahmens Trompeter, welchen ein hoher Berg im Walde, ohnweit Wißbaden, von alten Zeiten her, führet, und auf welchem ein Trompeter ehemals von den Strassen-Räubern soll angefallen worden seyn, und dabey so starck in seine Trompete geblasen haben, daß es sein Freund auf der Brücke zu Maintz (die doch 1661. zuerst angeleget worden) gehöret habe etc. sich gegründet finden; die aber jedoch von einem jeden vernünftigen und erfahrenen Menschen billig vor ungegründet, und vor einfältige Fabeln des gemeinen Mannes gehalten werden. Man hätte daher auch mit Widerlegung des gemeldten vorgegebenen Wißbadischen Bad-Sees und seiner Verbindung mit dem Rhein sich gar nicht dermalen aufgehalten, wenn nicht dieses Vorgeben in einigen öffentlichen Schriften, als gegründet, sich angeführet befände.
[52]
So lange die verschiedene inländische Einwohner des alten Teutschlandes, und also auch der Wißbadischen Gegend, ihre eigene Landes-Könige oder Fürsten gehabt haben, so lange haben sie bey ihrer Regiments-Verfassung einer grossen Freyheit genossen. Denn ihre Fürsten haben zwar, wie Caesar B. G. L. 6. c. 22. 23. und Tacitus G. c. 11. 12. melden, das Recht in ihren Flecken und Dörfern gesprochen und gehandhabet. Es hat aber auch der gemeine Mann vieles dabey zu sagen gehabt, und die Fürsten haben sich bemühen müssen, mehr durch gute Vorstellungen, als durch Zwangs-Mittel, den Gehorsam zu erhalten, l. c. Es haben auch weiterhin die gemeinen Leute solchen ihren Fürsten zwar etwas an Vieh und Früchten gesteuert, aber doch nur Ehren halben, und freywillig, c. 15. oder, nach der alten Teutschen eigenen Redens-Art, bet- oder bitt-weis. Daher es kommt, daß die obrigkeitliche Steuern in Teutschland auch noch auf den heutigen Tag hin und wieder die Ehre haben, wenigstens dem Wort-Laut nach, Bet- oder [53] Bitt-Gelder genennet zu werden. Als auch nachmals die Römer, obgemeldter massen, um die Zeit der Geburt Christi hin, verschiedene Teutsche Lande, sonderlich um den Rhein-Strom herum, unter ihre Herrschaft gebracht, so haben sie die Einwohner derselben mit grosser Gelindigkeit, um keinen Anlaß zum Aufstand zu geben, beherrschet. Insbesondere sind die damalige Mattiacken oder Matten-Bäder, welche Wißbaden, wie oben bewiesen worden, bewohnet, von den Römern, nach dem Zeugnüß des Taciti G. c. 29. unter einem sehr leidlichen und erträglichen Regimente, gleich den Batavern oder Nieder-Rheinischen Teutschen, gehalten, und von keinen Römischen Zöllnern (welche, wie bekannt, damals überall sehr verhaßt waren) belästiget worden. Doch mag nachmals, als sich diese Römer recht feste in Wißbaden gesetzet, und dieser Ort auch in die, unten zu beschreibende, Römische Pfal-Gräben mit ist eingeschlossen worden, diese Regiments-Verfassung sich ziemlich geändert haben, und genauer und strenger, als Anfangs, geworden seyn. Es lassen sich aber hiervon keine weitere und besondere Umstände, wegen Mangel nöthiger Zeugnüsse, berichten. Als nachmals die Allemannen, wie oben gezeiget ist, Wißbaden übermeistert, und ihren besondern Königen unterworffen haben, so hat die Regiments-Verfassung in diesem Ort gantz [54] vermuthlich wiederum eine andere Gestalt gewonnen. Man kan aber aus den damaligen Römischen Geschicht-Schreibern weiter keine besondere Nachricht hiervon erlangen, ausser daß Ammianus L. 18. c. 2, L. 27. c. 9, L. 29. c. 4. 9. meldet, daß die Allemannische Könige ihre Regulos, Regales, Primates und Optimates, das ist, ihre besondere Königliche Beamten und vornehme Bedienten in den eroberten Landen, und also auch vermuthlich in Wißbaden, gehabt haben. Worin aber die eigentliche Amts-Verrichtung solcher verschiedenen Unter-Beamten bestanden, und was dieser und jener Ort vor besondere Vorzüge und rechtliche Gewohnheiten, vor dem andern, gehabt habe? davon ist keine weitere Nachricht, weder bey diesem, noch andern Römischen Geschicht-Schreibern anzutreffen, und kan also auch keine von uns mitgetheilet werden.
So lange das alte Wißbad nur allein Teutsche Einwohner gehabt hat, nemlich Wisebäder und Mattenbäder, so lange [55] wird auch kein anderer Gottes- oder vielmehr Götzen-Dienst bey ihnen üblich gewesen seyn, als derjenige, welcher damals überhaupt bey den meisten Völckern des Teutschlandes üblich gewesen ist. Nemlich es haben dieselbe, wie Caesar B. G. L. 6. c. 21. und Tacitus G. c. 40. berichten, mehrentheils Sonne, Mond, Feuer und Erde, (welches ohnehin die allerälteste Art der Abgötterey, fast bey allen Völckern, gewesen ist) göttlich verehret; weil sie geglaubet, sie müsten denjenigen Dingen, von welchen sie einen vornemlichen und besondern Nutzen zu geniessen hätten, auch eine vornemliche und besondere Gottes-dienstliche Ehre erweisen. Dabey sie denn auch gemeiniglich einige von ihren Vor-Eltern, welche besondere grosse Thaten verrichtet hatten, göttlich verehret haben, c. 2. Und ist diese ihre Gottes-dienstliche Verehrung solcher Götter, ordentlicher weise, in ihren heiligen Haynen oder Wäldern, darin sie auch besondere heilige weise Pferde ernähret, unter der Aufsicht ihrer Priester und Priesterinnen, verrichtet worden, c. 8. 9. 10. Als aber die Römer nachher in Teutschland gekommen, so hat sich auch in diesem Stück bey den Teutschen, und also auch gantz vermuthlich bey den bisherigen Teutschen Einwohnern des Wißbads, vieles geändert. Es liessen nemlich die Römer zwar insgemein, wenn sie ein Land eingenommen, den Einwohnern desselben die Freyheit, [56] ihre bisherige Götter fernerweit, ohne Hinderung, zu verehren. Sie suchten sie aber jedoch unter der Hand, um besseren Friedens willen, an ihre Römische Götter zu gewöhnen. Und damit solches desto eher bey ihnen einen Eingang finden möchte, so beredeten sie dergleichen Völcker, daß ihre beyderseitige Götter gantz einerley, und durch nichts, als durch die blosse Nahmen, von einander unterschieden wären. Und die meiste solcher, von ihnen bezwungenen, Völcker liessen sich auch dieses Vorgeben, oft aus blosser äusserlicher Höflichkeit und Ergebenheit gegen die Römer, gefallen; wenigstens nahmen diese letztere eine solche Gleichheit dieser verschiedenen Götter vor bekannt an. Daher es denn geschehen, daß nach und nach ein vermengter Götzen-Dienst, wie leicht zu erachten, bey solcherley Völckern entstanden ist. Man kan davon nachlesen des Moßheims Hist. Christ. Sec. I. Und eben aus diesem Grunde ist es gekommen, daß, wie Tacitus G. c. 9, H. 4. c. 64. etc. meldet, auch die alte Teutschen nach und nach verschiedene frembde, und nahmentlich Römische Götzen, sonderlich den Mercurius, Hercules und Mars etc. verehret haben. Denn das ist in der That nichts anders gewesen, als daß sie sich, nachdem sie von den Römern mit Krieg überzogen worden, nach und nach dazu verstanden haben, daß man ihre bisherige alte Teutsche Götzen auch mit solchen [57] neuen Römischen Götzen-Nahmen beleget hat. Daher ist ihr alter Teutscher Götze Teut, durch den Umgang mit den Römern, gantz vermuthlich, nach und nach, Mercurius, und der alte Teutsche Götze Mann, mit der Zeit, Hercules oder auch Mars genennet worden, l. c. G. c. 2. und 9, A. 13. c. 57, H. 4. c. 64. etc. Sie haben dem ersten gar Menschen, den andern aber gewisse Thiere zu Ehren geopfert, l. c. auch haben sie die Gewohnheit gehabt, daß sie jedesmal ihre besiegte und gefangene Feinde, nebst den erbeuteten Pferden und anderem Vieh, bey den Altären solcher ihrer Götzen abgeschlachtet haben, A.1. c. 61, L. 13. c. 57. etc. Als nachmals die Allemannen Stadt und Gegend Wißbaden, wie oben bewiesen worden, eingenommen, und, zum Theil, bewohnet, so werden sie, wie leicht zu erachten, auch ihren besondern Götzen-Dienst daselbst eingeführet haben, welcher denn, nach dem Zeugnüß des damaligen Römischen Geschicht-Schreibers Agathiae, hauptsächlich darin bestanden, daß sie Wäldern, Bergen und Flüssen göttliche Ehre erwiesen, und denselben zu Ehren Pferde, Ochsen und unzähliche andere Thiere häufig aufgeopfert und abgeschlachtet haben. Die Christliche Religion aber, welche damals, in dem vierdten Jahrhundert nach Christi Geburt, in den Gallisch-Rheinischen Landes–Gegenden hier und dar, [58] nahmentlich auch in der Stadt Maintz, in Uebung kam, ist bey ihnen, wie aus dem Ammiano L. 27. c. 9. zu ersehen ist, nicht bekannt noch beliebt gewesen.
Der alt-Teutsche Nahme unseres Bad-Ortes ist wohl, ausser Zweifel, kein anderer gewesen, als Matten- oder Wiesen-Bad. Denn obgleich die oben angeführte Muthmassung, daß die alte Teutsche Völcker, welche Usipeter geheissen, denselben ehemals bewohnet, annoch mit einigen Schwierigkeiten verknüpfet ist, und also sich daraus nicht gantz sicher folgern lässet, daß derselbe schon damals Wiesenbad genennet worden sey; So ist doch dieses gantz richtig, daß er, wie oben aus verschiedenen Römischen Schrift-Stellern hinlänglich genug bewiesen worden ist, vormals Aquae Mattiacae, auf Teutsch, Mattenach oder Mattenbad geheissen habe. Nun aber sind die zwey Teutsche Wörter Matte und Wiese oder Wese jederzeit, um auch schon in der alt-Teutschen Sprache wie man [59] aus dem ältesten Teutschen Schriften ersiehet, gleich-geltende Wörter gewesen, und sind in dem täglichen Gebrauch mit einander abgewechselt worden, oder deutlicher zu reden: Man hat einen Gras-reichen Platz bald eine Matte, bald eine Wiese genennet, und in einigen Gegenden unseres Teutschlandes geschicht solches noch auf den heutigen Tag; ja an theils Orten wird ein solcher Gras-Platz nicht nur eine Matte oder Wiese, sondern auch wohl mit einem, aus diesen beyden Wörtern zusammen gesetzten Nahmen, eine Wies-Matt genennet. Mithin ist es also gantz glaublich, daß, da die erste Bewohner des Teutschlandes in unserer Gegend einige warme Wasser-Quellen in einem Matten- oder Wiesen-Grunde angetroffen, und sich daselbst angebauet, sie den Ort Matten- oder Wiesen-Bad genennet haben, bis endlich mit der Zeit der Nahme Matten-Bad etwas ungewöhnlich worden, und der Nahme Wiesen-Bad nur allein im Gang geblieben ist. Daß aber auch würcklich dieser unser Bad-Ort, und sonderlich die eigentliche Bad-Gegend desselben, in einem Wiesen-Grunde liege, das wird durch den Augenschein der Sache klärlich genug bestätiget, und darf man nur Wißbaden von einem etwas erhabenen Orte obenhin betrachten, so wird man bald wahrnehmen, daß es in einem Wiesen-Grunde befindlich sey. Wie denn ohnehin die Thäler und [60] Gründe des Erdbodens (dergleichen die Gegend des Wißbads ist) bekannter massen, gemeiniglich Gras-reiche Plätze oder Wiesen zu seyn pflegen. Es wäre also eine nicht geringe Thorheit, wenn man diesen Ursprung des Nahmens unserer Stadt, der so offenbar vor Augen lieget, nicht erkennen, sondern solchen mit Gewalt anderswoher suchen und herleiten wollte. Was den lateinischen Nahmen unseres Wißbads in diesem Zeit-Lauf anbelanget, so ist es gantz richtig, daß dasselbe von den Römern, laut oben angeführten Zeugnüssen derselben, Fontes Mattiaci, Aquae Mattiacae, und vermuthlich auch Mattiacum und Mattium genennet worden. Ob es auch jemals bey ihnen den Nahmen Usbium oder Visbium gehabt habe? das ist, wie oben berichtet worden, annoch verschiedenem Zweifel unterworffen.
