Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich/1. Innere Kämpfe

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich
von Rudolf Wackernagel
Der Isteiner Krieg
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

[338] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Erstes Kapitel.
Innere Kämpfe.




Vorerst wird an die Königswahl erinnert, mit der in Deutschland das neue Jahrhundert begann.

Am 20. August 1400 wurde durch die rheinischen Kurfürsten König Wenzel „als ein unnützer, träger, unachtsamer Entgliederer und unwürdiger Inhaber des Reiches“ abgesetzt[WS 1]; am 21. August gaben sie ihm einen Nachfolger in der Person des Pfalzgrafen Ruprecht. Gleichen Tags gingen die Befehle an alle Stände des Reiches, dem neuen König gehorsam zu sein.

Auch Basel erhielt dies Schreiben. Von den Bewegungen, die das große Ereignis einleiteten, hatte es Kunde gehabt, durch Vermittlung Straßburgs das Protokoll des Mainzer Städtetages vom 1. Juli 1400 erhalten, an dem „von einer Aenderung mit dem heiligen Reich“ die Rede gewesen war. Aber diese Dinge machten dem Basler Rat Bedenken, wie sie auch andre Städte besorgt machten. Man erinnerte sich der im Jahre 1387 dem König Wenzel gegebenen Zusage, ihm gegen Jeden beizustehen, der ihn vom Reiche drängen wolle, und fand nunmehr die Angelegenheit „fast schwer und groß und weiser Verhandlung bedürftig“.

Nun aber Absetzung und Neuwahl geschehen waren, sollte Basel sich entscheiden. Es fiel ihm nicht leicht. Wiederholt ging es die Freunde in Straßburg um Nachrichten, Vorschläge und guten Rat an. Und die Ungewißheit wuchs, als ein Brief von Wenzel nach Basel kam, in dem der alte König die Stadt zur Treue ermahnte, an ihre Versprechen erinnerte, die Empörung der Kurfürsten zu unterdrücken verhieß. Aber auch Ruprecht ließ sich vernehmen. Die Straßburger hatten sich inzwischen zu ihm bekannt, und nun forderte er von diesen, auf Basel einzuwirken, das mit seiner Anerkennung noch immer im Rückstande sei. Straßburg kam dem Begehren nach; aber das Beste für die Gewinnung Basels tat jedenfalls König Ruprecht selbst, indem er am 7. Januar 1401, dem Tag nach [339] seiner Krönung, alle von Wenzel oder seinen Vorfahren verliehenen Rheinzölle von Basel bis zum Meere aufhob.

Nebenbei ist zu bemerken, daß die Kanzleien beider Könige Basel nicht zu den rheinischen Städten rechneten; sowohl Wenzel als Ruprecht richteten ihre Schreiben an Basel, Bern, Solothurn und die andern Eidgenossen zusammen.

Im Juli 1401, auf dem Reichstage zu Mainz, konnte der Straßburger Deutschordenscomthur Johann von Preußen dem Ruprecht endlich melden, daß Bischof und Stadt Basel ihn für ihren König zu erkennen sich entschlossen hätten; Ruprecht erwiderte diese Botschaft mit Anordnung einer Konferenz in Basel auf 8. August, zur Erledigung der Sache. Noch informierte sich der Basler Rat in Straßburg darüber, in welcher Weise die rheinischen Städte vor der Huldigung ihre Stadtfreiheiten gewahrt hätten. Dann fand die Zusammenkunft statt.

Gesandte des Königs waren der Reichslandvogt im Elsaß Schwarz Reinhard von Sickingen, der Straßburger Comthur Johann, der Hagenauer Schultheiß Volmar von Wickersheim. Auf Grund der Verhandlungen dieses Tages konnten dann die Briefe ausgewechselt werden. Durch feierliche Urkunde vom 28. August 1401, ausgestellt in Amberg, nahm König Ruprecht die Stadt Basel in seinen und des Reiches Schirm und bestätigte ihre Rechte, Gnaden und Freiheiten; am Tage darauf konfirmierte er im einzelnen die wichtigen Privilegien König Wenzels über die Reichsvogtei und über Erhöhung der Pfandsumme auf dem Reichszoll. Basels Gegenbrief ist vom 26. September datiert. Bürgermeister und Rat versprachen darin, den Herrn Ruprecht für einen römischen König und zukünftigen Kaiser zu halten und ihm gehorsam zu sein; jedoch tun sie dies „mit gutem willen“ d. h. freiwillig, „wie doch wir nüt eines richs stat sint.“ Diese bedingte Huldigung, bei der das Wesen ihrer Stadt als einer Freistadt deutlich zum Ausdrucke kam, leisteten sie an des Königs Statt dem Schwarz Reinhard von Sickingen und trafen mit diesem noch ein besonderes Abkommen. Als Freistadt nämlich war Basel dem Reiche außer zu christlichen Heerzügen nur zum Dienst über Berg d. h. zur Kaiserkrönung in Rom, verpflichtet; von diesem Dienst eines bewaffneten Geleites kaufte sich nun Basel durch Zahlung von dreitausend Gulden los, nicht nur für den jetzt im Herbst 1401 bevorstehenden Romzug, sondern auch für den Fall, daß der Zug erst später ausgeführt werden sollte.

Diese Abmachung über den Romzug, der dann doch nicht zu Stande kam, — denn Ruprecht gelangte 1401 nur nach Oberitalien, kehrte „ohne [340] Geld, ohne Krone, ohne Ehre“ in die Heimat zurück, und wiederholte den Versuch nicht mehr — ist das einzige Nennenswerte aus den Beziehungen Basels zum Reich in der ruprechtischen Zeit. Die Stadt steht den allgemeinen Angelegenheiten merkwürdig ferne; sie bedient sich unaufhörlich der Vermittlung Straßburgs, um auf dem Laufenden zu bleiben; aber sie selbst tritt nicht hervor, an Reichs- und Städtetagen werden Gesandte Basels selten gesehen. Daß sie allerdings bei Hofe als eine Stadt galt, die mit den eidgenössischen Städten zusammenging, und daß sie selbst der Meinung war, nicht eine Stadt des Reiches zu sein, wurde schon erwähnt, und solcher Auffassung entsprach der tatsächliche Zustand.

Innere Kämpfe und Kämpfe mit den Nachbarn beherrschen in diesen Jahren das öffentliche Leben der Stadt völlig.

