Juedischer Krieg/Buch I 1-9

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Juedischer Krieg
Buch I 10-18 »
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I. Buch.




Entferntere Vorgeschichte.


Von den Machabäerkämpfen bis zum Tode des Herodes.





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Vorwort des Verfassers.

1 (1.) Da der zwischen den Juden und Römern ausgefochtene Krieg, welcher nicht bloß unter den Kriegen der Jetztzeit, sondern, fast möchte ich sagen, auch unter allen blutigen Zusammenstößen einzelner kleinerer Staaten oder ganzer Nationen, von denen uns überhaupt die Geschichte Kunde gibt, der gewaltigste ist, von dem einen Theile der Geschichtschreiber nur zu einem Gegenstande der Schönrednerei gemacht wird, weil sie ja keine Augenzeugen jener Ereignisse waren, sondern bloß vom Hörensagen die erstbesten und widerspruchsvollsten Geschichten zusammentragen, 2 während die Augenzeugen theils aus Schmeichelei gegen die Römer, theils aus Hass gegen die Juden der Wahrheit geradezu absichtlich ins Angesicht schlagen, so dass ihre Schriften hier nur einseitigen Tadel, dort wieder die reinste Lobhudelei, nirgends aber das enthalten, was man zuverlässige Geschichte nennt, 3 so habe ich, Josephus, des Matthias Sohn, ein gebürtiger Hebräer aus Jerusalem und priesterlicher Abstammung, nachdem ich persönlich beim Beginn des Krieges den Römern gegenüber gestanden, dem späteren Verlaufe aber wenigstens als Zuschauer wider Willen nahegestanden bin, mir vorgenommen, den Bewohnern des römischen Reiches in griechischer Ueberarbeitung dasselbe Geschichtswerk zu bieten, das ich früher für die Barbaren im oberen Asien in meiner Muttersprache abgefasst und herausgegeben habe.

4 (2.) Zu jener Zeit, wo die erwähnte überaus gewaltige Bewegung eintrat, war im römischen Reiche gar manches faul, und da nun gerade mitten in jenen wirren Verhältnissen das neuerungssüchtige Element unter den Juden, das über die besten Streitkräfte und Geldquellen verfügte, sein Haupt erhob, so kam es soweit, dass in dem ungeheuren Durcheinander die einen sogar ihre Augen auf den Besitz des Orientes richten konnten, die anderen dagegen mit dem Gedanken an seinen Verlust sich vertraut machen mussten. 5 Denn einerseits erwarteten es sich die Juden, dass unsere gesammte Stammverwandtschaft jenseits des Euphrat sich wie ein Mann mit ihnen erheben [4] würde, indes die Römer von ihren gallischen Nachbarn in Athem gehalten wurden, und auch die Masse der eigentlichen Keltenvölker in Gährung kam, bis endlich die Verwirrung nach dem Tode Neros eine allgemeine wurde, und die günstige Gelegenheit viele verleitete, ihre Hand sogar nach der Kaiserkrone auszustrecken, während das Militär schon wegen der Hoffnung auf Beutegewinn sich nach Umwälzungen sehnte. 6 Ich hielt es nun für unstatthaft, einfach davon abzusehen, wie die geschichtliche Wahrheit bei so hochbedeutsamen Begebenheiten, sozusagen, auf die Fremde angewiesen wäre, und dass, obschon selbst die Parther und Babylonier, die entlegensten Araberstämme, wie auch unsere Stammgenossen drüber dem Euphrat und die Bewohner von Adiabene dank meiner Sorgfalt über die Entstehung dieses Krieges, über die entsetzlichen Leiden, unter denen er seinen Fortgang genommen und endlich über seinen Ausgang genau unterrichtet sind, einzig die Griechen und von den Römern jene, die am Feldzug nicht theilgenommen haben, über diese Ereignisse in Unkenntnis bleiben sollten, indem sie ja doch nur entweder Schmeicheleien oder Dichtungen zu lesen bekommen.

7 (3.) Trotzdem wagt man es, diesen letzteren Schriften den Titel eines Geschichtswerkes zu geben, wenngleich man mit ihnen, weit entfernt davon, ein gesundes Ergebnis der Geschichte zu erzielen, nach meiner Meinung wenigstens, sogar auch das eigentliche Ziel, das man im Auge hat, gänzlich verfehlt: Man beabsichtigt nämlich auf der einen Seite die Römer als recht groß hinzustellen, während man andererseits die Juden immer recht tief herabdrückt und verkleinert: 8 mir ist es aber einfach unerfindlich, wie denn die Sieger über kleine Feinde selbst noch groß erscheinen können. Auch findet bei diesen Leuten weder die lange Dauer des Krieges noch auch die große Stärke des mühsam operierenden römischen Heeres noch selbst die Größe seiner Feldherren eine billige Berücksichtigung, welch’ letztere ungeachtet ihrer vielen und harten Mühen bei der Belagerung Jerusalems, wie ich glaube, ruhmlos dastehen müssen, wenn man ihnen dergestalt ihre Heldenthaten verkümmern will.

9 (4.) Nicht beabsichtige ich jedoch umgekehrt im feindlichen Wettstreit mit jenen, die Roms Waffenthaten allzusehr erheben, dafür die Thaten meiner Stammesbrüder zu übertreiben, sondern ich will ganz einfach die Thatsachen auf beiden Seiten genau durchmustern, ohne indes meiner eigenen Empfindung jene Erwägungen zu versagen, die sich naturgemäß an jene Ereignisse knüpfen, und ohne meinen innersten Gefühlen den Ausdruck des Schmerzes über des Vaterlandes Unglücksschläge zu verweigern. 10 Denn, dass der eigene Bürgerkrieg es [5] zugrunde gerichtet hat, und dass von den Tyrannen der Juden selbst die Faust des Römers und seine Brandfackel mit aller Gewalt gegen den heiligen Tempel herangezerrt worden ist, dafür gibt kein geringerer, als der ihn zerstört hat, der Cäsar Titus selbst, Zeugnis, da er während des ganzen Krieges für das von den Aufrührern niedergehaltene Volk inniges Mitleid zeigte, ja zu öfterenmalen die Einnahme der Stadt aus freien Stücken hinausschob und die Belagerung in die Länge zog, nur damit die Schuldigen anderen Sinnes würden. 11 Sollte indes jemand an den Ueberschwenglichkeiten der Anklagen, die wir gegen die Schreckenshäupter und ihre Banden erheben, oder an dem Uebermaß des Jammers über die Unglücksfälle meines Landes eine allzu peinliche und kleinliche Kritik üben wollen, so möge er wenigstens aus Rücksicht auf meine seelische Erschütterung über die strengen Anforderungen der Geschichtschreibung gütigst hinwegsehen. War es ja doch gerade unserer Vaterstadt bestimmt, dass sie von allen unter der römischen Herrschaft lebenden Städten zum höchsten Gipfel des Wohlstandes emporklimmen sollte, um wiederum in den tiefsten Abgrund des Elendes hinabzustürzen. 12 Selbst alles Unheil, das seit dem Bestande der Welt die Menschen betroffen hat, scheint mir hinter dem der Juden noch zurückzubleiben, die überdies auch nicht einmal den Trost haben, einem Fremden dafür die Schuld aufbürden zu können – kein Wunder, dass es mir unmöglich war, meinen Jammer ganz zu bemeistern! Wollte aber jemand schon durchaus mit meinen Klagen allzu streng ins Gericht gehen, so möge er nur ruhig die erzählten Thatsachen der Geschichte, die Ausbrüche des Schmerzes aber dem Schreiber aufs Conto setzen.

13 Ich könnte indes selber mit Fug und Recht den griechischen Geschichtschreibern Vorwürfe machen, weil sie mit den folgenschweren Ereignissen, die sich doch vor ihren eigenen Augen abgespielt haben, und denen gegenüber sich die Kriege der alten Zeiten nur sehr klein ausnehmen, nichts anderes zu thun wissen, als den Kritiker zu spielen und auf ihre strebsamen Bearbeiter zu schmähen, hinter denen sie, mögen sie dieselben auch an schriftstellerischer Gewandtheit übertreffen, doch wenigstens an wissenschaftlicher Begeisterung zurückstehen müssen. Dafür greifen diese Kritiker in ihren eigenen Beschreibungen gar auf die Geschichte der Assyrer und Meder zurück, als wäre dieselbe nicht schon trefflich genug von den alten Geschichtschreibern behandelt worden, obschon sie ebenso weit von ihrer markigen Schreibweise, wie von ihrem gesunden Urtheile entfernt sind. 14 Denn die Geschichte der eigenen Zeit zunächst suchte damals jeder zu schildern, wobei sowohl die persönliche Theilnahme an den Ereignissen die Mit- [6] theilung lebendig gestaltete, als auch die Fälschung durch die Scheu vor so vielen Zeugen ausgeschlossen war. 15 Wenn es nun allerdings ganz gewiss Lob und Anerkennung verdient, dass man einen früher noch nicht geschichtlich behandelten Stoff dem Gedächtnis überliefert und die Thaten der Zeitgenossen für die Nachkommen darstellt, so ist andererseits der noch kein Forscher, welcher einfach Plan und Eintheilung eines Anderen umstellt, sondern, wer sowohl Neues bringt, wie auch seine Geschichte in origineller Darstellung zu verkörpern weiß. 16 So biete nun auch ich mit großen Unkosten und Mühen Griechen und Römern eine geschichtliche Erinnerung an die erwähnten großen Waffenthaten, obschon ich ganz anderer Nationalität bin, während die gebürtigen Griechen, wo es Gewinn und Rechtshändel gilt, gleich das Maul recht weit aufreißen und eine geläufige Zunge entwickeln, wo es sich aber um die Geschichtschreibung handelt, bei der man nur die Wahrheit sagen und mit vieler Mühe die Thatsachen zusammensuchen muss, die Mundsperre haben und es den weniger Begabten und schlecht Unterrichteten überlassen, die Thaten der Heerführer zu schildern. Je weniger sich nun aber die Griechen um Geschichte und Wahrheit kümmern, desto höher soll beides dafür bei uns in Ehren stehen!

17 (6.) Eine Darstellung der ganzen alten Geschichte der Juden mit den näheren Angaben, woher sie eigentlich stammten, und wie sie aus Aegypten hinausgekommen, was für einen ungeheuren Weg sie auf ihren Irrfahrten zurückgelegt, was für ein Gebiet sie dann bleibend besetzt, und auf welche Art sie daraus wieder verbannt worden sind, eine solche Darstellung hielt ich jetzt für unzeitgemäß und auch sonst für überflüssig, nachdem schon viele Juden vor mir die Geschichte unserer Vorfahren mit aller Genauigkeit zusammengestellt, und selbst einige Griechen mit ihren diesbezüglichen Uebertragungen in ihre heimatlichen Laute so ziemlich das Richtige getroffen haben. 18 Ich gedenke vielmehr dort, wo jene griechischen Schriftsteller und unsere prophetischen Männer den Faden der Geschichte fallen gelassen haben, mit meiner Arbeit wieder anzusetzen, und zwar in der Weise, dass ich darin jene Periode, wo die kriegerischen Ereignisse vor meinem eigenen Auge vorübergezogen sind, ausführlicher und mit aller mir möglichen Exactheit behandeln will, während ich das, was sich kurz vor meiner Zeit ereignet hat, nur im Auszuge flüchtig berühren werde.

19 (7.) Ich werde nämlich berichten, wie Antiochus, genannt Epiphanes, sich Jerusalems mit Gewalt bemächtigt und es drei Jahre und sechs Monate besetzt gehalten, dann aber von den Söhnen des [7] Asamonäus zum Lande hinausgejagt worden, wie darauf die Nachkommen derselben wegen der Herrschaft unter sich selbst in Streit gerathen sind und die Römer unter Pompejus in ihre eigenen Händel förmlich hereingezerrt haben, und wie es endlich dem Herodes, dem Sohne des Antipater, gelungen ist, mit Beiziehung des römischen Feldherrn Sosius ihre Dynastie zum Sturze zu bringen; 20 vom Aufruhr ferner, den das Volk nach dem Tode des Herodes unter der Regierung des Kaisers Augustus und der Verwaltung des Provinzial-Statthalters Quintilius Varus erregte, und wie im zwölften Jahre der Regierung des Nero der jüdische Krieg zum Ausbruch kam, von den Ereignissen, die sich an Cestius knüpfen, und den furchtbaren Verheerungen, welche die Juden bei ihren ersten kriegerischen Ausfällen weit und breit anrichteten, wie auch von ihren Befestigungsarbeiten, die sie an den Städten im Umkreise des ganzes Landes vorgenommen.

