Herzen (Die Gartenlaube 1855)

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Titel: Herzen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 187–188
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Erzählung von Alexander Herzen
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[187] Herzen, in seinem jüngst erschienenen Buche über Rußland schreibt: Ein junger Offizier erzählte mir, daß er im Jahre 1831 den Befehl hatte, einen polnischen Gutsbesitzer, den man beschuldigte, mit den Emissairen Verkehr zu haben, und der sich in der Nachbarschaft seines Guts versteckt hielt, aufzusuchen. Nachdem er gehörige Erkundigungen eingezogen hatte, begab er sich an den Ort, wo der Gutsbesitzer sein sollte, umringte mit seiner Compagnie das Haus und ging selbst mit zwei Gensd’armen hinein. Das Haus war leer; sie gingen durch alle Zimmer, durchwühlten alle Winkel – Niemand war zu finden. Und doch bewiesen manche Kleinigkeiten, daß das Haus unlängst bewohnt worden war. – Der Offizier ließ beide Gens’darmen unten und ging selbst ein zweites Mal hinauf auf den Dachboden, untersuchte ihn aufmerksam und fand eine kleine Thüre, die in irgend eine Vorrathskammer führte. Die Thüre war von innen zugemacht. Er stieß mit dem Fuß dagegen, sie that sich auf, und eine hochgewachsene, schöne Frau stand vor ihm. Schweigend zeigte sie auf einen Mann, der ein zwölfjähriges, fast bewußtloses Mädchen in seinen Armen hielt. Das war der [188] Gutsbesitzer und seine Familie. – Der Offizier war bestürzt. Die edel aussehende Frau bemerkte dieses und sagte:

„Werden Sie wohl so grausam sein, uns zu Grunde zu richten?“

Er entschuldigte sich, brachte die gewöhnlichen leeren Phrasen über Pflicht und unbedingten Gehorsam vor, und zuletzt, außer sich, daß seine Worte nicht die geringste Wirkung hatten, sagte er:

„Was soll ich denn thun?“

Die Frau sah ihn stolz an und sagte mit der Hand auf die Thüre zeigend.

„Hinunter gehen und sagen, daß Niemand hier ist.“

„Bei Gott, ich weiß nicht wie mir geschah und wie es kam, sagte der Offizier, – ich ging hinunter und ließ die Compagnie zusammenrufen. Zwei Stunden später suchten wir den Gutsbesitzer auf’s Eifrigste an einem anderen Ort. Er soll nachher über die Grenze entflohen sein. – „Herr,“ schloß der Offizier, „das war eine Frau!“