Gewalt der Mutterliebe
[224] Gewalt der Mutterliebe. Von F. wird uns Folgendes berichtet: Eine Schwalbe hatte ihr Nest an dem Balken eines Schuppens angebracht, welcher durch das Oeffnen und Schließen der Thüre oft heftig erschüttert wurde. So kam es, daß das Nest schließlich allen Halt verlor und trotz der Nachbesserungen seitens der Schwalben mehr und mehr sich loslöste. Die Eltern wagten zuletzt beim Füttern gar nicht mehr den Rand des Nestes zu betreten, sondern erhielten sich durch rasche Flügelschläge fliegend vor demselben. Allein der Verfall des Nestes nahm überhand, und endlich stürzte es mit sammt den Jungen zu Boden, glücklicher Weise jedoch nur bis auf einen sich fast bis zu dem Balken erhebenden Holzstoß. Allein hier wartete der armen Thiere neue Gefahr. Eine Katze, welche eben in den Schuppen gekommen war, schickte sich an, die leicht zu erlangende Beute wegzunehmen. Ohne Besinnen stürzte sich die geängstigte Mutter auf das Raubthier, stieß es, so kräftig sie konnte, auf den Kopf, verwirrte es durch Flügelschläge und hielt es wirklich von ihrer Brut entfernt. In diesem wichtigen Augenblicke erschien auch das Schwalbenmännchen, sah und erkannte die Gefahr, flog eilend zurück, stieg rasch hoch empor und stieß das Gefahr verkündende „Bihwist, Bihwist, Dewihlik, Dewihlik“ aus, um andere ihrer Art herbei zu locken, kehrte mit einer ganzen Schaar Hülfsgenossen zurück und brachte die Katze jetzt so in Verwirrung, daß sie trotz alles Pfauchens, Brummens und Hauens mit den Tatzen ihren Zweck doch nicht erreichen konnte. Mitleidige Menschen kamen den muthigen Schwalben rechtzeitig zu Hülfe, um den Erfolg des ersten Zurückschlagens des Feindes zu sichern, und trugen die jungen Schwälbchen in ein leerstehendes, sicheres Nest, in welchem sie von den treuen Eltern auch glücklich großgezogen wurden.