Hünengräber

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Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Hünengräber
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 240
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[233]

Ein Hünengrab in der Lüneburger Heide.
Nach dem Gemälde von Eugen Bracht.

[240] Hünengräber. (Zu dem Bilde S. 233.) Ein seltsam gefügtes und angeordnetes Steinwerk führt uns der Künstler in seinem stimmungsvollen Bilde aus der Lüneburger Heide vor. Wir erkennen einen gewaltigen Steinblock, der an einem Ende von zwei kleineren Blöcken unterstützt wird, mit dem andern anscheinend unmittelbar dem Erdreich aufliegt. Ein Kreis aufrechtstehender Steine bildet seine nächste Umgebung. Solche Steinwerke findet man ziemlich zahlreich in weiten Gebieten der norddeutschen Tiefebene und das Volk weiß wohl, daß sie Grabdenkmäler darstellen. Oft hat man unter ihnen in der That aus Steinen zusammengefügte Grabkammern gefunden. Beim Oeffnen derselben kamen verwitterte menschliche Gebeine, Urnen mit Ueberresten halbverbrannter Leichen und allerlei Schmuck und Geräte zum Vorschein. Welches Volk hat wohl diese wunderbaren Gräber errichtet? Die Phantasie der schlichten Landbewohner war um eine Deutung der Funde nicht verlegen. Ein Geschlecht von Riesen soll nach der Sage einst in Deutschland gehaust und seine Toten in dieser Weise bestattet haben. Darum heißen auch jene Steine im Volksmunde Riesenkeller, Riesenstuben, Riesenbetten oder Hünengräber.

Die wissenschaftliche Untersuchung der uralten Grüfte hat jedoch diese Sage nicht bestätigen können. Aus den Gebeinen erkannte man, daß jenes Volk nicht größer und stärker gebaut war als die Menschenrassen, die heute noch Europa bewohnen. Leider aber vermochte die Forschung an Stelle der Volkssage keine bestimmte Erklärung zu setzen. Wohl versuchte man, aus den Funden, die in den Grabkammern gemacht wurden, auf deren Alter zu schließen, aber da häuften sich nur die Schwierigkeiten; denn unter diesen Felsblöcken liegen neben menschlichen Gebeinen Geräte aus den verschiedensten Epochen der Urgeschichte des Menschen. Neben Münzen aus römischer und byzantinischer Zeit hat man Schmuck und Geräte zu Tage gefördert, die aus der Bronzeepoche und selbst aus dem Steinzeitalter stammen.

Schwieriger wurde noch die Deutung, als man eine Uebersicht über die geographische Verbreitung der Hünengräber gewann. Man begegnet ihnen nicht allein in Norddeutschland; außerordentlich zahlreich sind sie in England und auf den Orkney- und Shetlandinseln vertreten; zu Hunderttausenden lagern sie in den weiten Steppen Rußlands und des nördlichen Asiens; groß ist ihre Anzahl in Frankreich; sie umsäumen die Küsten Nordafrikas, fehlen nicht in Palästina und wurden auch in Indien gefunden. Ursprünglich wollte man die Schaffung dieser stets nach einem gleichen Plane errichteten Gräber einem unbekannten Volke zuschreiben, das in vorgeschichtlicher Zeit schon ausgestorben wäre und als Spuren seiner Wanderungen durch weite Länder die Steingräber zurückgelassen hätte. Aber diese Deutung ist weiter nichts als eine geistreiche Hypothese, eine Annahme, die durch überzeugende Beweise nicht gestützt werden kann. Viel glaublicher klingt eine andere Erklärung. Demnach wären diese Steingräber nicht von einem einzigen „Hünenvolke“ errichtet worden, sondern in alten Zeiten hätten viele Völker die Sitte gehabt, ihre Toten in solchen Grüften zu bestatten. Jahrtausendelang hätte diese Sitte bestanden und wäre erst in den Anfängen der uns durch Überlieferung bekannten geschichtlichen Zeit aufgegeben worden. Befriedigend ist auch diese Erklärung keineswegs. Immer noch webt über den Hünengräbern das Geheimnis; wir sehen die Steindenkmäler, die in grauer Vorzeit errichtet wurden, wissen aber nichts von den längst verschollenen Geschlechtern, deren Leid und Ruhm sie verewigen sollen! *