Diese sind sonderlich folgende:
1. Der vorgegebene Todes-Fall des Drusi, des Römischen Kaysers Augusti Stief-Sohnes, ohnweit Wißbaden. Daß dieser [61] Drusus, den die alte Römische Geschicht-Schreiber, wegen seiner gantz besondern Tugenden, nicht genug loben können, verschiedene mahl in Teutschland gewesen, und die damalige Teutschen bekrieget, das hat, nach dem einhelligen Zeugnüß der gemeldten Geschicht-Schreiber, seine Richtigkeit. Daß er bey solcher Gelegenheit die Stadt Maintz und die Wißbadische Gegend betreten, das bezeugen die in Maintz von ihm vorhanden-gewesene Denckmale (welche bey den Maintzischen Geschicht-Schreibern beschrieben sind) und das ohnweit Wißbaden aufgerichtete und bald zu beschreibende Castellum oder Festung desselben. Ja, es stehet gar zu vermuthen, daß er das Römische Wißbaden selbst, wie oben wahrscheinlich gezeiget worden, damals habe anlegen und erbauen lassen. Daß er weiterhin, in solchen seinen Kriegen gegen die Teutschen, zwischen der Saale und dem Rhein, durch einen Fall vom Pferde, (und zwar, wie einige neuere Geschicht-Schreiber meynen, bey Schlüchtern, im Hanauischen, in dem daselbst annoch so benennten Drusen-Felde) das Bein gebrochen, und als er dem Rhein zugeeilet, ohnweit von demselben gestorben, das wird ebenfalls von den meisten solcher Römischen Geschicht-Schreibern (denn einige beschreiben seinen Tod etwas anders) bezeuget. Daß aber solcher sein Todes-Fall gerad bey Wißbaden geschehen sey, das [62] geben nur allein einige neuere Geschicht-Schreiber, z. E. Aventinus in seiner Teutschen Bayerischen Chronick p. 282, Sauer in seinem Städte-Buch bey Beschreibung der Stadt Maintz, das grosse Historische Lexicon in Beschreibung der Stadt Bingen, und andere, vor. Und weil also keine Nachricht davon bey den alten Römischen Geschicht-Schreibern, auf die es doch hierbey vornemlich ankommt, sich findet, so scheinet es wohl nur allein eine blosse Muthmassung zu seyn, die, allem Ansehen nach, daher entstanden, weil diese Teutsche Geschicht-Schreiber sich vorgestellet es wäre dieser Drusus um deßwillen dem Rhein also zugeeilet, damit er sich bey diesem seinem Bein-Schaden der, ihm bekanntgewesen, Wißbadischen Bäder hätte bedienen können. Die Sache ist gar nicht unwahrscheinlich; sie bleibet aber doch nur, wie gedacht, in dem Werth einer blossen Muthmassung. Indessen hat man doch derselben allhier gedencken wollen, damit der Leser, wenn er diese Begebenheit bey einigen neuen Geschicht-Schreibern, mit solchen Umständen, angeführet findet, wissen möge, in wie weit er solche völlig gegründet halten solle, oder nicht?
2. Die Bad-Cur des edlen Römers Licinii Trionis in Wißbaden. Man hat nemlich, vor nicht gar langer Zeit, zu Hornburg im Elsaß einen alten grossen Stein gefunden, [63] mit der Römischen Aufschrift: Apollini Grano Mogouno Q. Licinius Trio D. S. D. Das ist: Der Q. Licinius Trio hat diesen Stein dem Bad-Gott der Aachischen und Maintzischen Gegend zu Ehren aufgerichtet. Weil nun in dem agro Mogouno, oder in der nahen Gegend der Stadt Maintz, keine andere Haupt-Bäder vorhanden sind, als in Wißbaden, so haben einige Gelehrte, bey angestellter Untersuchung und Erklärung dieser Aufschrift, sonderlich Eccard in seiner Dissertat. de Apoll. Granno Mogouno, davor gehalten, daß dieser Römer Licinius sich etwan ehemals der Bäder zu Aachen (welche in lateinischer Sprache Grannenses genennet werden) und der Bäder zu Wißbaden in der Maintzischen Gegend, bedienet, und nach erlangter Gesundheit dem Bad-Gott Apollo, welcher die Kranckheiten, nach der Meynung der damaligen Heidnischen Völcker (Siehe den Caesar B. G. L. 6. c. 17.) geheilet, diesen Stein, nach der Gewohnheit der damaligen Zeiten, bey seiner Zurückkunft, im Elsaß, zu Ehren aufgerichtet habe. Diejenige, welche einige Kundschaft in den alten Römischen Aufschriften haben, finden an dieser Muthmassung nichts sonderliches auszusetzen. Es hat übrigens in der alten Römischen Zeit, und zwar, nahmentlich, zu der Zeit des Römischen Kaysers Augusti, ein Römischer Landpfleger in Gallien, welcher den Nahmen Licinius [64] gehabt hat, gelebet; von welchem die alte Römische Geschicht-Schreiber melden, daß er unsägliches vieles Geld (nach der mehrmaligen Gewohnheit der ehemaligen Römischen Landpfleger) von den Galliern erpresset habe. Und als er deßwegen von diesen Völckern bey dem Kayser verklaget worden, und leichtlich vermuthen können, daß es nicht zum besten mit ihm ablaufen werde, so habe er sich dieser List bedienet, daß er vorgegeben, er habe dieses Geld nicht vor sich, sondern vor den Kayser gesammlet, dem er es auch so gleich zugestellet, und sich dadurch bey Leben und Amt erhalten habe. Ob dieser eben der obgemeldte Licinius Trio, der sich der Wißbadischen Bäder bedienet, gewesen sey? das lässet sich zwar nicht gantz gewiß bejahen, doch aber mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vermuthen. Denn es hat dieser Land-Pfleger Licinius nicht nur, wie aus den gemeldten Geschicht-Schreibern zu ersehen, verschiedene Bey-Nahmen gehabt, sondern es hat auch der Ort, wo der vorgedachte Stein ist aufgerichtet worden, ohnstreitig ehemals zu dem alten Gallien gehöret. Folglich will also bey dieser Vermuthung, da die Haupt-Umstände der Begebenheit ziemlich deutlich zusammen stimmen, kein sonderlicher Zweifel weiter übrig bleiben.
3. Der Aufenthalt des Allemannischen Königes Mackrians in Wißbaden [65] ohngefähr im Jahr Christi 371. Davon giebt uns der Römische Geschicht-Schreiber Ammianus, welcher damals gelebet, H. L. 29. c. 4. und 9. ziemlich ausführliche Nachricht, und bestehet die Sache kürtzlich darin: Es hatten diejenige Allemannen, welche, in dem vierdten Jahrhundert nach Christi Geburt, zwischen dem Mayn und der Lohne, und also auch in der Wißbadischen Gegend, wie bereits oben gemeldet worden, wohneten, einen König, Nahmens Mackrian, welcher ein heftiger Feind der Römer war, und durch seine Ueberfälle ihnen vielen Schaden zufügete. Der damalige Römische Kayser Valentinian, welcher sich eben damals zu Trier aufhielte, suchte demnach seiner sich zu bemächtigen. Zu dem Ende ließ er, in dem vorgemeldten Jahr, eine Schiff-Brücke über den Rhein schlagen, und schickte seinen Feld-Obersten Severum mit dem Fuß-Volck gegen ihn voraus. Dieser gieng, wiewohl, wegen der Schwäche der Soldaten, gantz langsam auf die Aquas Mattiacas oder Matten-Bad loß, weil der Kayser vermuthlich Nachricht erhalten, daß der König Mackrian sich daselbst aufhielte, und, wie einige Umstände es wahrscheinlich machen, eben damals unpäßlich seyn mochte, und sich etwan der dasigen Bäder bedienete. Severus traf unterweges einige Leute an, welche mit Sclaven handelten. Diese ließ er, damit keine Nachricht von Annäherung der Römer [66] durch sie auskommen möchte, umbringen. Der Kayser Valentinian und der Feldherr Theodosius (welcher nachher auch Kayser worden) folgeten nach; und nachdem sie zu des Severi Volck gestossen, und des Nachts einige Stunden geruhet, so brachen sie, als der Mond aufgegangen war, auf, um den König Mackrian unversehens zu überfallen. Theodosius zog mit der Reuterey voran. Allein so scharf er auch geboten hatte, sich stille zu halten, damit sie nicht vor der Zeit verrathen würden, so konnte doch der gemeine Soldat das Sengen und Brennen nicht lassen. Als man nun bey Mackrians Hof-Lager, in dem Matten- oder Wiesen-Bad, starcken Rauch aufsteigen sahe, und allerley Lermen hörete, auch bald vermuthen konnte, woher solches alles entstünde? so setzten die Bedienten dieses Königes denselben in aller Geschwindigkeit auf einen leichten Wagen, (welches nicht undeutlich zu erkennen giebet, daß er damals unpäßlich und ausser Stande gewesen, ein Pferd beschreiten zu können) und brachten ihn, nachdem sie dem Gebürge zugeeilet, durch allerhand verborgene Schlupf-Wege glücklich in Sicherheit. Der Kayser Valentinian, als er sich auf solche Art in seiner Hoffnung betrogen fand, knirschte vor Zorn (wie der vorgedachte Geschicht–Schreiber redet) mit den Zähnen, wie ein Löwe, dem der Raub entgangen, und ließ aus Rache [67] alles in des Mackrians Lande, in welchem hier und dar allerley zierliche, nach Römischer Art gebauete, Wohnhäuser, nach dem Zeugnüß des eben benennten Geschicht-Schreibers L. 17. c. 1. befindlich waren, aufs grausamste weit und breit verwüsten. Und weil der König Mackrian sich, vorgemeldter massen, in das Gebürge, welches heut zu Tage die Höhe heisset, geflüchtet, so ließ der Kayser sonderlich dieselbe Gegend, oder, wie der gedachte Geschicht-Schreiber redet, die Gegend der Bucinobanter oder Buchhaaner, das ist, derjenigen Leute, welche in den Buch-Haanen oder Buch-Wäldern, deren diese Höhe voll ist, wohneten, seine Rache empfinden, und so übel bey ihnen hausen, daß geraume Zeit hernach kein Mensch in der dasigen Gegend sich hat aufhalten können. Es hat daher auch bald hernach der offt-gedachte König Mackrian sich zu einem Frieden mit dem Kayser Valentinian bequemet, und solchem ohnweit Maintz an dem rechten Ufer des Rheins, und also folglich ohngefähr zwischen dem heutigen Cassel am Rhein und Biebrich, mit vielem Gepränge zu Stande gerichtet, hat auch denselben nachmals beständig gantz treulich gehalten, und ist endlich im Kriege gegen die Francken, als er zu hitzig gewesen, umgekommen.