Daher auch ihre Stellung in der Kirchenfrage hier nur deswegen zu bezeichnen ist, um auch diesen Teil der allgemeinen Beziehungen vorweg zu erledigen.

Seit Bischof Imer im Jahre 1383 die große Schwenkung vollzogen hatte und der Rat ihm gefolgt war, standen Hochstift und Stadt unentwegt auf der Seite Roms; der Clementismus war, wenn er auch noch Anhänger hatte, hier doch offiziell verpönt.

Auch die Transaktionen des Domkapitels mit Diebold von Neuenburg änderten hieran nichts. Als Humbert 1399 das Bistum antrat, wußte er sich bei Bonifaz IX. die Anerkennung zu verschaffen.

Seitdem waren Bonifaz und dessen Nachfolger Innocenz VII. und Gregor XII. die Päpste Basels; ihr Gegner Benedikt XIII. fand nur vereinzelte Obedienz in der Stadt, z. B. bei den Augustinern und in den wälschen Gebieten.

Das Jahr 1408 bringt dann aber das große Faktum, daß die Kardinäle beider Päpste sich verständigen und zur Berufung eines Generalkonzils zusammentreten. Die Unnachgiebigkeit der Päpste, die allgemeine hochgesteigerte Sehnsucht nach Wiederherstellung der kirchlichen Einheit trieben zu diesem Schritt. Als Ort des Konzils wurde Pisa bestimmt, und um Deutschland zu gewinnen, sandten die vereinigten Kardinäle den Kardinal Landulf von Bari nach Norden. Als einen Boten für den Frieden, für die Einheit der Kirche bezeichnete er sich selbst.

Mitte Dezembers 1408 kam er zu Schiff vom Bodensee her in Basel an und fand hier einen Empfang, der an Glanz und Herzlichkeit Alles übertraf, was er bis dahin auf seiner Legation erfahren hatte. Bei einem feierlichen Gottesdienst im Münster, wo sein Begleiter der Bischof Jakob [341] von Lodi die Rede hielt, sodann bei Tisch in Gesellschaft der Ratsherren und der Vornehmsten der Stadt, sowie im Gespräch mit den Klostervorstehern vertrat er die große Sache der Pisaner Versammlung; überall traf er auf die beste Gesinnung.

Am 5. Juni 1409 beschloß das Konzil zu Pisa die Absetzung der Päpste Gregor und Benedikt als offenkundiger Ketzer und Förderer des Schisma und wählte am 26. Juni einen neuen Papst, Alexander V.

Ueber die Verhandlungen und Bewegungen, die in Folge dieser Beschlüsse auch in Basel stattfanden, sind wir nicht unterrichtet; aber die Unionssache siegte. Am 20. Dezember 1409 beschloß der Basler Klerus in allgemeiner Versammlung die Anerkennung Alexanders als kirchlichen Oberhauptes; die weltliche Obrigkeit der Stadt folgte ihm. Und Basel bewahrte diese Haltung, als Alexander schon am 3. Mai 1410 gestorben war, auch gegenüber seinem Nachfolger Johann XXIII.


Wir treten nunmehr den innern Angelegenheiten der Stadt etwas näher.

Das Verhältnis zum Bischof, schon wiederholt betrachtet, bedarf doch auch hier wieder der Erwähnung.

„Der Grundsatz, der dieses Verhältnis beherrschte, war der einer gegenseitigen Verpflichtung, in Allem was das Interesse des Andern berühre[WS 2], diesem gegenüber in guten Treuen zu handeln; es ist ein tiefes Bewußtsein der Zusammengehörigkeit, das alle Verhältnisse jener Zeit durchdringt.“ Hiezu kommt noch ein Weiteres. Trotzdem der Rat der Stadt mit voller obrigkeitlicher Gewalt ausgestattet ist, trotz anerkannter tausendfach geübter Selbständigkeit dieses städtischen Regimentes besteht doch immer noch ein, allerdings nur formell scheinendes Abhängigsein des Rates vom Bischof als dem Stadtherrn, das sich äußert in der Handfeste und in der Teilnahme des Bischofs an der jährlichen Ratserneuerung; und die Bedeutung dieses Abhängigseins wird verstärkt dadurch, daß die Stadt ihre Hoheitsrechte vom Bischof nur als Pfand und die Landschaft unter dem Vorbehalte des Wiederkaufs besitzt.

Bischof Humbert von Neuenburg trat ein schwer zerrüttetes Hochstift an. Wichtige Teile befanden sich als Pfänder für Darleihen in den Händen Anderer. Herrschaft und Stadt Pruntrut waren an die Grafen von Mömpelgard verpfändet; die Herrschaften, Städte und Schlösser St. Ursitz, Kallenberg, Spiegelberg, die Freiberge, Blütschhausen, Schloßberg, Neuenstadt, Laufen an den Herrn von Neuenburg; Waldenburg und Honberg an den Markgrafen von Hochberg; Birseck an die Freiherrn von Ramstein; Goldenfels [342] an Peter von Cly; Olten an Oesterreich. Von den alten Rechtsamen in der Bischofsstadt waren die beiden Schultheißenämter, der Zoll, die Münze, der Bannwein dem Rate, das Kelleramt dem Johann von Sennheim, der Fuhrwein dem Burchard Sinz, das Vitztum- und Brotmeisteramt dem Hugo von Laufen verschrieben. Die bischöflichen Zehnten im Elsaß waren der Kirche Straßburg versetzt, das bischöfliche Siegel dem Diebold von Neuenburg, die Hälfte der Biennien dem Markgraf von Hochberg und dem Burchard Münch.

Diese ungeheuern Entfremdungen von Stiftsgut fallen namentlich in die Zeit vor Humberts Regierung, und Heinrich von Beinheim tat diesem später ein schweres Unrecht, als er sie alle ihm zur Last legte. Die Bischofschronik, in der er solches schrieb, gibt damit nicht einmal eine alte Tradition wieder; denn der Zeitgenosse Gerung weiß nichts davon. Vielmehr scheint eine tendenziöse Entstellung der Geschichte vorzuliegen, die Beinheim unternahm im Interesse Johanns von Fleckenstein, des großen Widersachers der Herren von Neuenburg und zugleich seines Gönners und Oheims. Auf diesem Wege hat Humbert die Reputation erlangt, einer der schlechtesten Haushalter auf dem Basler Bischofsstuhle gewesen zu sein.

