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Herodes/Nachtrag

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Herodes
Herodes von Askalon »
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[XIII]
Nachtrag.




Zu meinem lebhaften Bedauern bin ich auf die sehr nützliche theologische Dissertation von G. Hölscher Die Quellen des Josephus für die Zeit vom Exil bis zum jüdischen Kriege (Marburg 1904) erst aufmerksam geworden, als der Druck so gut wie abgeschlossen vorlag und eine nachträgliche nähere Auseinandersetzung mit ihren Resultaten in der Darstellung nicht mehr möglich war. Hölscher lehnt die Destinonsche Anonymushypothese ab und glaubt Nikolaos von Damaskos als direkt benutzte, und zwar so gut wie alleinige Quelle des bellum bis zur Absetzung des Herodes Archelaos nachweisen zu können (S. 4–36). All das, was Hölscher hierfür durch Analyse der antiquitates und deren Vergleich mit der Darstellung des bellum beibringt, beweist jedoch nur, daß Nikolaos von Damaskos als eine Hauptquelle der von Josephus verwerteten Tradition in Betracht zu ziehen ist, aber nicht mehr. Auch was der Verfasser aus dem bellum als im Stil und in der Anschauung auf Nikolaos hinweisend anführt (S. 34f.), zeigt nur, daß kein Jude, sondern ein hellenistischer Schriftsteller die zu Grunde liegende Quelle ist; es wird nichts von Hölscher nachgewiesen, was spezifisch auf Nikolaos hinwiese. Außerdem werden die beiden uns erhaltenen Fragmente des Nikolaos bei Joseph. ant. Iud. XIII 251 und XIV 9 (für das letztere über die Abstammung Herodes’ I. s. u. S. 9*), welche mit der Darstellung des bellum nicht übereinstimmen, d. h. unser wichtigstes Handwerkszeug für die Analyse, nicht genügend berücksichtigt; die Art und Weise, wie Hölscher (S. 17) das erstgenannte mit der anderslautenden Darstellung des bellum ausgleichen will, ist methodisch unzulässig, und bei dem zweiten hat er (S. 36) nicht beachtet, daß das bellum sehr wohl auf die Abkunft des Antipatros eingeht (I 123), und diese in einem Nikolaos entgegengesetzten Sinne entscheidet, so daß also der Bericht des Nikolaos durchaus nicht, wie Hölscher annimmt, von dem exzerpierenden Josephus im bellum einfach übergangen worden ist. Im übrigen verweise ich auf meine gegen Nikolaos als direkt benutzte Quelle gerichteten Ausführungen auf S. 8f. Hierdurch, sowie durch meine weiteren Bemerkungen über die Abfassungszeit der Weltgeschichte des Nikolaos (s. u. S. 132 Anm; 134 Anm.) erledigt sich auch die Behauptung Hölschers S. 26f., Nikolaos habe das Leben Herodes’ I. in sachlicher Abfolge, d. h. gerade [RE:2514] in der Form des bellum dargestellt (Hölscher ist sich übrigens bei dieser sehr entscheidenden Frage selbst nicht recht sicher; er hätte übrigens auch zu Nikol. Damasc. frg. 92 Stellung nehmen müssen, wonach im 123. und im 124. Buch der im ganzen 144 Bücher zählenden Weltgeschichte die Verhandlung vor Agrippa gegen die kleinasiatischen Juden, die im J. 14 v. Chr. stattfanden, behandelt worden sind.

Ich freue mich dann mit Hölscher (S. 52ff.) darin übereinzustimmen, daß die im XV. Buche der antiquitates einsetzende neue Quelle von Josephus nicht nur in diesem, sondern auch in den folgenden Büchern benutzt worden ist. Hölscher scheint mir jedoch einmal die Benutzung dieser Quelle gegenüber Nikolaos sehr oft nicht richtig abzugrenzen (s. auch z. B. Hölscher S. 54f.) und verkennt ferner vor allem ihren Charakter gründlich, wenn er in ihr eine Vita Herodis, deren Verfasser ein dem Könige wohlwollend gegenüberstehender Nichtjude, vielleicht Ptolemaios von Askalon, gewesen sei, sieht. Es ist ja freilich mehr als wahrscheinlich (s. u. S. 6, 15, 134*), daß Ptolemaios von Askalon uns auch bei Josephus vorliegt, aber allem Anschein nach ist gerade er nur indirekte Quelle der antiquitates. Hölscher beachtet aber jedenfalls bei seinen Aufstellungen so gut wie gar nicht das dem König direkt ungünstige Moment, das mit dem XV. Buche der antiquitates in der Darstellung Herodes’ I. einsetzt (z. B. ist XV c. 8 ganz falsch beurteilt, s. u. S. 79*) und das ganze Bild des Königs gegenüber dem des bellum erheblich ändert; er unterschätzt zugleich das spezifisch jüdische Element, das sich gleichzeitig in der Tradition fühlbar macht (bewußt ist er sich dessen allerdings geworden [s. z. B. S. 27, 54f., 81f.], jedoch ohne die nötigen Folgerungen zu ziehen). Insofern muß ich die Vita Herodis als die Hauptquelle für ant. Iud. XV–XII ablehnen,[1] und erst recht die weitere Behauptung (S. 76ff.), daß Josephus eigentlich für die Geschichte Herodes’ I. und der Mitglieder der letzten jüdischen Königsdynastie eine ‚Herodäergeschichte‘[XIV] benutzt habe, die ihrerseits für Herodes [RE:2515] I. wieder auf die Vita zurückgehe. Was Hölscher selbst auf S. 55f. anführt, spricht schon gegen diese auch nicht im geringsten bewiesene Behauptung. Außerdem hat Schürer (Theol. Lit. Ztg. 1904, 651) bereits mit Recht gegen die These auf die so ganz andere, stellenweise direkt dürftige Behandlungsweise der Nachkommen Herodes I. gegenüber der sehr eingehenden des Königs aufmerksam gemacht (s. auch u. S. 179f.). Die Quellenverhältnisse in Buch XVIII–XX müssen also darnach für Josephus ganz anders als für die vorhergehenden Bücher gelegen haben, und trotzdem soll alles aus ein und demselben Werke abgeleitet sein!

Ich habe hier nur das wichtigste herausgreifen können; eine eingehendere Widerlegung ließe sich nur durch Vorlegung der vollständigen Quellenanalyse führen, was ein eigenes kleines Buch erfordern würde.


  1. *) Mit der obigen Ablehnung fällt auch selbstverständlich Hölschers Annahme, daß die Memoiren des Königs im Grunde genommen die wichtigste, wenn auch nicht direkte, sondern durch die Vita übermittelte Quelle des Josephus von Buch XV an gewesen seien; lägen sie in dem von Hölscher angenommenen Maße zugrunde, dann würde unsere Tradition wahrlich ganz anders aussehen.

Anmerkungen (Wikisource)

Eine Ergänzung zu diesem Nachtrag findet sich am Ende von RE:Herodes 14.