[68]
Diese sind vornemlich folgende:
1. Die Heidnische Todten-Gräber, Todten-Töpfe, Todten-Krüge, Todten-Sarg bey und in Wißbaden. Diese Todten-Behältnüsse sind gantz vermuthlich das erste und gewisseste Alterthum oder überbliebene älteste historische Denckmal der ehemaligen ersten Bewohner der Wißbadischen Gegend. Denn sobald sich daselbst, so wohl anfänglich Teutsche, als auch nachmals Römer, als Einwohner des Landes, niedergelassen haben, so bald hat es auch unter ihnen, als Menschen, Todte und Todten-Gräber gegeben, welche zu einem gewissen Zeugnüß ihres damaligen Aufenthaltes daselbst ihren Nachkommenen dienen können. Fast so, wie ehedessen der Ertz-Vatter Abraham, bey seinem Aufenthalt in dem verheissenen Lande Canaan, ein Todten-Grab zum ersten Eigenthum überkommen, und solches nochmals, als das älteste und gewisseste Denckmal seiner daselbst gehabten Wohn-Stätte seinen Nachkommen
[69] hinterlassen hat, 1. Mos. 23, Apostelgesch. 7. Es finden sich aber die gemeldte Todten-Gräber der ehemaligen Wißbadischen Heiden in grosser Anzahl eine halbe Stunde weit von Wißbaden im Walde, ohnweit dem Closter Clarenthal, zu beyden Seiten der Bleidenstädter Strasse. Zwar sind derselben auch noch einige in andern Gegenden des Wißbadischen Waldes hier und dar anzutreffen, aber doch nirgends in solcher grossen Menge, als an dem gemeldten Orte. Sie bestehen von aussen allesamt aus einem kleinen Hügel, der mehrentheils, von wegen der Länge der Zeit, mit Bäumen bewachsen ist. Was aber den inneren Gehalt derselben anbelanget, so findet sich darin ein nahmhafter Unterschied bey denselben. Denn in einigen derselben findet man eine Brand-Stätte, Kohlen, Asche, verschiedenes Eisen-Werck, und sonderlich grosse starcke Ringe von gutem rothen Ertz, dem Meßing nicht ungleich. Und diese Gattung solcher Gräber sind gantz vermuthlich Gräber der alten eingebohrenen Teutschen Heiden, welche ehemals in unserer Wißbadischen Gegend gewohnet haben. Man kan solches aus der Beschreibung, welche Tacitus von der Art der alten Teutschen, ihre Todten zu begraben, uns hinterlassen hat, ziemlich deutlich abnehmen. Denn derselbe schreibet G. c. 27. davon also: „Die Teutschen verbrennen die Todten-Cörper der angesehensten
[70] Leuten unter ihnen mit besonderem dazu auserlesenen Holtze. Doch werffen sie keine Kleider oder Rauchwerck auf den Holtz-Stoß, sondern nur ihre Waffen, und zuweilen auch ihre Pferde. Das Grab selbst aber bestehet aus einem Hügel von Rasen. Denn die kostbare und weitläuftige Grab-Mähler sind bey ihnen nicht beliebt, weil sie glauben, dieselbe seyen den Todten nur beschwerlich.“ Aus dieser Beschreibung siehet man, daß die alte Teutschen ihre vornehme Todten verbrannt, und die Asche mit einem Hügel von Erde schlechthin bedecket haben. Und dergleichen Hügel sind bey den vorgemeldten Gräbern unserer Gegend würcklich vorhanden. Auch siehet man daraus, daß sie zugleich Waffen und Pferde (die sie vorher abgestochen) mit den Cörpern der Menschen verbrannt haben, und davon kommt vermuthlich das Eisen-Werck und die grosse eherne Ringe her, welche sich in solchen Gräbern finden; und ist solches, sonder Zweifel, nichts anders, als Geräthschaft, welche sich an den Waffen solcher alten Teutschen, und an ihrem Pferde-Zeug befunden hat, und welches bey Verbrennung der Cörper im Feuer übrig geblieben ist. In einigen aber der vorgemeldten Gräbern findet sich inwendig nichts von Eisen-Werck und Ringen, sondern eine Brand-Stätte, Todten-Töpfe, Todten-Krüge, beynahe eine halbe Maaß haltend, in welchen Asche
[71] und Gebeine befindlich sind, item, auch zuweilen einige alte Römische Müntzen unter der Grab-Erde. Und diese Gattung solcher Gräber sind gantz vermuthlich Gräber der alten Römer, welche ehemals diese Gegend eine Zeitlang bewohnet haben, oder, welches wahrscheinlicher ist, solcher eingebohrenen Teutschen, welche sich unter der Hand an die Sitten der, unter ihnen wohnenden, Römer, zum Theil, angewöhnet haben. Denn die Römer haben ehemals die Gewohnheit gehabt, ihre Todten nicht nur zu verbrennen, sondern auch die Asche der verbrennten Cörper in besondere irdene Töpfe oder Krüge (welche in der Römischen Sprache Urnen genennet werden) zu thun, und solche in die Erde hier und dar beyzusetzen, auch denselben, wie einige Geschicht-Schreiber vorgeben, zuweilen eine Todten-Ampel oder Licht beyzufügen. Und sind dergleichen Römische Todten-Töpfe schon gar viele hin und wieder, auch in Teutschland, an solchen Orten, wo sich ehemals Römer aufgehalten haben, in der Erde gefunden worden. In unserer Wißbadischen Gegend sind nicht nur die vorgemeldte Töpfe in den beschriebenen Wald-Gräbern gefunden worden, und vermuthlich in den übrigen, daselbst annoch vorhandenen, Gräbern derselben noch gar manche befindlich; sondern man hat auch in der Stadt Wißbaden selbst dergleichen Todten-Töpfe zu verschiedenen mahlen
[72] zufälliger weise in der Erde angetroffen. Um das Jahr 1723. hat man derselben einige, nebst einer Todten-Ampel, (so viel man aus den zerstückten Scherben hat muthmassen wollen) nebst vielen dabey befindlich-gewesenen alten Römischen Müntzen, in dem Garten des dasigen Hospitals, bey Aufgrabung der Erde, gefunden. Es ist aber, bey dem Ausgraben derselben, das meiste davon, weil es durch die Länge der Zeit vermodert gewesen, in Stücken gegangen, und nichts, als die Todten-Asche und einige Scherben, nebst den Müntzen, erhalten worden. Im Jahre 1751. hat man eben dergleichen Römische Todten-Töpfe hinter dem Schloß zu Wißbaden, bey Aufwerffung der Erde, gefunden und herausgegraben. Es ist ein grosser Topf, einem dreymäsigten Milch-Topf an Gestalt und Grösse nicht ungleich, unter denselben befindlich gewesen. Es ist aber nicht gantz, sondern nur ein Stück davon, nebst der darin gewesenen Aschen-Erde und Gebeinen herausgebracht worden. Es sind aber auch kleine Krüglein, beynahe eine halbe Maaß haltend, dabey gewesen, und diese sind gantz erhalten worden. Man hat solche, weil man eben keine sonderliche Todten-Asche darin hat wahrnehmen können, anfänglich vor Römische Thränen-Krüglein halten wollen. Und es ist auch an dem, daß die alte Römer, nach dem Vorgeben einiger Geschicht-Schreiber, (Siehe z. E.
[73] des Camerarii Hor. Subc. Cent. 1. c. 31. p. 152.) gewohnt gewesen, bey ihren Leichen-Begängnüssen, einige von den Thränen, die sie über den Todten vergossen, in besondere Krüglein und Gläser aufzufangen, und solche bey der Asche des Todten in der Erde, zum Andencken, beyzusetzen. Allein es scheinen die gemeldte erhaltene Krüglein nicht nur zu diesem Zweck zu groß gewesen zu seyn, sondern man hat auch würcklich in einigen von gleicher Gestalt und Grösse, welche in den obgedachten Wald-Gräbern befindlich gewesen, Todten-Asche und Gebeine angetroffen, mithin es zu vermuthen, daß alle diese gefundene kleine Töpfe eben so wohl, als die grosse, lauter Todten-Töpfe und Todten-Krüge gewesen sind. Wie denn ohnehin bekannt genug ist, daß die alte Heidnische Todten-Töpfe nicht einerley, sondern gar verschiedene, Gestalt und Grösse haben. Es sind einige Stücke von diesen erhaltenen Wißbadischen Toten-Urnen in dem Schloß zu Wißbaden, zum Andencken, beygestellet worden. Um das Jahr 1730 hat man auch einen grossen steinernen Todten-Sarg in dem Acker-Felde bey Wißbaden, in der Erde gefunden. Von demselben vermuthet man, nicht ohne Wahrscheinlichkeit, daß er ebenfalls in die alte Teutsch-Römische Zeiten gehören möchte. Es ist zwar an demselben keine Schrift noch Jahr-Zahl anzutreffen gewesen.
[74] Es hat aber Winckelmann, welcher, wie er in seiner Heßischen Chron. P. 2. c. 2. p. 106. meldet, um das Jahr 1670 in unserer Nachbarschaft zu Rüsselsheim, Dornheim und Zwingenberg dergleichen aus der Erde herausgegrabene grosse steinerne Todtem–Särge angetroffen, auf einem derselben, welcher 9. Fuß lang gewesen, eine würckliche Römische Aufschrift (welche er daselbst zu lesen giebt) gefunden, folglich also daraus geschlossen, daß diese steinerne Todten–Särge von den alten, in diesen Gegenden sich aufgehaltenen, Römern herrühreten. Es haben zwar die alten Römer, wie kurtz vorher berichtet worden, ihre Todten gemeiniglich verbrannt. Es haben aber auch einige Geschlechter unter ihnen ihre Todten, ohne vorgängige Verbrennung schlechthin begraben. Und in dem zweyten Jahrhundert nach Christi Geburt, um die Zeiten der Kayser Antoninen, hat die Verbrennung der Todten bey ihnen nach und nach völlig aufgehöret. Siehe hiervon des Plinii H. N. L. VII. c. 54, und seine daselbstige Ausleger; wie auch des Cellarii und Nienpoorts Antiq. und Rit. Rom. etc. Es kan also gar wohl seyn, daß der gemeldte gefundene Wißbadische steinerne Sarg ebenfalls ein solcher Römischer Todten–Sarg gewesen sey. Er ist übrigens vor weniger Zeit zu einem
[75] Wasser-Bett in einer vor Wißbaden stehenden Mühle verwendet worden.
2. Die Heidnische Mauer in Wißbaden. Es findet sich nemlich mitten in dem heutigen Wißbaden eine sehr alte Mauer, welche, wie bereits oben berühret worden, die Heidnische oder Heiden-Mauer genennet wird. Und zwar ist diese Benennung nicht erst in den neueren Zeiten aufgekommen sondern sie ist schon von alten Zeiten her in Wißbaden gewöhnlich. Wie sie denn in den allerältesten Wißbadischen Schriften vorkommt, als in welchen diese Mauer immerzu die Heidnische Muren heisset. Sie ist zwar durch die Länge der Zeit, und durch die vielen Veränderungen, welche Wißbaden in seiner äusseren Verfassung nach und nach erfahren hat, sehr zusammen gegangen, und ist nur bloß ein einfacher Theil derselben, doch ziemlich verfallen, annoch vorhanden. Und auch dieser kleine Rest des derselben ist dermalen durch die daran gesetzte Häuser hin und wieder sehr verbauet. Doch sind, dem allen ohngeachtet, noch verschiedene Stücke derselben, sonderlich zwischen der Langen- und Metzger-Gasse, wie auch vor dem Heidnischen Thor, kenntlich genug zu sehen. Sie ist nichts anders, wie ebenfalls bereits oben gezeiget worden, als die ehemalige Stadt-Mauer, welche die eigentliche alte Stadt und Festung Wißbaden vormals
[76] umgeben hat. Sie heisset die Heidnische Mauer, weil sie noch aus dem Heidenthum herrühret, oder von den ehemaligen Heiden in Wißbaden erbauet ist. Da aber die Heiden, welche vormals Wißbaden bewohnet haben, theils Teutsche, theils Römer, wie oben bewiesen worden, gewesen sind, so fraget sichs nicht unbillig: von welchen Heiden denn eigentlich diese Mauer herrühre oder erbauet sey? Ob von den Teutschen oder von den Römischen Heiden? Die Antwort fällt hierauf ohne Bedencken, daß dieselbe von keinen andern, als den Römischen Heiden, erbauet sey. Der Beweis davon ist dieser: 1, haben die alte Teutschen, wie schon oben, aus den Römischen Geschicht-Schreibern berichtet ist, gar keine eigentliche verschlossene Städte, und also auch keine Stadt- noch Ring-Mauern, sondern nur allein schlechte und offene Flecken oder Dörfer gehabt. Sie liebten in allem, und also auch in Anrichtung ihrer Wohn-Stätten, ein freyes und uneingeschräncktes Wesen, und wollten sich in zugemachte Oerter nicht einsperren lassen. Daher sie auch, als nachmals die Römer einige ummauerte Städte und Festungen unter ihnen angerichtet, solche verabscheuet, und, wie Ammianus L. 16. c. 1. meldet, annoch im vierdten Jahrhundert nach Christi Geburt einen solchen Haß gegen dieselbe geäussert, daß sie solche vor Höhlen, welche mit Netzen umgeben wären, und vor die wilde Thiere
[77] gehöreten, erkläret, und dieselbe, wenn sie sich ihrer schon mannichmal bemächtiget, doch zu bewohnen nicht begehret haben. Und also haben sie keine ummauerte Städte haben wollen. Sie haben aber auch 2, keine haben können. Denn, dessen nicht zu gedencken, daß es ihnen die Römer, so lange sie einige Ober-Hand unter ihnen gehabt, bestens würden gewehret haben, so hat es ihnen durchaus an der nöthigen Bau- und Mauer-Wissenschaft gefehlet. Und so wohl wie Bruch- als auch die gebrannte Ziegel-Steine, von welchen ersteren die älteste Teutsche Stadt-Mauern, und auch unsere Heidnische Mauer, größtentheils verfertigt worden, sind, nach dem Zeugnüß des Taciti G. c. 16, und des Herodiani L. 7. c. 2. bey ihnen gar nicht im Gebrauch gewesen. Ja man darf nur dasjenige, was diese Geschicht-Schreiber ll. cc. von ihrer Art zu bauen, überhaupt berichten, nachlesen, und dagegen unsere sehr ordentlich und dauerhaft (wie selbst die Ruinen derselben noch zeigen) verfassete Heidnische Mauer ansehen, so wird man gar bald erkennen, daß dieselbe von keinen solchen schlecht-erfahrenen Teutschen Anbauern, sondern von rechten Bau- und Mauer-verständigen Werck-Leuten sey errichtet worden. Und diese sind keine andere gewesen, als die Römer. Denn, was die Francken anbelanget, welche nachmals um das Jahr 500. sich unserer Gegenden bemächtiget haben, so haben sich
[78] dieselbe zwar der Bau-Kunst beflissen, und nach und nach ummauerte Städte angerichtet, allein es ist auch unter ihnen das Christenthum schon um dieselbe Zeit in der Uebung gewesen; und wenn unsere mehrgemeldte Mauer von denselben wäre errichtet worden, so hätte sie den Nahmen einer Heidnischen Mauer nicht überkommen können. Es ist daher dieses bey allen gründlichen Kennern der Teutschen Alterthümern eine ausgemachte Sache, daß alle die älteste ummauerte Städte in Teutschland von niemand anders, als von den alten Römern, seyen errichtet worden. Siehe den Conring de Urb. Germ. Und ist merckwürdig, daß selbst das Teutsche Wort, Mauer, oder, wie es in den alten Teutschen Schriften ausgedrucket wird, Muer, seinem eigentlichen Ursprung nach, Römisch oder Lateinisch ist. Denn es ist nichts anders, als das Lateinische Wort Murus. Zu einer deutlichen Anzeige, daß auch die Sache selbst, welche durch dieses Wort bedeutet wird, Römischen Ursprungs sey. Wie denn noch mehr dergleichen Bau-Wörter in der Teutschen Sprache vorhanden sind, welche von Römischen Wörtern ihren Ursprung genommen haben, z. E. Kalck (Calx) Thurn (Turris) Wall (Vallum) etc. Denn da die Sachen, welche durch diese Wörter bedeutet werden, bey den alten Teutschen nicht bekannt waren, so waren auch keine Nahmen davon in ihrer Sprache vorhanden.