Aber er hat diesen Ruf nicht verdient. Jene Verpfändungen geschahen durch seine Vorgänger. Er selbst hat allerdings die Sisgauer Herrschaften an die Stadt verkauft, aber damit große Schulden getilgt. Und solche Abzahlung von Schulden durch ihn ist auch sonst bezeugt. Die Festen Goldenfels und Pleujouse löste er wohl an Neuenburg, nicht an das Bistum. Aber sein Streit mit dem Hochstift Straßburg wegen der diesem durch Friedrich versetzten Basler Zehnten entstand wohl aus dem Bestreben, die Rechte wieder zu erlangen.

Verbinden wir hiemit das Wenige, was wir sonst von seinem Regimente wissen, wie den Erlaß der Synodalstatuten 1400, und den Beschluß des Domkapitels 1401, daß zur Hebung des Gottesdienstes im Münster die Messe fortan fleißig gehalten und feierlich begangen werden solle, so erscheint das Bild Humberts als ein relativ erfreuliches. Jedenfalls besaß an ihm die Kirche Basel wieder einmal einen Herrn von starker und glänzender Erscheinung, nachdem sie die jämmerliche Existenz des Imer von Ramstein und die bedeutungslosen Uebergangszustände Friedrich und Konrad hatte ertragen müssen. Um geistliche Obliegenheiten soll er sich freilich wenig bekümmert haben; man sah ihn oft in Waffenrüstung; seine Freude am Prunk offenbarte sich in Allem, von dem Gefolge der fünfzig Gewappneten, [343] mit dem er in Basel einzureiten liebte, bis hinab zu der schönen Ausfertigung seiner Urkunden. Aber als Vertreter einer anders gearteten, reiferen Kultur, zugleich als Werkzeug einer bestimmten Politik war er für das Bistum ein Fremdling, und dies bestimmte auch sein Verhältnis zu Basel.

Humberts Benehmen mit der Stadt war ein läßliches, ja gleichgültiges. Er erlaubte ihr die Erhebung eines großen Ungeldes; er machte ihr keine Schwierigkeiten, als sie die Aemter des Vitztums und Brotmeisters an sich zog, Olten einlöste, mit Delsberg und dem Münstertal ein ewiges Burgrecht einging, in ihren sisgauischen Herrschaften die Landgrafenrechte erwarb. Ueber dem Ammeistertum, über Eingriffen in die geistliche Gerichtsbarkeit und in die Burgfreiheit u. dgl. m. geriet er dann freilich in Streit mit dem Rate; aber was er dabei vorbrachte, waren wohl weniger eigene Klagen, als solche von mißmutigen adligen Domherren.

Er starb am 22. Juni 1418 in seinem Delsberger Schlosse und wurde zu Basel im Münster begraben, ohne Exequien.


Hier wo ein neuer Abschnitt der Stadtgeschichte anhebt, liegt die Frage nach den Führern der Stadt nahe.

Der Rat umschloß neben vier Rittern und acht Burgern dreißig Zunftvertreter. Die Letztern hatten somit die starke Mehrheit. Und wenn die Bedeutung dieses Umstandes auch insofern geschmälert wurde, als die Wahl der Zunftratsherren durch die Kieser extreme Elemente fernhielt, später die Wahl der Zunftmeister durch die Vorstände die unmittelbare Einwirkung der Gemeinde ausschloß, so blieb doch die Tatsache dieser überwiegend großen Zahl von Zünftigen im Ratssaale; es ist natürlich, daß sie der Behörde einen dauernden Charakter gaben, die Auffassung, den allgemeinen Gang der Dinge, das Wesen der städtischen Politik in der Hauptsache bestimmten.

Neben ihnen oder ihnen gegenüber war die Repräsentanz des Adels als solche eine schwache. Hier kam Alles auf den Einzelnen an, und dasselbe galt von der Gruppe der Achtburger. Letztere, denen meist die Vertreter der Herrenzünfte beizurechnen sind, wirkten durch ihre Eigenschaft als Kapitalisten, Großhändler, Geld- und Geschäftsleute auf das öffentliche Wesen ein. Sie gaben ihm das Kaufmännische, den Geist merkantiler Berechnung auch in der Politik; sie verhalfen der Stadt in diesen Jahren zu der rationellen Finanzwirtschaft, vermöge deren es ihr gelang, die großen [344] Erwerbungen von Recht und Territorium ohne Schädigung ihres Kredites durchzuführen.

Durch solche spezifische Fähigkeiten vermochte dieser Kreis trotz seiner Minderheit in der Ratsversammlung sich einen Einfluß zu verschaffen; auf dieselbe Weise konnten auch die wenigen Adligen noch eine Rolle spielen, zumal der als Bürgermeister zum Führer der Stadt erhobene Ritter.

Die Geschichtserzählung wird die Männer namhaft zu machen haben, die aus diesen Gruppen und Gesamtheiten hervortretend sich als wichtig im öffentlichen Leben erwiesen. Sie wird aber auch zeigen, daß Keiner von ihnen eine mächtige, große Person war. Man wird ihren Verdiensten durchaus gerecht werden und dennoch es aussprechen dürfen, daß die Politik Basels, weil sie immer die Politik einer zahlreichen und zudem in ihrer Mehrheit zünftischen Ratsversammlung und nicht durch einen über die Andern hervorragenden Mann geschaffen war, des großen Stiles meist ermangelte.

Dies Alles gibt dem Rate seinen Charakter. Es treten hinzu die Kollisionen, die sich aus den Lehens- und Kreditbeziehungen einzelner Ratsglieder zu auswärtigen Herren unaufhörlich ergaben, und die zum Teil gerade hiedurch veranlaßten Streitigkeiten im Innern des Rates selbst und zwischen diesem und der Gemeinde.


Im Anschluß an das österreichische Bündnis hatte Basel am 1. September 1399 auch einen Münzvertrag mit Herzog Leopold geschlossen, in der Absicht, das alte Geld durch neues, besseres zu ersetzen und die in großer Menge eindringenden fremden Münzen zu vertreiben. Doch die Ausführung dieses Vertrages stieß auf Schwierigkeiten; Verhandlungen über eine neue Münzkonvention, bei der auch die Städte Freiburg, Breisach und Colmar beteiligt sein sollten, wurden begonnen. Ihr Ergebnis war dann der Rappenmünzbund vom 24. Februar 1403; aber bis zu dessen Abschluß dauerten die alten Nachteile weiter, die aus der Unsicherheit über den Kurs, dem Schwanken des Geldwertes, dem Mangel an Geld sich ergaben und durch die namentlich die ärmere Bevölkerung getroffen wurde.