21 (8.) Daran schließt sich der Bericht, wie Nero den Vespasian mit der Führung des Krieges betraute, weil er wegen der Niederlagen des Cestius selbst für den Bestand der Herrschaft im Oriente fürchten musste; vom Einfall, den Vespasian in Begleitung seines älteren Sohnes in das jüdische Gebiet unternahm, wie auch von der Stärke des römischen Heeres und dem Contingent der Hilfstruppen, mit dem er zunächst ganz Galiläa überschwemmte, von den Städten, die er im Sturme nahm, und jenen, die er durch Capitulation gewann. 22 Dort wird auch Gelegenheit sein, das Wesen der ausgezeichneten römischen Kriegsdisciplin und ihre militärischen Uebungen, die Ausdehnung und natürliche Beschaffenheit der beiden galiläischen Landschaften, die Grenzen von Judäa mit seinen topographischen Eigenthümlichkeiten, die Seen und Quellen des Landes zu beschreiben, im Anschluss an die genaue Schilderung der Leiden, welche die einzelnen eroberten Städte ausgestanden, und die ich zum Theil aus persönlicher Anschauung, theils sogar als Leidensgenosse kenne. Denn ich kann natürlich auch von meinem eigenen Missgeschick nicht das mindeste verschleiern, da ich ja im Begriffe stehe, auch vor solchen Lesern zu erzählen, welche um die ganze Sache wissen.

23 (9.) Es wird hierauf zur Darstellung gelangen, wie Nero gerade zu der Zeit, da es bei den Juden schon sehr schief gieng, vom Tode ereilt ward, und Vespasian, schon im Begriffe, sich auf Jerusalem zu stützen, durch seine Erhebung auf den Kaiserthron von seinem Ziele plötzlich abgelenkt wurde: im Einzelnen: die Anzeichen, die ihm von Gott über seine Würde zugekommen, 24 die Umwälzungen in Rom, seine Proclamierung zum Alleinherrscher, die von den eigenen Kriegern gegen [8] seinen Willen vollzogen ward, und endlich der Bürgerkrieg, der nach seinem Abgange nach Aegypten, wo er die Verwaltung des Reiches in die Hand nehmen wollte, unter den Juden ausbrach, und in welchem einerseits den Parteien die Schreckensmänner über den Kopf wuchsen, andererseits aber die letzteren selbst wieder untereinander in Kampf geriethen.

25 (10.) Weiter werde ich dann berichten von dem Abmarsch des Titus aus Aegypten, von dem zweiten Einfall in das Land, von der Art, dem Sammelpunkt und der Stärke seiner Truppenconcentrierung, von der traurigen Lage, in der sich zufolge des inneren Zwistes die Hauptstadt bei seinem Erscheinen befand, von den zahlreichen und blutigen Stürmen und den gewaltigen Schanzarbeiten, die er unternommen, von den drei Ringmauern mit ihren Dimensionen und von den sonstigen Befestigungswerken der Stadt, von der ganzen Anlage des Heiligthums 26 und des Tempelgebäudes mit seinen und des Altares Maßen, von einigen Festgebräuchen und den sieben Stufen der gesetzlichen Reinheit, von den heiligen Verrichtungen der Priester und auch von der priesterlichen, wie hohenpriesterlichen Kleidung nebst einer Beschreibung der heiligen Räume des eigentlichen Tempelhauses: das alles werde ich mit möglichster Genauigkeit darlegen, ohne etwas zu verheimlichen oder zu dem, was mir durch Nachforschung zuverlässig bekannt geworden, etwas hinzuzudichten.

27 (11.) Endlich muss ich noch die Grausamkeit der Schreckensmänner gegen ihre eigenen Stammgenossen, wie auch die Schonung besprechen, welche die Römer gegen uns Fremde geübt, wie oft z. B. Titus in dem Verlangen, die Stadt und den Tempel zu retten, die Empörer zur Capitulation aufgefordert hat, wobei ich auch von dem Elend und den Leiden des Volkes ein detailliertes Bild entwerfen will, was es alles vom Kriege, was es vom Parteikampf und vom Hunger zu erdulden gehabt, ehe es unterlag. 28 Ich kann auch das Missgeschick der Ueberläufer nicht unberührt lassen, so wenig wie die Martern der Gefangenen, worauf ich die Einäscherung des Tempelgebäudes, die gegen den Willen des Cäsar erfolgte, und die Rettung eines Theiles der heiligen Schätze aus dem Flammenmeer, die vollständige Eroberung der Stadt und die vor derselben eingetretenen Zeichen und Erscheinungen, die Gefangennahme der Schreckenshäupter, die Unmasse der in die Sclaverei geschleppten Juden und das elende Los schildern werde, dem jeder einzelne zugetheilt wurde; 29 zum Schlusse dann, wie die Römer die letzten Zuckungen des Krieges vollends bewältigten und die Mauern der festen Plätze niederrissen, Titus aber [9] das ganze Land bereiste, um die Ordnung darin wieder herzustellen; endlich seine Rückkehr nach Italien und seinen Triumphzug.

30 (12.) Diesen ganzen Stoff habe ich in sieben Bücher zusammengefasst und mich beim Schreiben bemüht, denen, welche die Ereignisse kennen und dabei betheiligt waren, keinerlei Anlass zu Tadel oder schwereren Vorwürfen zu bieten, da ich es ja nur für die Freunde der Wahrheit und nicht zur Unterhaltung bestimmt habe. Ich werde die ausführliche Abhandlung natürlich mit jenen Ereignissen beginnen, mit denen ich auch die Inhaltsangabe eröffnet habe.


Erstes Capitel.
Zwistigtkeiten unter den Juden. Eroberung Jerusalems durch Antiochus Epiphanes. Flucht des Onias. Der Hasmonäer Matthias und sein Sohn Judas Machabäus.

31 (1.) Um dieselbe Zeit, da sich Antiochus, genannt Epiphanes, mit Ptolemäus VI. von Aegypten wegen Cölesyriens überworfen hatte, brach auch unter den jüdischen Großen ein Zwist aus, der seinen Grund in der Eifersucht um die Herrschaft hatte, weil kein Jude in Amt und Würde mehr seinesgleichen gehorchen wollte. In diesem Streite trug Onias, einer von den Hohenpriestern, den Sieg davon, was die Vertreibung der Söhne des Tobias aus Jerusalem zur Folge hatte. 32 Letztere aber nahmen ihre Zuflucht zu Antiochus und baten ihn dringend, er möchte unter ihrer Leitung eine Expedition nach Judäa unternehmen lassen. Da der König ohnehin schon längst einen solchen Wunsch gehegt hatte, ließ er sich gerne dazu herbei und marschierte persönlich mit einer sehr starken Kriegsmacht gegen Jerusalem, nahm die Stadt mit stürmender Hand und ließ eine große Zahl von Juden, die auf der Seite des Ptolemäus standen, über die Klinge springen und gestattete nicht bloß seinen Soldaten eine zügellose Plünderung, sondern legte selbst Hand an an die Schätze des Tempelhauses und unterbrach das immerwährende tägliche Opfer auf drei Jahre und sechs Monate. 33 Der Hohepriester Onias aber entkam zu Ptolemäus und erhielt von ihm ein Gebiet im Gau von Heliopolis, wo er ein kleines Städtchen nach dem Plane von Jerusalem und einen Tempel nach dem Vorbilde des palästinensischen erbaute, worüber wir ohnehin später an seinem Orte noch nähere Aufschlüsse geben werden.

34 (2.) Antiochus gab sich jedoch mit der wider alles Erwarten gelungenen Eroberung der Stadt und den Plünderungen, wie auch mit dem großen Gemetzel, das sie begleitet hatte, nicht zufrieden, sondern suchte in seiner unbändigen Leidenschaftlichkeit und in der [10] noch frischen Erinnerung an die während der Belagerung erlittenen Verluste die Juden zum Aufgeben ihrer ererbten Sitten, namentlich zur Unterlassung der Kinderbeschneidung und zur Darbringung von Schweineopfern auf dem Brandaltare zu zwingen. 35 Diesen Anordnungen verweigerten jedoch alle den Gehorsam, was die Angesehensten wieder mit ihrem Leben zu büßen hatten. Insonderheit ließ der von Antiochus nach Judäa gesandte Befehlshaber der syrischen Besatzung, Bakchides, dem jene gottlosen Aufträge bei seiner natürlichen Grausamkeit wie aus der Seele gesprochen waren, keinen auch noch so maßlosen Frevel unversucht, indem er nicht bloß einzelne Persönlichkeiten von Rang und Stand martern ließ, sondern auch durch Massenmorde Tag für Tag der Stadt, sozusagen, das Trauerspiel der Eroberung wieder aufs neue aufführte, bis er durch seine alles Maß übersteigenden Unbilden die Gequälten zu einem kühnen Versuche der Nothwehr aufreizte.

36 (3.) Die Schilderhebung begann ein gewisser Matthias, der Sohn des Asamonäus, ein Priester vom Dorfe Modein, unterstützt von einer kleinen Schar der Seinigen, zunächst der fünf Söhne, die er hatte. Er erdolchte den Bakchides und floh dann auf der Stelle aus Furcht vor den zahlreichen Besatzungstruppen in die Berge. 37 Sobald er aber aus dem Volke einen starken Zuwachs bekommen hatte, wagte er sich wieder herab, besiegte in offener Feldschlacht die Feldherren des Antiochus und jagte sie aus Judäa hinaus. Nachdem er endlich auf seiner Siegeslaufbahn noch zur höchsten Macht emporgestiegen und zum Lohne für die Vertreibung der Fremden die Herrschaft über das eigene Volk mit dessen vollkommener Zustimmung erlangt hatte, segnete er das Zeitliche und hinterließ die Herrschaft seinem ältesten Sohne Judas.

38 (4.) Da Judas vermuthen konnte, dass Antiochus die Sache nicht ruhen lassen werde, suchte er zunächst alle verfügbaren Streitkräfte im Lande zu sammeln und schloss dann das erste Freundschaftsbündnis der Juden mit Rom ab. Als dann wirklich Epiphanes aufs neue in das Land einbrach, ward er von Judas mit schweren Verlusten zurückgeschlagen. 39 Frischweg von der glänzenden That stürzte er sich auf die in Jerusalem befindliche Besatzung, die bisher noch nicht hatte aufgehoben werden können, warf sie aus der oberen Stadt hinab und drängte sie in die Unterstadt, einen Stadttheil, der den Namen Akra führte, zusammen. Dann brachte er auch das Heiligthum in seine Gewalt, reinigte den ganzen Platz und schloss ihn mit einer Mauer ab, ließ hierauf neue Gefäße für den heiligen Dienst anschaffen und im Tempel aufstellen, da die früheren verunreinigt worden waren, [11] baute einen anderen Brandopferaltar und nahm die Darbringung der Opfer wieder auf. 40 Gerade als die Stadt auf diese Weise ihren heiligen Charakter wieder erlangt hatte, starb Antiochus, und trat sein Sohn Antiochus das Erbe seines Reiches, aber auch seiner Feindschaft gegen die Juden an.

41 (5.) Er zog in dieser Absicht ein Heer von 50.000 Fußtruppen, von ungefähr 5000 Reitern und 80 Elephanten zusammen und drang in Judäa bis ins eigentliche Bergland vor. Hier nahm er das Städtchen Bethsur weg, beim Orte Bethzacharias aber, wo eine Enge ihm den Weg versperrte, stellte sich ihm Judas mit seiner Streitmacht entgegen. 42 Kaum war Eleazar, der Bruder des Judas, noch ehe die Schlachtreihen aneinander geriethen, des höchsten Elephanten, der mit einem großen Thurme und ganz vergoldeten Brustwehren darüber ausgerüstet war, ansichtig geworden, als er auch schon in der Meinung, dass dort Antiochus in Person sein müsse, den Seinigen weit vorauslief, sich durch den feindlichen Haufen durchschlug und wirklich bis zum Elephanten gelangte. 43 Da er sich aber nun hier in Anbetracht der Höhe des Thieres außerstande sah, dem Manne, den er für den König hielt, beizukommen, schlitzte er dem Elephanten den Bauch auf und ließ sich von dem stürzenden Kolosse begraben und zermalmen, ohne etwas anderes auszurichten, als eine große That versucht und sein Leben dem Ruhme geopfert zu haben. 44 Der, welcher auf dem Elephanten befehligte, war übrigens nur ein Krieger, wie andere; wäre es aber auch zufällig Antiochus gewesen, so hätte doch der Held nichts anderes erzielt, als das Lob eines Mannes, der sich für die unsichere Hoffnung auf einen glänzenden Erfolg freiwillig in den Tod gestürzt hat. 45 Sein Fall war auch eine böse Vorbedeutung für seinen Bruder, beziehungsweise für die Wendung der ganzen Schlacht. Denn obschon die Juden sich tapfer und lange herumschlugen, siegten doch die Königlichen, weil sie nicht bloß mehr Leute, sondern diesmal auch mehr Glück hatten. Nachdem Judas viele der Seinen eingebüßt hatte, flüchtete er sich mit dem Reste nach dem Bezirke von Gophna, während Antiochus in Jerusalem einzog. 46 Der König hielt sich aber nur einige Tage hier auf, weil ihm die Lebensmittel ausgiengen, und brach dann nach Zurücklassung einer entsprechend starken Besatzung mit der übrigen Streitmacht nach Syrien auf, um sie in die dortigen Winterquartiere abzuführen.

