Heidenlied

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Textdaten
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Autor: Georg Herwegh
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Titel: Heidenlied
Untertitel:
aus: Vorwärts
Herausgeber: Rudolf Lavant
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Verlag der Volksbuchhandlung in Hottingen
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Erscheinungsort: Zürich
Übersetzer:
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons,
S. 39-40
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[39]

               Heidenlied.

Wie lebten doch die Heiden
So herrlich und so froh!
Das war ein Volk von Seiden,
Wir sind ein Volk von Stroh;

5
Entführt ein Ochs ein schönes Kind

Zuweilen auch – doch glaubet mir:
Die Heiden waren nicht so blind
Nicht halb so blind, als wir.

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Die Heiden, ’s ist doch schade
10
Um solch ingenium;

Sie hießen Vier gerade
Und nahmen Fünf für krumm;
Auch hatt’ die Jungfernschaft ein End’,
Sobald die Magd ein Kind gebar,

15
Dieweil das Neue Testament

Noch nicht erfunden war.

Sie thaten, was sie mochten,
Die Freiheit war enorm;
Sie siegten, wenn sie fochten,

20
Auch ohne Uniform;

Sie hatten keine Polizei
Und tranken lieber Wein, als Bier.
Wie waren doch die Heiden frei,
Die Heiden! – aber Ihr?

25
Und von Achill und Hektor,

Wie’s im Homerus steht,
Bis zu dem letzten Rektor
Der Universität,
Da gab’s kein Buch in ganz Athen –

30
O schreckliche Verworfenheit!

Man wurde vom Spazierengeh’n
Und von der Luft gescheidt.

Wie wußten sie die Tatzen
Den Pfaffen abzuhau’n!

35
Die durften nur nach Spatzen,

Nicht nach den Weibern schau’n;
Den Prinzen gar erging es schlecht,
Die fanden kaum ein Nachtquartier;
Wie hatten doch die Heiden Recht,

40
Die Heiden! – aber Ihr?


Die Heiden, ach! die Heiden,
Die keine Christen sind,
Sie spinnen doch die Seiden
Für manch’ ein Christenkind;

45
Drum lebe hoch das Heidenpack

Und jeder ächte Heldenstrick,
Homerus mit dem Bettelsack
Und ihre Republik!
 Georg Herwegh.