Herzog Maximilian von Baiern und die Kaiserkrone

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Textdaten
<<< >>>
Autor: Felix Stieve
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Herzog Maximilian von Baiern und die Kaiserkrone
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 6 (1891), S. 40–77.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Freiburg i. Br
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[40]
Herzog Maximilian von Baiern und die Kaiserkrone.
Von
Felix Stieve.


Zwei Arten der Geschichtsschreibung sind vorzugsweise im Brauch: die quellenmässig statistische und die construirende. Die erste sucht die Thatsachen mit philologischer, oft äusserst scharfsinniger, aber nicht selten an der Oberfläche haften bleibender Kritik aus den Quellen festzustellen und reiht sie der Zeitfolge nach aneinander, ohne weiter nach ihrem Ursprunge und Zusammenhange zu fragen, als die Antwort in den Quellen ausdrücklich gegeben ist. Die zweite dagegen legt sich die geschichtlichen Entwicklungen und das Wirken der geschichtlichen Persönlichkeiten nach bestimmten, mehr oder minder willkürlich gewählten Gesichtspunkten zurecht und benutzt dabei die Quellen nur insoweit oder nur in dem Sinne, wie es ihrer Auffassung entspricht.

Beide Weisen dürften nicht zu voller Befriedigung des nach lebenswahrer Geschichtskenntniss Lechzenden führen. Die eine dringt nicht in den Kern der Dinge ein und übersieht vor lauter Quellenmässigkeit, dass oft das Wichtigste nicht in den Quellen gesagt wird, dass der Berichterstatter nicht selten die Erzeugnisse seines Denkens oder seiner Einbildungskraft als Thatsachen hinstellt und dass auch ein Zeitgenosse, welcher sehr gut unterrichtet sein könnte, es oft nicht ist und Unwahres erzählt, weil der Trieb, die geschichtliche Wahrheit festzustellen und zu überliefern, in weiten Zeiträumen gefehlt [41] hat[1]. Die construirende Geschichtschreibung aber wird in der Regel einseitig und häufig willkürlich; die unendliche Mannigfaltigkeit der im Leben der Völker und der Einzelnen wirkenden Kräfte tritt nicht in die Betrachtung und die Persönlichkeiten erscheinen nicht in ihrer Eigenart, sondern nur als – mitunter geradezu automatenhafte – Vertreter von Bewegungen und Gedanken, oder werden mit der umfassenden Einsicht und dem zielbewussten Streben, welche dem späteren Geschichtschreiber selbst eigen sind, ausgestattet[2].

Vielleicht möchte es sich daher empfehlen, die Forschungsweise der Naturwissenschaften auch auf die Geschichte anzuwenden. Ich meine hiermit nicht jene angeblich naturwissenschaftliche Methode, welche jedes Zielstreben, jeden einheitlichen Fortschritt in den Entwicklungen leugnet; diese Methode ist doch im Grunde wohl nichts anderes als das alte theologisch-philosophische Recept in verneinender Ausfertigung und sie urtheilt über eine Frage, welche der menschliche Verstand vermuthlich nie zu entscheiden im Stande sein wird. Ich denke auch nicht an jene Methode, welche die Naturentwicklung durch innere Gesetze unabweichbar und mit zwingender Nothwendigkeit bestimmt werden lässt, denn für die Geschichte erscheint die Annahme einer solchen Gesetzmässigkeit durch die Thatsache der menschlichen Willensthätigkeit ausgeschlossen. Was ich im Auge habe, ist vielmehr die empirische Forschungsweise, die Methode, ganz voraussetzungslos in die Untersuchung einzutreten und erst auf Grund möglichst zahlreicher, durch prüfende Beobachtung gewonnener Thatsachen Schlüsse zu ziehen, dann aber auch sich nicht mehr durch „Autoritäten“ binden zu lassen und die Erscheinungen in ihrer Ganzheit und in ihrem organischen Zusammenhange mit anderen aufzufassen. Wie diese Methode den Naturwissenschaften ihre grossartigen Erfolge verlieh, so würde sie wohl auch der Geschichte reiche Früchte zeitigen und [42] dieselbe der vollen Erkenntniss der Wahrheit und insbesondere dem Verständnisse der Persönlichkeiten, deren Individualität denn doch wohl, wie O. Lorenz in seinen geistreichen Büchern über die Geschichtswissenschaft betont, das wichtigste Element in den Entwicklungen bildet, näher bringen.

Der Gedanke, die naturwissenschaftliche Methode der Geschichtsforschung anzueignen, ist ja nun keineswegs neu und grundsätzlich dürfte seine Berechtigung sogar allgemein anerkannt sein. Mit seiner Verwirklichung ist indess nur selten rechter Ernst gemacht worden. Diese setzt ja äusserst mühsame und ausgedehnte Vorarbeiten voraus und macht desshalb zugleich die rasche Gewinnung und Veröffentlichung von Ergebnissen unmöglich. Sie erheischt ferner eine starke Zurückdrängung der Individualität des Forschers und wehrt den Genuss, grosse Zeiträume mit kühnem Fittig zu durchfliegen und die frisch aufschwellende Gedankenfluth in vollem Gusse ausströmen zu lassen. Obendrein ist sie auch durch die Befähigung, sich ganz in fremde Gedankenkreise und Persönlichkeiten einzuleben, bedingt, und diese Gabe lässt sich nicht durch den Drill eines wohlgeleiteten Seminars erwerben, sondern muss angeboren sein und durch mühselige Selbstzucht entwickelt werden. Endlich erfordert sie, obwohl ihre feste Grundlage durch die Erforschung von Einzelheiten gewonnen wird, eine gewisse Vertrautheit mit der ganzen Geschichte und mit dem menschlichen Leben, denn erst aus dem Vergleich mit den Erscheinungen in diesem und in jener kann das volle und sichere Verständniss für die Vorgänge und Persönlichkeiten auch eines enger umgrenzten Schauplatzes erwachsen, ja wo die Quellen dürftig fliessen, wird oft ausschliesslich der Parallelismus in der Menschheitsentwicklung den Schlüssel zur inneren Werkstätte der Geschichte bieten.

Aus diesen Gründen, von welchen die einen hier, die anderen dort wirksam waren, möchte es zu erklären sein, dass sowohl die genialen wie die nichtgenialen Geschichtschreiber sich der naturwissenschaftlichen Forschungsweise in der Regel enthalten haben.

Die grössten Schwierigkeiten stellen sich ihrer Anwendung auf dem Gebiete des Alterthums und Mittelalters durch die Dürftigkeit und Einseitigkeit der Quellen entgegen. Nicht geringe Hindernisse findet sie indess auch auf dem Gebiete der neueren und [43] neuesten Geschichte in der ungeheuren Masse und Zerstreutheit des Stoffes. Wer sich ihr dort ergeben will, muss sich zur Zeit von vornherein entsagend bescheiden, lediglich Bausteine zu liefern, aus welchen einst ein genialer Kopf ein nicht nur glänzendes, sondern auch festgefügtes Gebäude umfassender Darstellung aufzuführen vermögen wird. Vorläufig ist ein solches wohl nicht ausführbar, denn man muss doch erst einmal wissen, was geschehen ist und wie die handelnden Persönlichkeiten ihrem Wesen und Denken nach geartet waren, wenn man aus dem willkürlichen Construiren herauskommen will. Es bleibt dem naturwissenschaftlich Forschenden also nichts übrig, als in der verachteten Kaste der „Spezialisten“ zu verharren. Dafür begünstigt aber auch eben die reiche Fülle und Zuverlässigkeit der Quellen sein Verfahren und erleichtert die Gewinnung sicherer Ergebnisse. Ich gestehe daher ungescheut, dass ich mich nach dem geringen Masse meines Könnens und Wissens mit Vergnügen bemühe, auf dem beschränkten Felde meiner Quellenforschungen die naturwissenschaftliche Methode zu befolgen, und weit entfernt, die Ergebnisse meines Strebens für unanfechtbar zu halten, hoffe ich dennoch, den Kärrnerdienst für den Königsbau der Zukunft nicht völlig nutzlos zu verrichten.

Zu seinen Früchten zähle ich die zu den früher herrschenden Anschauungen im Gegensatz stehende Auffassung der Persönlichkeit und Politik des Herzogs und späteren Kurfürsten Maximilian’s I. von Bayern. Für diese ist nun die Angelegenheit, welche ich hier behandeln will, von besonderer Bedeutung.

Trieb nämlich Maximilian, wie ich behauptet habe, bis zum Jahre 1608 lediglich Territorialpolitik im engsten Sinne, so erscheint es befremdlich, dass er sich um die Kaiserkrone bewarb, deren Besitz ihn in der Ordnung der zerrütteten Verhältnisse seines Landes behindern und in unabsehbare Verwicklungen führen musste. Es hat sich mir daher, als ich zuerst über seinen Kaiserplan berichtete[3], die Vermuthung aufgedrängt, dass derselbe von seinem Vater, Wilhelm V., welcher die Regierung 1598 niedergelegt hatte, sich aber auch später noch ab [44] und zu in die politischen Angelegenheiten mischte, ausgegangen sei und dass auch die weitere Betreibung der Sache vorzugsweise durch jenen vielgeschäftigen und mit kurzem Blick nach Vortheil und Ehre für seine Familie suchenden Herrn erfolgt sei.

Diese Annahme wird jetzt durch eine Reihe von Schriftstücken, welche mir erst vor kurzem bekannt wurden[4], vollauf bestätigt, ja es erweist sich, dass Maximilian sich anfangs gegen die Anregung seines Vaters durchaus ablehnend verhielt. Da nun jene Acten auch sonst viel Wissenswerthes mittheilen, möge es mir gestattet sein, hier über ihren Inhalt zu berichten und einige von ihnen zu veröffentlichen.

Im Sommer des Jahres 1600 schickte König Heinrich IV. von Frankreich den Marschall Boisdauphin mit verschiedenen Aufträgen[5] zu Kaiser Rudolf II. Er hegte damals die Absicht, die Kaiserkrone für sich zu erwerben[6] und sein Gesandter suchte daher bei den Reichsfürsten, welche er auf der Hin- oder Rückreise ansprach, Stimmung für seinen Herrn zu machen[7]. Seltsam unvorsichtige Aeusserungen, welche er oder seine Leute in Prag fallen liessen, lenkten aber auch dort die Aufmerksamkeit auf Heinrich’s Absicht und man nahm dieselbe um so ernster, da man Nachricht hatte, dass der König bereits beim Kurfürsten von Trier Schritte zu ihrer Verwirklichung gethan habe. Als nun Boisdauphin heimkehrend von Prag nach München reiste, entstand am kaiserlichen Hofe der Verdacht, dass er den Baierischen Herzog für die Wahl seines Königs bearbeiten wolle, und wie man einmal Vermuthungen nach München zu richten begann, lebte auch der früher schon öfter[8] gehegte Argwohn [45] auf, dass Maximilian für sich selbst nach dem Kaiserthum trachte.

Niemand war misstrauischen Vermuthungen in Bezug auf die Wahlfrage zugänglicher als der Kaiser selbst. Ohne Zweifel geschah es daher auf seinen Befehl, dass man die Anwesenheit eines Baierischen Gesandten, des Hofrats Heinrich v. Haslang[9] zu benutzen suchte, um denselben auszuholen.

Am 16. August besuchte der kaiserliche Geheimrath Johann Hildebrand Mecker[10] den Gesandten ohne jede geschäftliche Veranlassung und sagte nach einleitenden Bemerkungen über einen anderen Gegenstand[11], „die Französischen abgesandten Leute“ hätten, „bei dem Fürstenbergischen Frauenzimmer“[12] öffentlich geäussert, ihr Herr werde zum Römischen Könige erwählt werden; man wisse nun wohl, dass Heinrich insbesondere mit dem Kurfürsten von Trier stark habe verhandeln lassen, hoffe jedoch, dass Herzog Maximilian die Krone viel eher dem Hause Oesterreich als Frankreich gönnen werde; der Herzog selbst sei der einzige Reichsfürst, der nach der Krone trachten oder dafür vorgeschlagen werden könne, indess werde sich ihm vermuthlich der Kurfürst von der Pfalz stark widersetzen.

Haslang erwiderte, dass er weder von der Bewerbung Frankreichs wisse, noch an eine solche von Seite seines Herrn glaube, dagegen gehört habe, dass die Brüder des Kaisers um die Nachfolge stritten, und von diesen werde leicht Einer den Andern [46] hindern können. Mecker stimmte der letzteren Bemerkung bei und fügte hinzu, „es wäre besser, wenn Erzherzog Maximilian Römischer König werden könnte, denn sonst möchte die Krone Böhmen vom Hause Oesterreich kommen“[13].

Zu einer Begründung dieser auffallenden Besorgniss vermochte ihn jedoch Haslang nicht zu bewegen; nachdem er sich überzeugt hatte, dass der Gesandte nichts zu enthüllen habe, brach er das Gespräch ab.