47 (6.) Der Abzug des Königs schläferte indes die Thätigkeit des Judas nicht ein. Er zog aus dem Volke bedeutende Verstärkungen an sich und sammelte auch die Trümmer des geschlagenen Heeres, worauf er sich bei dem Dorfe Adasa aufs neue mit den Feldherren [12] des Antiochus in einen Kampf einließ. Nachdem er noch mit größter Auszeichnung gekämpft und sein Leben gar theuer verkauft hatte, starb er hier den Heldentod. Wenige Tage darauf endete auch sein Bruder Johannes unter den Meuchlerhänden der Parteigänger des Antiochus.


Zweites Capitel.
Die Machabäer Jonathas, Simon und Johannes Hyrkanus.

48 (1.) Auf Judas folgte in der Führerschaft sein Bruder Jonathas, der sich eben so glücklich vor Verrath im Innern zu schützen wusste, wie er nach außen seine Herrschaft durch die Erneuerung des Bündnisses mit den Römern zu kräftigen verstand. Selbst mit dem jungen Antiochus kam ein Vergleich zustande. Trotz all’ dem konnte er seinem Schicksale nicht entgehen! 49 Der Usurpator Tryphon, welcher seine Vormundschaft über den kleinen Antiochus dazu missbrauchte, um dem letzteren nach dem Leben zu streben, und zu diesem Zwecke zunächst dessen Freunde aus dem Wege räumen wollte, ließ den Jonathas, als er eben mit wenigen Begleitern zu Antiochus nach Ptolemais gekommen war, hinterlistigerweise ergreifen und in Ketten legen, um selbst sofort Judäa mit einem Heere zu überfallen. Von Simon, einem Bruder des Jonathas, zurückgetrieben, nahm er in seiner Erbitterung über diese Niederlage dem Jonathas auch noch das Leben.

50 (2.) Simon aber führte die Zügel der Regierung mit fester Hand weiter. Es gelang ihm, die Grenzen des Landes durch die Wegnahme von Gazara, Joppe und Jamnia zu erweitern und auch in Jerusalem selbst die Besatzung der Akra zu überwältigen und die Veste abzutragen. Ja später erscheint er sogar als Bundesgenosse des Antiochus im Kampfe gegen Tryphon, den der syrische König noch vor seinem Feldzug gegen die Meder in der Stadt Dora belagern wollte. 51 Aber trotzdem Simon dem König bei der Aufhebung des Tryphon gute Dienste geleistet hatte, konnte er damit nicht verhindern, dass Antiochus in seiner Unverfrorenheit die habsüchtigen Anschläge auf Judäa fortsetzte. Denn es stand nicht lange an, so sandte Antiochus seinen Feldherrn Kendebäus an der Spitze seiner Kriegsmacht nach Judäa, um das Land zu verwüsten und den Simon zur Unterwerfung zu zwingen. 52 Dieser aber führte, obschon hochbetagt, den Krieg fast mit der Frische eines Jünglings. So ließ er zunächst seine Söhne mit den Kerntruppen vorausmarschieren, um den König an der Front festzuhalten, während er selbst mit einem Theile der Heeresmacht denselben von einer anderen Richtung her zu packen gedachte. 53 Unterstützt [13] von einem ausgebreiteten Netze von starken Hinterhalten, die er vorsorglich, namentlich in den Bergen, gelegt hatte, gelang sein ganzer Operationsplan, und nach einer Reihe glänzender Siege hatte er die Freude, sich selbst mit dem Namen eines Hohenpriesters geehrt, das jüdische Volk aber von der 170jährigen macedonischen Zwingherrschaft befreit zu sehen.

54 (3.) Dennoch sollte auch Simon durch Meuchelmord, und zwar bei einem Gastmahle unter der Hand seines eigenen Schwiegersohnes Ptolemäus sterben. Nachdem der Mörder noch seine Gattin und zwei seiner Söhne ins Gefängnis geworfen hatte, schickte er auch gegen den dritten Sohn Johannes, Hyrkanus zubenannt, seine Meuchler aus. 55 Der Jüngling erfuhr aber noch rechtzeitig von ihrem Anzuge und beeilte sich, die Hauptstadt zu erreichen, weil er auf das Volk bei der frischen Erinnerung an die Siege seines Vaters und bei dem Abscheu, den die Greuelthat des Ptolemäus erregen musste, das größte Vertrauen setzte. Schon war indes auch Ptolemäus zur Stelle, um bei einem anderen Thore in die Stadt einzudringen. Doch wurde er vom Volke, das dem Hyrkan bereits Aufnahme gewährt hatte, rasch hinausgestoßen, 56 worauf er sich sogleich auf eine der oberhalb Jericho gelegenen Burgen, namens Dagon, zurückzog. Hyrkan ließ sich zunächst die hohepriesterliche Würde, die schon sein Vater bekleidet hatte, übertragen und brachte Gott sein Opfer, dann aber rückte er in aller Eile gegen Ptolemäus heran, um seine Mutter und die Brüder aus der Gewalt des Wütherichs zu befreien.

57 (4.) Bei der nun folgenden Bestürmung der Veste hätten wohl die feindlichen Bollwerke den Hyrkan nicht aufzuhalten vermocht, leider unterlag er aber einem, freilich nur allzu gerechten, seelischen Schmerze. Ptolemäus ließ nämlich, so oft seine Kraft sich im Kämpfe erschöpfte, die Mutter und Brüder des Hyrkan an eine weithin sichtbare Stelle auf der Mauer führen und dort mit Streichen zerfleischen, ja er drohte ernstlich, sie endlich gar hinabzustürzen, wenn der Feind sich nicht schnell zurückziehen würde. 58 Bei diesem Anblick überfiel den Hyrkan ein Erbarmen und Schrecken, die noch größer waren als sein Zorn, während die Mutter weder unter den Misshandlungen noch selbst angesichts des ihr angedrohten Todes im geringsten wankte, sondern mit ausgestreckten Händen den Sohn anflehte, er möge ja nicht, gebrochen von dem an ihr verübten Frevel, des Ruchlosen schonen, da sie für ihre Person den Tod aus der Hand des Ptolemäus wertvoller finde, als selbst die Unsterblichkeit, weil er dann wenigstens die gerechte Strafe für das empfangen werde, was er an ihrem Hause gefrevelt habe. 59 So oft nun Johannes sich die Fassung [14] seiner Mutter zu Gemüthe führte und ihren Racheschrei oben vernahm, eilte er entschlossen zum Sturme; wie er sie aber wieder geschlagen und zerfleischt sah, wurde ihm wieder weich ums Herz und er war ganz nur Mitleid. 60 Während sich aber die Belagerung aus diesen Gründen immer weiter hinauszog, trat das Ruhejahr ein, welches bei den Juden alle sieben Jahre, ähnlich wie der Sabbatstag, durch Einstellung der Arbeit geheiligt wird, und so war für jetzt Ptolemäus der Belagerung los. Er ließ nun die Brüder des Johannes sammt ihrer Mutter hinrichten und floh dann zu Zeno, genannt Kotylas, dem Fürsten von Philadelphia.

61 (5.) Jetzt machte auch Antiochus voll Zorn über die durch Simon erlittenen Niederlagen einen neuen Einfall in Judäa und lagerte sich mit seinem Heere vor Jerusalem, um Hyrkan zur Uebergabe zu zwingen. Hyrkan aber wusste sich durch Eröffnung des Grabes Davids, der da einer der reichsten Könige gewesen war, über 3000 Talente Geldes zu verschaffen und durch Zahlung einer Summe von 300 Talenten den Antiochus zur Aufhebung der Belagerung zu bestimmen. Vom Ueberschuss des Geldes begann er nun auch Soldtruppen zu halten, was vor ihm noch kein jüdischer Fürst gethan hatte.

62 (6.) Als ihm jedoch später Antiochus selbst durch seine Entfernung nach dem medischen Kriegsschauplatz eine gute Gelegenheit zur Wiedervergeltung gab, säumte er nicht und fiel über die Städte Syriens her, in der Annahme, die auch wirklich zutraf, sie von den besten Streitern entblößt zu finden. 63 Er bezwang nun Medaba und Samäa mit den umliegenden Städten, ferner Sichem und Garizin mit dem Volk der Chuthäer, welches um das bekannte, dem Tempel von Jerusalem nachgemachte Heiligthum herum wohnte, und eroberte auch in Idumäa außer zahlreichen anderen Städten namentlich Adoreus und Marissa.

64 (7.) Er schritt endlich auch zur Belagerung von Samaria, woselbst gegenwärtig die von König Herodes gegründete Stadt Sebaste steht. Er schnitt sie zunächst durch einen Wall von jeder Verbindung nach außen ab und überließ dann den Söhnen Aristobulus und Antigonus die Leitung der Belagerung. Da diese sie rastlos betrieben, geriethen die Bewohner der Stadt in eine solche Hungersnoth, dass sie sogar zu den ekelhaftesten Dingen griffen. 65 Da riefen sie Antiochus mit dem Beinamen Aspendius zu Hilfe, der auch bereitwillig ihrem Rufe Folge leistete, aber von den Leuten des Aristobulus geschlagen ward. Bis Scythopolis von beiden Brüdern verfolgt, kam er zwar für seine Person noch mit heiler Haut davon, doch kehrten dieselben wieder [15] nach Samaria zurück, um deren Bevölkerung aufs neue in den Mauerwall einzuschließen. Endlich brachten sie die Stadt in ihre Gewalt, worauf sie dieselbe dem Erdboden gleich, ihre Einwohner aber zu förmlichen Sclaven machten. 66 Da sich auf solche Art der Sieg überall an ihre Fahnen geheftet hatte, loderte auch das Feuer ihrer Kriegslust immer mächtiger auf, und sie zogen schließlich mit ihrer Macht vor Scythopolis, machten mehrere Stürme auf die Stadt und verheerten die ganze Umgebung südlich vom Karmelgebirge.

67 (8.) Unterdessen hatte aber der Neid gegen die glänzenden Erfolge des Johannes, wie seiner Söhne, eine Gährung unter ihren eigenen Landsleuten erregt, von denen sich eine bedeutende Zahl gegen sie verschwor und rastlos schürte, bis der Zunder zur lichterlohen Kriegesflamme aufschlug. Doch unterlagen die Verschwörer. 68 Die übrige Zeit seines Lebens verbrachte Johannes recht glücklich und starb endlich nach einer durch volle 33 Jahre aufs trefflichste geführten Regierung mit Hinterlassung von fünf Söhnen, ein Mann, der es fürwahr verdient, selig gepriesen zu werden, und bei dem das Schicksal einmal gar nichts zu wünschen übrig ließ. Besaß doch hier ein einziger Mensch die drei kostbarsten Dinge: Die Herrschaft über die Nation, die hohepriesterliche Würde und die Prophetengabe. 69 Denn auch die Gottheit redete mit ihm, so dass ihm nichts von der Zukunft verborgen blieb, wie er insbesondere auch von seinen zwei ältesten Söhnen voraussah und voraussagte, dass es mit ihrer Herrschaft keine Dauer haben werde. Es lohnt sich der Mühe, dieses traurige Ende näher zu schildern, schon um zu sehen, was für ein Abstand zwischen ihrem Schicksal und dem Glücke ihres Vaters liegt.


Drittes Capitel.
Das Ende des Antigonus und des Aristobulus.

70 (1.) Nach dem Hingange des Vaters verwandelte nämlich der älteste Sohn Aristobulus die Herrschaft in ein förmliches Königthum und schmückte sich mit dem Diadem. Es war das erste Beispiel dieser Art seit der Heimkehr des Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft, die vor 471 Jahren und 3 Monaten erfolgt war. 71 Unter seinen Brüdern ließ er nur dem Antigonus, der ihm an Alter zunächst stand, und dem er eine unverhohlene Zuneigung schenkte, königliche Ehren erweisen, während er die anderen in Ketten legte und in Gewahrsam hielt. Ja er ließ sogar seine eigene Mutter fesseln, weil sie sich mit ihm wegen der Herrschaft entzweit hatte – denn sie hatte eigentlich [16] Johannes vor seinem Ableben zur Regentin bestimmt gehabt – und gieng in seiner Grausamkeit so weit, dass er sie sogar im Kerker verhungern ließ.

