Herbstschauer
Herbstschauer.
1.
Ueber dem südlichen Höhenzuge
Leuchtet schon der erste Schnee;
Schwäne rauschen mit mächtigem Fluge
Ueber den neblig dämmernden See.
Ach, was hilft uns inneren Streit
Und die lastende Sorge tragen
In der traurigen Winterszeit?
Was versöhnt uns, hilft uns verzeihen,
Wenn nun der Wald und die Luft im Freien,
Alles in Todesschlummer ruht?
2.
Wie oft ein Freudestrahl in banger
Und schwerer Zeit ihr Grau’n durchbricht,
Ein mächtig Abendlicht.
Es scheinen Blitze drin zu sprühen;
Ein Regenbogen schimmert hold,
Und Blumen scheinen aufzublühen
In diesem Licht, o schöne Sage,
Glüh’n wie auf einem Scheiterhauf’
Des hingeschiednen Sommers Tage
In Todesflammen auf.
Zu süßen Stunden — Flor
Von tausend Freuden, tausend Wonnen,
Flamm’ noch einmal empor!
3.
Durch welkes Laub im dunklen Forste
Um Wipfel und verlass’ne Horste
Krächzt noch ein Rabe dann und wann.
Betraure, wen es rührt, dies Sterben,
Dies Klagelied in Feld und Flur —
Erweckung und Erhebung nur.
Ergieb dich nicht, sagt dies Ermatten,
Und aus den Blätten rauscht es laut:
Das düstre Weh’n, die tiefen Schatten
Hermann Lingg.