Haslang berichtete über dasselbe sofort nach München[14] und sein Herr, welcher gerade auswärts weilte, forderte seine Geheimräthe zum Gutachten über die Anzapfungen Mecker’s auf. Jene empfahlen ihm darauf, er möge in Prag auf etwaige neue Anfragen ausdrücklich erklären lassen, dass er die Kaiserkrone dem Hause Oesterreich lieber als irgend einem Andern gönne. Offenbar lag ihnen also der Gedanke, dass Maximilian selbst nach der Krone trachten könne, völlig fern. Indem sie aber an die Nachfolgefrage erinnert wurden, kam ihnen zum Bewusstsein, dass deren baldige Ordnung höchst wünschenswerth sei, weil Kaiser Rudolf seit zwei Jahren in wachsendem Masse an Trübsinn und nervöser Erregung litt und sogar sein Leben gefährdet erschien[15]. Sterbe er vor der Neuwahl, meinten sie, so drohe durch den Türkenkrieg und die in Deutschland „emporgehenden Empörungen“ dem Reiche und der katholischen Religion das grösste Unheil, wenn nicht völliger Untergang. Ganz besonders beunruhigte sie die Bewerbung des Französischen Königs. An der Ernsthaftigkeit derselben zweifelten sie nicht, denn Boisdauphin, der inzwischen bei Herzog Maximilian gewesen war, hatte von dem Wunsche seines Herrn Andeutungen gemacht und erwähnt, dass derselbe vor kurzem bei den meisten protestantischen Fürsten Gesandte gehabt habe[16]. Es schien ihnen daher „sonnenklar“, dass er seine Wahl bereits angelegentlich [47] betreibe, und sie fanden die Lage um so bedenklicher, als der König von den Deutschen Protestanten, „hoch ästimirt“ werde und zu einem grossen Kriege rüste. Dass er die Waffen, wie er vorgebe, gegen Savoyen oder für die Holländer erheben wolle, hielten sie nicht für glaublich, weil Boisdauphin versichert habe, dass der Streit mit Savoyen beigelegt sei, und weil der Friede von Vervins noch zu jung sei, als dass Heinrich ihn wieder brechen könne. Gewiss, meinten sie, seien also des Königs Rüstungen „auf nichts anders als auf unverhofften fal futurae successionis angesehen“.

Auf Grund dieser Ausführungen befürworteten nun die Räthe, dass Maximilian die Aeusserungen Boisdauphin’s dem Kaiser durch Courier mittheilen, denselben zur Ordnung der Nachfolge ermahnen und sich erbieten solle, nach äussersten Kräften zu derselben mitzuwirken, ja auf Wunsch Rudolf’s zu eingehender Erörterung der geeigneten Massnahmen persönlich nach Prag zu kommen. Ausserdem empfahlen sie, der Herzog möge, da Boisdauphin erwähnt habe, ein Gesandter seines Oheims, des Kurfürsten Ernst von Köln sei in Paris, um Auskunft über den Zweck dieser Gesandtschaft und um Unterstützung seiner an den Kaiser gerichteten Vorstellungen bitten[17].

Maximilian fand die Angelegenheit so wichtig, dass er, wie er es in solchen Fällen zu thun pflegte, vor seiner Entschliessung durch den Oberstkanzler Donnersberg den Rath seines Vaters einholte[18]. Wilhelm stimmte den Geheimräthen zu und wies Donnersberg an, die beiden vorgeschlagenen Briefe zu verfassen. Nachdem ihm jedoch dieselben[19] vorgelegt worden waren, kamen er, Donnersberg und der inzwischen von Maximilian’s Hoflager nach München zurückgekehrte Hofkanzler Gailkircher überein, dass das Schreiben an den Kaiser zurückzuhalten sei, bis man von Kurfürst Ernst Antwort erhalten habe, da dieser, der sich früher [48] in der Nachfolgesache „vil und heftig bemuet“[20], sich vielleicht beleidigt fühlen werde, wenn sein Neffe ohne seinen Rath vorgehe. Zugleich äusserte nun Herzog Wilhelm den Wunsch, „man mechte in besagtem concept [an Ernst] auslassen, das“ sein Sohn „zur cron nie kain gedanken gehabt und auch noch nit habe“[21].

Aus dem Mitgetheilten erhellt, dass Wilhelm anfangs nicht an eine Bewerbung für Maximilian gedacht hatte und erst bei weiterem Ueberlegen aus sich selbst auf einen Plan zurückgekommen war, den er schon zehn Jahre früher vorübergehend gehegt hatte[22].

Bei Maximilian fand er indess damit keinen Beifall. Der Herzog, welcher auf seinen Vater stets die grösste Rücksicht nahm, tilgte allerdings die von jenem beanstandete Stelle, fügte jedoch dafür zweimal eine gleichbedeutende Wendung ein. Sein Verlangen ging eben damals noch lediglich nach jenen allgemeinen Zielen, welche er seinem Oheim Ernst bezeichnete, indem er ihm versicherte, die Ordnung der Nachfolge werde ihnen und ihrem Hause grosses Verdienst vor Gott, ewigen Dank des Vaterlandes und hohes Ansehen bei Jedermann verschaffen[23].

Als Kaiser Rudolf gleich danach Auskunft über die Werbung Boisdauphin’s, der angeblich Baierns Unterstützung für die Wünsche seines Königs nachgesucht habe, begehrte und Mittheilung weiterer, auf diese Angelegenheit bezüglicher Nachrichten verlangte[24], theilte Maximilian nicht nur alle Aeusserungen des Franzosen getreulich mit, sondern erklärte sich auch unter eifrigen Betheuerungen seiner Treue und Willfährigkeit zu weiterer Verständigung durch einen Vertrauten bereit[25].

[49] Seine Antwort gelangte indess nicht an den Kaiser. Ein eigenhändiger Vermerk Maximilian’s[26] meldet: „Diss schreiben ist Dr. Gailkhirchern, J. Mt. ad manus proprias zu liefern, zugestellt worden. Weil dan Gailkhircher von J. Mt. befelch empfangen, solches nit von seinen handen zu geben, sondern dass es J. Mt. von ihm selbs empfangen welle, also hat er vast in 4 monat zugewart, hernacher abgereist und das schreiben ohnerbrochen wider eingelifert. Weil dan von J. Mt. seither nie angemant worden, also ist es verbliben und nit weitter abgangen.“

Ende September 1600 gedieh Rudolf’s Krankheit zu jenem heftigen Ausbruche, welcher die Entlassung seiner Minister Rumpf und Trautson herbeiführte, ihn nahezu völlig unzugänglich machte und seinen Tod in unmittelbare Nähe zu rücken schien[27]. Ohne [50] Zweifel rührte es daher, dass der Kaiser den Brief Maximilian’s weder in andere Hände gelangen lassen wollte, noch sich zu dessen persönlicher Entgegennahme entschliessen konnte.

Die Steigerung seines Leidens trieb nun aber um so dringender zur Neuwahl und vermehrte die Besorgniss vor einem Zwischenreiche, während sich zugleich zeigte, dass er durchaus abgeneigt sei, irgend einen seiner Brüder zum Römischen Könige erheben zu lassen. Unter diesen Umständen kam man in München auf den Plan, die Deutsche Krone für Maximilian zu erwerben, zurück.

Gewiss gab dazu nicht die – leider nicht erhaltene – Antwort des Kurfürsten von Köln auf die oben erwähnte Anfrage Maximilian’s Anlass; Ernst’s späteres Verhalten schliesst eine solche Vermuthung aus. Maximilian selbst aber dürfte den Gedanken anfangs wiederum bekämpft haben, denn ein Gutachten [51] des Oberstkanzlers Donnersberg[28], welcher sich in der Regel mit den Anschauungen und Absichten seines Herrn vertraut zeigt, sprach sich, die Wahl des Erzherzogs Ferdinand befürwortend, aufs Entschiedenste gegen die Baierische Bewerbung aus und wollte eine solche nur in dem Falle zulassen, wenn die Erhebung eines Oesterreichers unmöglich, dagegen die eines Ausländers oder Ketzers wahrscheinlich sei.

Wir dürfen also annehmen, dass auch diesmal von Herzog Wilhelm die Anregung ausging und dieser es war, welcher den von Donnersberg widerrathenen Entschluss durchdrückte. Hierfür zeugt mit grösstem Gewichte der Umstand, dass in der Folge vorzugsweise Wilhelm, welcher sich sonst politischen Arbeiten stets entzog, und sein Vertrauter, der Geheimrath Ulrich Speer, die Verhandlungen über die Wahlfrage führten[29].

Welche Gründe Maximilian’s Einwilligung erwirkten, erfahren wir nicht. Vielleicht bestimmte ihn überwiegend die Rücksicht auf seinen Vater, indess ging diese doch nicht so weit, dass er sich auf ein Unternehmen eingelassen haben würde, welches ihm unausführbar oder mit den Pflichten seines Fürstenamtes unvereinbar erschienen wäre. Mithin muss er den von Donnersberg vertretenen Anschauungen entsagt haben. Er war ja auch erst 27 Jahre alt und die übergrossen Lasten und Sorgen der Regierung hatten ihm noch nicht Zeit gelassen, sich von der überlieferten Kurzsichtigkeit deutscher Territorialpolitik zu befreien und Verständniss für die Bedeutung der in Deutschland und in Europa wirksamen politisch-kirchlichen Gegensätze zu gewinnen. Anderseits besass der althergebrachte eifersüchtige Groll seines Hauses gegen die Habsburger gerade in seiner Brust besondere Stärke und wie sein hochstrebender Ehrgeiz durch den Glanz der Kaiserkrone gelockt werden mochte, so dünkte es vielleicht seinem ständischen Bewusstsein nach dem Beispiele so vieler anderer Reichsfürsten räthlich, das Kaiserthum nicht im Habsburgischen Hause erblich werden zu lassen. Mit voller Seele gab er sich freilich wohl noch immer nicht dem Plane der Bewerbung hin; sonst würde er seiner Art nach die Ausführung [52] desselben mit grösserem Nachdrucke betrieben haben: aber Thatsache ist, dass Speer sowohl in seinem wie in seines Vaters Namen zu Kurfürst Ernst gesendet wurde, um dessen Unterstützung zu erbitten.

Dieser kluge und erfahrene Herr trug sich mindestens schon seit dem Beginn des Jahres 1600 mit dem Gedanken, die Krone dem Erzherzog Albrecht, dem Statthalter der seinen Stiften benachbarten Spanischen Niederlande, zuzuwenden und gegen die Münchner Wünsche hegte er sicher von vornherein jene durchschlagenden Bedenken, welche von seinen Vertrauten offen dawider geäussert wurden[30]. Vermuthlich hielt er es jedoch für vergeblich, gegen den Eigensinn und die Begehrlichkeit seines Bruders zu kämpfen, und besorgte er, durch Abmahnungen lediglich dessen Unwillen zu erregen und sich die Möglichkeit der Leitung und Ueberwachung des Münchner Vorgehens zu entziehen. Er begann daher ein böses Trugspiel. Speer wurde mit dem Versprechen abgefertigt, dass der Kurfürst sich die von demselben vorgetragene Sache und das Beste des Baierischen Hauses treulich angelegen sein lassen werde[31]; anderseits aber setzte Ernst die schon vorher begonnenen Bemühungen, die Abhaltung eines Wahltages zu bewirken[32], fort, obgleich auf der Hand lag, dass die Bewerbung Baierns keinen Erfolg haben könne, so lange Kaiser Rudolf lebe und sein Ansehen zu Gunsten seines Hauses geltend machen könne[33].

Eine Zusammenkunft der drei geistlichen Kurfürsten, welche den Wahltag vorbereiten sollte, fand auf Ernst’s Drängen Anfang [53] December 1600 zu Aschaffenburg statt[34]. Kurz vorher war sein Secretär Khain aus Prag zurückgekehrt, welchen dort Erzherzog Matthias mit Beglaubigungsschreiben an die geistlichen Kurfürsten ausgestattet und beauftragt hatte, den Zustand des Kaisers zu schildern und zu bitten, dass die Kurfürsten zur Verhütung des daraus drohenden Unheils mitwirken möchten[35]. Ernst stellte nun in Aschaffenburg seinen Amtsgenossen die Briefe des Erzherzogs zu und theilte ihnen den Bericht des Kaisers mit. „Habens Mainz und Trier cum admiratione et dolore angehört und die credenz in buessen gesteckt, sonsten aber von keiner antwort wenig oder viel nichts merken lassen.“ Das damals lebende Geschlecht betrachtete wie jede obrigkeitliche Würde so insbesondere die höchste weltliche Krone als unmittelbar von Gott übertragen, gestützt und überwacht, und war daher gegen deren Inhaber von tiefster Ehrfurcht erfüllt. Besonders stark waltete dieses Gefühl im Kurfürsten von Mainz; er war „durchaus der opinion, man solle Ihre Majestät toleriern, Gott möcht’s zur besserung schicken“, und sogar den Vorschlag Ernst’s, dass man den Administrator von Kursachsen bewegen solle, nach Prag zu reisen und den Kaiser zur Ordnung der Nachfolge zu drängen, verwarf er unbedingt, weil ein solcher Besuch den Zorn und die Schwermuth Rudolf’s steigern werde. Der Kurfürst von Trier stimmte ihm bei[36] und er sowohl wie Mainz enthielten sich jeder Aeusserung [54] über den etwa zu wählenden Nachfolger[37]. Ernst erreichte trotz allen Bemühungen nichts, als dass der Administrator von Kursachsen um Rath gefragt wurde, ob ein Kurfürstentag zu berufen sei; man wollte es ihm überlassen, „der Katze die Schelle anzuhängen“, war jedoch von vornherein überzeugt, dass auch er es nicht wagen werde, ja Mainz und Trier hofften dies ohne Zweifel sogar. Ersterer war nicht zu bewegen, dass er die Punkte, welche auf dem Kurfürstentage berathen werden sollten, bezeichnete, und als Kurfürst Ernst seinen Geheimrath Arnold von Bucholz nach Dresden abordnen wollte, um den Administrator zu Gunsten des Wahltages zu bearbeiten, sträubte sich Mainz dagegen und gab zu verstehen, dass er als Erzkanzler die Leitung in der Wahlangelegenheit für sich allein beanspruche. Das hielt freilich den Kölner nicht von der Gesandtschaft ab, mit Befriedigung konnte er indess gewiss nicht auf die Aschaffenburger Verhandlungen zurückblicken.

