Grausamkeit der alten Wenden

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Grausamkeit der alten Wenden
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 106–107
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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[106]
718) Grausamkeit der alten Wenden.
S. Haupt Bd. II. S. 9.

Die Lausitzer Wenden in der Gegend von Zinniz (Cianj) hatten außerordentlich strenge Ehegesetze: am Markte dieser Stadt war eine Brücke, dort wurde Jeder, der sich durch [107] Untreue an seinem Weibe versündigt hatte, mit dem Theile, mit dem er gesündigt hatte, an die Brücke genagelt. Neben ihm lag ein Scheermesser und hiermit ward ihm die freie Wahl gelassen, entweder auf dieser Stelle zu sterben, oder sich selber loszuschneiden.

Die Sorben in der Lausitz hatten manche barbarische Sitte aus dem fernen Asien mitgebracht. Wenn z. B. ein Ehemann starb und eine Wittwe hinterließ, so wurde diese bei lebendigem Leibe auf den Scheiterhaufen gelegt zu dem Leichnam des Ehemannes und wurde also mit demselben zugleich verbrannt. Solches geschah aber nicht etwa mit Zwang, sondern freiwillig und unter großem Freudengeschrei. Bei den Sorbenwenden der Lausitz herrschte in der Heidenzeit der schändliche Gebrauch, daß man sich der alten Leute, die zu nichts mehr tauglich waren, auf eine grausame Weise entledigte. Der eigene Sohn schlug seinen Vater todt, wenn er alt und unfähig wurde, oder er warf ihn ins Wasser oder er stürzte ihn von einem hohen Felsen herab, ja es sind solche Beispiele selbst noch in der christlichen Zeit vorgekommen.

Herr Lewin von Schulenburg, Ober-Amtshauptmann in der Altmark, ist ums Jahr 1580 einstmals unter den Wenden gereiset, da etliche einen alten Mann geführt, die er gefragt: „wohin mit diesem Alten?“ Darauf sie geantwortet: „zu Gott“. Meineten, sie wollten denselben Gott aufopfern, weil er mit Arbeiten seine Nahrung nicht gewinnen könnte. Als der Hauptmann dieses verstanden, hat er den Alten mit Gewalt entledigt, ihn mit sich heimgenommen und zu einem Thorwächter gemacht, in welchem Dienste er noch zwanzig Jahre gelebt und zugebracht haben soll. Ein anderer Chronist erzählt, im Jahre 1297 habe eine Gräfin von Mannsfeld, welche durch die auch von Wenden bewohnte Lüneburger Haide reiste, einen Bauer getroffen, der ein Grab gegraben hatte, in welches er seinen daneben stehenden jammernden Vater legen wollte.