72 (2.) Merkwürdigerweise raubte ihm eine gerechte Strafe gerade jenen Bruder, den er aufrichtig liebte, und den er zum Mitregenten angenommen hatte, den Antigonus. Er ließ nämlich infolge von verleumderischen Intriguen, welche eine ruchlose Partei am Hofe angesponnen hatte, auch diesen ums Leben bringen. Anfangs schenkte freilich Aristobulus diesem Gerede nicht den mindesten Glauben, weil er seinem Bruder wirklich zugethan und das Geschwätz zum größten Theil auf Rechnung des Neides zu setzen geneigt war. 73 Als aber einst Antigonus ruhmbedeckt vom Kriegsschauplatz zum Feste sich begab, an welchem die Juden nach väterlicher Sitte Gott unter Laubhütten dienen, wollte es der Zufall, dass gerade an jenen Tagen Aristobulus unpässlich darniederlag, während Antigonus am Ende des Festes in denkbar prächtigstem Schmucke und umgeben von seinen Kriegern zum Tempel hinaufstieg, um dort sein Gebet, besonders für den kranken Bruder, zu verrichten. 74 Das war die Zeit für die Bösewichte, an den König sich heranzumachen. Mit den lebendigsten Farben schilderten sie ihm den Aufzug der Bewaffneten und das gebieterische, mit einem Privatmann unvereinbare Auftreten des Antigonus, dessen Anwesenheit in Verbindung mit einer so großen Truppenabtheilung nur dahin gedeutet werden könne, dass er den König beseitigen wolle. Denn gewiss würde er sich nicht länger mit dem bloßen Königstitel abspeisen lassen, wo es in seiner Macht liege, nach dem Königthum selbst zu greifen.

75 (3.) Diesen Worten schenkte Aristobulus nach und nach, wenn auch ungern, Glauben und stellte, um einerseits nicht das geringste Misstrauen zu verrathen, andererseits auch gegen Ueberraschungen gesichert zu sein, die Leibwache in einem finsteren, unterirdischen Gange der Burg, wo er lag, und die früher Baris, später aber Antonia hieß, mit dem Befehle auf, wenn Antigonus ohne Waffen käme, seiner zu schonen, ihn aber niederzustoßen, wenn er bewaffnet sich nähern würde. Zu Antigonus schickte unterdessen der König eigens Boten mit der vorgängigen Weisung, dass er unbewaffnet kommen möchte. 76 Das benutzte die Königin zu einem äußerst schlauen Anschlag im Bunde mit den geheimen Feinden des Antigonus. Man überredete nämlich die Boten, den vom König erhaltenen Auftrag nicht auszurichten und dafür dem Antigonus zu sagen: „Dein Bruder hat gehört, dass du dir in Galiläa sehr schöne Waffen und ein Panzerkleid habest herrichten lassen. Da er nun leider wegen seiner Krankheit [17] außerstande ist, sie persönlich bei dir Stück für Stück zu besichtigen, so würde es ihm jetzt, zumal du auch schon wieder abreisen willst, ein großes Vergnügen sein, dich einmal im vollen Waffenschmucke bei sich zu sehen.“

77 (4.) Als Antigonus diese Botschaft vernommen, gieng er im vollen Vertrauen auf die bisherige Gesinnung des Bruders, und ohne im mindesten etwas Böses zu ahnen, mit seiner Waffenrüstung zu ihm, nur, um sich damit anschauen zu lassen. Angekommen aber beim finsteren Durchgang im sogenannten Stratonsthurm, ward er von der Leibwache des Königs niedergemacht – zum unwiderleglichen Beispiele, wie der Zahn der Verleumdung auch die innigste Freundschaft und die stärksten Bande des Blutes zernagen kann, und kein edles Gefühl kräftig genug ist, um dem Neide auf die Dauer zu widerstehen.

78 (5.) Was bei dieser Gelegenheit unsere Bewunderung verdienen dürfte, das ist das Benehmen eines gewissen Judas. Der Mann gehörte dem Stande der Essener an und hatte sich in seinen Weissagungen noch kein einzigesmal auch nur unbedeutend geirrt, geschweige denn ganz getäuscht. Wie er nun damals den Antigonus in seiner Nähe durch den Tempel gehen sah, schrie er in Gegenwart seiner Freunde oder eigentlich Schüler, von denen damals gerade eine beträchtliche Zahl bei ihm saß, laut auf: 79 „O weh!“ sprach er, „jetzt wäre ich lieber schon todt, da ich leider die Wahrheit überlebt habe, und sich wirklich etwas, was ich vorausverkündigt habe, als ganz und gar falsch erwiesen hat. Es geht ja da leibhaft jener Antigonus, der heute schon eines gewaltsamen Todes hätte sterben sollen und zwar nach des Schicksals Verhängnis durch Mörderhand beim Orte Stratonsthurm. Nun ist aber dieser Ort 600 Stadien von hier entfernt, und vom heutigen Tage überdies bereits die vierte Stunde verflossen. Schon an diesem Stande der Zeit muss meine Weissagung vollständig scheitern!“ 80 Nach diesem Ausruf blieb der Greis düster und nachdenklich. Bald darauf brachte man schon die Nachricht, dass Antigonus in jenem unterirdischen Raume, der da ebenfalls Stratonsthurm hieß, also mit Cäsarea am Meere denselben Namen theilte, ermordet worden sei. Diese Verwechslung nun war es, die den Seher so bestürzt gemacht hatte.

81 (6.) Die Reue über diese Greuelthat gab jedoch dem Zustand des Aristobulus alsbald eine neue gefährliche Wendung. Beständig schwebte ihm dieser Mord vor Augen und erfüllte seine Seele mit stets neuen Schreckbildern, so dass er immer mehr abzehrte, bis endlich die Brustorgane unter dem Druck einer übergroßen Trauer barsten, und der [18] König das Blutbrechen bekam. 82 Als nun einer von den Krankenwärtern den Auswurf hinaustragen wollte, glitt er genau an der Stelle, wo Antigonus gemordet worden, auf besondere göttliche Zulassung aus und schüttete auf die vom Morde herrührenden und noch deutlich erkennbaren Blutflecken das Blut seines Mörders aus. Bei diesem Anblick erhoben sofort die Zeugen jenes Vorganges ein erbärmliches Geschrei, als ob der Diener zu Fleiß das Blut dort auf den Boden hingegossen hätte. 83 Der König hörte den Lärm und fragte nach dem Grunde. Da sich aber niemand denselben zu sagen getraute, so wollte der Kranke erst recht der Sache auf den Grund kommen und machte schließlich unter Drohungen seine Gewalt geltend. Und nun erzählte man ihm den Sachverhalt. Da traten ihm die hellen Thränen in die Augen, und mit dem ganzen Aufgebot seiner letzten Kräfte seufzte er: 84 „So konnte ich also doch nicht, wie ich vermeinte, das große Auge Gottes über meine Ruchlosigkeiten hinwegtäuschen: nur allzu rasch folgt mir die gerechte Strafe für den Mord am eigenen Blute! Wie lange noch willst du, o unverschämter Leib, meine Seele zurückhalten, die schon längst dem Rachegeiste meiner Mutter und meines Bruders gehört, und wie lange soll ich nur stoßweise mein Blut ihnen zum Opfer bringen? Sie sollen alles auf einmal nehmen, und nicht weiter möge die Gottheit mit den aus meinen Eingeweiden geschöpften Blutspenden für die Todten ihr grausames Spiel treiben!“ Bei diesen Worten verschied er, nachdem er nicht länger als ein Jahr geherrscht hatte.


Viertes Capitel.
Regierung des Alexander Jannäus.

85 (1.) Jetzt gab die Frau des Verstorbenen dessen Brüdern die Freiheit und stellte den Alexander, der sowohl in Anbetracht seines Alters, wie auch seiner Mäßigung den Vorzug zu verdienen schien, zum König auf. Kaum aber zur Macht gelangt, ließ derselbe den einen seiner Brüder, den es nach dem Königthum gelüstete, hinrichten, den letzten Bruder dagegen, den seine Neigung zum Privatleben hinzog, überhäufte er mit Ehren.

86 (2.) Alexander gerieth auch in einen Kampf mit Ptolemäus, Lathurus zubenannt, welcher die Stadt Asochis genommen hatte, und brachte ihm schwere Verluste bei, obwohl schließlich der Sieg dem Ptolemäus zufiel. Als dieser jedoch, von seiner eigenen Mutter Kleopatra angegriffen, sich nach Aegypten zurückgezogen hatte, bemächtigte sich Alexander durch Belagerung Gadaras, wie auch der Stadt Amathus, [19] welche da die bedeutendste Festung jenseits des Jordans war, und wo auch Theodorus, der Sohn des Zeno, den wertvollsten Theil seiner Schätze liegen hatte. 87 Plötzlich aber fällt Theodorus über die Stadt her, gewinnt nicht bloß sein Eigenthum wieder, sondern auch die ganze Bagage des Königs dazu und erschlägt den Juden bei 10.000 Mann. Kaum hatte sich indes Alexander von diesem Schlage wieder aufgerichtet, als er sich auch schon wieder gegen die Meeresküste wandte und Raphia, Gaza, nebst der Stadt Anthedon, die später vom König Herodes Agrippias genannt wurde, eroberte.

88 (3.) Nach Unterwerfung dieser Städte, deren Bewohner vollständige Sclaven wurden, brach aber unter seinem eigenen Volke ein Aufstand los und zwar an einem Festtage, weil meistens gerade bei Gelegenheit von festlichen Zusammenkünften unter den Juden die innere Unzufriedenheit aufflammt. Und wahrscheinlich wäre er der gefährlichen Bewegung nicht Herr geworden, wenn er nicht die Hilfe seiner Fremdentruppe, bestehend aus Pisidiern und Ciliciern, gehabt hätte. Eigentliche Syrer pflegte er nämlich wegen ihres eingefleischten Hasses gegen das jüdische Volk unter seine Söldner nicht aufzunehmen. 89 Nachdem er den Aufstand im Blute von 6000 Juden erstickt hatte, band er mit den Arabern an, nahm ihnen die Gebiete von Galaad und Moab ab und legte ihnen einen Tribut auf. Darauf wandte er sich aufs neue gegen Amathus. Da sich diesmal Theodorus unter dem Eindruck seiner gewaltigen Waffenthaten nicht zu rühren getraute, fand Alexander auch die Veste ohne Vertheidiger und zerstörte sie.

90 (4.) Dann gab es wieder einen Strauß mit dem arabischen König Obedas. Dieser hatte im Gebiete von Gaulana dem Alexander eine Falle gelegt. Wirklich ließ sich der jüdische König in dieselbe locken und verlor sein ganzes Heer, das, in eine tiefe Schlucht zusammengedrängt, von der Masse der arabischen Kameelreiter förmlich zermalmt ward. Der König selbst rettete sich und floh nach Jerusalem, wo aber gerade die Größe seines Unglücks das ihm schon längst feindselige Volk zu einer neuen Erhebung reizte. 91 Doch behauptete er sich auch jetzt und führte Schlag auf Schlag, so dass er innerhalb sechs Jahre nicht weniger als 50.000 Juden niedermachte. Eine wahre Freude konnte er freilich über diese Siege schon darum nicht empfinden, weil sie ihm das eigene Reich aufzehrten, weshalb er mit Beiseitelegung der Waffen auf dem Wege der Ueberredung eine Versöhnung mit den niedergeworfenen Landsleuten anzubahnen suchte. 92 Diese betrachteten aber seinen Gesinnungswechsel und seine schwankende Haltung mit nur noch größerem Hasse und gaben ihm, da er einmal um den Grund fragte und wissen wollte, was er denn eigentlich thun sollte, [20] um sie zu besänftigen, zur Antwort: „Sterben! Denn einem Menschen, der uns so entsetzliche Unbilden zugefügt hat, könnten wir selbst nach seinem Tode nur mit harter Mühe verzeihen.“ Gleichsam zur Bekräftigung ihrer Antwort riefen sie den Demetrius mit dem Beinamen Akärus zu Hilfe, der diesem Rufe ohne viele Umstände folgte, da er ihm noch weitere Aussichten bot, und mit einem Heere herbeikam. Bei Sichem erfolgte der Anschluss der Juden an ihre Bundesgenossen.