[79] Da aber nachmals die Römer die gemeldte Sachen unter ihnen bekannt und gewöhnlich gemacht haben, so sind auch die Nahmen, welche diese Sachen in der Römischen Sprache gehabt, nach und nach bey den Teutschen bekannt und gewöhnlich worden, und auch, wiewohl nach der Teutschen Aussprache gefüget, gewöhnlich geblieben. 3, haben sich in unserer Wißbadischen Heidnischen Mauer verschiedene Steine mit würcklichen Römischen Aufschriften gefunden, welche, gantz vermuthlich, gleich bey Erbauung derselben, von den Römern in dieselbe sind gesetzet worden, und von welchen bald ein mehreres wird gemeldet werden. 4, ist auch noch ein würcklicher Römischer oder Lateinischer Nahme an dieser Mauer übrig. Denn die, an derselben befindliche, alte Thürne werden noch jetzo Kessel genennet. Diß Wort Kessel aber ist nichts anders, als das Lateinische Wort Castellum, (fester Ort) welches von den Teutschen nach und nach in Castell, Cassel und Cessel oder Kessel ist verwandelt worden. Und ist diese Benennung bey mehr andern dergleichen alten Thürnen und Mauern in Teutschland annoch übrig, und überall eine deutliche Anzeige, daß dergleichen Gebäude von niemand anders, als von Römern oder Lateinern, welche sie mit diesem Nahmen beleget, seyen erbauet worden. Es hält zwar der gemeine Mann in Wißbaden dermalen davor, es würden diese Thürne in der
[80] Heidnischen Mauer um deßwillen Kessel genennet, weil sie einiger massen rund sind. Allein es ist solches nur eine zufällige Ursache, und also dieser Nahme in solchem Sinn nur allein ein Bey-Nahme derselben. Der rechte und ursprüngliche Grund-Nahme aber ist wie es die gedachte mehrere Exempel solcher alten Thürne, die eben nicht überall rund sind, bestättigen, Castellum. Uebrigens ist diese mehrgemeldte Heidnische Mauer in Wißbaden von ungemeiner Breite, Höhe und Festigkeit gewesen. Wie man denn an theils Orten derselben, wo sie noch in ihrer völligen alten und ersten Gestalt zu sehen gewesen, hat abmercken können, daß die Breite derselben bey zehen, und die Höhe bey zwantzig Werck-Schuhe betragen, und die Kalck-Speise an derselben fast an Dauerhaftigkeit den Mauer-Steinen selbst beygekommen. Sie ist von Bruch–Steinen errichtet, es finden sich aber auch hier und dar mitten in derselben (wie man bey dem Niederreissen derselben befunden hat) alte gebrannte Ziegel-Steine mit undeutlichen Figuren und erhabenen Fugen. Sie hat sich auch ehedessen viel weiter erstrecket, als jetzo. Wie denn vor nicht gar langer Zeit, wie bereits oben gemeldet ist, nicht nur hinter dem Schloß-Hof viele in der Erde daselbst befindlich-gewesene Grund-Stücke derselben herausgegraben, sondern auch ein grosses, noch völlig gestandenes, 80. Werck-Schuhe lang gewesenes, Stück
[81] derselben oben auf dem Heidnischen Berge ist abgebrochen worden. Daß sie sich aber gar, wie man insgemein vorgiebt, und auch Winckelmann in seiner Heßischen Chron. p. 130. es behauptet, ehemals über den gantzen Heidnischen Berg hin, bis an die, bald zu beschreibende, Rent-Mauer im Walde bey Wißbaden erstrecket habe, das scheinet wohl keinen sonderlichen Grund zu haben. Wenigstens kan sie bis an solchen Ort hin keine Stadt-Mauer gewesen seyn, weil sich sonst auch die Stadt selber, welches niemand glauben wird, bis dahin müste erstrecket haben. Doch kan sie, wenn ja etwas an der Sache ist, den Römern zur Befestigung und Bedeckung des Landes, gleich andern ihren Schantzen und Gräben, gedienet haben. Sonst haben auch von alten Zeiten her verschiedene, nahe bey dieser Heidnischen Mauer befindlich-gewesene, Sachen und Gegenden ihre Bey-Nahmen von derselben erhalten, z. E. das Heidnische Thor, der Heidnische Weyher oder daselbstige Stadt-Graben, der Heidnische Berg, die Heidnische Hol oder der daselbstige gemeine Fahr-Weg, der Heidnische Kirch-Hof etc. welche Benennungen auch noch jetzo, zum Theil, übrig und gewöhnlich sind.
3. Das Heiden-Loch in und bey Wißbaden. In einem alten Wißbadischen Gerichts-Buch finden sich, unter dem Jahr 1380 diese
[82] Worte: Das Gut das die – hier han an dem Berge bey dem Heydenloche. Und in einem anderen Gerichts–Buch heisset es, unter dem Jahr 1403. Dy Hobstad – dy da gelegen ist by deme Heydenloche. Man siehet aus diesen Worten klärlich, daß vormals ein besonderes nahmhaftes Loch in und bey Wißbaden vorhanden gewesen, welches das Heidenloch ist genennet worden. Man siehet weiter daraus, daß dieses Loch von einer sonderlichen Grösse oder Länge müsse gewesen seyn, denn es ist dasselbe in der Stadt, wo Hof-Stätte oder Hof-Reithen gestanden, und auch bey der Stadt an dem Berge, (das ist, dem Heidnischen Berge, wie eine anderweitige Urkunde l. c. es zeiget) wo Aecker sind, vorhanden gewesen. Man kan auch noch weiter aus der besonderen Benennung dieses Loches, da es ein Heiden-Loch heisset, gar leicht schliessen, daß es diesen Nahmen nicht von ohngefähr, sondern um deßwillen werde überkommen haben, weil den ehemaligen Stadt-Einwohnern kund gewesen, daß es, gleich der obgedachten Heidnischen Mauer, aus der alten Heiden-Zeit annoch herrühre. Allein was es nun noch weiter vor eine eigentliche Bewandtnüß mit diesem Heidenloche gehabt habe? das ist dermalen nicht wohl möglich mehr zu sagen, weil Loch und Nahme desselben in Wißbaden nicht mehr vorhanden ist. Zwar hat man bisher mehrmalen
[83] verschiedene beträchtliche unterirdische Löcher, Hölen und Gewölber und in unserm Wißbad, sonderlich in der Saal-Gegend desselben, entdecket. Allein ob solche grad ein Ueberbleibsel von dem gemeldten Heidenloch seyen? davon sind eben keine hinlängliche Anzeigungen vorhanden. Wenn dieses Heidenloch nur in einer eintzigen bestimmten Gegend, entweder in oder bey der Stadt, sich befunden hätte, so könnte man vielleicht, nicht ohne Wahrscheinlichkeit, vermuthen, daß etwan ein besonderes merckwürdiges Loch in der Heidnischen Stadt Mauer, entweder in oder bey der Stadt, obhanden gewesen, welches den Nahmen eines Heidenloches von der Heiden Mauer überkommen hätte. Allein da es in der Stadt, wo Hof-Stätte stehen, und auch ausserhalb der Stadt, an dem Heidnischen Berge, wie oben gemeldet ist, zugleich sich befunden hat, so lässet sich ein solches Mauerloch, als welches unmöglich von einer solchen Grösse oder Länge gewesen seyn kan, nicht wohl verstehen. Und eben dieses ist auch die Ursache, warum durch dieses Heidenloch die kurtz vorher benahmte Heidnische Hol oder Fahr-Weg bey Wißbaden (welcher erst vor kurtzem größtentheils geschleiffet worden ist) nicht gar wohl verstanden werden kan. Denn diese Hol hat sich nicht in der Stadt, wo Hof-Stätte stehen, sondern nur ausserhalb derselben, nemlich vor dem Heidnischen Thor befunden. Es wäre denn
[84] Sache, daß damals auch einige Hof-Stätte ausserhalb der Stadt, in der Gegend dieses Fahr-Weges, wie möglich seyn kan, gestanden hätten. Wie es denn auch sonst würcklich nicht ungewöhnlich ist, daß man hier und dar in Teutschland einen etwas tiefen Fahr-Weg kurtzhin ein Loch zu nennen pfleget. Es ist aber auch vormals in Wißbaden gleich vor dem Heidnischen Thor, nahe bey der Heidnischen Mauer, an der Anhöhe des Heidnischen Berges, ein grosser und tiefer Stein-Bruch vorhanden gewesen. Ob solcher etwan das mehrgemeldte Heidenloch, daraus vielleicht die alte Römer ihre Mauer-Steine zu der Stadt-Mauer des Römischen Wißbads erbrochen haben, möchte gewesen seyn; oder ob vielleicht sonst noch ein anderweitiger Graben oder altes Gewölbe um die Heidnische Mauer herum sich vormals befunden habe, welche den Nahmen eines Heidenloches gehabt? das lässet man zu einer weiteren Ueberlegung ausgestellet seyn; Und hat der Leser überhaupt Freyheit, sich von diesem Wißbadischen Heidenloche dasjenige durch Vermuthungen vorzustellen, was ihm am glaublichsten vorkommt. Denn der Abgang völlig klarer Nachrichten von dieser Sache verstattet nicht, dieselbe hierbey gäntzlich zu entscheiden.
