Haidebilder aus der Senne

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Textdaten
Autor: Wolfgang Müller
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Titel: Haidebilder aus der Senne
Untertitel:
aus: Sagen und Bilder aus Westfalen
Herausgeber: Gisbert von Vincke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Grote
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Erscheinungsort: Hamm
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Münster, Commons
Kurzbeschreibung:
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[228]
Haidebilder aus der Senne.


I.

Starr, unabsehbar, regungslos und braun,
So dehnen sich dahin die dürren Sennen,
Begrenzt im Süd durch weite flache Aun,
Im Nord durch Hügel, die im Abend brennen.

5
Am Himmel ziehn geballte Wolken schwer,

Hier roth beglüht, dort massenhaft umdüstert;
Der Sturmwind braust gewaltig sie daher,
Der mir am Fuß im Haidekraute flüstert.

Gedorrte Blätter wirft er mir um’s Haupt.

10
Wo wuchsen sie auf grünen Waldeswegen,

Die von den Mutterwipfeln frech geraubt,
Verlorne Kinder, wüst die Welt durchfegen?

Mir wird so trost- und heimathlos zu Muth,
Wie ich verhüllt dem Sturm entgegenstreite,

15
Als weht’ ich, solch ein Blatt, aus Sonnengluth

Fort in die todte, herbstesstarre Weite.

[229]
II.

Sieh! im Gehölz verlieret sich der Weg,
Und mich umdüstern Eich- und Kieferwipfel;
Mit Freude folg’ ich mehr betretnem Steg,
Da glänzt ein weißes Burghaus durch die Gipfel.

5
Der schlanke Bau, die Thürme hochbedacht,

Sie spiegeln sich im stillen, glatten Weiher,
Steinlöwen stehen an den Thoren Wacht,
Und auf den Zinnen halten Tauben Feier.

Ich trete ein, mir wird des Gastes Recht,

10
Und Wein und Brod erquicken mich beim Mahle;

Es knüpft sich der Gespräche bunt Geflecht,
Und Lieder heben sich beim Lichterstrahle.

Ich ruh’ beglückt von wilden Wegen aus,
Und holde Träume halten mich umfangen;

15
Ich scheide segnend von dem frohen Haus,

Das frei den unbekannten Gast empfangen.

Gehobnen, frischen Muthes wandr’ ich fort,
Und mich umgeben wieder weite Haiden;
Dank jedem treuen Blick und guten Wort:

20
Am besten sühnt der Mensch doch alle Leiden.
[230]
III.

Die Lüfte halten matte, träge Rast,
Die Haide liegt in grauen Leichenschleiern,
Der Himmel steht, ein düstrer Trauergast:
Natur schaut so verwacht, veraltet, bleiern.

5
Kalt, duft- und blüthelos liegt Kraut und Strauch,

Kein Vogel lenkt vorbei die raschen Flüge;
Den Tannenbaum am Weg durchweht kein Hauch,
Es senkt der Tod sich auf der Erde Züge.

Kein Flüstern tönt im Schilf, glatt liegt das Moor,

10
Alsob kein Kräuseln mehr den Fluthen tauge;

Sie sind zu matt — der Sumpf schaut aus dem Rohr
Gleichwie des Land’s gebrochnes dunkles Auge.

[231]
IV.

Vorüber zieht der Wandervögel Flug,
Sie rauschen über mir mit schlanken Flügeln;
Ein Edelhirsch durchstreift mit sicherm Zug
Die Haide heimwärts nach den wald'gen Hügeln.

5
Der Abend kommt, und aus der Niederung

Erhebt sich fabelhaftes Dunstgebilde.
Ich bin am Forst, mich faßt ein neuer Schwung,
Ich lass’ mein Träumen und die öde Wilde.

Dort seh’ ich, wie der kühne Senner schwirrt,

10
Herb weht der Duft der Buchen und der Eichen!

Und seine Lämmer weidet dort der Hirt, —
Volksglaube sagt: Es ist ein gutes Zeichen.

Wolfgang Müller.