Gretchen vor der Mater Dolorosa
[428] Gretchen vor der Mater dolorosa. (Zu unserer Kunstbeilage.) Wie viele Künstler seit Cornelius haben schon danach gerungen, das Weltgedicht „Faust“ in sichtbarer Form nachzuschaffen! Aber noch keinem ist es völlig gelungen, einen Faust oder ein Gretchen so im Bilde darzustellen, wie sie mit allvertrauten Zügen vor dem innern Auge stehen: wir können nur des Künstlers Eigenart in seinen Figuren betrachten. Auch das Gretchen, wie es Makart schuf: das lieblich weiche Gesichtchen von goldenem Haar umflossen, die Augen schmerzvoll zum Altarbild emporgerichtet – entspricht nicht dem Bilde, das sich unsere Phantasie geschaffen. Wir geben es als eine Erinnerung an den ehemals so Hochgefeierten, dessen schönheitsdurstige Künstlerseele sich von aller herben Lebensnot abwandte und den erschütternd tragischen Schmerz nicht anders als durch Anmut gemildert zu empfinden und wiederzugeben vermochte.