In diese mißlichen Verhältnisse hinein traf nun in Basel auch noch eine neue Besteuerung. Am gleichen Tage mit dem Kaufbrief über die Herrschaften erteilte Bischof Humbert dem Rate seinen Consens zur Erhebung eines Ungelds, am 26. Juli 1400. Die Steuer, erstmals im Jahre 1401 erhoben, hatte die Form einer Vermögenssteuer, und zwar mit starker Progression nach unten; man wird dies so zu erklären haben, daß die [345] weniger vermögenden Klassen ein größeres Einkommen aus Arbeit hatten als die Vermögenden, und dieses Einkommen durch die Progression getroffen werden sollte. Immerhin konnte diese Einrichtung als Härte empfunden werden, und die Tatsache, daß von den dreizehn Steuerklassen die acht obersten nicht einmal den dritten Teil des gesamten Steuerertrages aufbrachten, erschien ohne Zweifel Denen als ein schweres Unrecht, die das Meiste von öffentlicher Befugnis in den Händen gerade dieser Reichsten vereinigt sahen. Nehmen wir hinzu, daß die Steuer überhaupt eine seltene und außerordentliche Maßregel war und als solche höchst unwillkommen sein mußte.

Als Drittes sodann ist die Ordnung über die Zunftmeisterwahlen namhaft zu machen. Der Rat bestimmte am 6. Juni 1401, daß der neue Meister jeder Zunft künftig nicht mehr wie bisher durch die ganze Zunft, sondern durch den abtretenden Meister und die neuen und alten Sechser gewählt werden solle; er nannte als Grund dieser Aenderung, daß in den Zünften viele Fremde säßen, die nicht nach Gebühr beurteilen könnten, was gemeiner Stadt, der Zunft und dem Lande nützlich wäre; die Sechser dagegen stünden in solcher Weisheit, daß sie der Stadt Ehre und Nutzen wohl bedächten. Es war ein bedeutsamer Schritt im oligarchischen Sinne; wie der Rat sich faktisch selbst wählte, so sollte nun auch auf den Zünften nur im Kreise Weniger gewählt werden. Zu den Gegensätzen, die im Innern des Rates walteten, trat nun ein weiterer und sehr erheblicher Gegensatz zwischen dem Rate und der Zunftgemeinde, der Bürgerschaft draußen, und die Bedeutung, die dem Eintritt der Zunftmeister in den Rat 1382 zugekommen war, fiel in der Hauptsache dahin.

So wirkte Unzufriedenheit aller Art, wirtschaftlich, sozial, politisch, zusammen, und im November 1402 kam die Gährung zum Ausbruche.

Wir sind über den Verlauf nicht näher unterrichtet; doch zeigen die Strafurteile, die Anfangs Dezembers vom Rate gefällt wurden, die einzelnen Phasen des Tumultes sowie die Hauptschuldigen.

Die Unruhe ging von den Messerschmieden aus, unter denen Meister Mathys, Lienhard von Hagenau, Senger und Hartzkopf die Rädelsführer waren. Sie verweigerten dem Rate den Gehorsam und die Entrichtung der Steuer; ehe sie täten, was die Räte wollten, müßte Blut vergossen werden. Nicht sie sollten das Ungeld zahlen, sondern die Reichen; Heinrich Murer und zwei Andere hätten dem Herzog, dem Feinde der Stadt, sechzehntausend Gulden geliehen. Man wolle in die Häuser Derer gehen, die auf dem Rate Geld stehen hätten, und ihre Schuldbriefe und Siegel zerbrechen; das wäre der beste Kreuzgang, den man tun könnte. Auch Andere [346] schrieen gegen das Ungeid und forderten seine Abschaffung. Aberlin der Schleifer, die Gerber Küssi und Luterbach griffen die neue Münze an; die alte sei gut genug, und man dürfe nichts an ihr ändern ohne den Willen der Gemeinde. Der Spengler Rosenbusch rief: wenn die neue Münze zu Stande kommt, so sind die Räte von Basel meineidig.

Aber Münze und Ungeld waren nur die äußern Veranlassungen des Tumultes. Der tiefste Unwille ging doch gegen die Reichen, gegen das geschlossene Wesen des Rates, gegen die Mißachtung der Zunftrechte. Jöselin der Messerbereiter schalt bitter auf die Meister seiner Zunft: sie säßen um nichts da und täten nichts Anderes, als sie zu verderben. Ein Kleinbasler Keßler drohte: es müsse nun etwas Anderes werden, es müsse gehen, wie sie wollen. Auch das Leben waren sie entschlossen daran zu setzen. Wohlauf, es ist so gut heuer erstochen zu werden wie ein ander Jahr!

Sie sammelten sich im Harnisch, um auf den Markt zu ziehen und den Rat zu überwältigen.

Aber dieser hatte seine Gegenmaßregeln schon getroffen, auf den Türmen die Glockenseile hinaufziehen lassen, damit nicht könne Sturm geläutet werden, und die Zünfte aufgeboten.

Freilich hier fand er nicht überall Gehorsam. Bei den Metzgern weigerte sich Clewi Bischof offen: er wolle nichts wider das Gedigen, wider das Volk tun; man heiße sie allezeit schweigen, es werde aber der Tag kommen, da auch sie reden. Und noch gröber Rutsch Pfefflin: man solle ihm folgen, so wollten sie die Räte an die Grinde schlagen. Ulman Mörnach wollte es darauf ankommen lassen: gehe die Sache wider die Zünfte, so wisse er nicht, zu welcher Seite er sich halten werde; es werde einmal eine Stunde kommen oder ein Wind wehen, daß auch sie reden, so daß es Etlichen werde zu den Augen ausgehen.