Nichtsdestoweniger versicherte er seinen Verwandten, dass [55] die Zusammenkunft ziemlich gut abgelaufen sei und er mit Hoffnung in die Zukunft blicke, gab sich den Anschein, als erwarte er den baldigen Zusammentritt eines allgemeinen Kurfürstentages, und stellte in Aussicht, dass seine Räthe dort die der anderen Kurfürsten ausholen und für Baiern gewinnen würden. Nur insofern gab er seiner wahren Gesinnung Ausdruck, als er bemerkte, die weltlichen Kurfürsten würden gewiss wie Mainz bei Lebzeiten des Kaisers nicht wählen wollen, und als er betonte, dass man mit grösster Verschwiegenheit und Vorsicht zu Werke gehen müsse. Man solle „praetendiern“, rieth er, doch müsse es geschickt und behutsam geschehen, damit, wenn die Sache misslinge, Baiern keine Schande oder Feindschaft erwerbe, und vor allem sei nicht zu eilen, da keine Gefahr im Verzug liege.

Bei den Münchnern, oder wir dürfen wohl sagen, bei Herzog Wilhelm war jedoch keine Geduld vorhanden. Der Geheimrath und Speierer Domherr Adolf Wolf von Gracht, genannt Metternich, wurde nach Heidelberg geschickt, um bessere Beziehungen zu dem reformirten Wittelsbacher anzubahnen[38], und Ernst wurde gedrängt, zur Beförderung des Kurfürstentages nach Prag zu reisen.

Der Kurfürst erklärte es für unzulässig, diesem Ansinnen zu entsprechen, denn er werde sich dadurch seinen Amtsbrüdern verdächtig machen und hinfort „kein instrumentum in dieser sachen sein können“. Dabei betheuerte er aber seinen Eifer für den Münchner Plan und versicherte keines Sporns zu bedürfen[39]. Als er dann Anfang Januar 1601 aus München die Nachricht erhielt, dass die Erzherzöge Matthias und Ferdinand des Letzteren Geheimsecretär Peter Casal an ihn abgeordnet hätten, um ihn zur Reise nach Prag zu bewegen[40], und als er nun von seinen [56] Verwandten ermahnt wurde, den Besuch zu versagen, liess er denselben melden, er werde keineswegs einwilligen und es sei auch nicht zu besorgen, dass die andern geistlichen Kurfürsten ihn zu der Reise beauftragen würden, „dan Mainz seie nit allein so timidus als ein hass vor der trommel, sondern er tragt J. Mt. solchen respect, das er sich nicht leicht werd bewegen lassen, J. Mt. im geringsten etwas proponirn zu lassen, so den kaiser offendirn möcht, dan er vorhin woll weiss, wie odiosa diese materia sei, sonderlich auch J. Mt. in privatis actionibus mass oder ordnung zu geben und vorzuschreiben“; ebenso werde sich „Trier, der novus ist[41] und in vil weg J. Mt. gnad bedarf, woll hüeten, dem kaiser sich zu opponirn“; er selbst aber müsse „gedenken, wan in rebus conscientiae der confessarius beim kaiser nichts kan ausrichten, welches doch sein principale officium ist, der auch mehr macht hatt als ein ander, mit im zu reden, so werden dergleichen officia weiter nichts effectuirn, als des kaisers ewig ungenad auf den hals zu legen“. Als sein Ziel bezeichnete Ernst nach wie vor die Abhaltung des Kurfürstentages und in München musste man in dem Glauben, dass er dort Maximilian’s Wahl betreiben wolle, dadurch bestärkt werden, dass er den Erzherzog Matthias, welcher als der älteste unter den Erzherzögen den nächsten Anspruch auf die Krone besass, für unfähig erklärte[42].

Casal erhielt nun auch wirklich von Ernst eine durchaus abschlägige Antwort[43]. Dieselbe war indess entweder von vornherein [57] nicht aufrichtig gemeint und bezweckte nur, dem Argwohn des Kaisers auszuweichen, oder Ernst liess sich doch rasch durch Erzherzog Albrecht und durch die sich ihm aufdrängende Gewissheit, dass der Kurfürstentag nicht zu Stande kommen werde[44], umstimmen. Schon ehe noch zwei Wochen verstrichen waren, bemühte er sich darum, eine Einladung vom Kaiser zu erhalten[45], und sobald dieselbe im Mai 1601 eingetroffen war, brach er nach Prag auf.

Er gab davon seinen Verwandten Nachricht und stellte ihnen anheim, ihm in Eger durch einen Gesandten Mittheilungen machen zu lassen. Da zeigte sich nun wieder, dass Herzog [58] Wilhelm die eigentliche Triebfeder der Wahlbemühungen war und wie sehr ihm dieselben am Herzen lagen. Er erhielt die Anzeige seines Bruders zu Mallersdorf in Niederbaiern. Nur noch wenige Tage waren bis zu demjenigen, an welchem Ernst in Eger eintreffen wollte, übrig, und Wilhelm scheute weltliche Mühen nicht minder, als er mit Aengstlichkeit darauf bedacht war, dem Gottesdienste ausgiebig abzuwarten. Gleichwohl brach er am 18. Mai in der Frühe auf und reiste mit Speer und nur drei anderen Begleitern, verkleidet, bei Tage fast ununterbrochen reitend, Nachts auf Einzelhöfen einkehrend und sich am Sonntage nur eine einzige stille Messe gönnend, nach Tirschenreut, wo er am Sonntag den 20. Abends eintraf. Von dort schickte er am nächsten Morgen Speer nach Eger voraus, um zu erkunden, wann Ernst eintreffen würde.

Speer fand in der Böhmischen Grenzstadt die Kölner Geheimräthe Bille und Groisbeeck. Dieselben hatten soeben ein Schreiben des kaiserlichen Geheimsecretärs Barvitius erhalten, welches bat, der Kurfürst möge seinen Besuch in Prag noch verschieben, da gerade eine Gesandtschaft protestantischer Reichsstände beim Kaiser eingetroffen sei[46] und die Feste Pfingsten und Fronleichnam vor der Thüre ständen. Sie waren daher überzeugt, dass ihr Herr einstweilen in sein Bisthum Freising gehen werde, und da sie besorgen mochten, dass eine Besprechung mit einem Baierischen Rathe, wenn sie bekannt werde, den Argwohn Rudolf’s oder der anderen Kurfürsten erwecken könne, so drangen sie, einen Auftrag Ernst’s vorgebend, darauf, dass Speer sogleich abreisen solle; von Freising aus werde ihr Herr mit den Baierischen Herzögen zusammenkommen. Die Mittheilung, dass Herzog Wilhelm bereits in der Nähe sei, liess sie ihr Verlangen auch auf diesen ausdehnen, und der Kurfürst selbst wiederholte es, nachdem er am selben Tage bis auf fünf Meilen von Eger herangekommen war, und seine Räthe ihm Bericht erstattet hatten. Erst nach mehrfachem Briefwechsel willigte er ein, mit seinem Bruder in Mallersdorf, wohin derselbe zurückkehren solle, wie zufällig zusammenzutreffen. Das geschah dann auch am 27. Mai, und am folgenden Tage fuhren beide Fürsten gemeinsam nach Freising.

[59] Bille hatte Speer in Eger gesagt, „es sei des herrn churfürsten reis in effetto auf nichts anders angesehen als auf lautere compimenti und auf sodisfattion, die man dem papst und hauss Oesterreich geben wollte, die so stark begert haben, das J. Dt. zum kaiser ziehen sollen[47]; item, das J. Dt. sich bei chur- und fürsten, auch in und ausser reichs in der opinion erhalten, das sie ir das gemaine wesen treulich lassen angelegen sein, das sie auch bei J. Mt. wol angesehen sein. J. Dt. werden aber doch (sonderlich ultro) dem kaiser weder von der wal eines römischen königs noch von ichts anderm sagen, so auch nur ein wenig unlustig sein mechte und werden also beim kaiser, wie man etwan bei Osterreich meinen mechte, gar nit ein pedante [!] vertretten; es werde villeicht das maist gesprech von der alchimia und dergleichen dingen sein.“

Diese Angaben erscheinen gegenüber den uns sonst vorliegenden Nachrichten[48] und gegenüber der Thatsache, dass Ernst dem Papste als Zweck seiner Prager Reise ausdrücklich die Ordnung der Nachfolge bezeichnet hatte[49], als durchaus unwahr. [60] Bille wollte also die Baiern täuschen, und warum er es wollte, können wir leicht vermuthen, wenn wir erwägen, dass er kurz vorher im Auftrage seines Herrn mit Erzherzog Albrecht Verhandlungen gepflogen hatte, worüber den anderen Geheimräthen nichts mitgetheilt wurde[50], und dass ihm, wie Groisbeeck gegen Speer ausschwatzte, Albrecht jüngst ein eingezogenes Gut, welches 40 bis 50 000 Gulden werth war, für 10 000 überlassen hatte. Bille besass aber bei Ernst unter allen Räthen desselben am meisten Einfluss und Vertrauen. Wir werden daher um so zuversichtlicher annehmen dürfen, dass der Kurfürst selbst die Erhebung Albrecht’s wünschte[51]. In jedem Falle ist gewiss, dass auch er bei der Besprechung mit Wilhelm nicht ehrlich zu Werke ging.

Er bleibe bei der Ansicht, sagte er seinem Bruder, dass dessen Sohn „praetendieren“ möge und solle, die Wahl indess bis nach Rudolf’s Tod verschoben werden müsse[52]. Falls er wirklich noch nach Prag reise, werde er dem Kaiser gute Gründe vortragen, wesshalb derselbe bei seinen Lebzeiten keine Wahl gestatten solle[53]. Er glaube, Rudolf wolle den Erzherzog Matthias befördern und auch Erzherzog Albrecht solle diesen begünstigen[54], „obs im wol etwas selzam für soll kommen sein, das der Casal die werbung anderst gethan, als S. Dt. gewust gehabt“[55]. Als dann Herzog Wilhelm die Besorgniss äusserte, Bille, welcher von Eger nach Prag gereist war, „dörfe sich dort etwas vertiefen und zu schaden handlen, weil er dem kaiser etliche schöne und selzame sachen bringe und dahero vermuetlich zu I. Mt. kommen würd, oder das er doch mit dem Barvici etwas abreden oder sich an andern orten verreden dörft“, erwiderte der Kurfürst, das „solle und werde nit geschehen“; Barvitius [61] selbst habe dem Bille empfohlen, „sich disfalls neutral zu halten“. Ueber Herzog Maximilian äusserte sich Ernst zugleich sehr günstig, versprach aus freien Stücken, dass er sich „diss werk treulich wölle angelegen sein lassen“ und sagte seinem Bruder beim Abschiede, er möge „dissfalls nur mit rue schlafen“.

Etwas offenherziger oder unvorsichtiger erwies sich Groisbeeck, welcher schon vorher – vielleicht aus Eifersucht auf Bille – dessen Bedenken gegen die Baierische Bewerbung nach München mitgetheilt hatte[56]. Bille, vertraute er Speer an, hege die Sorge, dass Maximilian, falls er nicht auch Böhmen bekäme, nicht die Mittel zur Bestreitung der Kosten des Kaiserthums besitzen und dass er sich des Türkenkrieges nicht so eifrig wie ein Oesterreicher annehmen werde. Ferner bemerkte er, Erzherzog Albrecht trachte zwar nicht nach der Krone, werde sie indess nicht ablehnen. Daneben nährte aber auch er die Täuschung der Baiern, indem er versicherte, sein Herr würde tausend Thaler darum geben, wenn er nicht mehr nach Prag zu gehen brauchte, und indem er Speer mittheilte, der Kurfürst wünsche, dass Herzog Wilhelm sich in Bezug auf die Wahlsache „noch etwas deutlicher und besser aufthäte“[57].

Wilhelm und Speer scheinen denn auch kein Misstrauen geschöpft zu haben[58]. Als der Herzog seinem Sohne einen ausführlichen Bericht über seine Reise und die Begegnung mit Ernst[59] zusandte, rieth er demselben, den neu erwählten Kurfürsten [62] von Mainz[60] schleunigst und freundlichst durch einen Brief oder eine Gesandtschaft zu beglückwünschen, was offenbar die Kronbewerbung begünstigen sollte, und als Ernst einige Wochen später nach Prag ging, lieh man ihm in München Geld dazu[61].

Ueber den weiteren Verlauf der Wahlangelegenheit fehlen längere Zeit alle oder doch eingehende Nachrichten. Wir erfahren nur, dass Kurfürst Ernst Anfang Juli 1601 in Prag eintraf und im Gegensatz zu den seinen Verwandten gemachten Mittheilungen die baldige Ordnung der Nachfolge betrieb, dass er jedoch nichts erreichte und erst einige Wochen nach seiner Abreise einen unbestimmten Auftrag zur Förderung eines Wahltages vom Kaiser erhielt, und dass er dann auf diesen hin neue Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Mainz anknüpfte, als er denselben Anfang November 1601, von Freising an den Rhein heimkehrend, besuchte[62]. Auch über die Besprechung mit dem Mainzer sind wir nur ungenügend unterrichtet[63], doch ist ein Schriftstück erhalten, welches den klaren Beweis liefert, dass Ernst seine Verwandten in der Wahlsache hinterging.