4. Die Rent-Mauer ohnweit Wißbaden. Es lieget nemlich etwan eine gute Stunde weit von Wißbaden im Walde, rechts auf
[85] dem ehemaligen Berge Taunus, oder der, heut zu Tage, so genannten Höhe, an der lincken Seite des Weges nach Wehen, eine alte verfallene Mauer, welche von alten Zeiten her die Rent-Mauer genennet wird. Diese Mauer ist, wie man aus den, annoch vorhandenen, Grund- und Schutt-Steinen derselben (an welchen durch die Länge der Zeit aller Kalck abgezehret ist) deutlich abnehmen kan, von gantz ausserordentlicher und Erstaunungs-würdiger Breite gewesen. Denn sie ist 6. bis 7. grosse Schritte breit. Sie ist anbey in einer ordentlichen Rundung erbauet, ist aber vor einem blossen runden Thurn viel zu weit und zu breit von innen. Denn sie hat inwendig einen leeren Platz, der an Grösse dem Marckt-Platz zu Wißbaden fast beykommen wird; folglich hat also noch ein anderes Gebäude in demselben gar füglich Raum haben können. Hier fragt sichs nun, was dis vor eine Mauer sey, und warum sie die Rent-Mauer genennet werde? Was das erste betrift, so antworten wir darauf ohne sonderlichen Anstand, daß diese Mauer ein Stück einer alten Festung, und zwar keiner Teutschen, sondern, gleich der vorhin beschriebenen Heidnischen Mauer, einer Römischen Festung sey; denn es ist ebenfalls bey derselben ein würcklicher Römischer oder Lateinischer Nahme vorhanden, und dieser ist der kurtz vorher benennte Nahme Kessel. Massen die nahe Gegend bey dieser Rent-Mauer
[86] von alten Zeiten her, und noch jetzo, im Kessel genennet wird. Dieser Nahme Kessel aber ist, wie bereits kurtz vorher gezeiget worden, nichts anders, als das Römische oder Lateinische Wort Castellum, welches eine Festung, feste Schantze, bedeutet, und daraus die anwohnende alte Teutschen in ihrer Sprache nach und nach Cassel und Kessel gemacht haben; folglich ist also dieses eine klare Anzeige, daß in dieser Gegend ehemals eine Römische Festung gestanden habe, und die gedachte Rent-Mauer ein Stück derselben gewesen sey. Nun aber melden die alte Römische Geschicht-Schreiber Dio L. 54, und Tacitus A. 1. c. 56. daß der obgemeldte Stief-Sohn des Römischen Kaysers Augusti, Drusus, einige Kriegs-Züge gegen die Teutschen, und sonderlich gegen die Catten, oder, wie sie heut zu Tage heissen, die Hessen, vorgenommen, und bey solcher Gelegenheit eine besondere Festung nahe an dem Rhein, auf dem Berge Taunus, oder der so genannten Höhe, erbauet, welche hernach sein Sohn Germanicus, als sie etwas verfallen gewesen, wieder erneuert habe. Da nun viele, bey dieser Sache vorkommende, Umstände ziemlich deutlich anzeigen, daß dieser Drusus solche seine nach Teutschland unternommene Züge von Maintz aus (woselbst noch allerley Denckmale von ihm, wie bereits oben gemeldet worden, übrig geblieben sind) angetreten habe, und das Stück des Berges
[87] Taunus, welches an Wißbaden gräntzet, dem Rhein ziemlich nahe lieget, solches auch ihme, bey diesem seinem Weg, am ersten aufgestossen, so haben die vornehmste Kenner der Teutschen Alterthümer, nahmentlich Cluverius Germ. Antiq. p 535. und Cellarius Geog. Antiq. T. 1. p. 474. etc. davor gehalten, daß er gemeldtes sein Castellum oder Festung (welche ein besonderes und von dem anderweitigen funfftzig Festungen, die er, wie oben berichtet worden, hin und wieder um die Ufer des Rheins herum angeleget hat, gantz unterschiedenes Werck ist) in der Gegend Wißbaden erbauet habe. Man wird also aus diesem Grunde, vermuthlich, nicht unrecht thun, wenn man davor hält, daß diese Festung des Drusi eben an dem Orte, wo die vorgemeldte Rent-Mauer sich befindet, gestanden habe, und diese Mauer ein würckliches Stück derselben gewesen sey. Wie denn auch noch merckwürdig ist, daß die bald zu benennende Pfal-Gräben, welche die Römer ehemals in unseren Gegenden, zu ihrer Beschützung, aufgeworffen, sich nahe an dieser Rent-Mauer vorbey gezogen, und also diese beyde Römische Festungs-Wercke vielleicht einander zur Bedeckung und Verwahrung haben dienen müssen. Was aber nun noch den Nahmen Rent-Mauer anbelanget, so sind zwar mehrmalen verschiedene Meynungen, woher etwan diese Benennung entstanden seyn möchte? geäussert
[88] worden. Es ist aber wohl diejenige, welche der Sache selbst am nächsten kommt, ohne Zweifel die gegründteste und beste. Nemlich es ist diese Mauer vollkommen rund, und hat also gantz vermuthlich ehemals im Lateinischen murus rotundus, im Teutschen aber die Rund- oder Ring-Mauer geheissen. Daraus ist nach und nach von dem gemeinen Teutschen Mann, wie es bey solcherley alten Benennungen zu ergehen pfleget, Rent-Mauer gemacht worden. Sie nimmt indessen täglich mehr und mehr ab, und die Steine derselben werden nach und nach anderswohin abgeholet und vernutzet. Es sind noch mehrere Stücke von dergleichen altem Gemäuer hier und dar in unserer und der benachbarten Gegend der gemeldten Höhe anzutreffen, welche ebenfalls gantz vermuthlich vormals nichts anders, als Römische Schantzen (wie auch Winckelmann in seiner Heßis. Chron. davor hält) gewesen sind. Es ist aber keines von einer solchen Grösse und sonderbaren Verfassung, als die gemeldte Rent-Mauer. Daß übrigens durch den bisher verschiedene mahl benennten, bey den alten Römischen Geschicht-Schreibern vorkommenden, Berg Taunus nicht bloß allein der so genannte Dynsberg ohnweit Giessen, sondern die gantze, heut zu Tage, so genannte Höhe, oder das grosse waldige Gebürge, welches von dem Rhein, unterhalb des Rhein-Gaues
[89] an, bis in das Hessen-Land sich erstrecket, und auch die Wißbadische Gegend berühret, zu verstehen sey, das ist ziemlich deutlich aus dem, was Tacitus A. L. I. c. 56, L. 12. c. 28, und Mela L. 3. c. 3. davon anführen, zu ersehen. Denn aus dem Tacito siehet man, daß dieser Taunus zwischen dem Hessen-Lande und dem Rhein liege; und aus dem Mela siehet man, daß derselbe einer der höhesten Bergen des Teutschlandes sey; welches letztere auf den eintzelen Dinsberg nicht gar richtig, auf das gesammte Gebürge der Höhe aber vollkommen richtig zutrift, und ist darüber bey den Forschern der Teutschen Alterthümer kein sonderlicher Zweifel obhanden. Was aber den Nahmen Taunus selber anbelanget, so wollen zwar einige denselben, nicht ohne Wahrscheinlichkeit, von dem Worte Dun oder Dün, welches in verschiedenen Sprachen, und auch in der alten Teutschen Sprache, eine Höhe soll bedeutet haben, herleiten, wie sie denn zur Bestätigung dessen anführen, daß noch heut zu Tage in der Nieder-Teutschen Sprache die Sand-Hügel an der See, bekanntlich, die Dünen oder Dynen genennet werden. Und also, meynen sie, sey der Nahme des gedachten Dynsberges ein Ueberbleibsel von dieser ehemaligen alt-Teutschen Benennung dieses gantzen Gebürges. Allein es wollen andere, mit noch grösserer Wahrscheinlichkeit, diesen Nahmen Taunus von
[90] dem Teutschen Worte Hayn oder Haan herführen, denn das habe, sagen sie, nicht nur gantz offenbarlich in der alten Teutschen Sprache einen Wald bedeutet, sondern es melde auch der alte Römische Erd-Beschreiber Mela l.c. ausdrücklich, daß es den ehemaligen Römern schwer gefallen, den Teutschen Nahmen Taunus füglich auszusprechen, und das träfe auf das Wort Hayn oder Haan richtig zu. Denn es sey, bekanntlich, den alten Römern, nach ihrer damaligen Mund-Art, gar unbequem gewesen, den Buchstaben H gehörig auszusprechen, daher sie denselben gemeiniglich entweder gantz ausgelassen, oder mit einem andern schicklichen Buchstaben verwechselt hätten. Es sey also gantz glaublich, daß sie das Teutsche Wort de (der) Hayn oder Haan nach ihrer Römischen Mund-Art gefüget, auch mit einer Römischen Endigung versehen, und also in Teinus und Taunus verwandelt hätten. Es sey auch nachmals die Römische Verwandelung dieses Wortes bey einigen Teutschen selbst unter der Hand gebräuchlich worden, denn, wie aus einer in des Eckards Catech. Theodisca befindlichen alten Teutschen Tauf-Formul zu ersehen, so sey auch mit der Zeit ein Wald oder Hayn bey den Teutschen Thuna genennet worden. Und daß auch vormals unser bemeldtes waldigtes Gebürge bey den alten Teutschen Anwohnern desselben der Hayn oder Haan
[91] geheissen habe, das sey daraus gar deutlich abzunehmen, weil viele, in demselben liegende, Dörfer ihre Nahmen mit dem Worte Hayn oder Haan bezeichnet hätten, z. E. Haan, Seitzenhayn oder Haan, Eschenhaan, Eppenhaan, Langenhaan etc. Man kan hierbey des Cluvers Germ. Antiq p. 52, des Cellarii Geog. Antiq. L. 2. c. 2 und 5, des Wachters Gloss. Germ. p. 116, den Prodrom. Chr. Gottwic. und mehr andere Forscher der Teutschen Alterthümer nachsehen, und alles selber, nach eigener Einsicht, prüfen und beurtheilen.
5. Die Römische Pfal-Gräben in der Gegend Wißbaden. Es waren nemlich ehemals die alten Römer, als sie sich gegen Maintz über auf Teutschem Boden fest zu setzen angefangen, den beständigen Ueberfällen der, hinter dem obgemeldten Berge Taunus wohnenden, Teutschen Völcker, sonderlich der Catten, oder, nach der heutigen Benennung, der Hessen, unterworffen. Damit sie nun dagegen sich in hinlängliche Sicherheit setzen möchten, so liessen sie einen grossen Graben oder Wall (den sie zugleich hier und dar mit Castellen, Festungen oder Schantzen versehen, und mit Soldaten beleget) in solcher Gegend aufwerffen, welcher, weil er mit Palis oder Pfälen starck besetzet war, nachmals von den alten Teutschen insgemein der Pfal- oder Pol-Graben und die Pol-Heck ist genennet worden. [92] Dieser ansehnliche Wall oder Graben hat sich von dem Rhein, bey Braubach an, bis in die Wetterau und Ober-Hessen, auf viele Meilen Weges weit, erstrecket, und hat unter andern auch die Gegend Wißbaden berühret. Wie ihn denn, ohngefähr um das Jahr 1670. der fleißige Heßische Geschicht-Schreiber Winckelmann selber, so viel nemlich damals annoch davon zu sehen gewesen, in Augenschein genommen, und befunden hat, daß er zwischen Langen-Schwalbach und Wißbaden, über die Höhe, ohnweit der vorgemeldten Rent-Mauer, auf Wehen zu, und von dar weiter nach dem Frauen-Walde bey Idstein, und so ferner bis in das Hessen-Land sich gezogen habe, siehe seine Hess. Chron. P. 2. c. 4. p. 129. 130. An theils Orten ist noch jetzo etwas von diesem Graben zu sehen, auch deren Nahme Pol-Grab hier und dar annoch übrig und üblich. An den meisten Orten aber ist der Graben und Nahme desselben vergangen. Wie denn schon um das Jahr 1550. der Wetterauische Geschicht-Schreiber Erasmus Alber in seinem Tugend- und Weisheits-Spiegel, in Beschreibung des, ohnweit Cronberg liegenden, Feldberges, klaget, daß dieser alte ansehnliche Pol-Grab nach und nach gar sehr abnehme. Seine Worte davon verdienen, daß sie allhier mit angefüget, und dem Leser bekannt gemacht werden. Sie lauten aus l. c. also:
[93]
„Rings umher liegt ein grosser Wald,
Darum die alten Heiden haben
Bey zehen Meil umher gegraben,
Ein lange Zeit, eh JEsus Christ
Auf Erden Mensch gebohren ist.
Den Graben man noch sehen kan,
Er wird genennt von jedermann
Der Pol-Grab, und zur lincken Hand
Reicht er bis in das Hessen-Land,
Zur rechten Hand bis an den Rhein;
Das kan ein langer Pol-Grab seyn.
Derselbig Grab vergeht nun sehr,
Dieweil man seiner acht nicht mehr.
Das Alter so feindselig ist,
Beyd Zeit und Alter alles frißt.“
Zu welcher Zeit aber, und durch welchen Römischen Feldherrn, eigentlich dieser Römische Pfal-Graben veranstaltet worden? das haben uns die alte Römische Geschicht-Schreiber so deutlich nicht gemeldet. Doch will man aus dem Suetonio in der Lebens-Beschreibung des Kaysers Claudii c. 1, und aus dem Tacito A. 13. c. 53. einiger massen schliessen, daß er durch den Römischen Feldherrn Drusum, ohngefähr um die Zeit der Geburt Christi, (und also nicht, wie Alber meynet, eine lange Zeit vor derselben) angefangen, und durch den Feldherrn Paulinum Pompejum nachmals vollends zu Stande gerichtet worden sey. Wiewohl andere solches
[94] lieber dem Kayser Hadriano zuschreiben wollen, als welcher, wie aus des Spartiani Lebens-Beschreibung dieses Kaysers c. 12. erhellet, die Gewohnheit gehabt hat, dergleichen Limites oder Gräntz-Graben in den Römischen Provinzien hier und dar anlegen zu lassen. Es sind aber diese, in unsern Teutsch-Rheinländischen Gegenden befindlich-gewesene, Römische Pol-Graben damals nicht immer in den Händen der Römer geblieben, sondern sind gar öfters von den aufrührischen Teutschen, wie aus dem Vopisco in dem Leben des Kaysers Taciti c. 3. und andern Römischen Geschicht-Schreibern zu ersehen ist, überstiegen und durchbrochen worden.
