Gespräch (Hugo von Hofmannsthal)

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Autor: Hugo von Hofmannsthal
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Titel: Gespräch
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aus: Gedichte, S. 51–52
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1897
Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Insel Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Wiener Allgemeine Zeitung (Wien), Osterbeilage 1898
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GESPRÄCH


DER JÜNGERE:
Ihr gleicht nun völlig dem vertriebnen Herzog,
Der zaubern kann und eine Tochter hat:
Dem im Theaterstück, dem Prospero.
Denn ihr seid stark genug, in dieser Stadt

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Mit eurem Kind so frei dahinzuleben,

Als wäret ihr auf einer wüsten Insel.
Ihr habt den Zaubermantel und die Bücher,
Mit Geistern zur Bedienung und zur Lust
Euch und die Tochter zu umgeben, nicht?

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Sie kommen, wenn Ihr winkt, und sie verblassen,

Wenn Ihr die Stirne runzelt. Dieses Kind
Lernt früh, was wir erst spät begreifen lernten:
Daß alles Lebende aus solchem Stoff
Wie Träume und ganz ähnlich auch zergeht.

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Sie wächst so auf und fürchtet sich vor nichts:

Mit Tieren und mit Toten redet sie
Zutraulich wie mit ihresgleichen, blüht
Schamhafter als die festverschloßne Knospe,
Weil sie auch aus der leeren Luft so etwas

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Wie Augen stets auf sich gerichtet fühlt.

Allmählich wird sie größer, und ihr lehrt sie:
»Hab du das Leben lieb, dich nicht zu lieb,
Und nur um seiner selbst, doch immerfort
Nur um des Guten willen, das darin ist.«

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In all dem ist für sie kein Widerspruch,

Denn so wie bunte Muscheln oder Vögel
Hat sie die Tugend lieb. Bis eines Tages
Ihr sie vermählt mit Einem, den Ihr völlig
Durchschaut, den ihr geprüft auf solche Art,

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Die kein unedler Mensch erträgt, als wäre er

Schiffbrüchig ausgeworfen auf der Insel,
Die ihr beherrscht, und ganz euch zugefallen
Wie Strandgut.

DER ÄLTERE:
Nun meine ich, ist mir ein Maß geschenkt,

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Ein unveränderlich und sichres Maß,

Das mich für immer und untrüglich abhält,
Ein leeres Ding für voll zu nehmen, mich
Für Schales zu vergeuden, fremdem Fühlen
Und angelerntem Denken irgend Platz

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In einer meiner Adern zu gestatten.

Nun kann zwar Krankheit, Elend oder Tod
Mich noch bedrohen, aber Lüge kaum.
Dazu ist dies mein neues Amt zu voll
Einfacher Hoheit. Und daran gemessen

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Vergeht erlogne Wichtigkeit zu Nichts.

Ins Schloß gefallen sind die letzten Türen,
Durch die ich hatte einen schlimmen Weg
Antreten können. Durch und durch verstört,
Im Kern beschmutzt und völlig irr an Güte

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Werd ich nun nicht mehr. Denn mich hat ein Glanz

Vom wahren Sinn des Lebens angeglüht.