Es wurde jenen mitgetheilt als Gutachten, welches Ernst dem Mainzer hinterlassen habe, und befürwortete mit einer Reihe von Gründen die Verschiebung der Wahl[64]. Es findet sich aber nicht in den Mainzer Acten über die Wahlverhandlungen, obwohl dieselben vollständig erhalten sind[65], und in den dortigen Aufzeichnungen über Ernst’s Auslassungen sind nur diejenigen Gründe des Gutachtens aufgeführt, welche ebensowohl zur Befürwortung wie zur Bekämpfung einer baldigen Wahl dienen konnten; ja diese erscheinen dort als Erwiderung auf die Behauptung [63] des Kurfürsten von Mainz, dass die Berufung eines Wahltages unbedingt vom Kaiser ausgehen müsse und ein selbständiges Vorgehen der Kurfürsten unzulässig sei[66]. Mithin ergibt sich, dass Ernst in Wahrheit das Gegentheil von dem anstrebte, was er seinen Verwandten vorspiegelte, und dass das Schriftstück, welches er denselben zustellte, eine Fälschung war.

Bei der Aengstlichkeit, womit die Wahlverhandlungen allen nicht zum Kurcollegium Gehörenden verheimlicht wurden, hatte Ernst nicht zu besorgen, dass sein Trugspiel den Münchnern von Mainz her bekannt werden würde. Einige Monate später lüftete jedoch die unvorsichtige Redseligkeit Groisbeeck’s den Schleier, womit jenes verhüllt wurde.

Das kümmerliche Ergebniss der Verhandlungen, welche Ernst mit Mainz und Trier pflog, bildete schliesslich eine gemeinsame Mahnung der geistlichen Kurfürsten an Rudolf, dass er die baldige Ordnung der Nachfolge bewirken möge. Mit diesem Schreiben wurde Groisbeeck nach Prag geschickt[67]. Auf der Heimreise kam er nach München und erzählte Speer, er habe jenes Schreiben dem Kaiser persönlich überreicht und dann ohne Beglaubigung von den Amtsgenossen seines Herrn angezeigt, die drei Kurfürsten seien in der Nachfolgesache bereit zu thun, was der Kaiser wolle, und wünschten, mit der Wahl in seinem Hause zu bleiben.

Deutlicher konnte er die wahre Gesinnung seines Herrn kaum mit bewusster Absicht verrathen. Seine Aeusserung fiel denn auch dem Baierischen Rate auf. Seltsamerweise zog jedoch dieser nicht die nahe liegende Folgerung daraus. Der Kurfürst rieth durch Groisbeeck wiederum, man solle bei Lebzeiten des Kaisers nichts versuchen, sondern höchst vorsichtig verfahren, und er empfahl, Maximilian solle, um den in Prag aufgetauchten Verdacht, dass er selbst nach der Krone trachte, zu beseitigen, den Kaiser ermahnen, dass er auf die Ordnung der Nachfolge zu Gunsten des Oesterreichischen Hauses denken möge. Daher glaubte Speer vielleicht, dass auch die Aeusserung Groisbeeck’s nur die Täuschung Rudolf’s bezweckt habe. In jedem Falle scheint [64] ihn dieselbe lediglich wegen der Bestimmtheit ihrer Zusage, nicht aber wegen ihres Gegensatzes zu den in München abgegebenen Erklärungen des Kurfürsten befremdet zu haben. Nachdem er Groisbeeck mit vieler Mühe zu dem Versprechen bewogen hatte, dass er den Herzog Wilhelm in Schleissheim besuchen wolle, forderte er diesen nur auf, den Gesandten darüber zu vernehmen, „wies dannoch ein ding sei, das er dem kaiser gesagt, die drei churfürsten begern bei Oesterreich zu bleiben, da doch J. chfl. Dt. und die zwei verstorbene churfürsten anno 1594[68] so weit nit gangen seien und da in dem schreiben kein wort darvon?“ Obendrein stellte er dem Herzoge noch zur Erwägung anheim, ob es überhaupt räthlich sei, die Sache „apud aures satis delicatas“ zu berühren, und zugleich schlug er weitere Fragen vor, welche nur in der Voraussetzung gestellt werden konnten, dass Ernst sich gegen die Baierischen Herzöge offen und ehrlich erweise[69].

Antheil an der Fortdauer der Münchner Vertrauenseligkeit hatte übrigens vielleicht ein neuer Plan, welcher jetzt angeregt wurde. Der Kaiser war wie gewöhnlich so auch diesmal durch das Drängen zur Ordnung der Nachfolge veranlasst worden, an seine eigene Verheirathung zu denken, und er hatte Groisbeeck ein Schreiben mitgegeben, worin er den Wunsch äusserte, Herzog Maximilian möge seine Schwägerin, die Prinzessin Katharina von Lothringen, nach München kommen lassen, um ihre Vermählung mit ihm einzuleiten. Wie es scheint, erbot sich nun Groisbeeck, die Aufmerksamkeit Rudolf’s auf die jüngste Tochter Wilhelm’s V., Magdalena, zu lenken. Speer ging – ohne Zweifel mit Zustimmung Maximilian’s – auf den Vorschlag ein. Die Baierische Prinzessin zählte allerdings erst vierzehn Jahre und an der [65] Seite des fünfzigjährigen, geisteskranken Kaisers winkte ihr kein freundliches Loos; aber es gab ja keine vornehmere Heirath als die mit dem höchsten weltlichen Haupte der Christenheit, und wenn Magdalena dem Kaiser einen Sohn gebar und Rudolf, wie es wahrscheinlich war, vor dessen Mündigkeit starb, dann fiel ihrem Bruder als nächstem und ältestem Agnaten die Vormundschaft und damit eine grosse politische Stellung, welche auch seinen Kaiserplan begünstigen musste, zu[70]. Je mehr nun der Vorschlag Groisbeeck’s den Baierischen Ehrgeiz kitzelte, desto bereitwilliger mochte man in dem Vertrauen auf die gute Gesinnung des Kurfürsten und seiner Räthe verharren, da man ja auch ihrer Hilfe zur Verwirklichung des neuen Planes bedurfte.

Jenes Vertrauen widerstand sogar einem noch stärkeren Stosse, als es durch Groisbeeck’s Mittheilung über seine dem Kaiser wegen der Wahl gegebene Zusage empfangen hatte. Bald nach seiner Abreise erfuhr man in München, dass Bille dem Erzherzog Albrecht von Baierns Absicht auf die Kaiserkrone Mittheilung gemacht habe. Das liess sich nun doch nur daraus erklären, dass Bille die Erhebung Albrecht’s wünsche und den Plänen Baierns entgegen sei, und bei dem Verhältniss desselben zu seinem Kurfürsten lag der Schluss nahe, dass dieser [66] die gleiche Gesinnung hege. Herzog Maximilian scheint denn auch über die Meldung in heftige Erregung gerathen zu sein, zumal die Bewerbung um die Kaiserkrone jetzt am Baierischen Hofe so ernsthaft genommen wurde, dass der sich eben damals in Prag aufhaltende Speer – allerdings auf fremde Anregung hin und ohne Auftrag Maximilian’s – sogar Verbindungen zur Erlangung der Böhmischen Krone anzuknüpfen suchte[71]. Dauernden Argwohn fassten indess weder Maximilian noch sein Vater. Vielmehr wurde Kurfürst Ernst in der Folge immer wieder in alter Weise um seine guten Dienste angegangen.

Ueber diese späteren Verhandlungen habe ich an anderer Stelle berichtet[72] und ich habe hier nur die Mittheilung über ein sehr merkwürdiges Actenstück, welches ich neuerdings fand, nachzutragen.

Dieses Stück ist eine, unzweifelhaft in den Anfang des Jahres 1604 gehörende Anweisung zu geheimen Verhandlungen mit dem kaiserlichen Feldmarschall Hermann Kristof von Rosworm[73], welcher seit langer Zeit in nahen Beziehungen und seit 1596 sogar als Oberst und Kämmerer in dienstlichem Verhältniss zu den Baierischen Herzögen stand[74]. Derselbe habe, wird gesagt, dem jüngst zu Prag gewesenen[75] Baierischen Rathe Theodor Viepeck im tiefsten Vertrauen anempfohlen, dass Herzog Maximilian sich, wenn der Kaiser sterbe, um die Römische Krone bewerben möge, und er habe sich anerboten, wenn der Herzog ihm folge, diesem die Krone auf den Kopf zu bringen und „bei fl. vene und fl. die sachen dahin zu practicirn, das diselben nit allein dazu sollen helfen und J. Dt. gelt darzu geben, sonder [67] es villeucht so weit zepringen, das in hunc finem ein stadlich summa gelts J. Dt. vorher in der still zugeorndt mechte werden, damit man in der eil sich, da es vonneten[76], desto ehender künt gefast machen“. Viepeck solle nun, nachdem er Rosworm durch Handgelübde zu strengster Geheimhaltung verpflichtet und ihm ebenso im Namen des Herzogs Verschwiegenheit gelobt habe, erklären, dass Maximilian „dahin resolvirt, woverr er, Roswormb, J. Dt. solliche mitl und weg wurde zaigen, auch sich dieselben wurden practicirn lassen, das J. Dt. unfälbar mechten die kron erlangen, so wolten Sie sich darumb annemen, auch dabei alles das thain, was zu erlangung und zu erhaltung diser kron vonneten sein wurde, als vill Ir wurde möglich sein“. Rosworm solle indess nichts ohne Vorwissen und Genehmigung des Herzogs versuchen oder thun. Gelange dieser durch den Feldmarschall zur Krone, so wolle er denselben nicht nur durch eine Standeserhöhung[77] sondern auch auf andere Weise zu voller Zufriedenheit belohnen; in dem Falle aber, wenn Rosworm es dahin bringe, dass der Herzog die Krone sicher erlangen könnte, er aber dieselbe freiwillig einem anderen überlasse, solle der Marschall, wie er begehrt habe, ein Gut in Baiern, auf welchem er wohnen könne, erhalten und zwar solle ihm das Gut Eckmühl als Mannlehen übertragen und dabei dem daran haftenden Rechte zur niederen auch das zur hohen Jagd hinzugefügt werden.

Aus den bestimmten und grossen Zusagen Maximilian’s erhellt, dass es sich hier nicht etwa bloss darum handelte, Rosworm auszuholen[78], sondern dass dessen Anerbieten sehr ernsthaft genommen wurde. Wer aber waren jene mit „fl. vene und fl.“ bezeichneten Persönlichkeiten, auf welche Rosworm wirken sollte? Gewiss waren es nicht thatsächlich mehrere, sondern ist der Kaiser allein gemeint, bei welchem Rosworm in hohem Maasse Gunst und Vertrauen genoss. Ihn sollte also Rosworm für Maximilian [68] gewinnen, und wie er das zuwege zu bringen gedachte, können wir vermuthen, wenn wir erwägen, dass Rudolf seinen natürlichen Erben und Nachfolger, den Erzherzog Matthias, je länger desto mehr hasste, und dass Rosworm aufs heftigste mit diesem verfeindet war. Auch der Umstand, dass der Marschall ein Gut in Baiern verlangt hatte, um darauf nach dem Misslingen seines Anschlages zu wohnen, deutet an, dass er sich bewusst war, durch diesen Plan die Rache der Oesterreicher gegen sich herauszufordern.

Treffen diese Vermuthungen zu, so sehen wir Maximilian geneigt, mit der Anweisung für Viepeck den Weg sehr bedenklicher Ränke zu betreten. Das Schriftstück wurde indess wohl nicht ausgefertigt. Es ist auf der Rückseite an den Herzog zu eigenen Handen adressirt und also nur ein Entwurf[79]; Maximilian aber nahm nicht die geringste Aenderung daran vor, während seine Feder sonst bei wichtigen Actenstücken, welche ihm im Entwurf vorgelegt wurden, stets sehr emsig in Thätigkeit gesetzt wurde, wenn dieselben zur Verwendung gelangen sollten. Auch fehlt jegliche Spur, dass Viepeck, wie es die Denkschrift in Aussicht nahm, alsbald wieder nach Prag geschickt wurde. Soviel wir wissen, kam er erst im August 1605 dorthin, als Rosworm beim Kaiser in Ungnade gefallen und in Haft jenem Processe unterworfen war, der mit seiner Hinrichtung endete[80]. Wir müssen daher annehmen, dass Maximilian die Anweisung unbenutzt beiseite legte. Den in ihr unserer Vermuthung zufolge ins Auge gefassten Plan hielt indess, wenn nicht er, so doch Viepeck fest. Noch im October 1605 knüpfte dieser an Nachrichten über die Verstimmung Rudolf’s gegen seine Brüder die Bemerkung, jene dürfe wohl „desto mer befirderen die inclination, dahin J. Mt. wenden sich soll“[81].

Kurz darauf sprach jedoch Kurfürst Ernst endlich seine wahre Meinung über den Baierischen Kaiserplan offen und nachdrücklich aus[82], und wenn nicht hierdurch, so wurde Maximilian durch die Einsicht in die Reichsverhältnisse, welche ihm der [69] Donauwörther Streit eröffnete, zum Verzicht bewogen. Als sich ihm später Gelegenheit zur Erwerbung der Kaiserkrone bot, lehnte er sie stets um des Reiches und der katholischen Kirche sowie um der Wohlfahrt seines eigenen Landes willen ab.




Beilagen.

I. Herzog Maximilian von Baiern an den Kurfürsten von Köln: Mahnung zur Wahl eines Römischen Königs. 1600 September 12.

Ma. 134/1, Anhang fol. 22 Cpt. von Donnersberg. Die in eckige Klammern eingeschlossenen Stellen enthalten Zusätze oder Aenderungen Maximilian’s.