Die große Mehrzahl indessen stand zum Rate und half ihm den Aufruhr beendigen. Zu einem Kampfe scheint es dabei nicht gekommen zu sein; die Entschlossenheit der Behörde und die Uebermacht ihrer Zunftmannschaft brachen den Mut der Revolutionslustigen. Hinterher freilich stieg dann bei Manchen, die dem Rate geholfen hatten, die Reue auf. Hüglin Maler sagte: hätte ich gewußt, daß die Sache also wäre, man hätte mich acht Tage lang in einen Turm legen müssen, ehe ich es getan hätte; gestern schwur ich also — dabei hob er den Finger auf —, und heut will ich also tun — und hielt den Finger nieder. Und Kunz Schwab der Weinsticher meinte: hätten die Räte zu Bern getan, was die Räte hier getan haben, es geschähe ihnen von dem Gedigen nimmer gut.

[347] Die Strafen lauteten durchweg auf Verbannung aus der Stadt, bei den Anführern auf Verbannung für ewig; über die weniger Kompromittierten wurde Verweisung auf kürzere Zeit verhängt.

So hatte der Rat gesiegt, und die Zustände, die Ursache dieses Sturmes gewesen waren, dauerten fort. Die Ratsordnung, erweitert durch das neue Gesetz über die Zunftmeisterwahlen, gab die völlig legale Form für die Herrschaft Weniger, für die Konzentration aller öffentlichen Gewalt in einem geschlossenen Kreise. Es ist aber bemerkenswert, daß die heftigen Streitigkeiten im Innern dieses Kreises selbst, die bei der Lage der Dinge ja nicht ausbleiben konnten, immer bei diesen durch die Ratsordnung gegebenen Grenzen Halt machten. Bei allem Zwist waren die sämtlichen Beteiligten doch durch das gemeinsame Interesse an diesem Besitze verbunden. So herrschsüchtig und gewalttätig Einzelne unter ihnen sich auch erzeigen mochten, Keiner wurde zum Diktator, der die Fesseln von Handfeste und Ratsverfassung sprengte und unter Heranziehung der ganzen Bürgerschaft neue Bahnen beschritt. Man begnügte sich damit, um die Aemter zu hadern, und die Parteiungen, von denen keine Gruppe des Rates verschont blieb, offenbarten sich vor Allem beim Streben nach den beiden Hauptämtern, denjenigen des Bürgermeisters und des Oberstzunftmeisters. Man jagte nach diesen, man warb um sie mit Geld und Bitten schon Monate vor der Wahl, beim Bischof selbst und bei den ihn Beratenden, namentlich den Domherren. Haß und Zwietracht unter den Petenten und ihren Anhängern war die Folge, und den Schaden trug natürlich die Stadt.

Was bei solchen Zuständen möglich war, sagt der kurz nach dem Aufruhr von 1402 beginnende Handel, der unter dem Namen des Rotbergischen und Ehrenfelsischen Handels bekannt ist.

Ein zwischen den Achtburgern Jakob Zibol und Peter zum Angen bestehender Streit kam bei der Oberstzunftmeisterwahl im Sommer 1403 zur Entscheidung. Dem Zibol, der seit 1391 das Amt inne hatte, trat Peter zum Angen mit seiner Bewerbung entgegen. Er war jünger und gehörte noch gar nicht dem Rate an. Aber er verfügte über einen starken Anhang und drang mit seinem Begehren nun auch bei Bischof Humbert durch. Er erhielt das Amt, und damit war den Zuständen im Rat für die nächsten Jahre die Richtung gegeben.

Zunächst freilich fand hier Peter zum Angen einen erbitterten Gegner in Henman Fröwler von Ehrenfels; dieser hatte 1398 und 1400 das Oberstzunftmeisteramt innegehabt, wurde aber 1402 und 1404, wohl auf Antreiben des zum Angen übergangen; er selbst hinwiederum hatte wie [348] sein Verwandter, der Domherr von Hirzbach, die Wahl des zum Angen zu verhindern gesucht.

Aber diese Feindschaft war nicht von Dauer. Beide mochten finden, daß Zusammenhalten ihnen förderlicher wäre, und bei einem Besuch am Hof in Delsberg kam es zwischen ihnen zur Aussöhnung. Kaum ohne Zutun des Bischofs, sicher unter Mitwirkung des Bürgermeisters Hans Ludman von Rotberg, der ebenfalls in Delsberg anwesend war.

Von da an datiert die Gemeinschaft dieser drei Männer, die jetzt die Führung des Staatswesens in ihre Hand nahmen, ganz unbedenklich in der Wahl der Mittel, gewalttätig und rücksichtslos gegen alle Opponenten. Während Rotberg Bürgermeister war, alternierten zum Angen und Ehrenfels in der Oberstzunftmeisterwürde. Der Stärkste unter ihnen war unzweifelhaft Peter zum Angen. Mit seinem Tod im Herbst 1409 wich die Kraft aus seiner Partei, und die Gegner bemächtigten sich sofort der Situation. An das erledigte Oberstzunftmeisteramt beriefen sie einen der Ihrigen, den Meister der Schlüsselzunft Henman Buchbart; es folgte der Beschluß über die Führung der städtischen Streitmacht, und als Hauptschlag die Wiedererrichtung des Ammeistertums. Schließlich wurden auf Johannis 1410 auch die ordentlichen Aemter im neuen Sinne besetzt, und nun konnte der Staatsprozeß gegen die gestürzten Machthaber ergehen.

Der offizielle Bericht hierüber, der im Leistungsbuch niedergelegt ist, kann freilich nicht als völlig unbefangenes Zeugnis gelten. Er vertritt die Meinung nur einer Seite. Aber wir sind für unsere Kenntnis des Handels auf ihn angewiesen.

Einzelne der Klagen teilen wir aus diesem Berichte hier mit.

Neun Eigenleute Lütolds von Münchenstein waren zu Basel Bürger geworden; aber als es sich darum handelte, sie bei diesem Bürgerrecht zu schirmen, drangen Ehrenfels und Rotberg darauf, vorerst zu untersuchen, ob sie freizügig wären oder nicht. Der Rat wollte dementgegen am alten Herkommen festhalten und die Zurückforderung der Knechte durch den Herrn abwarten. Da stifteten Ehrenfels und Rotberg gegen hundert Ritter und Edelknechte auf, dem Rat ihre Absagebriefe zu schicken, sodaß der Rat sich gezwungen sah, nachzugeben, und den Knechten Unrecht geschah.