6. Die alte Römische Aufschriften in Wißbaden. Man hat vormals ein Verzeichnüß derer in Wißbaden, von alten Zeiten her, befindlich-gewesenen alten Römischen Aufschriften verfasset, und solches bey die schriftliche Urkunden der Stadt beygeleget. In diesem Verzeichnüß, welches noch vorhanden ist, werden folgende solcher Aufschriften nahmhaft gemacht:
- 1. Auf einer weissen steinernen Tafel hat gestanden:
- DIS. MN.
- Q. FAVONO.
- VARO. FL.
[95]
- Q. AVON.
- V. VA. RVC.
- CO H. XXXII.
- PATER.
Das ist, auf Teutsch: [1]Den abgeschiedenen
[96] Seelen der vergötterten Menschen zu Ehren! dem Q. Favono Varo seinem Sohne hat sein Vatter Q. Favonus Varus – – von der zwey und dreyßigsten, mit Spiessen versehenen, Kriegs-Rotte dieses zum Andencken aufgerichtet.
Die in der Mitte dieser Aufschrift befindliche Worte: AVON. V. VA. RVC. sind zwar etwas dunckel; Es scheinet aber, daß sie fehlerhaft eingegraben worden, und vielleicht mit all nichts anders anzeigen sollen, als FAVONVS VARVS.
[97] Doch bleibet solches den Forschern solcher alten Aufschriften zu weiterer Untersuchung ausgestellet. Wie denn auch denselben, annoch genauer zu erwägen, überlassen wird: ob die Buchstaben CO. H. etwan Cohors hastata, eine Spieß-Kriegs–Rotte, oder sonst was anders bedeuten sollen? Weil übrigens so wohl das Favonische, als auch das Varische Geschlecht (welche beyde, wie es scheinet, durch Adoption, oder Annehmung an Kindes statt, ihre beyderseitige Nahmen, wie bey den Römern gewöhnlich war, einander mitgetheilet) sogleich unter den ersten Römischen Kaysern, wie aus dem Tacito A. L. 16. c. 22, L. 1. c. 3, L. 4. c. 66, L. 13. c. 9. etc. zu ersehen, sonderlich aber unter der Regierung des Kaysers Augusti, wie aus dem Suetonio in der Lebens-Beschreibung dieses Kaysers c. 13. und 23, und aus mehr andern Römischen Schrift-Verfassern erhellet, und auch, zum Theil, aus der, in derselben Zeit vorgefallenen, grossen Niederlage des Q. Vari in Teutschland bekannt ist, bey den Römern im Flor gewesen, so lässet sich hieraus nicht undeutlich abnehmen, daß dieser Stein in Wißbaden um dieselbe Zeit, und zwar, sehr vermuthlich, selbst um die Zeit des gemeldten Kaysers Augusti, (als der sich sonderlich viel mit den Teutschen beschäftiget hat) sey aufgerichtet worden, mithin also auch die Römer schon damals, und also beyläufig um die Zeit
[98] der Geburt Christi hin, Wißbaden inne gehabt haben. Es sind zwar auch schon kurtz vorher, zu des Jul. Caesars Zeiten, wie man aus seinen Büchern de Bell. Civ. und aus andern Römischen Schrift-Stellern ersiehet, die benennte Favonische und Varische Geschlechter unter den Römern obhanden gewesen; allein um dieselbe Zeit sind, bekanntlich, noch keine Festungen in Teutschland von den Römern angeleget worden. Es ist aber solches bald darauf unter der Regierung des Kaysers Augusti (sonderlich von dem Feldherrn desselben, dem obgemeldten Druso) und seinen ersten Nachfolgern im Reich geschehen. Nach diesen Zeiten ist von den benennten zwey Geschlechtern keine Spur mehr bey den Römischen Geschicht-Schreibern zu finden, und also daraus ziemlich sicher zu schliessen, daß sie bald darauf abgängig worden.
- 2. Auf einer schwartzen steinernen Tafel hat gestanden:
- IN. H. DD.
- GENEO. SANC.
- TO. MAREL. CL.
- POMPEIANVS.
[99]
- MIL. LEC. VIII.
- ANTONNANAE.
- AVG. BF. COS. Td.
- IANVAR. IMP.
- D. N. ANTONO. IIII.
- ET BALBINO. II. COS.
Das ist: Zu Ehren dem Haus-Gott! dem Geneo Sancto Marelio Claudio hat der Pompejanus, oder: dem Geneo Sancto hat der Marelius Claudius Pompejanus ein Kriegs-Mann von der achten Antoninischen Kayserlichen Legion --- als der Kayser unser Herr Antoninus zum vierdten- und der Balbinus zum zweyten-mal Burgermeister waren, dieses zum Andencken aufgerichtet. Die mittlere, etwas schwer zu verstehende, Worte dieser Aufschrift: BF. COS. Td. oder, wie man auch lesen kan, Fd. oder Ed. etc. (denn diese zwey Buchstaben haben auf dem Stein, laut der alten Original-Abschrift desselben, in einander geschlungen gestanden, und sind also viel-deutig) wie auch das Wort IANVAR. lässet man andern, zur weitern Untersuchung und Aufklärung, über. Und was auch die Worte: GENEO SANCTO anbelanget, so stehet einem jeden frey solche [100] entweder vor Nomina propria, das ist, Nahmen eines gewissen Menschens, oder vor Nomina adpellativa, das ist, gemeine Nenn-Worte zu halten, und folglich also zu vermuthen, daß etwan ein Mensch, der Geneus Sanctus geheissen, oder ein Genius sanctus, das ist, ein heiliger und guter Schutz-Geist, (dergleichen die alte Römer, bekanntlich, geglaubet, und sie den Haus-Göttern gleich geachtet haben) oder sonst etwas anders dadurch gemeynet werde. Vielleicht stehet diese gantze Sache also: Es hat der Kayser Antoninus Bassianus Caracalla, dessen in dieser Aufschrift gantz offenbarlich gedacht wird, einen, Nahmens Pompejanus, (Enckel des Kaysers Marci Antonini) welchen er bereits zweymal zum Römischen Burgermeister gemacht hatte, nach dem Zeugnüß des Spartiani in der Lebens-Beschreibung dieses Kaysers c. 3. ohngefähr in dem Jahr Christi 212. umbringen lassen, doch so, daß es den Nahmen hat haben müssen, als ob er von den Strassen-Räubern wäre ermordet worden. Vielleicht hat nun dessen Sohn Pompejanus, welcher damals wie es scheinet, in Wißbaden, als ein Kriegs-Mann, unter dem obersten Befehlhaber Januario, in Besatzung gelegen, in diesem seinem todten Vatter, den er etwan einen Deum domesticum, Haus-Gott, und einen Geneum oder Genium sanctum, einen heiligen Schutz-Geist, vielleicht GENETOrem oder Genitorem [101] sanctum, einen heiligen Vatter nennet, (wie denn die Römer ehemals die abgeschiedene und vergötterte Seelen ihrer Vor-Eltern sanctos oder heilige zu nennen gepfleget haben, siehe den Virgilium Aen. V. 80. 603. etc.) diesen Stein zu Ehren in Wißbaden aufrichten lassen. So viel ist wenigstens aus den vorhandenen Fastis Consularibus Rom. oder Jahr-Verzeichnüssen der ehemaligen Römischen Burgermeister zu ersehen, daß derjenige Pompejanus, welchen der Kayser Antoninus, vorgemeldter massen, hat umbringen lassen, mit seinem Vor-Nahmen: M. Aurelius Claudius geheissen hat, und dieses stimmet mit unserer gegenwärtigen Aufschrift ziemlich überein. Denn daß es gar leicht habe geschehen können, daß der unerfahrene Stein-Arbeiter vor M. Aurel. Marel gesetzet habe, das ist ohnschwer zu begreiffen. Und vielleicht hat der Sohn dieses Pompejani gleiche Vor-Nahmen mit seinem Vatter geführet. Wie denn nachmals im Jahr Christi 231. und 241. ein M. Aurelius Claudius Pompejanus in Rom Burgermeister worden, welcher eben dieser junge Pompejanus scheinet gewesen zu seyn. Es möchte auch wohl etwan um deßwillen eine schwartze steinerne Tafel, welches sonst bey den alten Römischen Stein-Aufschriften nicht sonderlich gewöhnlich gewesen, zu dieser Aufschrift seyn gebrauchet worden, weil der alte Pompejanus (von dessen Vatter [102] Claudio Pompejano der Lampridius, Gallicanus und Spartianus viele Nachricht ertheilen) gewaltsamer weise um das Leben gekommen war etc. Weil übrigens aus den schon gemeldten Jahr-Verzeichnüssen der ehemaligen Römischen Bürgermeister erhellet, daß der Kayser Antoninus Bassianus Caracalla, und der Coelius Balbinus (welche in unserer Aufschrift benennet sind) in dem Jahr Christi 213. das Bürgermeister-Amt in Rom, jener zum vierdten- und dieser zum zweyten-mal, verwaltet haben, so kan man fast gantz deutlich das Jahr benennen, in welchem dieser Stein in Wißbaden ist errichtet worden, nemlich in dem gemeldten 213. Jahre. Und also lässet sich auch daraus gar deutlich abnehmen, daß die Römer annoch um dieselbe Zeit Wißbaden im Besitz gehabt haben.
- 3. Auf einem Säul-Stein hat gestanden:
- I. O. M. I. R.
- AEL. CRE.
- SIMVS. SE.
- DA. TIAB.
- ASINA.
- V. S. L. L. M.
Das ist: Dem vortreflichsten und grössesten Gott Jupiter und der Königin Juno zu Ehren! der Aelius Cresimus Seda Tiab Asina hat, oder (wenn es mehr als ein
[103] Nahme ist) haben sich dieses bey lebendigem Leibe zur Grab-Stätte oder Denckmahl erwählet, oder: aus einem gethanenen Gelübde willig gestiftet. Denn daß die letzte Buchstaben in dieser Aufschrift entweder bedeuten können: Vivens sibi legit, oder: Viventes sibi legerunt locum Monumenti, oder: Voto suscepto legavit oder legaverunt libera manu, das ist aus andern dergleichen alten Römischen Aufschriften nicht undeutlich abzunehmen. Die letzte Bedeutung scheinet allhier, wegen bald anzuführender Ursachen, mehr statt zu haben, als die erste.
- 4. Auf einem Stein in der Heidnischen Mauer, an dem Heidnischen Thor, hat gestanden:
- I. O M. ET
- IVNONI. REC.
- IN. ONOREM. F.
Das ist: Dem vor treflichsten und grössesten Gott Jupiter und der Königin Juno zu Ehren ist dieses gemacht worden.