Lieber her vatter und vetter. E. L. soll und mag ich in hegstem vertrauen nit verhalten, das unlangst des kunigs aus Frankreich zu der r. ksl. Mt. abgesandter [monsr de Boisdaufin, marechal de France] am zuruckraisen von Prag aus bevelch seines kunigs bei mir gewösen [vnd] haubtsachlich [allerlai] complimenta verricht, [auch sein khünig bei mir durch vilerlei weg zur rhüemen vnd in ein gross praedicat zubringen beflissen,] under andern [aber] dis vermeldt, [sein herr were der hofnung,] ich wer mir sein wolmainen und lobliche intention, [alss welche der religion, gemainem wesen vnd dem reich zum besten gemaint weren,] gefallen und gelieben lassen, [dieselben auch befürdern helffen,] also auch hernach in andermals furgelofener conversation sich discurrendo verlauten lassen, es sei niemals bösser gestanden, als wan die franzosische und römische cron beisamen und also beede reich uniert gewesen. [So ist verner] durch ine gegen meinen leuten dise weitere anregung geschehen, sein kunig hab in neulichkeit vast bei allen protestierenden chur- und fursten gesandte gehabt; [zu wass intent solches beschechen, hat er gleichwol nit vermeldt, ist aber meines ermessens] leichtlich abzunemen, das besagter kunig nit allain seine gedanken stark nach der römischen cron sezen, sunder auch gewiss zu erlangung derselben allerhand practic fueren thuet. So dan dis werk seiner wichigkeit nach bei disen schweren leufen, auch allenthalb im reich entspringenden empörungen, insonderhait aber J. Mt. leibs ungelegenhait halb, [welche sich ye lenger ye mer starkh erzaigen will.] wol in acht zu nemen, [vnd desto weniger zu feyren,] dan soll J. Mt. ante electionem und also on ainen gewisen successorn mit dodt, den der allmechtig gnedigelich lang verhieten wol, abgehen, ist laider nichts gewiser als der undergang der catholischen religion und eusserist verderben gemainen vatterlands zu befaren, welchem [70] schwebenden unhail aber in Jr. Mt. lebzeiten wol zu furkumen und rat zu schaffen, do J. Mt. sich ehist mit dem collegio electorum aines wahldags verglichen, damit den leuten bei zeiten der gemachte wan zur cron benumen und das romisch reich vor endlichem undergang verhiet wurde. So mir dan nit unbewust, das E. L. vor gueter zeit das electionwerk ganz euferig und embsig bei J. Mt. sollicitiert und urgiert, hab E. L. in hohem [vertrauen vnd] gehaimb zuzuschreiben, nit unterlassen sollen, ganz freund-vetterlich [vnd vmb heyl dess gemainen vatterlands wegen bei dissem aignen curier bittendt,] E. L. wollen Ir dis hailsame werk noch [euferig vnd furderlich] angelegen sein lassen und zuvorderst bei J. Mt. also auch bei den andern geist- und weltlichen churf. (do es anderst E. L. für thuen- und ratlich halten, Deren mas und ordnung vorzuschreiben, mir kaines wegs geburen will) dahin zu handeln, damit man ainest der succession vergewist, dan soll [ein] unverhoffter fal, [so bei diser yeziger Irer Mt. beschaffenheit in mehr weg leichtlich vnd vnfürsehens geschehen mechte, sich begeben, so müsste wol vnder uber sich geen.] Und ob mir wol vor disem furkumen, als wan J. Mt. nit allerdings gern von disen dingen horten, so bedunkt mich doch in so beschaffnen fälen, das nit auf das privatum sonder publicum bonum zu sehen. Welcher gestalt aber dises ganze werk anzugreifen, [gebürt mir E. L. nit mass fürzuschreiben, sonder vilmehr von E. L. Dero guetbedunkhen vnd rhat zu erwarten; wass ich neben Derselben vnd andern catholischen wolmainenden stenden bei der sach thun mechte, inmassen ich dann hierin an mir nicht gern etwass wolte erwinden lassen, so soll es gewislich beschehen, aber allen vmbstenden nach nunmehr die sach lenger nit ersizen zelassen.] Allein halt ich darfur, das in diser sach wol behuetsamb umbzugen, in hegster still und gehaimb zu halten, damit dise unsere dem vatterland zum bösten treuherzige wolmainung nit vor der zeit ausbreche und unserm haus zu nachtail und schaden raiche, indem J. Mt. ir dise gedanken schöpfen mechte, als wan [wir unss selbs oder das vnsserig] hierunder suchten, [welches doch meine gedankhen nit seindt][83]. [Da dann ess E. L. also gefellig, in disser sach mit mir vertreuliche correspondenz zu halten vnd disse Sachen gemainem wesen zum besten befürdern zu helffen (inmassen ich Dieselbe vmb gemains wesens wolfart hestes vleiss bitten thue), so sollen E. L. hingegen spüren, das ich souil an mir ist vnd ich khan vnd [71] vermag, zu E. L. sezen, vnd diss haylsame werkh äusserst befürdern helffen wölle, inmassen ich dann (das Gott waiss) herunder nichts sueche alss dess reichs erhaltung. Durch disses werkh werden wir vnss vnd vnsserm haus bei dem almechtigen ein grossen verdienst, bei dem vatterlandt ebigen dankh vnd bei menikhlich lob, rhuem vnd grosses ansehen erlangen, so vnss in vil weg ersprüesslich sein mag. Welches alles E. L. in vertrauen vnd höchster gehaimb ich also anzufüegen khains wegs vmbgeen wollen, Derselben resolution bei zaigern diss erwartendt, vnd thue etc.][84]


II. Donnersberg’s „Rationes pro et contra, ob ratsamb, einen römischen König zu erwöhlen und ob auf ein in- oder auslendischen anzutragen“.

Ma. 134/1, Anhang, fol. 1, Cpt. von Donnersberg, sehr flüchtig geschrieben und zum Theil verblasst.

Zwei Fragen sind meines Erachtens zu erwägen: 1. ob jetzt noch bei Lebzeiten des Kaisers eine Wahl vorzunehmen und 2. ob sie auf einen ausländischen oder Deutschen Fürsten zu lenken sei.

Was die erste Frage betrifft, so genügt der Hinweis auf des Kaisers Zustand, die Lage in Deutschland und den Türkenkrieg, um die Wahl unbedingt nothwendig erscheinen zu lassen. Seit hundert und mehr Jahren haben die Dinge nie schlimmer gestanden, und wenn der Kaiser vor der Neuwahl stirbt, so ist der Untergang der katholischen Religion und das äusserste Verderben des Vaterlandes gewiss.

Die zweite Frage belangend, hat mehrfach verlautet, dass der König von Frankreich stark nach der Römischen Krone trachte. Ihm ist jedoch aufs äusserste zu widerstehen, da er nicht aus Deutschem Blute stammt. Das römische Reich ist von den Griechen [!] auf die Deutschen übertragen worden und seit Karl dem Grossen, welcher selbst ein Deutscher war, haben stets nur Deutsche die Kaiserkrone getragen. Auch ist die Religion in Acht zu nehmen, denn, obgleich der König sich äusserlich katholisch zeigt, halten doch viele das nur für Trug, weil er die Calvinisten in Frankreich auch an Orten, wo sie früher nicht geduldet wurden, einschleichen lässt. Daher ist zu [72] besorgen, dass er als Kaiser der Religion in Deutschland „connivendo“ grossen Schaden zufügen würde, und zwar um so mehr, als er seine Praktiken vornehmlich mit den Protestanten führt und diese ihn ohne Zweifel desshalb begünstigen, weil er sich ihnen der Religion halber genügend erklärt oder ihnen doch sichere Zeichen seiner Gesinnung gegeben hat. Auch weiss man, wie sein Leben beschaffen ist, „also das zu besorgen, es werde durch ein solches haubt in die teutsch nation, so je und almal vor anderen nationen und völkern auf zucht und erbarkeit achtung geben, aber nunmehr schier etwas von der alten teutschen sitten redlichkeit abweichen will, zu dem alberait laider emporschwebenden schaden und laster noch grössere sünden einschleichen; qualis enim rex, talis populus“.

Gegen die Wahl anderer ausländischer Fürsten spricht durchschlagend, dass sie nicht Deutsche sind und schwerlich ihren Sitz im Reiche nehmen werden.

Nur Deutsche Fürsten können in Betracht kommen, von diesen aber wieder nur diejenigen, welche nicht zur Vernichtung, sondern zur Ausbreitung der katholischen Religion geneigt sind, also, da der Herzog von Jülich durch Krankheit unfähig ist, die Fürsten der Häuser Baiern und Oesterreich. Letzteres macht sich auf die Krone Hoffnung, weil es dieselbe schon seit so langer Zeit besitzt, indess wird mehr nach der Fähigkeit als nach der Abstammung des zu Wählenden zu fragen sein.

Erzherzog Matthias beansprucht die Krone als Aeltester des Hauses. Es würde jedoch seltsam sein, einen König zu wählen, der weder Land noch Leute besitzt. Ferner soll er in der Religion „kühl gnueg“ sein, was vielleicht durch sein Verhalten in den Niederlanden bestätigt wird, und man meint, er werde die Geschäfte noch langsamer als Rudolf erledigen und, „wo ainer anjezo in 3 monaten nit künde audienz erlangen oder expediert werden, wurde er alsdan 5 oder 6 bedurfen. Ist auch wol in acht zu nemen, wie J. Dt. in tractandis rebus beschaffen, darzue nit ain blosser fürstennamen sonder ain experienz und erfahrenheit requiriert wird, daran J. Mt. selbst gzweiflt, wie aus disem erscheint, das, als erzherzog Ernst nach den Niderlanden veraist, J. Mt. gedachtem erzh. Matthias aus allerhand bedenklichen ursachen das governo der öst. landen, ob J. Dt. gleichwol stark danach gerungen, nit anvertrauen wollen, sonder ime seinen brueder, erzh. Maximilian preferirt.“ Endlich bedarf man wegen des Türkenkrieges eines kriegstüchtigen Oberhauptes, „was aber dis orts bei J. Dt. zu hoffen, geben die vorgangne ungarische expeditiones nur zuvil an dag“.

Erzherzog Maximilian [ist Deutschmeister und wenn er sich auch [73] bereits – ohne Zweifel, um desto eher zum Kaiserthum zu gelangen – Dispens zum Heirathen erwirkt hat, „so befindt es sich doch, das dergleichen dispensation nit gar gueten ausgang bekummen“.[85]] Ferner ist er in Staats-, Regiments- und Reichssachen wenig erfahren, die ihm vom Kaiser übertragene Verwaltung Oesterreichs hat er nicht sehr löblich versehen, ja er hat „wol auch in schlechten Sachen von denen personen und leuten, so vilmehr seines rats pflegen sollen, hilf und beistand begert“. [„So ist er auch in kriegssachen was –[86], wie es die actus zu erkennen haben geben, auch die discurs, so derentwegen von ime spargirt worden, zu erkennen geben“[87].]

Erzherzog Albrecht hat vornehme Lande löblich regiert, aber er ist seit dem Spanischen Einfall bei einem Theile der katholischen Stände und bei allen protestantischen zu sehr verhasst, wird die Niederlande gewiss nicht verlassen und hat mit diesen so viel zu thun, dass das Reich keine Hilfe von ihm zu erwarten hat, sondern ihm Beistand leisten müsste.

Erzherzog Ferdinand besitzt bereits ansehnliche Lande und wird vermuthlich alle Oesterreichischen Gebiete erben oder doch, falls er Kaiser wird, die Böhmische Krone auch dann erhalten, wenn die Erzherzöge Matthias und Maximilian heirathen, denn der Böhmen Wahlrecht ist unter Kaiser Ferdinand I. mit Einwilligung der Stände dahin beschränkt, dass sie beim Hause Habsburg bleiben müssen, so lange dasselbe nicht ausstirbt, und die Verbindung mit der Kaiserkrone ist für Böhmen sehr vortheilhaft. „Quoad animi dotes ist er prudens, justus[88], sobrius, pius et cordatus princeps, in deme nit geringe[WS 1] hofnung zu finden – – – So mecht auch furgeworfen werden, das bis anhero in seiner regirung vil sachen furuberglofen, daraus dasjenig nit, so angedeut werden will, kan und mag abgenumen werden; ist doch zu wissen, das die schuld disem hern ganz und gar nit, sondern vilmehr etlichen personen, deren rat er aus gewisen ursachen volgen mussen[89], beizulegen, welches aber inskonftig leichtlich abgestelt [74] werden kunt. Allein dregt man die beisorg, die jungste, vi et armata manu [ex bono tamen zelo] hergeflossene reformation mechte im in konftiger wal bei den protestirenden nit ein geringen inhalt geben,“ indem dieselben ein entsprechendes Vorgehen im Reich besorgen werden. Dem könnte man indess mit der Vorstellung begegnen, dass auch Kaiser Rudolf in Oesterreich stark reformirt habe, ohne doch im Reich [„quod tamen potius deplorandum quam probandum“[90]] Aehnliches zu unternehmen. „Do also das löblich haus Bairn auf sich selbst nit gedacht, soll man in allweg auf alle mitl und weg gesinnet sein, jezbemelten erzherzog Ferdinand vor andern hiezue zu promoviern, sintemal ausser der kurzerzelten ursachen wissentlich, das er wegen der nahenden und anjetzo de novo erneuerten freundschaft dem haus Bairn vorders gewogen.“

Von den Baierischen Fürsten sind alle Alters oder Standes halber von der Wahl ausgeschlossen bis auf Herzog Maximilian. Dieser ist würdig wie kein anderer und würde die Krone ohne Zweifel leicht erhalten, wenn er sie suchte, denn zwei Kurfürsten gehören ja seinem Hause an. Mit Pfalz hat man allerdings etliche Streitigkeiten, namentlich wegen der Kurwürde, und Pfalz könnte etwa besorgen, dass er diese als Kaiser seinem Hause beilegen werde; „so halt man doch dafur, das disem wol zu furkummen. Zudeme wais man, das etliche under den protestirenden churfursten und fursten sich zum oftern sollen vernemen haben lassen, si fur ire person wissen wol, das si zu der cron nit kummen kinden, doch were inen alles gnug geschehen, do si nur die cron von dem haus Osterreich ab und anderstwo wenden kinden; aus deme dan zu schliessen“, das sie villeicht froh sein würden, wenn Baiern nach der Krone trachtete.