Als Freiherr Johann von Froberg sich um das Basler Bürgerrecht bewarb, redeten Ehrenfels und Rotberg dagegen, und er wurde abgewiesen. Später meldete er sich wieder; nun empfahlen sie ihn, und er wurde angenommen. Es erfand sich dann, daß er den Rotberg mit dem Geschenk [349] eines Damasttuches, den Ehrenfels mit zehn Gulden für sich gewonnen hatte.

Der Rat sandte Boten an die Grafen von Tierstein zur Beilegung von Streitigkeiten, und Alles war so weit, daß der Friede zu Stande kommen konnte. Da fuhren Rotberg und Ehrenfels dazwischen und machten ihn zu nichte. In gleicher Weise wirkten sie gegen eine gütliche Verständigung mit der Herrschaft Oesterreich und hinterbrachten auch Alles, was in dieser Sache ging, dem Grafen von Salm und andern Herren, die dann ihrerseits bei Basel vorstellig wurden.

Was der Bericht in jedem einzelnen dieser Fälle und bei andern ähnlichen Gelegenheiten den Beiden zum Vorwurf macht, ist, daß sie gewissenlos und dem Eide zuwider nur ihre persönliche Gunst wie ihren Haß und ihre Rache im Auge hatten, Nutzen und Ehre der Stadt vernachlässigten.

Bezeichnender aber ist die Schilderung ihres Verfahrens im Rate überhaupt, die Charakteristik ihres ganzen Waltens.

Vor allem wie sie durch Beeinflussung der Kieser den Bestand an Ratsherren nach ihrem Willen formten, junge und selbständige Männer, „die sich der Stadt Nutzen und Ehre zu Herzen gehen ließen“, entfernten und statt ihrer alte Leute hineinbrachten, die nirgends Bescheid wußten und Alles gehen ließen. Wenn sich dann trotzdem noch ein Gegner fand und regte, so griffen sie zum Mittel der Einschüchterung, des Niederschreiens. Mit den schnödesten Worten hießen sie ihn schweigen. Gegen die Zunftmeister hauptsächlich, deren Wahl sie nicht beeinflussen konnten, traten sie in dieser Weise auf. „Er lasse nicht jeden Metzger seinen Herrn sein“ schrie Ehrenfels den Zunftmeister zum Schlüssel an. „Sind wir eure Herren? oder seid etwa ihr die unsern?“ fragten sie drohend die Zehner. Kein Zunftmann getraute sich mehr, ihnen zuwider zu reden oder zu handeln; sie allein hatten die Gewalt in Händen. Wenn Einer von ihnen aus dem Rate ging, so blieb der Andre sitzen, sodaß das Terrorisieren ein beständiges war und die Opposition nie Luft erhielt. Auch vor dem Schultheißengericht redeten sie heftig wider die Urteile, die ihnen nicht gefielen; einen Falschmünzer ließen sie straflos ausgehen.

Man ist erstaunt, daß eine solche Willkür überhaupt möglich sein konnte. Sie setzt eine entschiedene, rein persönliche Macht und Ueberlegenheit voraus.

Unter friedlichen Verhältnissen hätte der Mißstand einer solchen Usurpation vielleicht noch länger andauern können; aber die große allgemeine [350] Not und Gefahr trieb die bisher tatlos gebliebene Opposition zur Entschlossenheit.

Auch das Zureden und Warnen der befreundeten Straßburger half dazu. Diese hatten beim Friedensgeschäft in Kaisersberg den Ehrenfels reden und handeln sehen und verwunderten sich, daß er so große Gewalt sich anmaßen konnte. „Wenn Einer bei uns so aufträte, es würde ihm an Leib und Gut gehen.“ Im Rate selbst war die Opposition zu schwach gewesen, um die Herrschaft der Drei zu brechen; der kräftige Widerstand ging draußen von den Zünften aus, und diese setzten nun im Großen Rate ihren Willen durch. Rotberg und Ehrenfels kamen unter Anklage; das schließliche Urteil lautete auf Verbannung. Für Rotberg auf unbestimmte Zeit und ohne Angabe einer einzuhaltenden Entfernung von Basel; der als schuldiger geltende Ehrenfels wurde für zwanzig Jahre nach Thun verbannt mit der Bestimmung, sich nicht weiter als eine Meile von dieser Stadt zu entfernen.

Am 2. August 1410 schwuren Beide die Urfehde und begaben sich in ihr Exil.

Rotberg erhielt schon nach wenigen Jahren wieder die Erlaubnis zur Rückkehr und gelangte dann aufs neue zu Amt und Ansehen. Ehrenfels sah seine Vaterstadt nie mehr wieder. Kurz nach seinem Weggange hatten sich der Pfalzgraf Ludwig, Smasman von Rappoltstein und der Rat von Bern für ihn verwendet und die Basler gebeten, ihn wieder zu dem Seinen kommen oder doch bis an den Burgbann wandeln zu lassen. Der Rat erwiderte zunächst, daß er ohne Zustimmung der Sechser aller Zünfte, mit deren Rat und Erkantnis die Verweisung geschehen sei, nichts ändern könne; der Große Rat verweigerte dann in der Tat die Gnade, und als nun einige elsässische, mit Ehrenfels befreundete Adlige wegen dieser Sache den Rechtsweg vor dem Pfalzgrafen beschreiten wollten, verwahrte sich Basel hiegegen aufs entschiedenste. „Nie wurde Stadt oder Herr von der Ihren wegen, die sie verwiesen, vor Recht geladen. Wäre das möglich, so möchte keine Stadt noch Herr die Ihren mehr strafen.“

Das Vorgehen der Zünfte gegen diese Willkürherrschaft, über den wehrlos gewordenen Rat hinweg, muß gewürdigt werden im Zusammenhang mit der allgemeinen Lage der Stadt. Es waren schwere Jahre des Krieges; ihre Schilderung wird folgen. Wie sie hier zur gewaltsamen Beseitigung dieser die Stadt aufs höchste gefährdenden Mißbräuche führten, so zu verwandten Beschlüssen. Der Geist, der sich im Aufruhr von 1402 geregt hatte, trat jetzt neu hervor, und die Not der Zeit half ihm siegen. [351] Daher der Erlaß der Kriegsordnung der vier Banner, mit der Beteiligung Vieler am Kommando; daher nun wieder die Aufstellung des Ammeistertums.