93 (5.) Diesem vereinigten Heere wollte Alexander mit 1000 Reitern und 8000 Soldtruppen zu Fuß, unterstützt von etwa 10.000 jüdischen Anhängern, die Spitze bieten. Er stand 3000 feindlichen Reitern und 14.000 Mann Fußtruppen gegenüber. Bevor es nun zum Handgemenge kam, suchten sich noch die Könige durch laute Proclamationen gegenseitig die Soldaten abwendig zu machen, indem Demetrius seinerseits die Söldner Alexanders, Alexander aber die Juden im Heere des Demetrius zu sich herüberzuziehen hoffte. 94 Da aber weder die Juden von ihrer feindseligen Gesinnung gegen Alexander, noch die Griechen von ihrer Treue lassen wollten, so maßen sie sich nun mit den Waffen im Kampfe. 95 Die Walstatt behauptete Demetrius, obwohl auch die Söldner des Alexander viele Proben ihres Muthes und ihrer Kraft abgelegt hatten. Indes gestaltete sich die Folge der Schlacht ganz entgegengesetzt der beiderseitigen Erwartung. Denn einerseits wollten die Juden, die den Demetrius herbeigerufen hatten, obwohl er Sieger geblieben, nicht mehr bei ihm aushalten, während andererseits der ins Bergland geflüchtete Alexander plötzlich eine Verstärkung von 6000 Juden erhielt, die sich ihm aus Mitleid mit seinem Schicksalsschlage angeschlossen hatten. Dieser Umschwung nahm dem Demetrius allen Muth, und er trat in der Voraussetzung, dass Alexander ihm bereits wieder ebenbürtig geworden sei und am Ende noch das ganze Volk zu ihm überlaufen würde, den Rückzug an.

96 (6.) Letzteres traf aber durchaus nicht zu, da die übrige Masse der Juden nach dem Rückzug ihrer Aliierten ihre Feindseligkeiten keineswegs einstellte, sondern im Gegentheil beständig mit Alexander im Kampfe lag, bis er die meisten von ihnen vernichtet und den Rest in die Stadt Bemeselis geworfen hatte. Mit dem Falle der Stadt, die er gänzlich zerstörte, fiel auch dieser in seine Hände und wurde nach Jerusalem hinaufgeschleppt. 97 Was er nun hier in seinem maßlosen Grimme an Grausamkeiten alles verübte, das streift schon an Gottlosigkeit. So ließ er von den Kriegsgefangenen bei 800 mitten in der Stadt ans Kreuz schlagen und dann vor ihren Augen ihre Frauen und Kinder hinschlachten, und diese Scenen sah er sich noch bei einem Trinkgelage und mit seinen Kebsweibern schwelgend an! 98 Das Volk [21] ergriff darob ein so gewaltiger Schrecken, dass sich in der folgenden Nacht allein 8000 seiner Widersacher über die Grenzen Judäas flüchteten, deren Verbannung erst der Tod Alexanders ein Ziel setzte. Nachdem der König endlich mit so entsetzlichen Mitteln, spät freilich und mit Mühe, dem Reiche wieder Ruhe verschafft hatte, ließ er die Waffen ruhen.

99 (7.) Einen Anlass zu neuen Wirren gab ihm dann Antiochus, Dionysus zubenannt, ein Bruder des Demetrius und der letzte Seleucide. Da dieser sich nämlich anschickte, mit einem Kriegsheere gegen die Araber zu ziehen, so ließ Alexander, der ihm nicht recht traute, den ganzen Abstand zwischen Antipatris am Gebirge und der Meeresküste bei Joppe mit einer tiefen Kluft durchschneiden, vor diesem Graben aber eine hohe Mauer aufführen und hölzerne Thürme darauf zimmern, um auf diese Weise die bequemen Einbruchstellen des Landes dem Syrer zu versperren. 100 Dennoch war er nicht imstande, den Antiochus auch nur aufzuhalten, da derselbe die Thürme einfach in Brand steckte, den Graben auffüllte und mit seinem Heere hinüberdrang. Ohne sich vorderhand mit einem Rachezug gegen Alexander, der ihm das Hindernis gelegt hatte, aufzuhalten, gieng er sofort auf die Araber los. 101 Deren König zog sich zunächst auf ein günstigeres Terrain zurück, lässt dann seine ganze Reiterei, 10.000 an der Zahl, plötzlich Front gegen den Feind machen und stürmt gegen die Scharen des Antiochus, ehe sie noch Zeit gefunden hatten, sich ordentlich aufzustellen. Es entstand ein furchtbares Ringen. Obwohl von den Arabern ein wahres Blutbad unter den Syrern angerichtet wurde, leistete doch die Macht des Antiochus tapferen Widerstand, solange ihr Führer am Leben war. 102 Als er aber im dichtesten Kampfgewühl, in dem er sich stets herumschlug, um auf den bedrohtesten Punkten Hilfe zu bringen, gefallen war, da wich alles zurück und gieng so der größte Theil des Heeres theils am Schlachtfeld, theils auf der Flucht zugrunde. Die übrigen aber, die in das Dorf Kana geflohen waren, hatten das traurige Schicksal, mit wenigen Ausnahmen insgesammt aus Mangel an Lebensmitteln langsam zu verderben.

103 (8.) In der Folge brachten die Damascener aus Hass gegen Ptolemäus, den Sohn des Mennäus, den Aretas, ins Land und stellten ihn zum König von Cölesyrien auf. Als solcher fieng er mit Judäa einen Krieg an und besiegte den Alexander in offener Feldschlacht, trat aber nach geschlossenen Vereinbarungen wieder den Rückzug an. 104 Jetzt nahm sich Alexander Pella und richtete dann seinen Marsch auf Gerasa, weil er neuerdings nach den Schätzen des Theodorus Appetit bekam. Nachdem er mit einer dreifachen Umwallung die Besatzung [22] cerniert hatte, fiel ihm die Festung ohne Schwertstreich in die Hände. 105 Auch Gaulana, Seleucia und die sogenannte Antiochusschlucht wurden von ihm erobert. Nachdem er noch die mächtige Veste Gamala erstürmt und den dortigen Fürsten Demetrius, mit dem man allgemein unzufrieden war, gestürzt hatte, kehrte er nach einer Abwesenheit von vollen drei Jahren im Felde wieder nach Judäa zurück. 106 Diesmal erhielt er vom Volke wegen seines Waffenglückes einen wohlwollenden Empfang. Aber gerade das Ende vom Kriege bedeutete für ihn den Anfang einer Krankheit, nämlich eines viertägigen Wechselfiebers, das ihn beständig quälte. Er glaubte sich nun die Krankheit vertreiben zu können, wenn er sich mit neuen Unternehmungen abgäbe. Er stürzte sich darum zur ungünstigsten Zeit abermals in kriegerische Verwicklungen und zwang den Körper, sich über seine Kräfte anzuspannen. So musste er erliegen! Er starb mitten in den Unruhen des Krieges, nachdem er 27 Jahre die königliche Gewalt inne gehabt hatte.


Fünftes Capitel.
Die Königin Alexandra und die Herrschaft der Pharisäer.

107 Die Regierung hinterließ Alexander seiner Frau Alexandra in der sicheren Erwartung, dass derselben die Juden noch am liebsten gehorchen würden, weil sie, von seiner Grausamkeit weit entfernt und eine Feindin der Gesetzesverletzungen, das Volk sich zum Wohlwollen verbunden hatte. 108 Er sollte sich in seiner Hoffnung auch nicht täuschen! Denn obschon nur ein schwaches Weib, kam sie doch auf den Thron und behielt ihn auch, geschirmt vom Ruhme ihrer Frömmigkeit, indem sie es mit den angestammten Vorschriften der Nation sehr genau nahm und jene, welche sich gegen die heiligen Gesetze verfehlten, vom Hofe verbannte. 109 Von den zwei Söhnen, welche sie von Alexander empfangen hatte, bestimmte sie den älteren, namens Hyrkan, sowohl mit Rücksicht auf sein Alter als auch aus dem Grunde zum Hohenpriester, weil er zu geistesschwach war, als dass er ihr hinsichtlich der Herrschaft hätte Ungelegenheiten bereiten können. Dem jüngeren, Aristobulus, dagegen gestattete sie wegen seines lebhaften Geistes gar keinen Antheil an der Regierung.

110 (2.) Dafür wuchsen ihr aber in der Regierung allmählig die Pharisäer über den Kopf, eine Vereinigung von Juden, deren Mitglieder im Ruhme einer besonderen Frömmigkeit und genaueren Gesetzeserklärung stehen. 111 In ihrem leidenschaftlichen Eifer für alles Göttliche erzeigte Alexandra diesen Männern begreiflicherweise eine ungewöhnliche Anhänglichkeit, während die Pharisäer nach und nach [23] auf das einfältige Frauenzimmer in schlauer Weise ihren Einfluss geltend machten, bis sie endlich die Herren der ganzen Regierung waren, ächteten und zurückberiefen, lösten und banden, wen sie wollten. Um es kurz zu sagen: den Genuss von der Regierung hatten die Pharisäer, die Zahlungen und Scherereien aber Alexandra. 112 Letztere zeigte sich übrigens auch schwierigeren Aufgaben gewachsen. Sie verdoppelte ihre Kriegsmacht durch immer neue Werbungen und brachte auch eine nicht unbeträchtliche Fremdenlegion zusammen, so dass sie sich nicht bloß des eigenen Volkes versicherte, sondern auch bedrohlich für die auswärtigen Mächte wurde. Während sie aber die anderen beherrschte, wurde sie selbst wieder von den Pharisäern beherrscht.

113 (3.) So veranlassten die Pharisäer unter anderem die Hinrichtung eines angesehenen und dem Alexander befreundeten Mannes, namens Diogenes, der von ihnen beschuldigt wurde, zu der vom König vollzogenen Kreuzigung jener 800 gerathen zu haben. Auf ihr Drängen ließ Alexandra auch den übrigen, welche den Alexander gegen jene Unglücklichen aufgereizt hatten, den Process machen, und da sie in ihrer Bigotterie sich regelmäßig nachgiebig zeigte, so räumten schließlich die Pharisäer die Leute aus dem Wege, wie es ihnen passte. 114 Da stellten sich die Häupter der Proscribierten unter den Schutz des Aristobulus, der denn auch seine Mutter beredete, diesen Männern um ihres Standes willen das Leben zu schenken; vermöchte sie schon nicht an ihre Unschuld zu glauben, so könnte sie dieselben ja aus der Stadt verbannen. Auf das hin ward ihnen Sicherheit gewährleistet, und sie zerstreuten sich im Lande umher. 115 Darauf sandte Alexandra ein Heer nach Damaskus unter dem Vorwande, der Stadt gegen die beständigen Angriffe des Ptolemäus zu Hilfe zu kommen; sie musste indes dasselbe, ohne dass es etwas nennenswertes ausgerichtet hätte, wieder zurückziehen. 116 Dafür gelang es ihr, den armenischen König Tigranes, der vor Ptolemais lag und Kleopatra belagerte, durch Verträge und Geschenke sich willfährig zu machen, obschon derselbe übrigens, bevor er weiteres hätte unternehmen können, infolge der im eigenen Lande ausgebrochenen Wirren, die durch den Einfall des Lucullus in Armenien veranlasst worden waren, ohnehin hätte abziehen müssen.

117 (4.) Unterdessen erkrankte Alexandra, und diesen günstigen Zeitpunkt machte sich der jüngste Sohn Aristobulus sofort zunutzen, indem er sich mit Hilfe seiner zahlreichen Dienerschaft, bei der er wegen seines geweckten Geistes durchgängig beliebt war, in den Besitz sämmtlicher Festungen setzte. Mit den hier vorgefundenen Geldbeständen warb er nun Soldtruppen und ließ sich zum König ausrufen. 118 Auf das hin [24] erhob Hyrkan einen großen Jammer, und aus Mitleid mit ihm ließ seine Mutter Frau und Kinder des Aristobulus in die Antonia einsperren. Es war dies eine unmittelbar an der Nordseite des Heiligthums gelegene Burg, ehemals, wie ich schon gesagt habe, Baris geheißen, die aber dann unter der Dictatur des Antonius diese Bezeichnung erhielt, sowie auch andere Orte, einer z. B. den Namen Sebaste von Sebastus, d. h. Augustus, ein anderer den Namen Agrippias von Agrippa später bekamen. 119 Bevor jedoch Alexandra den Aristobulus für die versuchte Entthronung des Hyrkan zur Strafe ziehen konnte, schied sie aus dem Leben, nachdem sie neun Jahre die Regentschaft geführt hatte.


Sechstes Capitel.
Kampf zwischen Hyrkan und Atistobulus. Einmischung der Römer unter Pompejus.

