Großmütterchens Kirchensegen
Großmütterchens Kirchensegen.
„Wie Hauch der Nacht verweht das Leben,
Und all sein Glück ist Spreu im Wind!“
So sprach des Pfarrers Mund soeben;
Nimm Dir’s zu Herzen, Enkelkind!
Gar märchenhaft gemahnt mich heute
Entschwundner Tage Lust und Weh’,
Da aus der Kirche beim Geläute
Mit Dir, Du junges Blut, ich geh’!
Ein Sonntag war’s, wie heut so labend,
– Schon sechszig Jahr’! Die Zeit entweicht –
Da nach der Messe er am Abend
Mir hier den ersten Strauß gereicht.
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Die Lampe glomm im Säulengange,
Von Reben schattend überdacht,
Da fühlt’ in sel’gem Ueberschwange
Mein Herz von Liebe ich entfacht.
Die Lampe glomm, die Reben hingen
Im Säulengang noch manches Jahr,
Bis wir vereint zur Kirche gingen,
Ich mit dem Myrthenkranz im Haar.
Wohl rollten Jahre auf und nieder,
Und Kind und Enkel nannt’ ich mein –
Sie schieden Alle – ach! der Flieder
Blüht über ihrem Leichenstein.
Nur Du, nur Du bist mir geblieben,
Mein Licht im alternden Gemüth,
Ein Frühlingsbild[WS 1] von meinem Lieben,
Das, blühend einst, nun abgeblüht.
Ich blick’ Dich an – da wird in süßen
Erinn’rungen mein Herz so weit,
Als wollte mich noch einmal grüßen
Der jungen Liebe holde Zeit. –
Du wiegst Dich noch in Dämm’rungsträumen,
Und in Dir schläft es knospenhaft,
Doch kommen wird sie ohne Säumen,
Die stille, süße Leidenschaft.
O Gott! Sie wird Dich tief entzücken;
Bricht sie mit ganzer Macht herein:
Was mich beglückt, wird Dich beglücken
Und selig wirst, wie ich, Du sein.
In höchsten Wonnen wirst Du schweben –
Genieß’ sie ganz, mein Enkelkind!
Denn wie ein Hauch verweht das Leben,
Und all’ sein Glück ist Spreu im Wind.
Ernst Ziel.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Flühlingsbild