Zunächst hatte man versucht mit einer Umgestaltung des Oberstzunftmeisteramtes zu helfen. Auf welche Weise dessen Besetzung zu geschehen pflegte, ist oben gesagt worden. Eine Erkantnis von 1405, die auf den Versuch, dieses Amt mit Geld und Gaben zu erschleichen, schwere Strafen setzte, half nichts. Eine Besserung konnte nur geschehen, wenn der Rat selbst die Wahl in der Hand hatte. Im Mai 1410 daher ging eine Ratsbotschaft zum Bischof mit dem Vorschlag, er möge auf die Zeit seines Lebens oder doch auf vier bis fünf Jahre der Stadt das Recht einräumen, ihren Oberstzunftmeister jährlich selbst zu wählen; d. h. der Rat sollte auch hier faktisch ernennen und der Bischof nur bestätigen wie beim Bürgermeister geschah. Bischof Humbert lehnte jedoch das Ansinnen ab, und auch bei der mündlichen Verhandlung, zu der er auf Bitte des Rates nach Basel gekommen war, am 10. Juni, beharrte er auf seiner Weigerung. Er erklärte, mit Ehren und Recht solches nicht tun zu können.

Nun erst ging der Rat selbständig vor und vollzog, was er auf dem Weg einer Reorganisation des Oberstzunftmeistertums hatte erreichen wollen, durch eine außerordentliche Maßnahme: die Errichtung des Ammeistertums, am 16. Juni 1410.

Am Sonntage darauf, 22. Juni, gab der Bischof wie alljährlich der Stadt Bürgermeister und Oberstzunftmeister. Er wahrte damit sein Recht in der Form, entsprach aber den Wünschen des Rates in den Personen. Zum Bürgermeister wurde Günther Marschalk ernannt, zum Oberstzunftmeister der Zünftler Völmin von Utingen.

Die Zunftmeister ihrerseits wählten als Ammeister den Johannes Wiler, Zunftmeister zu Safran.

Damit waren neue Zustände eingeleitet und für eine gewisse Dauer auch befestigt. Denn es ist nicht zu übersehen, daß in den nächstfolgenden Jahren, und so lange das Ammeistertum bestand, der Oberstzunftmeister regelmäßig nicht aus den Burgern, sondern aus den Zunftleuten genommen wurde. Dies dauerte bis zum Jahre 1417. Hier wurde bei der Ratserneuerung zum ersten Male wieder kein Ammeister gewählt und der Oberstzunftmeister aus der Stube genommen; in eben diesem Jahre trat auch Hans Ludman von Rotberg aufs neue in den Rat ein. Es handelte sich dabei also um eine Rückkehr zu Früherem, während die Jahre 1410 bis 1417 ein entschiedenes Vorwalten der Zünfte zeigen.

Vor allem durch das Ammeistertum. Dir Art dieses Amtes ist schon [352] bei Anlaß seiner ersten Aufstellung im Jahre 1385 bezeichnet worden. Aber die ihm jetzt gegebene Orderung weicht von der damaligen nicht unwesentlich ab. Es ist jetzt in Bezug auf Wählbare und Wähler rein auf die Zünfte basiert. Nicht das Mißtrauen gegen die Lehensmannen Oesterreichs, das 1385 gewaltet hatte, forderte jetzt das Ammeistertum, sondern der Unmut über die Geschlechter und deren Anmaßungen, der Wille die Bürgerschaft vor Unterdrückung und Ausbeutung zu sichern. Daher jetzt der Ammeister aus den Zünften und nur durch die Zunftmeister zu wählen ist, mit den Letztern zusammen die städtischen Angelegenheiten vorberät und die Stadtrechnung beaufsichtigt. Er ist kein Machthaber auf Kosten der beiden Häupter, aber eine Kontrollperson, die das Interesse der Gemeinde vertritt. Der Bürgermeister ist nach wie vor der Erste der Stadt; der Oberstzunftmeister behält den Vorsitz bei Meistergebotten in Zunftsachen.

In solcher Weise sollte den Zünften ein direkter Einfluß auf das öffentliche Wesen gegeben werden, Mißbrauch und Mißtrauen beseitigt werden. Wiederholt bezeugt der Rat, daß das Amt eingesetzt worden sei um Friedens und Einhelligkeit willen unter uns Allen, Armen und Reichen, Edeln und Unedeln.

Diese Wirkung scheint es zunächst auch gehabt zu haben, bis sich doch die Geschlechter ermannten und den Zünften auf ihre Neuerung eine Antwort gaben. Sie ließen sich nicht auf langen Streit ein; sie verloren sich nicht in Klagen bei der oder jener Instanz. Aber sie verließen die Stadt, mit der Erklärung, nicht wieder zurückkehren zu wollen, ehe man ihnen die unverkümmerte Geltung ihres alten Rechtes und Herkommens zusichere. Im Februar 1414 zogen sie davon und wandten sich auf österreichisches Gebiet, nach Rheinfelden; von dort schickten sie dem Rat ihre Briefe, in denen sie das Bürgerrecht aufgaben. Außer einigen Edeln, von Ramstein, Reich, zu Rhein, von Eptingen, waren es die im Rate sitzenden Achtburger Hug zer Sonnen, Jakob Fröwler, Konrad Sinz, die Brüder Hans und Dietrich Sürlin, Konrad und Hüglin von Laufen, Lienhard Schönkind, Hans und Friedrich Schilling, Heinrich Iselin; ferner Franz Wider, Konrad und Heinrich von Efringen; endlich einige reiche Zunftherren wie die Brüder Heinzman und Claus Murer, Henman Tribock, Hans Billung u. A.

Dieser Gesamtaustritt war ein Vorgang unerhörter Art. Auch Straßburg erlebte ihn einige Jahre später. Aber das Schöne ist, im Vergleich mit den widrigen Zänkereien der letzten Jahre, wie hier das stolze Gefühl des Standes Alle zusammenschließt.