120 (1.) Hyrkan hatte nun freilich als Erbe das Anrecht auf die Regierung, wie ihm denn auch Alexandra vor ihrem Ableben noch das Scepter eingehändigt hatte, aber in Bezug auf die factische Macht und das Regierungstalent besaß Aristobulus einen großen Vorsprung. Der Zusammenstoß, der über die Herrschaft entscheiden sollte, geschah in der Gegend von Jericho, und hier ließen die meisten den Hyrkan im Stiche, 121 um zu Aristobulus überzugehen, so dass der erstere mit den Leuten, die ihm noch geblieben waren, sich beeilen musste, noch vor dem Gegner die Antonia zu gewinnen und sich wenigstens der für sein Leben wichtigen Geiseln, der Frau des Aristobulus und seiner Kinder, zu bemächtigen. In der That verglichen sich auch die Brüder, ehe es zum Aeußersten kam, in der Weise, dass Aristobulus den Thron einnehmen, Hyrkan aber mit Verzichtleistung auf denselben alle jene Ehren empfangen sollte, auf die er als Bruder des Königs Anspruch hatte. 122 Unter diesen Bedingungen schlossen sie im Tempel miteinander Frieden, umarmten sich auf eine herzliche Weise im Angesichte des ganzen Volkes und wechselten gegenseitig ihre Behausung: Aristobulus hielt seinen Einzug in den Königspalast, Hyrkan aber zog sich in das frühere Haus des Aristobulus zurück.

123 (2.) Jetzt wurden alle Widersacher des Aristobulus, die an seinen Sieg nicht geglaubt hatten, ganz besonders Antipater, der dem König schon längst gründlich verhasst war, von Angst befallen. Antipater war ein gebürtiger Idumäer und vermöge seines alten Adels, seines Reichthums und seines sonstigen Einflusses die erste Persönlichkeit seiner Nation. 124 Dieser Mann suchte nun den Hyrkan zu bereden, zum arabischen König Aretas seine Zuflucht zu nehmen, um durch diesen [25] den Thron wieder zurückzugewinnen, während er gleichzeitig auch auf Aretas in dem Sinne einzuwirken trachtete, dass er dem Hyrkan Aufnahme gewähren und die Rückkehr auf seinen Thron ermöglichen wolle. Diese Reden waren natürlich gespickt mit Ausfällen auf den Charakter des Aristobulus, wie mit Lobeshymnen auf Hyrkan. Antipater legte dem Aretas auch nahe, wie es für den Fürsten eines so ruhmvollen Reiches fast ein Gebot des Anstandes wäre, seine schirmende Hand über die Unterdrückten auszustrecken: ohne Zweifel gehöre aber Hyrkan zu diesen Unterdrückten, weil ihm die nach dem Erstgeburtsrecht zustehende Herrschaft gewaltsam entrissen worden sei. 125 Nachdem so Antipater beide zuvor in die entsprechende Verfassung versetzt hatte, nahm er in einer Nacht den Hyrkan mit sich auf die Flucht aus der Stadt und erreichte nach einem angestrengten Ritte die Stadt Petra, die Residenz des Arabers. 126 Hier übergab er den Hyrkan dem Schutze des Aretas und setzte es bei ihm nach langen und einschmeichelnden Besprechungen, die er durch zahlreiche gewinnende Präsente unterstützte, endlich durch, dass er dem Hyrkan ein Heer von 50.000 Streitern zu Fuß und zu Kameel zum Zwecke seiner Wiedereinsetzung beistellte. Einer solchen Macht war freilich Aristobulus nicht gewachsen: er unterlag gleich im ersten Treffen und ward nach Jerusalem zurückgedrängt. 127 Hier hätten sich wohl sicher die Gegner durch einen Sturm auf die Stadt seiner Person bemächtigt und so seinen weiteren Unternehmungen ein Ziel gesetzt, wenn nicht der römische Feldherr Scaurus einen Strich durch ihre günstige Rechnung gemacht und die Belagerung vereitelt hätte. Dieser war nämlich gerade um diese Zeit von Pompejus dem Großen, der damals gegen Tigranes im Felde stand, von Armenien nach Syrien gesandt worden und hatte, in Damaskus angekommen, das eben kurz zuvor von Metellus und Lollius weggenommen worden war, von den Ereignissen in Judäa Kunde erhalten, worauf er alsbald in eigener Person, da er den Unterfeldherrn schon eine andere Bestimmung gegeben hatte, nicht anders, als hätte er einen großen Schatz gefunden, dorthin aufbrach.

128 (3.) Bei seiner Ankunft im Lande waren sofort auch schon Gesandte von Seite der beiden Brüder zur Stelle, von denen jeder die Hilfe der Römer für sich haben wollte. Doch die 300 Talente, die von Aristobulus gekommen waren, stachen die Gerechtigkeit aus, indem Scaurus gleich nach Erhalt dieser Summe an Hyrkan und die Araber einen Herold abgehen ließ, der mit dem Zorne Roms und des Pompejus drohte, wenn sie nicht die Belagerung aufheben würden. 129 Auf das hin zog sich Aretas ganz bestürzt aus Judäa nach Philadelphia zurück, während auch Scaurus wieder auf Damaskus zurück- [26] gieng. 130 Aristobulus war jedoch nicht zufrieden, bloß der Gefangennahme entronnen zu sein, er nahm vielmehr jetzt seine ganze Macht zusammen und jagte damit seinen Feinden nach. Am sogenannten Papyronfluss stieß er auf sie und erschlug ihnen 6000 Mann, darunter auch Phallion, den Bruder des Antipater.

131 (4.) Als sich nun Hyrkan und Antipater der Hilfe ihrer Freunde, der Araber, beraubt sahen, setzten sie jetzt umgekehrt ihr Vertrauen auf die Feinde und nahmen ihre Zuflucht zu Pompejus, der unterdessen in Syrien eingerückt und nach Damaskus gekommen war. Mit leeren Händen zwar, aber mit jenen guten Rechtsansprüchen, die sie schon dem Aretas dargelegt hatten, traten sie vor ihn und baten ihn flehentlich, das gewaltthätige Vorgehen des Aristobulus zu cassieren und jenen auf den Thron zurückzubringen, welcher seiner Gesinnung und seinem Alter nach darauf gehöre. 132 Doch säumte auch Aristobulus nicht, ermuthigt durch den gelungenen Bestechungsversuch mit Scaurus: auch er erschien persönlich, mit seinem prächtigsten Königsornate angethan. Da er sich aber für einen Bedienten des Römers zu hoch dünkte und nicht einmal seinen eigenen Wünschen um den Preis der Erniedrigung seiner königlichen Erscheinung dienen mochte, so reiste er über die Stadt Dium wieder zurück.

133 (5.) Das nahm ihm Pompejus sehr übel, und da auch die Partei des Hyrkan ihre Bitten verdoppelte, so setzte er sich an der Spitze des römischen Heeres und zahlreicher Hilfstruppen aus Syrien gegen Aristobulus in Bewegung. 134 Als er über Pella und Scythopolis nach Koreä gekommen war, wo man zum erstenmal auf eigentliches jüdisches Gebiet stößt, wenn man mitten durch Palästina nach Jerusalem hinaufzieht, vernahm er daselbst, dass sich Aristobulus nach Alexandrium, einer ganz prächtig ausgestatteten, auf einem hohen Berge gelegenen Veste, geflüchtet habe, und ließ ihm den Befehl zugehen, herabzusteigen. 135 Dieser herrischen Aufforderung gegenüber war Aristobulus schon geneigt, eher das äußerste zu wagen, als sich zu fügen; aber wie er andererseits sein Kriegsvolk von Angst ergriffen sah, und auch die Freunde ihm zuredeten, auf die bekanntlich unwiderstehliche Macht der Römer Rücksicht zu nehmen, gab er ihnen nach und kam zu Pompejus herab, um vor ihm eingehend den rechtmäßigen Besitz des Thrones von seiner Seite zu vertheidigen und dann wieder auf die Festung zurückzukehren. 136 Von seinem Bruder eingeladen, begab er sich ein zweitesmal herab, um sich mit ihm über ihre Rechtsforderungen zu besprechen, und entfernte sich wieder, ohne von Pompejus behelligt zu werden. So zwischen Hoffnung und Furcht getheilt, stieg er das einemal herab, um durch diese demüthige Haltung dem Pompejus die [27] allseitige Gewährung seiner Wünsche abzuringen, bald gieng er wieder auf die Veste zurück, als wollte er nicht den Schein auf sich lassen, dass er sich selbst vor der Zeit unmöglich mache. 137 Erst als ihm Pompejus befahl, die Festungen abzutreten, und ihn mit Gewalt dazu verhielt, den einzelnen Festungscommandanten die schriftliche Weisung zur Auslieferung zu geben, da nämlich dieselben den bestimmten Auftrag hatten, nur seinen eigenhändig geschriebenen Befehlen zu gehorchen, gieng er voll Unmuth, nachdem er noch dem erwähnten Zwange nachgegeben hatte, auf Jerusalem zurück und rüstete sich zum blutigen Widerstande gegen Pompejus.

138 (6.) Da ihm Pompejus natürlich für seine Rüstungen keine Zeit lassen wollte, so folgte er ihm auf der Stelle, und seine Unternehmungslust verstärkte noch der Tod des Mithradates, der ihm in der Gegend von Jericho gemeldet wurde. In diesem Landstrich befindet sich der fetteste Boden Judäas, der eine reiche Fülle von Palmen und Balsam hervorbringt. Letzteren gewinnt man dadurch, dass man den unteren Theil der Stämme an der Oberfläche mit scharfen Steinen aufritzt, worauf an den Schnittstellen der Balsam ausschwitzt. 139 Nachdem Pompejus an diesem Platze eine Nacht gelagert hatte, eilte er beim Morgenroth gegen Jerusalem hinauf. Von seinem Anmarsch eingeschüchtert, kam ihm Aristobulus gnadeflehend entgegen und beschwichtigte durch das Angebot von Geldsummen, wie auch durch die Zusicherung der Uebergabe Jerusalems und seiner eigenen Person den Groll des Pompejus. 140 Er konnte jedoch nicht einen einzigen Punkt von seinen Versprechungen durchführen, da seine Parteigänger den zur Abholung des Geldes abgesandten Gabinius nicht einmal die Stadt betreten ließen.


Siebentes Capitel.
Pompejus erstürmt Jerusalem.

141 (1.) Im Zorne darüber behielt Pompejus den Aristobulus in Haft und zog vollends an die Stadt heran. Hier hielt er nun zunächst Umschau, auf welchem Punkte er stürmen sollte, da er sofort die Wahrnehmung machen musste, dass mit den festen Mauern schwer etwas anzufangen, die Schlucht vor ihnen geradezu entsetzenerregend und auch das Heiligthum jenseits des Thales auf das stärkste ummauert war, so dass es selbst nach dem Falle der Stadt noch für die Feinde eine zweite Zufluchtsstätte abgeben konnte.

142 (2.) Während er nun lange Zeit rathlos hin und her dachte, riss unter den Juden in der Stadt eine Spaltung ein, indem die [28] Freunde des Aristobulus den Kampf gegen die Römer und die Befreiung des Königs forderten, die Anhänger des Hyrkan aber dem Pompejus die Thore öffnen wollten. Die Zahl der letzteren wurde besonders durch die Furcht verstärkt, welche der Anblick der strammen militärischen Ordnung auf Seite der Römer unter den Juden hervorrief. 143 Die Partei des Aristobulus unterlag und zog sich aus den Tempel zurück. Die von demselben nach der Stadt führende Brücke riss man ein und machte sich zum verzweifeltsten Widerstande bereit. Da die anderen Juden sich erbötig machten, die Römer in die Stadt hineinzulassen und ihnen den königlichen Palast zu übergeben, so befahl Pompejus einem seiner Unterfeldherrn, namens Piso, mit einer Truppenabtheilung zur Besetzung dieser Oertlichkeit in die Stadt einzurücken. 144 Piso versicherte sich zuerst der wichtigsten Punkte der Stadt und traf dann, weil er auch nicht einen von denen, die sich in den Tempel geflüchtet hatten, zu einem friedlichen Vergleiche bewegen konnte, auf allen Punkten in der Runde seine Vorbereitungen zur Belagerung, wobei ihm die Parteigänger des Hyrkan jede geistige und physische Unterstützung zutheil werden ließen.

145 (3.) Pompejus selbst unternahm es, mit dem vom Heere zusammengebrachten Materiale den Graben und die ganze Schlucht auf der Nordseite des Tempels aufzuschütten. Die Ausfüllung gestaltete sich aber wegen der unermesslichen Tiefe und wegen des Widerstandes der Juden, die von den Zinnen herab das Werk auf jede Weise zu stören suchten, sehr schwierig, 146 so dass wohl die ganze Mühe der Römer erfolglos geblieben wäre, wenn nicht Pompejus die Sabbathstage, an denen die Juden aus religiöser Gewohnheit an keine Arbeit Hand anlegen, abgepasst und an diesen Tagen den Damm gebaut hätte. Zu gleicher Zeit hielt er an diesen Tagen die Soldaten vom Handgemenge mit den Juden zurück, weil die Juden für Leib und Leben, aber nur für dieses, auch am Sabbath kämpfen dürfen. 147 Endlich war die Schlucht ausgefüllt, und nun befahl er, hohe Thürme auf dem Damme aufzustellen, wie auch die aus Tyrus herbeigeschafften Belagerungsmaschinen an die Mauer zu rücken, um sie gegen dieselbe spielen zu lassen, während die Steinschleudergeschütze diejenigen verscheuchen mussten, welche von oben herab die Wirkung der Maschinen hindern wollten. Die auf dieser Seite befindlichen Festungsthürme widerstanden jedoch sehr lange, weil sie von hervorragender Größe und Schönheit waren.