„Ob aber dis zu thun, were wol in obacht zu nemen, dan die cron so bald des loblichen haus Bairn undergang als aufnemen sein kunte, dan je aimal zu ainem solchen hofstadt vil und uber vil gehorig und sich auf die reichscontribution wenig zu verlassen, dan, wie schwer si [75] volgen zu rettung der ganzen christenhait, je so schwerer werden si auch zu ander contribution zu bringen sein. Auf das kunigreich Behamb ist wenig zu bauen, weil Behamb kein frei wal mehr hat, sonder auf das haus Osterreich astringirt [ist]. Also ist das nit wenig zu erwegen, das furkombt, wie tempore Maximiliani secundi die Chursachsen herzog Albrecht die cron offeriert und nur sein consens begert, J. fl. Gn. aber habens rund abgeschlagen und das zweiflohn als ein hocherleuchter, weltweiser furst aus vernunftigen ursachen, under andern aber, wie furkombt, wegen der grossen zerrittlikait under den stenden im reich[91]. Hat das dazumal h. Albrecht erwogen, ist es bei disen leufen wol mehr in obacht zu nemmen“, denn es steht jetzt im Reiche schlimmer als je. Auch ist Zerwürfniss und wol gar ein Krieg mit Oesterreich zu befürchten. Welches Unheil aber daraus namentlich bei dem jetzigen Türkenkriege erwachsen würde, liegt auf der Hand. „Mecht also villeicht retlicher sein, do nur auf ein solchen kaiser gedacht [würde,] der inen [den Baiern] vorders gewogen, als das si selbst in dise zerrittlichkait erfolgen solten. Do man aber vermerken solle, das die election auf das haus Osterreich nit, sondern villeicht auf ain externum oder haereticum welle gedacht sein, soll Bairn als columna catholicae religionis manibus et pedibus wern und sich f–[92]


III. Ulrich Speer an Herzog Maximilian von Baiern. 1602 April 27 Prag.

Ma. 134/1, 284 eigh. Or. mit Ziffern.

E. fl. Dt. zwei eigenhändige Schreiben habe ich gestern erhalten „und were es freilich wol un tratto di Juda, wann der Billeo also gehandelt hette. Das weiss ich zwar wol, dass er von stund an zum erzh. Albrecht zogen ist, sobald er aus Bairn gen Luttich komen. Hat er’s auch mit vorwissen des churf. Coln gethan oder gar aus seim bevelch? Es hat aber die mainung ghabt, (wie mir der Groisbekh gesagt,) das er relatio soll thun, was bei J. Mt. verricht worden seie[93]. – – –[94] Und wird aber gwis vonnötten sein, das man mit dem Billeo und seinesgleichen gar bhuetsam gehe, ja das man sie villeicht berede, man frag der succesion nit mehr nach. – – – Barvitius sagt, [76] er wiss wol, were dem kaiser E. Dt. vorhaben entteckt hab[95]. Sagt darneben stark von eim jurament. Es ist ein hohe person[96]. Sovil mich gedunkt, so werden sich Barvitius und Speer mit einander gar nit vertiefen.

E. Dt. kennen des Pistorii[97] kopf, discurs et lingua. Es were gar guet, das Sie im etwan ein gnedigs briefl schriben. Were letstlich diss materi gnueg, das Si begerten, er soll Sie al ritorno besuchen. Dann er ist von wegen eines brief, den er neulich von E. Dt. gehabt[98], zimlich tentatus[99]. Ich hoff gleichwol, es soll dem Speern dr. Gewold[100] der sachen ein färbl helfen geben. Er Pistorius discorrirt (wie er sagt) mit landhofmaister und obristen canzler von succession in Beheim. Er sagt, es mög sobald ein anderer als ein erzherzog konig werden. Sagt auch ridendo (sed ego ridens taceo) Behem stiend wol bei Bairn. Es schadt bald ain wort, so nüzt bald ains, sonderlich von bekanten personen. Ich hab von E. Dt. wegen cum aliquo praetextu den hern obristen canzler, h. Sdenko Poppel besucht; der erbeut gegen E. fl. Dt. sich zimlich vil. H. Adam Gall Poppel erzaigt sich so guet bairisch als je vor; erbeut gegen E. Dt. sich gehorsamist[101].

Der Huetter, so bei Spania ist, schreibt mir vom erzbischof von Salzburg dise wort: »Die bewust person hat den almirante d’Aragon als gschmirt und regalirt[102], das er neben bemelter person sovil offrescimento hereingeschriben, das der könig verobligirt ist gewesen, ime mit dank zu correspondirn und mit wort in forma di complimentos zu geben. Seidher ist der könig und seine ministri gnuegsam [77] informirt von seim leichtfertigen leben[103] und wie wenig J. kon. Mt. oder andere vom haus Oesterreich sich seiner bedienen können.«

Sovil ich am Barvitio spür, so ist des kaisers melancolei noch in alten terminis.“ Datum Prag den 27. aprilis ao 2.

[Nachschrift.] Wir[104] können Rosworm heute nicht treffen, Einige meinen aber, er werde vielleicht plötzlich auf der Post zu E. Dt. reisen[105]. Er soll gesagt haben, E. Dt. hätte insgeheim mit ihm handeln lassen, dass er Ihr Marschall und Oberst über das Landvolk werden solle. „Da sagt Barvitius, es hab bei J. Mt. den verdacht successionis vast erneuert, sei aber wieder gestillt und es sei einmal ein freier mann.“




Siehe auch den Artikel „Naturwissenschaftliche“ Geschichtsforschung? von Ernst Bernheim und die Entgegnung darauf von F. Stieve in DZfG Bd. 6 S. 356–358.