[353] Welche Stürme mögen dieser Secession vorangegangen sein. Die Geschlechter mußten wissen, wie viel sie damit aufs Spiel setzten. Aber auch für die Stadt war es etwas Außerordentliches. Die plötzliche Verminderung des Rates um die Hälfte seiner Mitglieder und um die Vertretung eines großen Teils der Bürgerschaft, die Entfremdung so vieler reicher, mächtiger und tätiger Männer, das Aufsuchen des Schutzes bei Oesterreich, jedes Einzelne hievon bedrohte das Wohl der Stadt aufs höchste. Zumal in diesen Zeiten vielfacher Gefahr. Die Geschlechter hätten kaum ein besseres Mittel wählen können, um ihrem Willen Geltung zu verschaffen; der Zustand war ein so kritischer, daß er unmöglich lange währen konnte. Der Rat freilich weigerte sich nachzugeben und rüstete, die Ordnung der vier Banner erneuernd. Aber auch die gewohnten auswärtigen Vermittler gerieten nun in Bewegung. Die Stadt Straßburg, der Freiherr von Ramstein, der Markgraf Rudolf von Hochberg bemühten sich für Versöhnung der Entzweiten; sie taten dies aus Freundschaft zu Basel, wohl auch im Interesse der Geschlechter selbst, der Markgraf jedenfalls in der Absicht, Oesterreich keinen Vorteil aus diesem Streite ziehen zu lassen. Nach achttägigen Unterhandlungen brachten sie eine Einigung zu Stande, dadurch, daß einige besonders mißbeliebige Punkte der Ammeisterordnung nach dem Willen der Geschlechter preisgegeben wurden. Vor allem das Recht des Ammeisters, mit den Zunftmeistern zusammen die Angelegenheiten der Stadt vorzuberaten und die Stadtrechnungen zu prüfen; etwas später trat eine weitere Aenderung hinzu in der Vorschrift, daß fortan der Ammeister nicht mehr durch die Zunftmeister allein, sondern auch durch die Ratsherren von Zünften zu wählen sei. Auf diese Konzessionen hin kehrten die Ausgetretenen nach Basel und in den Rat zurück.

Das Ammeistertum blieb dabei bestehen. Aber durch das Geschehene war es im Innersten getroffen, und in der Tat ist von da an ein allmähliches Wiedereinziehen der alten Partei in ihre Machtstellung zu beobachten. Sie vermochte bald auch den Bischof dazu, seinerseits gegen das neue Wesen aufzutreten.

Vom Verhalten Humberts zur Stadt war schon die Rede. Wie er sie im allgemeinen gewähren ließ, so benahm er sich auch in der Sache des Domherrn Henman Fröwler von Hirzbach, die alle diese Streitigkeiten begleitet, sehr korrekt. Hirzbach, ein Verwandter des exilierten Oberstzunftmeisters Ehrenfels, hatte wiederholt der Stadt beim Bischof zu Leide geredet[WS 3], ihr Anliegen wegen der Oberstzunftmeisterwahl hintertrieben, den [354] Bischof zu Gewaltmaßregeln aufzureizen versucht. Der Rat vernahm dies und erinnerte sich daran, daß derselbe Herr schon früher sich Aehnliches gegen die Stadt erlaubt habe, 1403 bei der Ratserneuerung, 1382 in den Händeln wegen des Schisma. Hirzbach, der seit 1389 Bürger der Stadt war, wurde wegen dieses Verhaltens, auch wegen einiger Lästerreden verbannt und verließ am 31. März 1411 die Stadt; er war im bischöflichen Gefängnis gelegen, da seine Umtriebe Stadt und Bischof gleichermaßen zuwider waren.

Aber gerade dieses Beispiel Hirzbachs zeigt, von welcher Seite her und in welchem Sinne Humbert bei seiner Haltung beeinflußt wurde. Im Juni 1411 hatte der Rat neuerdings Anlaß, ihm zu bedeuten, daß er die Ammeisterordnung durchaus nicht gemacht habe, um das Hochstift zu kränken, sondern damit die Stadt diesem desto besser dienen könne, sowie um großer Notdurft und der Einhelligkeit armer und reicher Leute willen. Er bat den Bischof, zur Ratserneuerung persönlich nach Basel zu kommen; und Humbert sagte dies zu, jedoch unter „Anmuthungen und Bedingnissen, die dem Rate fremd und ungnädig vorkamen“.

Wir haben hiebei an die Forderungen Humberts zu denken, von denen in den Akten jener Zeit wiederholt die Rede ist. Sie betrafen Eingriffe in das geistliche Gericht von Seite des Schultheißen, die Kompetenzen von Schultheiß und Vogt, das Recht des Martinszinses, das Ungeld, das Ammeistertum u. s. w. Da der Rat diese Forderungen ablehnte, erhob dann Humbert auf dem Konstanzer Konzil Klage bei König Sigmund. Dieser scheint den Baslern die Preisgabe des Ammeisters befohlen, die andern bischöflichen Beschwerdepunkte aber unberücksichtigt gelassen zu haben. Auch Markgraf Rudolf bekam wieder als Unterhändler zu tun, während von der andern Seite Herzog Johann von Burgund sowie Bruder und Neffe Bischof Humberts für dessen Sache beim Rate eintraten, mit der Drohung, dem Bischof in Wahrung seiner Rechte beizustehen. Zahlreiche Konferenzen fanden statt; endlich ergaben sich die Zünfte und verzichteten am 5. Juni 1417 auf das Ammeistertum. Sein letzter Inhaber war derselbe Johannes Wiler, der es vor sieben Jahren zuerst besessen hatte.

Es bestand nun wieder die frühere Regierungsform. Sie dauerte auch von da an ohne wesentliche Erschütterungen weiter. Das Ammeistertum wurde nie mehr besetzt; einige revolutionäre Regungen der Zunftpartei im Jahre 1425 gingen, wie es scheint, ohne Wirkung vorüber. Das Oberstzunftmeisteramt kam allerdings 1424 durch Verpfändung des Bischofs an die Stadt, und diese erlangte nun, was sie unter Humbert vergeblich angestrebt [355] hatte; aber eine entschiedene Aenderung in der Besetzung des Amtes hatte dies nicht zur Folge.

Dennoch ist eine leise, sehr allmähliche Umformung nicht zu verkennen. Wie sie dann stärker hervortrat, namentlich in den dunkeln Sturmjahren des großen Adelskrieges, und von da an, während die alten Edeln und Geschlechter dahin schwanden, ein immer deutlicheres Vorwalten der Zünfte die Geschicke der Stadt bestimmte, wird später zu schildern sein.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Absetzung König Wenzels in der Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit / bearb. von Karl Zeumer, Seite 223-226
  2. Vorlage: beberühre
  3. Vorlage: gegeredet