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Gran in Ungarn

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCLXV. Baktschi-Serai und der Pallast des Chans Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band (1841) von Joseph Meyer
CCCLXVI. Gran in Ungarn
CCCLXVII. Schleissheim
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GRAN IN UNGARN

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CCCLXVI. Gran in Ungarn.




Ungarn war schon in den ersten Jahrhunderten unserer Aera ein Sitz der Römer. Von der Stadt der sieben Hügel trug der nimmer rastende Krieg die Fahne der Gesittung an den Strand der Donau und pflanzte sie auf in dem ungebrochenen Boden. Um sie war Drang und Kampf und Streit ohne Rast zwei Jahrhunderte hindurch, und Rom mußte in den Ebenen Ungarns aller Mühsal des alten Herkules sich unterwinden, bis endlich die Völker ihre Häupter vor dem Adler beugten, der vor ihnen aufflog. Die gewonnene Herrschaft zu sichern, wurden Vesten (Castra) von einem Ende des thrazischen Landes bis zum andern aufgerichtet, viele am Donaustrome, bald dies- bald jenseits, und Legionen hinein gethan, die zugleich zügelten und, unähnlich den stehenden Heeren der Gegenwart, nützliche Werke des Friedens verrichteten. Die Kunst, das beste Jugendblut der Völker in stagnirende Sümpfe zu leiten und die rüstigste Kraft der Nationen, als stehende Heere, zu Paradekünsten und [110] zur Faulheit zu dressiren, war damals noch nicht erfunden. Der Krieger schwang das Schwert in der Schlacht, aber Axt und Spaden im Frieden. Er lichtete die Wälder, zog Straßen über die Gebirge, grub Canäle aus, und warf selbst die Wälle auf, hinter denen er das Land schützen sollte, welches er gewonnen. Er lichtete die ungeschlachte Barbarenwelt, bändigte die blinden Naturgewalten und legte den Acker zur Aufnahme höherer Saat bereit.

Zu dieser Zeit, während der Regierung Trajans, erstand auf dem Felsen, wo gegenüber der Granfluß aus lieblichem Thale mündet und wo jetzt die Zinnen des Graner Schlosses zu sehen sind, das römische Strigonium. Es war ein Castrum und einer Legion zum Aufenthalt angewiesen. Unter dem Schutze der Veste keimte die Stadt. Strigonium blühete lange – und es verblühete mit dem Reiche, dem es angehörte. Rom’s Traum war ausgeträumt; – vor den, wie hungrige Heuschreckenschwärme hereinstürmenden Horden der scythischen Steppen verging Rom’s Pracht und Herrlichkeit im ungarischen Donaulande. Palast, Forum, Academie, Castren und Städte schwanden wie Schattenspiel; nicht einmal die Namen blieben.

Erst im 10ten Jahrhundert tagt es wieder nach langer Nacht in diesen Gegenden, und auch das alte Strigonium wird wieder genannt als das Städtchen Gran. Aus den Ruinen der römischen Veste hatte man eine fürstliche Burg errichtet. Herzog Geisa wohnte dort und der nachmals für die Wiedereinführung des Christenthums im Lande so thätige heilige Stephan wurde dort geboren. –

Gran erwuchs zur ansehnlichen Stadt und blühete bis ins sechzehnte Jahrhundert. Da kam die dritte Nacht über das Land, in das der türkische Halbmond ein todtenbleiches Streiflicht warf, – kein wohlthätiges Sonnenlicht; – Gran fiel 1543 in die Hände der Muselmänner, wurde geplündert, seiner meisten christlichen Einwohner durch Schwert und Sklaverei beraubt, theilweise zerstört. Es blieb in des Sultans Händen bis 1683. Nach der Befreiung wurde es zum Lohn für so viele erlittenen Drangsale Freistadt, erhielt große Privilegien, ward Sitz eines Erzbischofs, der zugleich die Würde eines Primas von Ungarn bekleidet, und, vermöge seiner günstigen Lage, zugleich der eines bedeutenden Handels.

An der Stelle der türkischen Moscheen erstanden nun Klöster und prächtige Kirchen. Unter den letztern ist die kürzlich vollendete Metropolitankirche zu den herrlichsten und großartigsten des Reichs zu rechnen. Auch eine Menge Bildungsanstalten keimten auf und gediehen; so die beiden Seminarien für angehende Priester u. das Gymnasium. Am Fuße des Schloßberges wurden die schon von den Römern gekannten u. während der Türkenzeit benutzten warmen Heilbäder neu gefaßt und mit bequemen Einrichtungen versehen, und sie werden jetzt häufig besucht. Handel auf der Donau und Tuchfabrikation machen das Hauptgewerbe der hiesigen 13,000 Einwohner aus.

[111] Die Gegend von Gran ist ein Cyclus lachender und romantischer Landschaften. Ihr Juwel ist Schloß Wishegrad. – Hoch auf dem Felshaupte prangt die Ruine, die schönste in ganz Ungarn. Das Schloß war der Pallast der ungarischen Könige, – es faßte 350 Zimmer und Säle, und die Pracht des Hauses war so groß, daß der päbstliche Legat, als ihn Matthias Corvinus im 15ten Jahrhundert einführte, ausrief: „das ist das irdische Paradies!“ Es war einer der letzten Punkte, welche die Türken in Ungarn behaupteten. Erst 1686 fiel die Veste – und die erbitterten Christen machten aus dem Hause des Gekrönten einen ruinenbedeckten Todtenhügel – ein Mal der irdischen Vergänglichkeit.