Anmerkungen

  1. Sehr bezeichnende Belege hierfür bietet mein: Oberösterreichischer Bauernaufstand des Jahres 1626. Bd. I S. XIX ff.
  2. Was für gewaltige Staatsmänner hat man z. B. aus dem phantastischen Träumer Karl V. und dem beschränkten Ferdinand II. gemacht, und wie wenig rechnet man überhaupt mit der Unwissenheit, dem Unverstand und den aus Stimmungen und Zufälligkeiten entspringenden Willensbeirrungen politischer Persönlichkeiten!
  3. In dem Aufsatze: Die Verhandlungen über die Nachfolge Kaiser Rudolf’s II. in den Jahren 1581–1602, Abhandlungen der Baierischen Akademie d. Wiss. III. Classe XV, I, 1 ff. Ich führe denselben weiterhin mit „Nachfolge“ an.
  4. Sie finden sich im Münchener Staatsarchive, schwarze Abtheilung Nr. 134/1. Im Folgenden führe ich sie mit Ma. 134/1 an.
  5. Vgl. Briefe und Acten z. Gesch. des 30jährigen Krieges V, Register.
  6. Nachfolge 73.
  7. Vgl. unten. Der Kurkölnische Secretär Flöcker schrieb am 22. Dec. 1600 an Speer: „Den ambasciator aus Frankreich betreffend, sagen J. chfl. Dt. das es wahr, das derselbe bei Mainz gewesen, aber sie ime niemals apart audienz geben wollen, sondern inen jederzeit in publicis gehört, aber wie hoch er seinen könig globt und wie stark er sich mit freundlichkeit verbunden und das sich auch Mainz seinen könig bevolchen sein lassen wolle, mit andern vielen complimentis, das Mainz dieses J. chfl. Dt. selbsten angezeigt.“ Ma. 134/1, 258 eigh. Or. mit Ziffern.
  8. Vgl. Briefe und Acten IV, Register unter Baiern, Kaiserkrone.
  9. Vgl. Briefe und Acten V, 106.
  10. S. über ihn Nachfolge, Register.
  11. Es befremde den Kaiser sehr, dass Maximilian’s Schwager, der Herzog von Vaudemont, von den Venetianern Bestallung angenommen habe, für diese Französisches Kriegsvolk ohne vorherige Anzeige durch Vorderösterreich und zwar gerade zu der Zeit, als Erzherzog Albrecht dort nach den Niederlanden durchgereist sei, geführt habe und dasselbe nun gegen die Zengger und Uskoken und also gegen Erzherzog Ferdinand verwenden lasse. – In dem gleich zu erwähnenden Gutachten der Baierischen Geheimräthe wird daraufhin empfohlen, Maximilian solle durch Haslang in Prag erklären lassen, Vaudemont müsse wegen der Unzulänglichkeit seines Einkommens fremde Dienste suchen, werde aber am liebsten dem Kaiser dienen; andererseits aber möge Maximilian seinen Schwager zur Rücksichtnahme auf den Kaiser ermahnen.
  12. Es ist wohl die Witwe des kaiserl. Oberststallmeisters Grafen Albrecht von Fürstenberg gemeint; vgl. Nachfolge Anm. 129.
  13. Dass hier Erzherzog Maximilian genannt wird, ist so befremdlich, dass ich an einen Schreibfehler Haslang’s glauben möchte. Andernfalls bleibt nur die Annahme, dass Rudolf Mecker beauftragt hatte, durch die Nennung Maximilian’s zu erkunden, ob Baiern den Erzherzog Matthias zu unterstützen gedenke.
  14. 16. August 1600, Ma. 134/1, Anhang fol. 9 eigh. Or.
  15. Nachfolge 33 ff.
  16. Das Nähere über seine Aeusserungen s. Beilage III.
  17. Gutachten vom 26. August 1600, Ma. 134/1, Anhang fol. 11 Cpt. und fol. 30 Or. von Donnersberg’s Hand.
  18. Wilhelm wurde dabei um die strengste Geheimhaltung, welche auch den Geheimräthen eingeschärft worden war, gebeten; er versprach, nicht einmal mit seiner Frau davon zu reden, „dan ob sie wol ain verstendige fürstin, so nemb sie sich doch um dergleichen Sach wenig mehr an, sonder wart irer andacht ainig und allain aus“.
  19. Ma. 134/1 Anhang fol. 15 und 22 Cpt. von Donnersberg.
  20. Vgl. Nachfolge 21 ff.
  21. Donnersberg an Herzog Maximilian 9. September 1600, Ma. 134/1 Anhang fol. 26, eigh. Or.
  22. Nachfolge 83.
  23. S. Beilage I.
  24. 13. September 1600, Ma. 134/1, 238 Or.
  25. 22. September 1600. A. a. O. Anhang fol. 28 Cpt. v. Donnersberg mit eigenhändigen Aenderungen und Zusätzen Maximilian’s. Das. 240 Copie von Donnersberg’s Hand. Ursprünglich enthielt das Schreiben das Anerbieten zu persönlicher Besprechung. Maximilian änderte es in der oben angegebenen Weise, denn er mochte es seiner Würde nicht angemessen erachten und Misstrauen des Kaisers besorgen, wenn er sein Kommen ohne Weiteres antrüge.
  26. Auf der in der vorstehenden Anmerkung erwähnten Copie.
  27. Vgl. Nachfolge 48 ff. 60. Einige weitere Nachrichten über Rudolf’s Zustand geben Berichte des Nuntius zu Graz, Grafen Hieronymus Portia, deren Mittheilung ich Hrn. Dr. K. Mayr-Deisinger verdanke, und ein Brief des Kurkölnischen Geheimsecretärs M. Flöcker. Ich stelle dieselben hier zusammen. Portia an Hz. Maximilian: Graz 1600 Oct. 30. „Dello stato di S. M sempre si dice il medesimo, chè sia pericoloso et in dies dat inditia melancoliae et opinantur aliqui, quod Imperator morietur ex improviso. Patitur ex nocte periculum suffocationis propter repletionem et quia precipuus medicus volebat occurrere aliqua medicina, est dimissus - -. Dicitur noster Imperator suspicari, ne daret venenum. Qualis miseria! Auditur etiam, quod S. M. mandaverit, ut capucini discederent ex Praga, sed archiepiscopus cum nobilibus regni aliquo modo se opposuit.“ Ma. 311/23, 63 eigh. Or. mit Ziffern. – Flöcker an Ulrich Speer: Butzbach 1600 December 11. „Wegen Jrer Mt. hat J. chfl. Dt. secretarius [wohl der unten erwähnte Khain; vgl. Nachfolge 62], so die mundliche anbringung von erzh. Mathias gehabt, schier eben dieselbe zeitung einbracht, wie E. V. uberschrieben, allein uber dasselbe referiert, das als Mathias zu Prag ankomen und audienz begert, dieselb aber lang nachher erlangt, das J. Mt. den erzh. Mathias gar unlieblich und sauren gesichts empfangen und gesagt, ob erzh. Mathias derwegen ankomen were, J. Mt. aus irer dignitet zu setzen und umbs leben zu bringen. Hiebei hat nun erzh. Mathias vermeldt, das hiebevorn ein contractus im königreich Böheim gemacht worden were, da J. Mt. ableibig wurden, das alsdan der nechst brueder succedirn solle und were solcher contractus nit bei der hand, so weren auch die meiste herren, so denselben underschriben, verstorben; begert also erzh. Mathias bei J. chfl. Dt. wie auch von Mainz und Trier dero rat, wessen er sich hierin zu verhalten, und hat Mathias an J. chfl. Dt. und Mainz, item an Trier in gleichem inhalt geschriben, wie E. V. ab disem nebenligenden schreiben [vgl. Nachfolge S. 62 ff.] zu sehen und solches wiederumb zuruckzusenden. – So weren J. Mt. auch unversehens di nacht nacher, als dises vorgelaufen, im bett aufgewischt und gesagt, es weren erzh. Mathias vorhanden, J. Mt. umbs leben zu pringen, bevelhen derowegen, das man in die statt gehen und fünfhundert man pringen solle, so J. Mt. verwachten möchten. So were auch J. Mt. camerdiener ins zimer gangen und hete darinen ein geschirr underm bett gefunden, so voll underschiedlicher kreutter gewesen. Hat man also die meinung, das es durch die concubin geschehen sein solle. Sonsten hetten auch J. Mt. bei der elevation in der mess kein ruhe. Auch were eines tags der camerdiener hineinkomen und hette J. Mt. gefunden, das sie die spitze von der wöhr an die brust gesetzt und das gefess auf die erden. Also, da er nit darzu komen, vielleicht J. Mt. sich erstochen hetten, das also grosse gefahr dabei ist.“ Ma. 134/1, 254 eigh. Or. grossenteils in Ziffern. – Portia an Hz. Maximilian: Graz 1600 December 19. „Dello stato del Imperator semper peius habetur et quo tandem res veniet, ignoratur cum timore. Quod scriptum fuit de capucinis idem habetur tentatum esse aliquid contra Jesuitas, sed nihil adhuc esse deliberatum. Dictum est, Imperatorem vehementer horrere S. Stem et nuntium et quasi a papa omnem suum morbum procedere, quod S. Stas a multo tempore tractaverit, ut fieret rex Romanus, et propterea fuisse procuratum maleficium ab illo, et similes nugas. Ideo maxime verendum de aliqua tragedia. S. Stas, ut mihi scribitur, cogitavit de mittenda aliqua persona ad electorem Coloniensem secretissime, ut precaveatur, quantum fieri potest.“ Ma. 311/23, 77 eigh. Or. meist in Ziffern. – Derselbe an denselben: Graz 1601 April 11. „De sanitate Caesaris eadem prout hactenus res. Dictum est etiam, quod singulis noctibus ipse Caesar ebrius ferat cubitum et quod nimis multum et comedat et bibat, ita ut consequentia non possit esse bona.“ A. a. O. 106 desgl.
  28. S. Beilage II. Es scheint mir zweifellos, dass die Schrift in diese Zeit gehört.
  29. Vgl. auch Nachfolge Anm. 283.
  30. Vgl. Nachfolge 67 und 84 f.
  31. Rückbeglaubigungen für Speer an die Baierischen Herzöge, Hirschberg [in Westfalen] den 3. November 1600, Ma. 134/1, 244 und 246 Orr. Der Kurfürst bemerkt darin, er habe sich mündlich offen gegen Speer erklärt, doch kann das nach dem oben mitgetheilten Inhalte der Schreiben und nach dem weiteren Verhalten der Baiern nicht wahr sein.
  32. Vgl. Nachfolge Anm. 219. Nach einem im Wiener Staatsarchiv, Reichstagsacten fasc. 30 vorliegenden Auszuge aus den Mainzer Wahlacten schlug Kaspar von Fürstenberg schon am 25. September 1600 zu Aschaffenburg im Auftrage Ernst’s eine Besprechung der geistlichen Kurfürsten vor und wurde dieselbe von Mainz für den 3. October bewilligt. Wesshalb sie nicht stattfand, ist nicht ersichtlich.
  33. Vgl. Nachfolge 85.
  34. Die über diese Nachfolge 69 mitgetheilten Nachrichten ergänze ich hier aus folgenden Briefen: Kurfürst Ernst an Herzog Wilhelm 11. Dec. 1600, Ma. 134/1, 256 eigh. Or. Ernst’s Secretär M. Flöcker an Speer 22. und 28. December und 17. Januar 1601, das. 258, 266 und 260 eigh. Orr. mit Ziffern.
  35. Vgl. Nachfolge 63. Den dort mitgetheilten dunklen Schlusssatz der Briefe des Erzherzogs deutete Kf. Ernst nach Flöcker’s Schreiben vom 28. December dahin, dass es dem Kaiserthum, dem Hause Oesterreich und der katholischen Religion Schaden bringen werde, wenn der Kaiser abgesetzt würde oder sich selbst umbrächte.
  36. Eine ähnliche ergebungsvolle Zurückhaltung beobachteten die beiden Kurfürsten auch in einer anderen, für das Reich höchst wichtigen Angelegenheit. Die Eroberung der Grenzfestung Kanisza durch die Türken hatte den Hz. Maximilian bewogen, sich wie an andere Fürsten [vgl. Briefe und Acten V, 552] so auch an die geistlichen Kurfürsten mit der Mahnung zu wenden, dass man die Wiedergewinnung des Platzes mit allen Kräften anstreben müsse. Flöcker an Speer 11. Dec. 1610, Ma. 134/1, 254 eigh. Or. Kf. Ernst vertrat die Sache in Aschaffenburg mit Eifer, aber Mainz und Trier lehnten es ab, eine Mahnung der sämmtlichen Kurfürsten an den Kaiser zu veranlassen, „dan solche sachen von dahero folgen mussen und seie nit der prauch, das die churfürsten den kaisser diesserhalb ansuchen sollen“. Hier wirkte freilich auch wohl die Scheu mit, den Türkenkrieg zur Reichssache zu machen und eine Steuerpflicht des Reiches zu begründen. – Die Bemühungen Maximilian’s für Kanisza könnte man übrigens vielleicht davon ableiten, dass er sich durch seinen Eifer gegen die Türken für die Kaiserkrone habe empfehlen wollen; er betrachtete indess die Abwehr jener längst als eine für das Reich und insbesondere für Baiern höchst dringliche Angelegenheit. Vgl. Briefe und Acten IV, 76 und 429 Anm. 1, sowie an vielen anderen im Register des IV. und V. Bandes unter Baiern, Stellung zum Türkenkrieg und Maximilian I., Türkenkrieg bezeichneten Stellen.
  37. Flöcker erwiderte am 28. December auf hierher bezügliche Bemerkungen Speer’s: „Dass Speer schreibt, das Mainz so secret sei und das er sich nichts hab lassen lauten, non est mirum iis, qui norunt ejus ingenium. Von Trier non habetur ex ore ipsius, sondern von seinem canzler [Peter Schneid] und glauben J. kfl. Dt. [Ernst] gar nit, quod sit ex affectione sonder vilmehr propter qualitates, dan Jhrer Mt. brüder humores, die sein nunmehr im reich also bekannt, das es keins andern disciferirn [!] bedarf“. Offenbar hatte Flöcker vorher eine dem Hz. Maximilian günstige Aeusserung Triers berichtet und wollte nun die in München dadurch erweckten Hoffnungen abschwächen, dass er sagte, sie sei nicht aus der Neigung Triers, Maximilian zu wählen, hervorgegangen, sondern beziehe sich nur auf die Schätzung der Eigenschaften Maximilian’s im Vergleich zu denen der Erzherzöge.
  38. Ueber das Ergebniss der Gesandtschaft bemerkte Flöcker in seinem Briefe vom 17. Januar 1601: „Des Metternich verrichtung bei Pfalz ist eben, wie J. chfl. Dt. [Ernst] alzeit gesagt hat, nemblichen das sich Pfalz umb nichten nit annemen; die rät führen das ganz wesen und hat J. chfl. Dt. gleichwoll gern gehört, das sich der canzler [Kristof von der Grün] inter conversandum soweit ausgelassen, das er selbst bekennen muss, man hab vil unnötiger streit und unrichtigkeiten und das diese gefahren die herrn mussen zusammenpringen. Die zeit und erfahrenheit wirds mitpringen, wie sie zu frieden und einigkeit und zu remedierung dieser gefahr geneigt sein“.
  39. Kf. Ernst an Hz. Wilhelm 23. Dec. 1600. Ma. 134/1, 242 eigh. Or.
  40. Vgl. Nachfolge 66.
  41. Der Kf. Lothar von Metternich war am 7. Juni 1599 erwählt worden.
  42. „Mit erz. Matthias ist Coln durchaus der mainung, das er nit aptus seie,“ heisst es in dem oben benutzten Briefe Flöcker’s vom 17. Januar 1601. Es wird dort auch bemerkt: Speer hat von einer Vermuthung, „das erz. Matthias erzh. Ferdinand’s muetter ein hoffhung gemacht habe“, geschrieben; der Kf. meint, dass man sich fleissig danach erkundigen müsse. Es handelt sich hier wohl nicht um eine Heirath des Matthias mit der alten Erzherzogin Maria, sondern um die mit einer ihrer Töchter, doch ist auch von letzterem Plane sonst nichts bekannt.
  43. Vgl. Nachfolge 71. Flöcker berichtete am 23. Januar 1601 im Auftrage Ernst’s an Speer über die Verhandlungen mit Casal und bemerkte: „So vil seinen herren [Erzherzog Ferdinand] betrifft, hat er nit bekennen wollen, das er praetendier; er hab gar kein ambitiosum humorem; doch sovil zu verstehen geben hisce verbis: wan das gluck wollte, so würd mans nit ausschlagen.“ Ma. 134/1, 269 eigh. Or.