Alle diese viere in Wißbaden vormals befindlich-gewesene Römische Stein-Aufschriften sind dermalen nicht mehr daselbst vorhanden. Die drey erste derselben scheinen fast unter der Hand von Wißbaden nach Pfraunheim oder Braunheim, ohnweit Franckfurt
[104] am Mayn, an die Herren von Braunheim gekommen zu seyn. Denn in des Winckelmanns Hess. Chr. p. 130, Lersners Franckf. Chr. T. 1. p. 2, Bernhards Wett. Alterth. p. 65. etc. werden wir berichtet, daß daselbst unter denen, von den gemeldten Herren gesammleten, Römischen Steinen auch einige vorhanden seyen, die eine gleiche Aufschrift, wie unsere Wißbadische Steine, haben. Wie uns denn diese Schrift-Steller, und nebst ihnen auch Gruterus, Reinesius, Huttichius etc. in ihren Sammlungen der Römischen Aufschriften, wie auch der Antiquarius des Mayn-Stroms p. 373. die Abschrift dieser Braunheimischen Stein-Aufschriften, nebst einer muthmaßlichen Erläuterung derselben, mittheilen. Allein, wenn wir die Beschreibungen dieser beyderseitigen Steinen etwas genau betrachten, so ergiebet es sich klärlich, daß ein und der andere nahmhafte Unterschied unter denselben vorhanden sey. Denn 1, haben die Wißbadische Steine vormals, laut oben bemeldter Urkunde, in Wißbaden gestanden, die Braunheimische aber sollen, laut dem Zeugnüß der benennten Schrift-Steller, in der Gegend um Braunheim herum gefunden worden seyn. 2, die Aufschriften auf denselben sind einander in den Buchstaben und Worten nicht völlig gleich. 3, die äusserliche Beschaffenheit derselben ist einander auch nicht gleich, denn der
[105] Wißbadische Stein des Vari ist von weisser, der Braunheimische aber, laut des Winckelmanns Bericht l. c. von rother Farbe gewesen. Der erste Anstand hat so viel nicht zu sagen. Denn man kan gar leicht unsere Wißbadische nach Braunheim versetzte Steine mit andern Römischen Steinen, die man würcklich daselbst gefunden, und welche ll. cc. auch benennet werden, vermenget, und mit der Zeit davor gehalten haben, sie seyen sämmtlich daselbst gefunden worden. Der zweyte Anstand hat noch weniger zu bedeuten. Denn man weiß gar wohl, daß die Worte auf dergleichen alten Stein-Aufschriften öfters sehr abgekürtzet sind, und daher von einigen Lesern so, von andern anderst gelesen und verstanden werden. Und der Haupt-Inhalt auf den beyderseitigen Steinen ist gleichwohl völlig einerley. Allein der dritte Anstand ist von Wichtigkeit. Und wenn die zwey übrige Braunheimische Steine (welche ll. cc. nicht umständlich beschrieben, und auch dermalen nebst dem ersten, in Braunheim selbst nicht mehr vorhanden sind) ebenfalls, der äusseren Beschaffenheit nach, von unseren Wißbadischen Steinen unterschieden sind, oder sonst keine Irrung in Beschreibung derselben vorgegangen ist, so sind sie würcklich nicht einerley, sondern zweyerley Steine gewesen. Hat aber dieses seine Richtigkeit, so kan auch keiner von diesen Steinen ein eigentlicher
[106] Grab-Stein gewesen seyn. Denn ein Grab-Stein wird, bekanntlich, nur an einem Orte, nemlich bey der Grab-Stätte des Verstorbenen, aufgerichtet. Es können aber diese Steine gar wohl nur Ehren- und Gedenck-Steine gewesen seyn, und diese hat man nicht nur den Göttern, sondern auch einem lebenden oder verstorbenen Menschen zu Ehren, an mehr als an einem Orte aufrichten können. Der Zweck dieser Blätter verstattet nicht dieses alles weitläufiger zu untersuchen und zu entscheiden. Uns genüget dismal daran, daß unsere oben beschriebene drey Römische Steine vormals in Wißbaden (laut der oben benennten alten schriftlichen Wißbadischen Stadt-Urkunde) gestanden haben. Ob sie nachmals nach Braunheim gekommen, und also mit den dasigen Römischen Steinen einerley seyen? oder, ob sie von denselben unterschieden gewesen, und anderswohin gekommen seyen? das können wir, ohne Nachtheil der Haupt-Sache, an seinem Orte beruhen lassen. Die vierdte unserer Wißbadischen Stein-Aufschriften ist noch im Jahr 1617. wie aus des Webers Beschreibung des Wißbads, ja auch noch um das Jahr 1670. wie aus des Winckelmanns Hess. Chr. p. 74. fast zu schliessen ist, in Wißbaden an dem benennten Orte, nemlich in der Heidnischen Mauer an dem Heidnischen Thor vorhanden gewesen, und ist damals, wie diese Schrift-Steller
[107] bezeugen, von denen nach Wißbaden gekommenen Gelehrten öfters in Augenschein und Abschrift genommen worden. Es hat der Stein, worauf diese Aufschrift befindlich gewesen, damals, wie aus den Zeugnüssen dieser gemeldten Schrift-Verfasser, wie auch aus dem oben gedachten alten schriftlichen Verzeichnüß der Römischen Aufschriften in Wißbaden erhellet, verkehrt in der Mauer gestanden, welches vermuthlich daher gekommen, weil er etwan einmal in den vorigen Zeiten aus der Mauer herausgefallen, und durch einen, der Lateinischen Sprache unkundigen, Mauer-Arbeiter unrecht wieder ist hinein gesetzet worden. Dermalen ist dieser Stein an dem bemeldten Orte ebenfalls nicht mehr vorhanden, sondern ist, wie die drey erstere, auch unsichtbar worden. Es ist auch würcklich in der benennten Heidnischen Mauer, gantz nahe an dem Heidnischen Thor, annoch jetzo ein länglichtes und schmales Loch zu sehen, daraus sich klärlich abnehmen lässet, daß dieser Stein, welcher (wie die alte Beschreibung desselben ist zu erkennen giebet) länglicht und schmal gewesen ist, vormals daselbst gestanden habe, und nachmals herausgenommen worden sey. Wie denn, bekanntlich, dergleichen Alterthümer, seit einigen Jahr-hunderten her, gar selten wegen der vielen Liebhaber zu denselben, eine beständige Bleib-Stätte an einem Orte haben behalten können. Und
[108] da Wißbaden vollends ein solcher Ort ist, welcher fleißig von allerley frembden Leuten, seiner Bäder wegen, besuchet wird, so hat man sich über die Veräusserung solcher seiner vormaligen Alterthümer um so viel weniger zu verwundern.
Sonst sind auch noch in der mehr-gemeldten Heidnischen Mauer an dem Heidnischen Thor einige grosse rothe Sand-Steine vorhanden, denen man es gleichsam ansehen kan, daß vormals Römische Aufschriften auf denselben gestanden haben, und auf einem derselben ist der Lateinische Buchstabe R noch gantz deutlich zu sehen. Allein, weil sonst weiter nichts von einiger Schrift darauf zu erkennen ist, so lässet sich auch von dem etwanigen Inhalt derselben nichts melden. Und da auch derselben in dem oftgemeldten alten Verzeichnüß der Römischen Aufschriften in Wißbaden nicht gedacht wird, so muß die auf denselben etwan gestandene Schrift schon vorlängsten in Abgang gekommen seyn.
7. Ein Stein mit einer Römischen Aufschrift bey Wißbaden. Dieser ist in dem eine halbe Stunde Weges weit von Wißbaden gelegenen Dorfe Bierstadt befindlich. Er hat vormals in dem Acker-Felde dieses Ortes gestanden, ist aber, nach dem Bericht des Webers in seiner Beschreibung des Wißbads ohngefähr [109] zu Anfang des 17. Jahrhundert, daselbst aufgehoben, und in den Ort selbst, und zwar auswendig in die Mauer des dasigen Rath- und Schul-Hauses versetzet worden, woselbst er noch jetzo zu sehen ist. Die Aufschrift, welche sich auf demselben befindet, ist diese:
- DEO MERCVRIO
- NVNDINATORI.
Das ist, auf Teutsch: Dem Gott Mercurius, welcher der Kaufmannschaft vorstehet, zu Ehren! Oben über diese Aufschrift stehen zwey Gestalten in den Stein eingehauen. Die eine derselben stellet, wie es scheinet, den Mercurius selbsten vor. Die andere aber, welche man nicht völlig mehr erkennen kan, hat vermuthlich einen Kauf- oder Handels-Mann, um die Amts-Verrichtung dieses Götzen dadurch anzuzeigen, vorstellen sollen. Weil dieser Mercurius in dieser Aufschrift mit dem Kaufmanns-Titel (da er sonst noch mehrere Dinge, nach der Meynung der alten Heidnischen Völcker, zu besorgen gehabt hat) beehret wird, so giebt solches eine starcke Vermuthung, daß dieser Ehren-Stein desselben von einem ehemaligen Römischen Kauf- und Handels-Mann; der in oder bey Wißbaden gewohnet, etwan an einer öffentlichen Land-Strasse, die sonderlich zum Handel und Wandel gedienet hat, (als dahin man die Gedächtnüß-Steine dieses
[110] Götzen vormals gerne zu setzen pflegte) sey aufgerichtet worden. Zwar haben auch die benachbarte alte Gallier, und selbst die einheimische Teutschen, wie Caesar B. G. L. 6. c. 17, und Tacitus G. c. 9. melden, den Gott Mercurius, aus Nachahmung der Römer, vor andern Göttern sehr verehret, und ihme die Handhabung der Kaufmannschaft, wie auch die Besorgung der öffentlichen Strassen, zugeschrieben. Und könnte man also auch nicht gar uneben vermuthen, daß dieser Stein etwan von einem Gallischen oder Teutschen Handels-Mann, welcher in oder bey Wißbaden sich aufgehalten, und der Römischen oder Lateinischen Sprache kundig gewesen, sey veranstaltet worden. Allein weil die Aufrichtung solcher Steinen mit Aufschriften, den Göttern zu Ehren, bey diesen gemeldten Völckern nicht üblich gewesen, so ist es wohl gantz richtig, daß dieser steinerne Mercurius von keinem andern, als einem Römischen Handels-Mann sey angerichtet worden. Denn bey den Römern waren dergleichen Götter-Verehrungen mit Errichtung solcher Steinen mit Aufschriften durchaus gewöhnlich. Es hat übrigens dieser Götze Mercurius in den alten Römischen Aufschriften (wie auch aus dieser unserer Aufschrift erhellet) nach der Anmerckung der Gelehrten, die besondere Ehre, daß er in denselben gemeiniglich Deus oder ein Gott genennet wird, welche Ehre den andern
[111] Göttern so ausdrücklich nicht ist angethan worden, siehe des Cellarii Anmerckung über den Caesar l. c. Es ist aber solches vermuthlich demselben deßwegen wiederfahren, weil er, nach der Meynung der damaligen blinden Völcker, so wohl bey den übrigen Göttern selbst, als auch bey den Menschen im täglichen Handel und Wandel, sehr vieles zu verwalten gehabt hat, und man also seiner Freundschaft durch dergleichen besondere Verehrung sich hat gerne versichern wollen.
8. Die gebrannte oder gebackene Steine mit Römischen Aufschriften in Wißbaden. Diese sind in dem Jahr 1732. in Wißbaden, in der so genannten Saal-Gasse, etwas tief in der Erde, in ziemlicher Anzahl gefunden worden. Die äussere Gestalt derselben ist den heutigen so genannten gebackenen oder gebrannten Steinen nicht sonderlich ungleich, nur daß jene grösser und dicker sind als diese. Die Römische oder Lateinische Aufschrift auf denselben ist in so weit bey allen gleich oder einstimmend, daß die Worte und Zahl LEG. XXII. auf allen sich befinden. Die Bey-Worte aber, die noch dabey stehen, sind einander nicht gleich. Denn so stehet z. E. auf einigen: C. V. auf einigen: P. F. auf einigen: P. P. auf einem: P. XX. GIVIARI, oder, wie man auch lesen kan: G. MARI auf andern noch was anders. Man kan indessen aber
[112] doch aus der genauen Betrachtung dieser Steinen bald so viel abmercken: 1, daß die Römische Soldaten von der XXII Legion (welches gemeiniglich eine Anzahl von 6666. Mann war) diese Steine ehemals müssen verfertiget haben. Wie denn aus den alten Römischen Geschicht-Schreibern sattsam bekannt ist, daß die Römische Soldaten vormals zu dieser und andern dergleichen Hand-Arbeiten in ihren Lägern und Besatzungen beständig sind angehalten worden. 2, daß also diese zwey und zwantzigste Legion damals in der Stadt und Gegend Wißbaden in Besatzung müsse gelegen haben. Wie denn merckwürdig ist, daß auch in andern, nicht gar weit von Wißbaden entfernten, Gegenden und Orten, sonderlich in der Stadt Maintz, eben solche, mit der Aufschrift:LEG. XXII. versehene, Steine mehrmals sind gefunden worden, wie davon des Winckelmanns Hess. Chr. p. 113, des Schneiders Erbachische Hist. p. 273, 306, des Joannis Maintzische Geschicht–Sch. T. III. N. 16. 19. 21, des Kuchenbeckers An. Hass. Coll. II. p. 234, der Antiquarius des Mayn-Stroms p. 385. etc. können nachgesehen werden. Und ist also solches alles eine offenbare Anzeige, daß diese Legion damals die Gegenden um Wißbaden herum besetzt gehalten habe. 3, daß der, auf diesen Steinen sich befindende, Unterschied der Bey-Wörter vermuthlich von nichts anders
[113] herrühre, als, weil diese Steine von verschiedenen Cohorten oder Kriegs-Rotten (deren bey einer jeden Legion ordentlich zehen waren, und eine jede Cohors gemeiniglich fünf bis sechs hundert Mann auszumachen pflegte) eben derselben XXII. Legion sind verfertiget worden, die denn also durch diese verschiedene Bey-Wörter (welche sonder Zweifel die Nahmen oder auch die Aemter ihrer verschiedenen Haupt-Leuten oder Befehlshaber haben anzeigen sollen) sich von einander unterschieden haben. Wie denn leicht zu erachten ist, daß eine jede Cohors oder Rotte, wie auch eine jede Praefectur oder Hauptmannschaft in solcher Rotte, ihre gewisse Anzahl solcher Steinen, in bestimmter Zeit, wird haben liefern müssen. Und ist merckwürdig, daß die Buchstaben auf diesen Steinen nicht, wie sonst bey den alten Römischen Stein-Aufschriften gewöhnlich ist, eingegraben, sondern erhaben stehen, welches eine starcke Vermuthung giebet, daß eine jede der verschiedenen Kriegs-Rotten und Hauptmannschaften dieser Legion eine besondere Form, Zeichen oder Stempel gehabt habe, welchen sie diesen, von ihnen verfertigten, Steinen eingedrucket, und sich also dadurch von den andern Kriegs–Rotten derselben Legion unterschieden habe. 4, daß es aber nicht wohl möglich sey, alle diese besondere, auf solchen Steinen befindliche, Bey-Wörter nahmentlich zu erklären. Denn wer will heut zu Tage
[114] annoch wissen, wie alle die verschiedene Haupt-Leute oder Befehlshaber solcher Römischen Cohorten ehemals geheissen, oder was vor Kriegs-Aemter sie gekleidet haben. Und was würde auch vor ein Nutze daraus entstehen, wenn man ja etwan einen und den andern Nahmen oder Amt solcher Leuten würcklich entdecken könnte? Ist doch niemand heut zu Tag an den eigentlichen Personal- und Amts-Nahmen solcher alten Römschen Haupt-Leuten weiter etwas hauptsächliches gelegen. Genug ist es hierbey, daß es gantz offenbarlich seine Richtigkeit hat, daß diese Steine von den Soldaten der zwey und zwantzigsten Römischen Legion ehemals sind verfertiget worden. Im übrigen sind viele von diesen Steinen, zum Andencken, in das Wißbadische Waysenhaus beygesetzet, aber auch unter der Hand von verschiedenen Liebhabern solcherley Alterthümer, wie es bey dergleichen Dingen zu ergehen pfleget, meistentheils wieder unsichtbar gemachet, und eben wie die obgemeldte vier grosse Römische Steine, anderswohin verführet worden.