148 (4.) Hier hatte nun Pompejus unter den vielfachen und argen Mühen, die seine Römer auszustehen hatten, Gelegenheit, die Juden wegen ihrer sonstigen Ausdauer, ganz besonders aber darum aufs [29] höchste zu bewundern, weil sie, von einem Hagel von Geschossen eingehüllt, auch nicht die kleinste Ceremonie ihres Gottesdienstes unterließen. Denn gerade so, als wenn noch tiefer Friede die Stadt umfangen hielte, wurden die täglichen Opfer und die Opfer für die Reinigung und alle anderen Acte der Verehrung Gott dem Herrn mit aller Genauigkeit und Vollständigkeit entrichtet. Standen sie ja doch nicht einmal während der Erstürmung selbst, als das Mordgewühl schon um den Brandopferaltar tobte, von den gesetzlichen täglichen Verrichtungen des Opferdienstes ab! 149 Im dritten Monate der Belagerung drangen nämlich die Römer, nachdem sie mit harter Mühe einen der Thürme niedergeworfen hatten, in das Heiligthum ein. Der erste, der es wagte, die Mauer zu ersteigen, war ein Sohn des Sulla, Faustus Cornelius, ihm nach stürmten zwei Centurionen, Furius und Fabius, gefolgt von ihren Abtheilungen, welche die Juden von allen Seiten fassten und zum Theile schon auf ihrer hellen Flucht in den Tempel begriffen, zum Theil nach einem nur kurzen Widerstande auf der Stelle niederhieben.

150 (5.) In diesem Augenblick war es nun, wo viele Priester, als sie schon die feindlichen Soldaten mit blanken Schwertern auf sich losstürmen sahen, ganz kaltblütig bei ihrem heiligen Dienste aushielten: gerade beim Ausgießen des Trankopfers und bei der Darbringung des Räucherwerkes wurden sie selbst hingeopfert, so dass sie in Wahrheit dem Dienste der Gottheit ihr eigenes Leben nachsetzten! Die meisten Menschen wurden übrigens damals durch die jüdische Gegenpartei getödtet, und zahllose Juden stürzten sich selbst von den steilen Abhängen hinunter. Einige steckten in wahnsinniger Verzweiflung die um die Tempelmauer sich hinziehenden Gebäude in Brand und starben den Flammentod. 151 So fielen auf Seite der Juden 12.000 Menschen, bei den Römern dagegen gab es nur sehr wenige Todte, wohl aber eine größere Anzahl von Verwundeten.

152 (6.) Kein Schlag aber traf damals unter all’ dem Jammer das jüdische Volk so schwer, wie die Enthüllung des bis dahin verborgen gehaltenen Heiligthums durch die Hand eines fremden Volkes. Pompejus durchschritt nämlich mit seinem Stabe das Tempelhaus und kam selbst dorthin, wo nur dem Hohenpriester der Eintritt gestattet war, wobei er sich alle Gegenstände darinnen, den Leuchterstock mit den Lampen darauf, den Tisch mit den Schalen für das Trankopfer und den Gefäßen für den Weihrauch, alles von massivem Golde, eine Masse aufgehäuften Würzwerkes und den heiligen Schatz im Wette von 2000 Talenten besah. 153 Er rührte aber weder von diesem [30] Gelde noch von den sonstigen Wertgegenständen etwas an, ja er befahl im Gegentheil gleich am folgenden Tage nach der Eroberung den Tempeldienern, das Heiligthum zu reinigen, ließ auch die herkömmlichen Opfer darbringen und setzte den Hyrkan wieder in seine hohepriesterliche Würde ein, weil er sich nicht bloß bei der Belagerung sehr dienstfertig erwiesen, sondern auch das Volk aus dem Lande, das schon mit Aristobulus gemeinschaftliche Sache im Kampfe machen wollte, von diesem abwendig gemacht hatte. Infolge dieses Benehmens zog er das Volk mehr durch Liebe als durch Furcht auf seine Seite, was man übrigens auch von einem trefflichen General erwarten konnte. 154 Unter anderen Personen, die in Gefangenschaft geriethen, war auch der Schwiegervater des Aristobulus, der zugleich sein Oheim war, aufgegriffen worden. Jene, welche die Hauptschuld am Ausbruch des Krieges trugen, ließ nun Pompejus mit dem Beile enthaupten, während er den Faustus und seine wackeren Kampfgenossen mit herrlichen Siegespreisen beschenkte. Dem Lande, wie der Stadt Jerusalem schrieb er eine Steuer vor.

155 (7.) Pompejus entzog auch der jüdischen Nation jene Städte wieder, welche sie in Cölesyrien erobert hatte, und stellte sie unter die Aussicht des für dieses Gebiet eigens bestimmten Generals, indes er die Juden auf ihre ursprünglichen Grenzen verwies. So baute er auch das von den Juden zerstörte Gadara auf die Fürsprache eines seiner Freigelassenen, namens Demetrius, der von Gadara stammte, wieder auf 156 und machte von den Juden die folgenden im Innern des Landes gelegenen Städte, soweit sie nicht schon früher von ihnen dem Erdboden gleich gemacht worden waren, unabhängig: Hippus, Scythopolis, Pella, Samaria und Marissa, außerdem noch Azotus, Jamnia und Arethusa, wie auch die Küstenstädte Gaza, Joppe, Dora und das ehemals Stratonsthurm genannte, später aber von dem König Herodes durch die herrlichsten Bauten fast neugeschaffene und neubenannte Cäsarea. 157 Alle diese Städte gab er den eingesessenen Bürgern zurück und stellte sie unter die Oberherrschaft der syrischen Provinz, deren Verwaltung er nebst Judäa und den Länderstrecken bis Aegypten hinab und bis zum Euphrat hinauf unter dem Schutze von zwei Legionen dem Scaurus anvertraute. Darauf eilte er selbst über Cilicien nach Rom, gefolgt von dem gefangenen Aristobulus und seinen Kindern. 158 Letzterer hatte nämlich zwei Töchter und zwei Söhne, von denen der eine, Alexander, auf dem Wege entspringen konnte, der jüngere, Antigonus, aber mit den Schwestern nach Rom geführt ward.

[31]
Achtes Capitel.
Kampf der Römer gegen Alexander unter Gabinius, Crassus und Cassius.

159 (1.) Unterdessen machte Scaurus einen Einfall in Arabien, bei dem er zwar nach der Hauptstadt Petra wegen der schwierigen Terrainverhältnisse nicht vordringen konnte, dafür aber die Gegenden ringsumher weit und breit verwüstete. Freilich konnte auch das letztere nur unter großen eigenen Beschwerden geschehen, da das Heer Hunger leiden musste, weshalb ihm Hyrkan zu Hilfe kam und durch Antipater Proviant schicken ließ. Da Antipater mit Aretas gut bekannt war, benützte ihn Scaurus auch zu einer Gesandtschaft an den König, um diesen zu bewegen, sich mit einer Geldsumme den Krieg vom Halse zu schaffen. Der Araber ließ sich in der That bestimmen, 300 Talente herzugeben, und damit zufrieden, führte Scaurus sein Heer wieder aus Arabien fort.

160 (2.) Mittlerweile war es aber auch dem Sohne des Aristobulus, Alexander, der dem Pompejus entsprungen war, mit der Zeit gelungen, eine bedeutende Mannschaft zusammenzubringen, womit er dem Hyrkan arg zusetzte und Judäa durchstreifte. Ja er hätte aller Wahrscheinlichkeit nach bald seiner Herrschaft ein Ende bereitet, da er sogar in Jerusalem seinen Einzug halten konnte und sich schon daran wagte, die von Pompejus niedergelegte Mauer wieder aufzurichten, wenn nicht Gabinius, der nach Syrien gesandte Nachfolger des Scaurus, zu den vielen sonstigen Ruhmesblättern seiner Tapferkeit auch noch seine rasche Expedition gegen Alexander gefügt hätte. 161 Mit Besorgnis betrachtete dieser seinen Anmarsch und suchte sein Heer noch bedeutend zu verstärken, bis es auf 10.000 Schwerbewaffnete und 1500 Reiter stieg, während er gleichzeitig die strategisch wichtigsten Punkte, wie Alexandrium, Hyrkanium und Machärus gegen die Berge Arabiens hin mit neuen Befestigungswerken versah.

162 (3.) Gabinius schickte einstweilen den Marcus Antonius mit einem Theile der Truppen voraus, um mit der Hauptmacht erst später nachzukommen. Die Elitetruppen des Antipater mit den übrigen Streitkräften der Juden, die Malchus und Peitholaus befehligten, stellten sich auf diesem Zuge gegen Alexander vollständig dem Stabe des Marcus Antonius zur Verfügung. Und nicht lange, so erschien auch Gabinius mit dem eigentlichen Schlachtheer. 163 Den so vereinigten feindlichen Kräften bot Alexander gar nicht erst die Spitze, sondern wich vor ihnen zurück, ward aber, schon nahe bei Jerusalem, zum Schlagen gezwungen und musste sich, nachdem er in der Schlacht 6000 Mann eingebüßt hatte, von denen 3000 am Platze blieben, [32] 3000 aber gefangen genommen wurden, mit dem Reste in die Veste Alexandrium werfen.

164 (4.) Als nun Gabinius vor Alexandrium erschien und ein großes befestigtes Lager vor der Veste antraf, versuchte er vor dem Angriff durch die Zusicherung der Verzeihung für den früheren Abfall die Gegner zu gewinnen. Da sie aber gar keine Vernunft annehmen wollten, so machte er viele nieder und jagte die übrigen hinter die Festungsmauer zurück. 165 Bei diesem Kampfe focht namentlich der Befehlshaber Marcus Antonius mit der größten Auszeichnung, ein Mann, der sich zwar überall ruhmvoll gehalten hatte, nirgends aber so, wie hier! Gabinius ließ alsdann bei der Festung eine Abtheilung zurück mit der Aufgabe, dieselbe vollends zu nehmen, und zog selbst das Land auf und ab, um den der Zerstörung entgangenen Städten eine geordnete Verwaltung zu geben, die verwüsteten aber wieder aufzubauen. 166 Auf seinen Befehl wurden bei dieser Gelegenheit Scythopolis, Samaria, Anthedon, Apollonia, Jamnia, Raphia, Marissa, Adoreus, Gamala, Azotus und noch viele andere Städte unter dem freudigen Zulauf der betreffenden früheren Bewohner wieder bevölkert.

167 (5.) Nachdem Gabinius diesen Angelegenheiten seine Sorgfalt gewidmet hatte, kehrte er wieder nach Alexandrium zurück und betrieb die Belagerung so energisch, dass Alexander jetzt an Allem verzweifelte und einen Parlamentär an ihn abschickte mit der Bitte um Vergebung für das Vergangene und mit dem Angebot der Uebergabe jener Befestigungen, die bei ihm noch ausgehalten hatten, nämlich Hyrkanium und Machärus. Nach Annahme seiner Unterwerfung lieferte er dem Gabinius auch Alexandrium aus. 168 Alle diese Vesten ließ Gabinius, namentlich auf Betreiben von Alexanders eigener Mutter, die besorgt um das Schicksal des gefangenen Gatten und ihrer anderen Kinder in Rom den Gabinius zu besänftigen gekommen war, demolieren, damit sie nicht etwa noch einem zweiten Kriege zum Ausgangspunkt dienen könnten. 169 Alsdann führte Gabinius den Hyrkan wieder in Jerusalem ein und übergab ihm die Sorge für das Heiligthum, während er selbst die sonstige öffentliche Verwaltung auf Grund einer aristokratischen Regierungsform ordnete. 170 Er theilte ferner das ganze Volk in fünf Gerichtsbezirke: den ersten Theil schlug er zu Jerusalem, den zweiten zu Gadara, der dritte sollte nach Amathus gehören, der vierte Jericho zugewiesen sein und für den fünften Bezirk wurde Sepphoris, eine Stadt in Galiläa, als Mittelpunkt bezeichnet. Sehr gerne ließen sich übrigens die Juden nach der Befreiung von der Zwingherrschaft eines Einzigen fortan von einer aristokratischen Regierung leiten.

