Hermine Spies (Die Gartenlaube 1887/13)

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Titel: Hermine Spies
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 215
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[197]

Hermine Spies.

[215] Hermine Spies. (Mit Portrait S. 197.) Die neue erfreuliche Geschmacksrichtung, welche nicht mehr die Kehlfertigkeit als den richtigen Maßstab der Gesangskunst ansieht, fördert als köstlichsten Schatz das wie Dornröschen in langem Schlafe befangene deutsche Lied zu Tage. Eine wahrhaft Auserwählte, ein Liederapostel in weiblicher Gestalt ist die Künstlerin, deren Bild wir unsern Lesern vorführen. Hermine Spies ist als Liedersängerin heute ein Liebling des deutschen Koncertpublikums. Sie wurde als Tochter des Hüttendirektors auf Löhnberger Hütte bei Weilburg an der Lahn geboren. Kaum zwei Jahre alt verlor sie die zärtlich sorgende Mutter. An deren Stelle waltete nicht „die Fremde liebeleer“, sondern eine das Kind sorgsam behütende Tante, Schwester der Mutter, eine musikalisch hoch begabte Dame, welche früh schon das Talent des Kindes entdeckte. Im Hause des Vaters wurde viel und gut musicirt. So entwickelte sich der musikalische Sinn des Kindes sicher und in bester Richtung, und nachdem Hermine 14 Jahre alt aus dem Stillleben der Heimath in das Bernhardt’sche Institut in Wiesbaden versetzt worden war, konnte sie als gut vorbereitete Gesangsschülerin in die wohlbekannte Freudenberg’sche Musikschule eintreten. Es ist bemerkenswerth, daß die jetzt so berühmte Altsängerin damals mit ihrem hellen lieblichen – Sopran das Wohlgefallen ihrer Lehrer erregte. Erst allmählich vollzog sich die Umwandlung des Timbres, der in seiner späteren Art nicht wenig die früheren Lehrer in Erstaunen gesetzt haben mag.

Zwei Jahre studirte sie dann bei Professor Sieber in Berlin „italienische Gesangsmethode“, die jedenfalls das Gute hatte, der Künstlerin zu dem bei ihrem machtvollen Organ doppelt bewundernswerthen leichten Ansatz zu verhelfen. Meister Stockhausen empfing die so wohlvorbereitete Schülerin mit Freuden. In seiner Schule entwickelte sie alle jene Vorzüge, welche wir heute als die anziehenden Eigenthümlichkeiten ihres Talentes am meisten bewundern: die Innigkeit und Tiefe der Auffassung, das ursprüngliche Feuer und die hinreißende Begeisterung in der Darstellung. Noch als Schülerin erprobte Hermine Spies zuerst ihre Leistungsfähigkeit in einer kleinen Altpartie auf dem Musikfeste zu Mannheim im Mai 1881, aber erst das Berliner Debut im Februar 1883 und die ersten Leipziger Erfolge im April desselben Jahres eröffneten ihr die Ruhmeslaufbahn. Wer vermöchte diese in den zahllosen Koncertreisen zu schildern, die sie im Herbst 1886 auch zum ersten Male nach der südlichen Musikmetropole Wien führten. Ueberall führte ihr Auftreten zum glänzenden Siege. Hermine Spies ist eine der seltenen Künstlerinnen, denen gegenüber die Bewunderung zugleich die Sympathie des Herzens bedeutet; nicht die Sinne reizt ihre idealen Zielen zugewendete Kunst, nein, das Gefühlsleben in allen seinen Stimmungen beherrscht die Künstlerin, erfreuend, tröstend, erhebend. So steht, wie großartig ihre Leistungen im Oratorium sein mögen, ihre Kunst im Liede am höchsten. Doch ihr Repertoire umfaßt die musikalische Litteratur alles Großen und Schönen von der alten bis auf unsere Zeit; in beiden hat sie Lieblinge, dort Händel, hier Brahms. Ihre Vielseitigkeit ist im Uebrigen staunenswerth, und aus Freundesmund kann man das begeisterte Lob hören, daß Fräulein Spies ein ebenso liebenswerthes und geistesfrisches Mädchen ist.