9. Ein steinerner Löwe, oder ein grosses von Stein gebildetes Thier, welches einem Löwen nicht ungleich siehet, und ein anderes unkenntliches Thier unter sich liegen hat. Dieses steinerne Thier hat sich bey den vorgemeldten Römischen gebrannten Steinen in [115] Wißbaden gefunden, und ist gleichsam von denselben ummauert gewesen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß solches ebenfalls, gleich den gebrannten Steinen selbst, ein Römisches Alterthum seyn müsse. Nur ist schwer zu sagen, was es eigentlich vor ein Thier habe vorstellen sollen, und zu was Ende dasselbe sey verfertiget und aufgerichtet worden? Es ist aber doch, so viel der Augenschein zeiget, einmal sehr wahrscheinlich, daß es, wie gedacht, einen Löwen habe vorstellen sollen; so denn, daß es etwan ehemals, als ein Zierrath, in einem Römischen Gebäude oder Garten des alten Wißbads werde gestanden haben, nachmals aber, bey mehrmaliger Veränderung und Umkehrung der Gebäuden dieser Stadt, zu einem anderwärtigen Gebrauch, und vielleicht zu einem unterirdischen Mauer-Werck, oder Ausfüllung des Bodens, nebst den obgemeldten Steinen, werde seyn verfertiget worden. Es ist indessen dieses steinerne Thier in das Schloß zu Wißbaden, zum Andencken, beygestellet worden.
10. Die Römische Müntzen, oder die alte Müntzen, auf welchen sich die Bildnüsse der ehemaligen Römischen Kayser, welche in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt gelebet haben, befinden. Solcher Römischen Müntzen sind bisher viele in der Stadt Wißbaden, und dem dabey gelegenen Felde,
[116] zufälliger Weise gefunden worden, und werden ihrer noch täglich gefunden, und von dem gemeinen Mann, wie bekannt, Heiden-Köpfe genennet. Diese Müntzen zeigen nicht an, wie etwan der Sachen unkundige Leute öfters dencken, daß die Römische Kayser, deren Bildnüsse auf solchen Müntzen stehen, persönlich in solcher Gegend, wo man sie findet, gewesen seyen. Sondern sie beweisen nur so viel, daß die alte Römer daselbst sich aufgehalten, Handel und Wandel darin getrieben, auch ihre Soldaten daselbst auf- und abgezogen, und das Land, wenigstens mannichmal, unter ihrer Bottmäßigkeit gestanden habe; wie man dessen ein Beyspiel an dem ehemaligen Jüdischen Lande, nach Matth. 23. v. 17-, nehmen kan. Daß aber solche Müntzen vormals ziemlich häufig in die Erde gerathen sind, das ist theils zufällig geschehen, daß sie bey dieser und jener Gelegenheit sind ohnversehens verlohren worden; theils aber ist es etwan auch vorsetzlich geschehen, da man mannichmal aus Furcht vor heimlicher oder öffentlicher Entwendung dergleichen Gelder mit Fleiß in die Erde hier und dar verscharret hat. Und da man deren gemeiniglich einige bey denen in Wißbaden gefundenen Römischen Todten-Krügen (wie bereits oben bemercket worden) angetroffen hat, so scheinet es fast, daß sie aus einem besonderen Aberglauben solchen Grab-Stätten beigefüget
[117] worden, und also auch dadurch zuweilen in die Erde gekommen sind.
Es finden sich sonst noch in der Wißbadischen Feld-Gegend einige Alterthümer, welche vielleicht, wenn man völlig-gewissen Grund davon erlangen könnte, unter die gantz alte Teutsch-Römische Alterthümer des Wißbads, die wir bisher beschrieben haben, müßten gerechnet werden. Z. E. In dem Jahr 1750. hat man nahe bey Wißbaden, gleich vornen im Walde, in dem so genannten Nersberge die Grund-Mauern von einem ziemlich weitläuftigen Gebäude in der Erde ohnvermuthet gefunden. Und weil die Ober-Fläche der Erde über diesen Grund-Mauern mehrentheils mit grossen alten Wald-Bäumen ist bewachsen gewesen, so hat man daraus, nicht ohne Grund, schliessen wollen, daß das an diesem Orte gestandene Gebäude vor sehr langen Zeiten müsse erbauet worden seyn. Man hat an den Steinen desselben keine Schrift noch Jahr-Zahl finden können, daraus man etwan hätte abnehmen mögen, was es vor ein Gebäude gewesen, und zu welcher Zeit es erbauet worden sey? Man hat aber doch viele alte gebrannte oder gebackene grosse, mit erhabenen Fugen versehene, Ziegel-Steine von verschiedener Gattung (dergleichen auch in der oben beschriebenen Heidnischen Mauer, wie daselbst bemercket worden, hier und dar befindlich
[118] sind) dabei angetroffen, und diese sind von den Kennern der alten Mauern vor Römische gebrannte Steine gehalten, und ist zugleich von dem Mauer-Arbeitern versichert worden, daß man gar wohl sehe, daß sie an diesem Ort zuerst seyen verarbeitet und zur Mauer verwendet worden. Weil nun (wie auch bereits oben berichtet ist) Tacitus G. c. 16, und Herodianus L. 7. c. 2. bezeugen, daß bey den alten Teutschen keine gebrannte Ziegel-Steine gebräuchlich gewesen, sondern solche erst von den, in Teutschland angekommenen, Römern sind verfertiget, und zuweilen bey ihren Mauer-Wercken gebrauchet worden; auch diese Steine würcklich von den, nachmals aufgekommenen, gebrannten Steinen gantz unterschieden sind, als hat man, nicht ohne ziemliche Wahrscheinlichkeit, vermuthen wollen, daß das, an diesem Orte gestandene, Gebäude ein Römisches Gebäude gewesen sey. Und weil nicht weit von diesem alten Gebäude die Spuren von einer alten Mauer, welche daselbst, von dem gemeldten Nersberge an, bis gegen Sonnenberg zu, an dem Walde hin, fast auf eine halbe Stunde Weges lang sich erstrecket, gefunden worden, als hat man weiterhin vermuthet, daß vielleicht in dieser Gegend vormals ein Römischer Thier-Garten (dergleichen die alte Römer gar gerne hier und dar anzulegen gewohnt gewesen) gestanden, und
[119] diese Mauer denselben umschlossen habe, das vorgemeldte Gebäude aber etwan ein Jagd- oder Lust-Haus in demselben gewesen sey. Die Sache ist gar nicht unwahrscheinlich, sie bleibet aber doch nur in dem Werth einer blossen Vermuthung. Uebrigens ist das Gebäude selbst, so viel man aus den Grund-Mauern desselben hat ersehen können, von ziemlicher Grösse gewesen, und hat seine ordentliche, meistens aber kleine, Gemächer gehabt, ist auch noch insbesondere mit einer eigenen Mauer, von sehr weitem Umfang, umschlossen gewesen. In dem Gemäuer selbst hat man einen Circkel, einen Meisel, und die Stangen von dem Zaum eines Pferdes gefunden. Auch hat man einige Stücke von einer glatten Gyps-Wand dabey angetroffen, worauf rothe und blaue Farben, von unkenntlichen Figuren, befindlich gewesen.
Ferner, so ist nahe bey Wißbaden eine Feld- und Garten-Gegend, welche, von alten Zeiten her, der Kün- oder König–Stul genennet wird; und diese Benennung ist von ziemlicher Bedencklichkeit. Denn es ist denen, welche der Teutschen Alterthümer in etwas kundig sind, nicht unbekannt, daß man die Wohn-Sitze oder Schlösser der alten Teutschen Königen ehemals Künig-Stüle zu nennen gepfleget hat. Wie denn bey einigen dergleichen alten verfallenen Schlössern, z. E. [120] ohnweit Heidelberg, laut Kaysers Heidelbergischen Chronick p. 2. 36. diese Benennung noch jetzo übrig und gewöhnlich ist. Wenn es nun Grund hat, was einige alte Einwohner in Wißbaden von dem gemeldten König-Stuhl daselbst haben versichern wollen, nemlich, daß man ehedessen einige Spuren von Gräbern und Aufwürfen darin habe bemercken, und folglich daraus schließen können, daß ehemals einige Festungs-Gebäude allda müsten gestanden haben; so könnte man nicht unfüglich vermuthen, daß etwan ehedessen ein Teutsch-Allemannischer König (dergleichen, wie wir oben bewiesen haben, in der Wißbadischen Gegend sich aufgehalten haben) seinen Sitz oder Wohnung daselbst gehabt hätte. Wie denn auch dieser König-Stuhl eine solche Lage hat, welche diese jetzt-gemeldte Muthmassung ziemlich bestärcket. Denn er lieget an einer Anhöhe, welcherley Gegenden die alte Teutschen ehedessen, bekanntlich, zu ihren Schlössern und Festungs-Gebäuden gerne zu erwählen, gewohnt gewesen sind. Man lässet aber diese Sache, weil uns mehrere Gründe dabey abgehen, auf sich selbst beruhen.
- ↑ Man hat zwar um des ungelehrten Lesers willen eine Teutsche Uebersetzung dieser Römischen Aufschriften allhier beyfügen wollen, aber doch nur eine summarische und beyläufige. Denn es ist, nach dem Geständnüß der Gelehrten, nicht allezeit möglich, dergleichen in Römische Aufschriften vor völlig und gewiß zu übersetzen, und zwar aus folgenden Ursachen: 1, weil man den Verstand von manchen abgekürtzten Worten sehr schwer, und öfters fast gar nicht, errathen kan; wie man dessen in den gegenwärtigen Aufschriften einige Exempel haben kan. 2, weil auch würcklich viele Buchstaben und Worte, die man sonst größtentheils errathen kan, zwey- ja drey- auch mehr-deutig sind; wie denn z. E. in der zweyten gegenwärtigen Aufschrift die Buchstaben DD. nicht nur Deo Domestico, sondern auch, wie aus andern dergleichen Aufschriften erhellet, Diis Deabusque, item Düs Dantibus, item Dicat Dedicat, item Dono Dedit etc. heissen können. 3, weil uns auch mehrentheils die Veranlassung zu dergleichen Aufschriften, und die eigentliche Absicht derselben, nebst andern besondern Umständen, (welche doch alle sehr vieles zu der richtigen Erkänntnüß derselben beytragen) dermalen nicht hinlänglich genug bekannt sind. 4, weil vollends in denjenigen Römischen Aufschriften, welcher ausserhalb Italien, wie die gegenwärtige, sind verfertiget worden, die Buchstaben und Worte von den unerfahrenen und der lateinischen Sprache nicht recht kundig-gewesenen Stein-Arbeitern meistentheils, nach dem einhelligen Zeugnüß der Kenner solcher alten Schriften, sehr fehlerhaft und oft gantz verkehrt ausgedruckt worden sind; wie denn z. E. auf diesen Wißbadischen Steinen der Buchstabe C mehr als einmal, an statt eines G, sonderlich in den Wörtern LEC. und REC. das ist: LEG. und REG. gantz offenbarlich ist gesetzet worden. Indessen hat man doch, wie gedacht, den Haupt-Inhalt dieser Wißbadischen Aufschriften, durch eine denselben beygefügte beyläufige Teutsche Uebersetzung bekannt machen wollen. Dem gelehrten Leser dabey freystellend, solche annoch so genau und eigentlich zu übersetzen, als es ihm gefällig und möglich ist.
Anmerkungen (Wikisource)
« Einleitung | Gottfried Anton Schenck Geschicht-Beschreibung der Stadt Wißbaden |
Zweyte Abtheilung: Das Fränckische und Kayserliche Wißbad » | |||
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