[33] 171 (6.) Aber nicht lange darnach wurde für sie die Flucht des Aristobulus aus Rom eine Quelle von neuen Wirren, da der Flüchtling aufs neue viele Juden zu einem Aufstand organisierte, von welchen die einen sich nur nach einer Umwälzung sehnten, die anderen aber von einer alten Anhänglichkeit an ihn sich leiten ließen. Vor allem besetzte er Alexandrium und suchte seine Befestigungen wieder herzustellen. Er musste sich aber auf die Kunde, dass Gabinius unter den Befehlen des Sisenna, Antonius und Servilius ein Heer gegen ihn aufgeboten habe, auf Machärus zurückziehen. Auf diesem Marsche schaffte er sich auch den zum Schlagen unfähigen Menschentross vom Halse 172 und ließ nur die Schwerbewaffneten in der Zahl von 8000 mitziehen, darunter auch den Unterfeldherrn Peitholaus aus Jerusalem, der mit 1000 Mann zu ihm übergegangen war. Da aber die Römer dem Aristobulus schon auf der Ferse waren, kam es früher zu einer Schlacht, in welcher die Leute des Aristobulus sich im heldenmüthigsten Kämpfe lange Zeit behaupteten, bis sie endlich, von den Römern überwältigt, mit 5000 Leichen die Walstatt deckten. Bei 2000 gelang es, eine Anhöhe im Rücken zu gewinnen, während sich die letzten 1000 Mann mit Aristobul durch die römischen Schlachtreihen durchschlagen und auf Machärus werfen. 173 Hier lagerte der König die erste Nacht unter den Ruinen und wiegte sich noch immer in der Hoffnung, falls ihn der Feind nur ein wenig verschnaufen ließe, ein zweites Heer zusammenzubringen. Die Veste setzte er zur Noth in Stand. Doch fielen die Römer zu schnell über ihn her, und so konnte er sich mit fast übermenschlicher Anstrengung nur während zweier Tage halten, ward gefangen genommen und mit seinem Sohne Antigonus, der mit ihm aus Rom geflohen war, in Ketten zu Gabinius gebracht, von Gabinius aber wieder nach Rom geschickt. 174 Den Vater ließ nun der Senat wieder in Haft setzen, die Kinder dagegen konnten nach Judäa zurückkehren, weil Gabinius in einem Schreiben dem Senate mitgetheilt hatte, dass er das Letztere der Gattin des Aristobulus als Gegenleistung für die Uebergabe der Festungen zugesagt habe.

175 (7.) Als sich dann Gabinius anschickte, gegen die Parther zu Felde zu ziehen, kam ihm gerade Ptolemäus in die Quere, da er seinetwegen vom Euphrat wieder zurückkehren musste, um ihn wieder auf den ägyptischen Thron zu bringen. Auf diesem Zuge nun fand er in Hyrkan und Antipater in jeder Beziehung treffliche Stützen, indem namentlich Antipater sowohl Geldmittel als Waffen und Proviant, wie auch Hilfstruppen herbeischaffte und außerdem die ägyptischen Juden, welche die Pässe von Pelusium zu bewachen hatten, beredete, [34] den Gabinius hier durchzulassen. 176 Infolge dieser Entfernung des Gabinius war indes ganz Syrien in Gährung gerathen, und dies benützte Alexander, der Sohn des Aristobulus, um auch die Juden wieder zum Abfall zu bewegen. Er brachte ein sehr großes Heer auf die Beine und war schon fest entschlossen, alle im Lande befindlichen Römer auszurotten. 177 Schon war aber auch Gabinius von Aegypten her zur Stelle, da die in Syrien ausgebrochenen Unruhen ihn zur höchsten Eile gedrängt hatten, und nicht ohne Besorgnis darüber schickte er an einige Häupter des Aufstandes den Antipater voraus, der sie auch umstimmte. Immerhin blieben bei Alexander noch 30.000 Streiter, mit denen es Gabinius aufzunehmen beschloss. So brach er denn zur Entscheidungsschlacht auf, die Juden ihm entgegen. Am Berg Itabyrium stießen die Heere aufeinander: 10.000 Juden blieben am Schlachtfelde, und die übrige Masse ward in die Flucht gesprengt. 178 Gabinius besuchte hierauf Jerusalem, bei welcher Gelegenheit er die Regierung ganz nach dem Wunsche Antipaters gestaltete. Von da brach er dann gegen die Nabatäer auf und besiegte sie in offener Feldschlacht. Um diese Zeit ließ er auch den Mithradates und Orsanes, die sich aus Parthien hatten flüchten müssen, heimlich frei, indes er im Lager das Gerücht aussprengen ließ, dass sie ihm entkommen seien.

179 (8.) Mittlerweile kam Crassus ihn abzulösen und die Verwaltung Syriens zu übernehmen. Dieser raffte für den Partherkrieg alles Gold, das er im Tempel zu Jerusalem fand, zusammen und nahm auch die 2000 Talente weg, die Pompejus unangetastet gelassen hatte. Kaum aber war er über den Euphrat gegangen, als er mit seinem ganzen Heere vernichtet wurde. Die Erzählung des näheren Verlaufes ist übrigens hier nicht am Platze.

180 (9.) Die Parther wälzten sich nun über den Euphrat heran, um in Syrien einzudringen. Doch gelang es Cassius, der sich noch aus der Schlacht nach dieser Provinz hatte flüchten können, die Feinde daraus zurückzuschlagen. Nachdem er die Provinz wieder vollständig gewonnen hatte, eilte er nach Judäa, wo er Tarichää eroberte und bei diesem Anlass 30.000 Juden in die Sclaverei verkaufte. Er ließ jetzt auch den Peitholaus, der die früheren Parteigänger des Aristobulus zu einem neuen Aufstande zu organisieren gesucht hatte, hinrichten, eine Blutthat, zu der ihm Antipater den Rath gegeben hatte. 181 Letzterer war mit einer Frau aus den vornehmsten Familien Arabiens, namens Cyprus, verheiratet und hatte von ihr vier Söhne: Phasaël und den späteren König Herodes, außerdem Josephus und Pheroras, ferner eine Tochter, namens Salome. In naher [35] Beziehung zu den einflussreichsten Persönlichkeiten allerorts mittels der Bande der Freundschaft und Gastlichkeit, hatte er sich ganz besonders den Araberkönig durch die Heirat mit seiner Verwandten verbunden und durfte sogar, als er den Kampf gegen Aristobulus unternahm, seine Kinder zu ihrer persönlichen Sicherheit ihm zuschicken. 182 Nachdem Cassius auch noch den Alexander zu einem friedlichen Abkommen gezwungen hatte, kehrte er an den Euphrat zurück, um die Parther an einer feindlichen Ueberschreitung des Stromes zu hindern. Doch darüber bei anderer Gelegenheit.


Neuntes Capitel.
Untergang des Atistobulus und Alexander. Antipaters Gunstbewerbung bei Cäsar.

183 (1.) Als Cäsar nach der Flucht des Pompejus und des Senates über das ionische Meer sich der Stadt Rom und der Weltherrschaft bemächtigt hatte, gab er dem gefangenen Aristobulus die Freiheit und schickte ihn an der Spitze von zwei Legionen nach Syrien, weil er durch dessen Persönlichkeit diese Provinz, wie auch das ganze Gebiet von Judäa auf eine leichte Weise an sich zu ziehen hoffte. 184 Der Neid war aber schneller, als der Eifer des Aristobulus und die hoffnungsvollen Pläne Cäsars. Ersterer wurde nämlich von heimlichen Anhängern des Pompejus vergiftet und hatte die längste Zeit nicht einmal eine Grabstätte in heimatlicher Erde, sondern ward nur als Leiche in Honig conserviert, bis Antonius ihn nach Judäa schicken und in den königlichen Grüften bestatten ließ.

185 (2.) Auch sein Sohn Alexander fand ein elendes Ende unter dem Beile des Scipio, der ihn zu Antiochia auf die schriftliche Weisung des Pompejus hin und nach vorgängiger peinlicher Klage wegen seiner staatsverbrecherischen Haltung gegen die Römer enthaupten ließ. Seine Geschwister wollte der Fürst von Chalcis am Fuß des Libanon, Ptolemäus, der Sohn des Mennäus, zu sich nehmen und schickte in dieser Absicht seinen Sohn Philippion zu ihnen nach Askalon, 186 der nun gegen den Willen der Gattin des Aristobulus den Antigonus und seine Schwestern zu seinem Vater brachte. Er heiratete hierauf die jüngere Schwester, zu der er eine tiefe Neigung gefasst hatte, ward aber auf dieses hin vom eigenen Vater aus Eifersucht ermordet, der dann über die Leiche seines Sohnes selbst zur Hochzeit mit Alexandra schritt. Mit Rücksicht auf diese Verbindung behandelte er wenigstens ihre Geschwister mit besonderer Aufmerksamkeit.

187 (3.) Antipater hatte nach der Ermordung des Pompejus die Partei gewechselt und bewarb sich jetzt um die Gunst Cäsars. Als [36] es sich nun eben traf, dass Mithradates von Pergamum mit seiner Streitmacht, die er nach Aegypten führen sollte, zu schwach, die Pässe von Pelusium zu durchbrechen, in Askalon aufgehalten wurde, da bewog Antipater die Araber durch den Hinweis auf seine nahen Beziehungen, dem Mithradates zu Hilfe zu kommen, während er selbst mit beiläufig 3000 schwerbewaffneten Juden herbeigeeilt kam. 188 Auch die Fürsten in Syrien spornte er zur Hilfeleistung an, ebenso den Ptolemäus und Jamblichus, die am Libanon ihre Sitze hatten und nach deren Beispiele auch die dort befindlichen Städte sich von freien Stücken für die Theilnahme am Kampfe entschieden. 189 Mithradates gewann jetzt infolge dieser Verstärkung, die ihm nur aus Rücksicht für Antipater zutheil geworden war, neue Zuversicht und brach gegen die Stadt Pelusium auf, die er nun, weil sie ihm den Durchmarsch nicht gestatten wollte, zu belagern begann. Auch hier kämpfte Antipater, als es zum Sturme kam, mit höchster Auszeichnung, indem er auf der ihm zugetheilten Stelle die erste Bresche in die Mauer legte und an der Spitze der Seinen auch als der erste in die Stadt hineinstürmte.

190 (4.) Pelusium war nun allerdings erobert, aber auf dem weiteren Vormarsch bereiteten ihnen die ägyptischen Juden, welche das nach Onias benannte Gebiet bewohnten, neue Hindernisse. Jedoch brachte sie Antipater dahin, dass sie nicht bloß keinen Widerstand leisteten, sondern sogar die erforderlichen Lebensmittel dem Heere lieferten, was zur Folge hatte, dass nicht einmal die Bewohner von Memphis den Kampf aufnahmen, sondern unaufgefordert zu Mithradates übertraten. 191 Bereits hatte dieser auf solche Weise das Delta umzogen, als er mit der übrigen Hauptmacht der Aegypter zum Entscheidungskampfe bei dem Orte, der den Namen Judenlager führt, zusammenstieß. In dieser Schlacht schwebte Mithradates mit seinem ganzen rechten Flügel in großer Gefahr und ward nur von Antipater durch eine Umgehung der Feinde längs des Nilufers noch herausgerissen. 192 Mit dem Commando des linken Flügels betraut, hatte nämlich Antipater zuerst die ihm gegenüberstehende Abtheilung des Feindes geworfen und fiel dann über jene Aegypter her, die bereits auf der Verfolgung des Mithradates begriffen waren, hieb eine Masse von ihnen nieder und setzte den übrigen so weit nach, dass er sogar ihr Lager erstürmte: Das alles mit dem geringen Verluste von 80 Leuten, während Mithradates auf seiner Flucht allerdings gegen 800 Mann verloren hatte. So wider alles Erwarten glücklich gerettet, gab auch der letztere Cäsar gegenüber ohne jede neidische Nörgelei den Waffenthaten Antipaters das schönste Zeugnis.

[37] 193 (5.) Cäsar bestärkte noch den Mann durch Lobeserhebungen und glänzende Aussichten in dem Entschlusse, neue Wagnisse für seine Sache zu unternehmen. Antipater zeigte sich in allen diesen Unternehmungen als einen äußerst verwegenen Krieger und, vielfach verwundet, hatte er zuletzt am ganzen Körper die Spuren seiner militärischen Tapferkeit. 194 Als dann Cäsar nach Herstellung der Ruhe in Aegypten wieder nach Syrien kam, zeichnete er ihn mit der Verleihung des römischen Bürgerrechtes und der Abgabenfreiheit aus und machte ihn durch die sonstigen Beweise seiner Hochachtung und Freundschaft, die er ihm schenkte, zu einer wahrhaft beneidenswerten Persönlichkeit. Aus Rücksicht auf Antipater bestätigte er auch den Hyrkan in seinem hohenpriesterlichen Amte.

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Juedischer Krieg
Buch I 10-18 »
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