Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg
[354] Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg. (Mit Bildniß.) Am 23. Februar hat das letzte noch lebende Kind der unvergeßlichen Königin Luise, die Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, ihren neunzigsten Geburtstag gefeiert – es sollte ihr letzter sein: am 21. April hat der Tod mit sanfter Hand diesem reichen Leben ein Ziel gesetzt.
Sie war allgemein verehrt von ihrem Volke, die liebenswürdige Schwester Kaiser Wilhelms I., und sie genoß eine unverbrüchliche Liebe von Seiten ihrer Angehörigen. Die verwandtschaftlichen Bande zwischen Mecklenburg und Preußen, die schon vorher herzliche waren – das Haus Mecklenburg-Strelitz schenkte ja Preußen seine Königin Luise – hat sie zu innigen gestaltet.
Zwischen König Friedrich Wilhelm III., der es nie vergaß, daß die Herrscher beider Mecklenburg zuerst von allen deutschen Fürsten im Befreiungskriege sich ihm angeschlossen hatten, und dem alternden Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz I., bestand eine enge Freundschaft, an der auch der Erbgroßherzog Ludwig Friedrich aufrichtigen Antheil nahm. Der letztere hatte den Aufschwung Preußens miterlebt und besaß wohl eine Ahnung von der großen Zukunft dieses Staates. Er schickte daher seinen ältesten Sohn Paul Friedrich nach Berlin, und dort machte derselbe im September 1818 die nähere Bekanntschaft der damals fünfzehnjährigen Prinzessin Alexandrine. Der junge Prinz ward von der lieblichen Erscheinung gefesselt; schon im Februar 1819 brachte er seine förmliche Werbung an, der am 13. Juni 1820, nachdem er seine Volljährigkeit erreicht hatte, die offizielle Verlobung folgte. Der Erbgroßherzog Ludwig Friedrich war inzwischen gestorben, nachdem er zu der Werbung des Sohnes von Herzen seine Zustimmung gegeben hatte. „Die Prinzeß,“ heißt es in einem seiner Briefe, „ist ein wahrer Engel. Meine Frau ist ganz glücklich über die künftige Schwiegertochter, die ihrerseits so zutrauensvoll und lieblich mit ihr ist, daß es uns innig freut.“
Am 25. Mai 1822 erfolgte zu Berlin die Vermählung des jungen Paares, das wenige Tage nachher seinen Einzug in das idyllische Ludwigslust hielt, wo der Großherzog Friedrich Franz meistens residierte. In stillem Glücke gingen für Alexandrine die Jahre hin, vollends seit sie am 28. Februar 1823 einem Sohne, dem späteren Großherzog Friedrich Franz II., das Leben gegeben hatte. Kanonendonner verkündigte die Geburt des Prinzen, Kanonendonner in gewaltigem Kriege sollte ihm einst in die Ohren tönen, denn er war mit berufen, unsere Truppen bei Orleans und Le Mans zum Siege zu führen.
Hochbetagt starb Friedrich Franz I. am 1. Februar 1837, und sein Enkel Paul Friedrich folgte ihm auf den Thron. Werke des Friedens und der Kunst füllten seine kurze Regierungszeit aus, mit feinem Sinne ging ihm dabei seine Gemahlin zur Hand. Namentlich dem Hoftheater zu Schwerin wandte sie ihr Interesse zu und verhalf dadurch dieser Bühne zu künstlerischer Entwicklung. Doch schon am 7. März 1842 riß der Tod den Gatten von ihrer Seite, und ein langes Witwenleben begann für sie. Der reiche Schatz ihres Herzens öffnete sich nun nur noch mehr als zuvor den Leidenden und Bedrängten, und sie spendete mit voller Hand. Ihre Freude war es vor allem, im stillen zu helfen, wo sie von Noth und Sorge erfuhr. Sie konnte mit den Leidenden fühlen, denn ihr selbst blieb das Leid nicht erspart; ihre drei Kinder sanken vor ihr dahin. Da mochte ihr die treue Liebe ein Trost sein, mit der ihr Bruder, Kaiser Wilhelm I., ihr verbunden blieb; namentlich in seinem höchsten Alter trat diese Zuneigung zur jüngeren Schwester immer rührender hervor. Und nun ist sie dem großen Bruder, dessen gütige Züge sie trug, nachgefolgt in den Tod.
Ein bewegtes Leben, eine Zeit tiefgreifender Veränderungen hat die edle Fürstin durchlebt – fast wie aus einer vergangenen Welt ragte sie, die würdige Tochter der Königin Luise, herein in unsere Gegenwart – ihr Andenken wird ein gesegnetes sein. B.