  44. Vgl. Nachfolge 70. In dem oben S. 52 Anm. 3 erwähnten Auszuge wird auch ein nach dem Aschaffenburger Tage verfasstes Gutachten des Mainzer Secretärs Peter Kraich erwähnt, welches ausführte, dass zu einer bei Lebzeiten eines Kaisers zu haltenden Wahl stets dessen Zustimmung als unerlässlich betrachtet worden sei; wolle man aber den Kurfürstentag auf Grund des Kurvereins berufen, so stehe im Wege, dass Pfalz und Trier noch nicht Mitglieder des Vereins seien; auf Grund der Goldenen Bulle endlich könne Mainz einen Kurfürstentag nur nach dem Tode des Kaisers anberaumen.
  45. Vgl. Nachfolge 82. Den Anlass zu Ernst’s Anerbieten an den Kaiser gab ein Schreiben Rudolf’s vom 27. December 1600, welches lautete: „Ich bin bericht worden, das E. L. und die geistlichen churfürsten neulich zu Aschaffenburg beisammen gewesen sein sollen. Ob ich nun woll nit zweifele, weiln Sie es alle mit mir guet und treulich meinen, es werde von Inen nichts, so mir nachteilig sein möcht, gehandlet sein worden, so wolt ich dannoch gern wissen, was die ursach Irer zusammenkunft und was Sie dorten mit einander tractiert. Und ist deshalb mein freundvetterlich begeren an E. L., Sie wollen mir solches vertraulich zu wissen thuen und da vielleicht E. L. und den andern churfürsten allerlei, wie dan die welt nit feiert, furkommen sein möchte, solchem kein glauben geben, sondern sich zu mir alles guets und treuherziger, vetterlicher affection, damit ich Deroselben woll zugethan versehen. E. L. gutwilliger vetter Rudolf.“ Ma. 134/1, 265 Copie. Flöcker bemerkt dazu in seinem Briefe vom 17. Januar 1601: „J. chfl. Dt. ist gar perplex, was darauf zu antworten sei. Hat dem werk noch nit reiflichen gnueg konnen nachsinnen und es muss doch unverzogenlich antwort druf erfolgen, woll anderst Colln sich selbst nit in grossen verdacht stecken.“ Da Ernst dann doch erst nach der Rückkehr seines vertrautesten Rathes Bille aus Brüssel antwortete, so ist zu vermuthen, dass er durch diesen den Rath des Erzherzogs Albrecht einholte und dem Kaiser gegenüber den Verzug seiner Antwort auf dessen am 16. Januar empfangenes Schreiben mit einer Reise nach Lüttich, welche er am 18. antrat, entschuldigte.
  46. S. Briefe und Acten V, 541.
  47. Flöcker theilte Speer am 17. Jan. mit, der Kurfürst habe Nachricht, dass der Papst seinen Gesandten Wachtendonck [vgl. Stieve, Wittelsbacher Briefe IV, 168] gar heimlich zu sich berufen und demselben allerlei Aufträge in Bezug auf den Zustand des Kaisers und der Christenheit gegeben habe. Eine Bestätigung hierfür liegt nicht vor. Clemens VIII. selbst schrieb dem Kurfürsten am 23. Juni 1601: Wir freuen uns stets über Deine nicht nur klugen und frommen, sondern auch sehr eifrigen Briefe, worin Du bezeugst, für die überaus wichtige Ordnung der Nachfolge aus allen Kräften arbeiten zu wollen; ganz besonders aber freut uns Dein letztes Schreiben aus Hirschberg, worin Du uns Deine Reise nach Prag ankündigest. Wir vertrauen, dass Du Rudolf zur Ordnung der Nachfolge bewegen wirst, welche für die katholische Kirche und die christliche Welt ebenso nothwendig ist, wie für das Haus Oesterreich „nam quibus periculis obnoxia sit augusta domus illa, si imperii majestate destituatur, abhorret animus cogitare.“ Ma. 134/1, 298 Copie. Dies Schreiben deutet nicht darauf, dass Clemens auf die Reise gedrungen oder dem Kurfürsten vorher Aufträge ertheilt habe. Es beweist auch nicht, dass er die Wahl eifriger, als ich Nachfolge S. 91 vermuthete, betrieben habe, bestätigt dagegen, dass er die Uebertragung der Krone auf einen Habsburger wünschte.
  48. Vgl. Nachfolge 86 f.
  49. Vgl. oben Anm. 1. Dass die päpstliche Antwort den Baiern mitgetheilt wurde, war eine Unvorsichtigkeit, wie sie von Kölner Seite mehrfach begangen wurde. Vgl. unten. Auch das oben erwähnte Schreiben des Barvitius wollte Bille nicht mitgetheilt wissen; er gab vielmehr vor, der Kurfürst sei von vornherein gesonnen gewesen, nach Freising zu ziehen.
  50. S. Nachfolge Anm. 274.
  51. Vgl. Nachfolge 86.
  52. In dem oben S. 53 Anm. 1 erwähnten Briefe vom 11. December hatte Ernst die gegentheilige Ansicht angedeutet und diese bildete ja auch angeblich die Voraussetzung seiner Bemühungen um die Berufung des Kurfürstentages.
  53. In Prag that er dann das Gegentheil, s. Nachfolge 87.
  54. Sicherlich kannte er die wahre Sachlage besser.
  55. Das bezieht sich wohl auf die Aenderung der zu Schottwien gefassten Beschlüsse; vgl. Nachfolge 63 f.
  56. S. Nachfolge 143 f.
  57. Hierzu bemerkte Speer: „Das verstehet man nit, wie es gemaint oder ob es im in ernst also seie, dann J. Dt. haben rund gnueg gehandelt.“
  58. Wenigstens zeigt sich keine Spur davon in dem gleich zu erwähnenden Berichte. An dessen Schlusse wird nur bemerkt: „Wan diser man [Bille] widerkumbt, da last sich alles bösser abreden und beschliessen, J. chfl. Dt. ziehen gleich fort nach Prag oder nit.“
  59. „Kurze relation von der rais nach Eger und von der verrichtung beim h. churfürsten“, Ma. 134/1, 248 Cpt. von Speer. Aus dem Inhalte sei noch erwähnt: Der Kurfürst meint, Maximilian solle sich beim König von Frankreich „jeziger gelegenheit“ durch eine Gesandtschaft oder auch persönlich „per posta“ insinuiren, doch werde hierin sein Schwager, der Herzog von Lothringen, am besten rathen können. Der Kurfürst hat ausser Groisbeeck, nur zwei Adliche, den Massini [s. Wittelsbacher Briefe V Register], zwei Edelknaben und die Kammerdiener bei sich. „J. chfl. Dt. sehen bleich und übel aus; wollen jetzt medicin brauchen.“
  60. Am 15. Mai war Johann Adam von Bicken Kurfürst geworden. Die „kurze Relation“ bemerkt: „der herr coadjutor zu Cöln ist mit disem electo gar wol bekant und vertraut“.
  61. S. Nachfolge Anm. 289.
  62. S. Nachfolge 82 und 87 f.
  63. a. a. O. 88.
  64. „Jrer chfl. Dt. [von Köln] guetachten, so Mainz churf. hinderlassen worden. In reditu e Bavaria mense novembre an. 1601.“ Ma. 134/1, 275, von Speer’s Hand geschrieben.
  65. Dies darf um so zuversichtlicher behauptet werden, als auch in dem oben S. 52 Anm. 3 erwähnten Auszuge, welcher sehr eingehend berichtet, keine anderen Schriftstücke aufgeführt werden als die, welche noch jetzt vorliegen.
  66. Vgl. Nachfolge Anm. 297. Der vorstehend erwähnte Auszug entspricht völlig der vorliegenden Aufzeichnung.
  67. S. Nachfolge 113.
  68. Vgl. Nachfolge 17 f.
  69. Speer an Hz. Wilhelm, München 11. März 1602, Ma. 134/1, 278 eigh. Or. und „Memorial für den h. Groisbeckh,“ d. h. für Hz. Wilhelm zur Besprechung mit G. das. 281 Cpt. von Speer. Das Memorial enthält u. a. folgende Fragen: „Auf welchen erzherzog die wal am eheisten fallen möge? Und ob aber J. chfl. Dt. vermainen und glauben, das man mit dem erzherzog Mathia (als auf den ohn zweifl die andern hern churfürsten gehen) versehen und das reich versorgt werde sein? Si ita, res salva; sin minus (ut Barvitius cum aliis timet), so were die frag, obs J. chfl. Dt. gegen Dero collegis nit wolten melden? Quando? Ne nimis sero! Pro salute patriae. Ex conscientia.“
  70. In Speer’s vorstehend angeführtem Memorial wird über die Angelegenheit bemerkt: „Was Groisbeckh von der herzogin Magdalena wöll schreiben? Ne videatur affectatum; ne fiat suspectum. Praesupponitur autem, das es J. chfl. Dt. [Ernst] rieten und das es zthuen were, cum vere Maximum sit, Imperatori nubere? Annon enim illa optima Juliacensi! Quali vero! Si filium haberet, magna maneret tutela.“ Dunkel ist die den Juliacensis betreffende Stelle. Es kann damit nur der wahnsinnige Herzog Johann Wilhelm von Jülich gemeint sein. Wer aber ist „illa optima?“ Der Herzog war 1599 mit der Prinzessin Antonie von Lothringen vermählt worden und es liegt weder eine Nachricht vor noch ist es denkbar, dass vorher an seine Verheirathung mit der am 4. Juli 1587 geborenen Magdalena gedacht worden sei. Mithin würden Speer’s Worte, obgleich man sie dem Zusammenhange nach auf Magdalena beziehen müsste, wohl dahin zu verstehen sein, dass er sagen will: Die Krankheit Rudolf’s darf nicht abschrecken, ihm Magdalena zu geben; hat man doch die treffliche Antonie mit dem Jülicher verheirathet, der sich in einem viel elenderen Zustande befindet. Schon 1599 hatte man übrigens in München eine Nachricht erhalten, welche darauf deutete, dass Rudolf selbst an Magdalena denke; vgl. Nachfolge Anm. 135 und 258. Ob jetzt die Sache weiter verfolgt wurde, ist nicht ersichtlich.
  71. S. Beilage III.
  72. Briefe und Acten V, 759 fg. Das das. S. 725 erwähnte eigenhändige Schreiben des Kaisers vom 26. Juni 1603 findet sich in Abschrift Ma. 134/1, 300. Kf. Ernst erwiderte am 25. Juli, nach der goldenen Bulle und dem Herkommen müsse die Böhmische Krönung der Römischen vorausgehen. Das. 301 Copie.
  73. „Memoriall, nach dessen inhalt mit Chr. H. Roswormb aus dess durchleuchtigisten fürsten und herrn, herzog Maximilian in Bayern befelch solte geredt und gehandlet werden.“ Ma. 134/1, 290, von Viepeck’s Hand geschrieben.
  74. Vgl. A. Stauffer (H. Kr. Graf von Rusworm. München 1884), sowie Briefe und Acten V Register.
  75. S. Briefe und Acten V, 762 Anm. 2.
  76. D. h. wenn der Kaiser sterbe.
  77. Da Rosworm schon Graf war, kann man wohl nur an den Fürstentitel denken.
  78. Das hatte der Herzog wohl überhaupt nicht nöthig. Schon 1603 war dem Feldmarschall nach einem Besuche in München eine Zifferschrift gesandt worden, welche ohne Zweifel zu geheimen Berichten über den Kaiser und die Vorgänge am Prager Hofe dienen sollte; vgl. Stauffer Anm. 2.
  79. Das bestätigt das „solte“ in der oben S. 66 Anm. 3 mitgetheilten Ueberschrift des Memorials.
  80. Stauffer 179 ff.
  81. Briefe und Acten V, 936 Nachtrag zu S. 846.
  82. A. a. O. 761 ff.
  83. Ursprünglich stand hier in Donnersberg’s Entwurf: „als wan man was anderst hierunder suchte, dahin ich doch, wie E. L. wissen, den geringsten gedanken nie gehabt, auch noch nit hab und dise praeeminenz, hehr und ochait vil lieber dem haus Oesterreich als mir selbst gunne, auch sovil an mir gern befurdert sehen will“.
  84. Am 12. September 1600 schrieb der Herzog an Donnersberg: „Lieber canzler. Hiebei das original an churfürsten von Cöln. Die copi ist corrigiert hiebei; die wär wider durch Euch abzeschreiben vnd vleissigst gehaim aufzubehalten. So wollet alssbaldt ein curier abfertigen vnd fortschikhen, dan ich schreib dem churfürsten, das ich ein curier schickhe.“ Das. f. 24 eigh. Or. Hieraus erhellt, dass das Original des Briefes von Maximilian eigenhändig geschrieben wurde.
  85. Diese Stelle wurde nachträglich gestrichen.
  86. Das hier stehende Wort vermag ich nicht zu entziffern. Man könnte „suetus“ lesen, doch passt das nicht, weil ja offenbar ein Tadel ausgesprochen wird; möglich wäre auch „fretus“, doch kommt dieser Ausdruck schwerlich im Sinne von tollkühn vor und diese Eigenschaft zeigt Maximilian’s Kriegsführung durchaus nicht; endlich liesse sich an „feig“ denken, doch kann ich mich nicht erinnern, dass mir das Wort in jener Zeit begegnet wäre und der Ausdruck wäre zu stark für ein Schriftstück wie das unsere.
  87. Diese Stelle wurde nachträglich gestrichen.
  88. Der Lesung dieses Wortes bin ich nicht sicher, doch vermag ich kein anderes herauszubringen.
  89. Hier dürfte die Erzherzogin Maria, Ferdinand’s Mutter, gemeint sein, denn welcher anderen Persönlichkeit wäre der junge Fürst zur Folgeleistung verpflichtet gewesen? Auch passt dazu der Nachsatz, da zunehmendes Alter dem Erzherzog grössere Selbständigkeit verleihen zu können schien. Bekanntlich hat sich aber die Hoffnung Donnersberg’s nicht erfüllt. Offenbar beurtheilte er also Ferdinand nicht richtig und sein gesammtes Lob kann gegenüber den Zeugnissen des Grazer Nuntius Portia (vgl. besonders Briefe und Acten V, 852 Anm. 2 und Nachfolge S. 63), sowie den eigenen Briefen Ferdinand’s nicht massgebend erscheinen. Vielleicht war er auch durch seine Abneigung gegen die Baierische Bewerbung beeinflusst, indem er zeigen wollte, dass im Hause Oesterreich ein würdiger Nachfolger nicht fehle.
  90. Diese Worte sind erst nachträglich zugesetzt.
  91. Vgl. Nachfolge S. 144 Nr. 4.
  92. Das Wort ist nicht ausgeschrieben.
  93. Durch den oben S. 59 erwähnten Besuch des Kf. Ernst in Prag.
  94. Hier und an der folgenden durch Striche bezeichneten Stelle stehen Mittheilungen, welche den Türkenkrieg betreffen. Sie sollten offenbar nur, falls der Brief in unberufene Hände geriethe, die Entzifferung desselben erschweren.
  95. Es kann offenbar nur der Kaiserplan Maximilian’s gemeint sein: vgl. auch den Schluss des Briefes.
  96. Diese Person war gewiss nicht Kf. Ernst, denn sonst würde Speer hier sicher an die vorausgegangene Nachricht über Bille angeknüpft haben. Die Bemerkung über das Jurament wird bedeuten, dass Barvitius eidlich gelobt hatte, den Namen zu verschweigen.
  97. Der bekannte Theologe und Beichtvater Rudolf’s II., Johann Pistorius; vgl. über ihn Nachfolge, sowie Briefe und Acten IV und V, Register.
  98. Maximilian bemerkte am Rande: „Ess muess nur von seiner schuldsach wegen sein. Hat man ihme andeutt, man hett sich nit versehen, das er so starkh in mich tringen werde, alss er gethan.“
  99. Zornig, vgl. Briefe und Acten IV, 480.
  100. Maximilian’s Geheimsecretär, welcher das von Speer gewünschte Schreiben zu entwerfen hatte.
  101. An eine ernste, von München aus befohlene Werbung um die Böhmische Krone ist gewiss nicht zu denken; Speer handelte offenbar aus eigenem Antriebe auf die Anregung des Pistorius hin.
  102. Vgl. den Bericht Mendoza’s in Documentos ineditos tom. 41.
  103. Vgl. K. Mayr-Deisinger Wolf Dietrich von Reittenau, Erzbischof von Salzburg S. 95 ff.
  104. Speer und der mit ihm nach Prag geschickte Hofrath Dr. Otto Forstenheuser.
  105. Dass Speer und Forstenheuser zusammen Rosworm aufsuchen sollten, schliesst die Annahme aus, dass ihr Auftrag die Nachfolgefrage betraf, denn in dieser, die man so ängstlich geheim hielt, wurde Forstenheuser nie verwendet. Dass dem Kaiser durch Rosworm’s Reden der Verdacht, Baiern trachte nach der Kaiserkrone, erneuert wurde, hängt wohl so zusammen, dass Rudolf in der Berufung des Generals die Absicht kundgegeben glaubte, Baiern wolle seine Waffen für die Erringung der Kaiserkrone bereit machen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gegeringe