Hoang-Puff
[Ξ]
[Ξ]
Jao.
Heil den großen Vesier, des mächtigen Hoang-Puff!
Kang-Schu.
Gott grüße Dich, Jao, treuer Verwahrer der Schönheiten seines Harems; schläft unser Gebiether noch?
Jao.
Seine Hoheit sind noch zu Bette, zanken aber bereits schon den ganzen Morgen. Sie legten sich gestern spät zur Ruhe, und waren überhaupt ob der kleinen Unpäßlichkeit die sie gestern befiel, äußerst besorgt; Ihr wißt wohl erhabner Kang-Schu, daß ihm sein Leben über alles geht.
Kang-Schu.
Darin ahme ich ihm auch vollkommen nach. Aber sage mir doch, woher die üble Laune kam, die ich schon seit einiger Zeit an ihm verspürte?
Jao.
Woher anders als von der kleinen Oali. Die kleine Hexe hat sich mir nichts, dir nichts, in Hoang-Puffs Herz geschlichen, und sitzt nun so fest, wie eine Klette, während sie seine heftige Leidenschaft nur mit Spott erwidert.
[66] Kang-Schu.
Alle Wetter, welch’ ein Unternehmen? Solche Kühnheit könnte ihr den Kopf kosten, wenn sie nicht zum Glück ein Frauenzimmer wäre.
Jao.
Und was für ein Frauenzimmer? Sie ist ohne Ruhm zu melden die Perle des Harems, und wäre ich nicht Oberaufseher des Serails, dem der Statthalter sein ganzes Zutrauen schenkt, ich würde für mich selbst kaum gut stehen.
Kang-Schu.
Hoang-Puff hat dem rechten Mann diesen wichtigen Posten übergeben. Bey euch hat er nichts zu befürchten. – Als ich gestern unsern erhabenen Gebiether, wegen Nadir, dem Sohne meines Vorgängers, sprechen wollte – – –
Jao.
Aha, der Sohn des Vesier’s Zamti, den Ihr so geschickt zu stürzen wußtet, um Euch selbst auf seinen Platz zu schwingen? und dieser Nadir wagte es trotz der Ungnade seines Vaters, wieder nach Schekiang zu kommen?
Kang-Schu.
Vor einigen Monathen starb Zamti in seiner Verweisung. Der Sohn kam zurück, und beging die unverzeihliche Thorheit, dem Statthalter einige derbe Wahrheiten zu sagen.
Jao.
Wahrheiten, an Hoang-Puff? unverzeihliches Verbrechen! das kann ihm theuer zu stehen kommen.
[67] Kang-Schu.
So ein Vergehen habe ich mir, dem Himmel sey Dank, noch nicht zu Schulden kommen lassen. Nadir ist verloren. Aber er ist nicht der Einzige den ich noch entfernen muß.
Jao.
Und das wäre?
Kang-Schu.
Zimar! Dieser Fremde, dieser Bramine aus fernem Hindostan, der nur hieher kam, um sich mir auf allen Wegen entgegen zu stellen, und mir in allem hinderlich zu seyn.
Jao.
Würdiger Kang-Schu! Beschimpft diesen Zimar nicht. Er kennt alle Sterne, und liest am Himmel geläufiger als wir beyde es auf dem Papiere können.
Kang-Schu.
Desto schlimmer, ich traue den Gelehrten nicht weiter als ich sehe. Sie behandeln uns Uebrige wie gemeines Volk, und gehen mit unsers Gleichen nicht selten um, als ob sie den Steinbock oder einen Stier vor sich hätten.
Jao (geheimnißvoll).
Was Zimar betrifft, kann ich Euch vielleicht mehr sagen als Ihr wißt. Seit drey Tagen arbeitet er insgeheim an dem Horoscop unsers Gebiethers. Ich überraschte ihn diesen Morgen unter einem Haufen von Zirkeln und Linien, von Quadraten und andern solchen schnackischen Instrumenten.
Kang-Schu.
Und Du glaubst wirklich, daß es sich um ein bloßes Horoscop handle.
[68] Jao.
Ich wette meinen Kopf darauf. Wollt Ihr?
Kang-Schu.
Der Einsatz wäre mir zu gering!
Jao.
Hoang-Puff will wissen, ob er noch lange leben wird. Das ist sein einziger Wunsch.
Kang-Schu.
Dem Wunsche lange zu leben, bringt er oft die närrischsten Opfer. So ließ er zum Beyspiel alle Teiche in ganz Schekiang verschütten, weil er ein Mahl zufällig einem Bassin zu nahe gekommen war, und sich den Pantoffel naß machte.
Jao.
Löbliche Vorsicht.
Kang-Schu.
Sein Horoscop will mir aber doch nicht recht in den Kopf! der Bramine sieht mir aus, als ob er noch ein Mahl um mich die Trauer anziehen wollte.
Jao.
Ruhig, erhabener Kang-Schu! ich höre ein Geräusch! (man hört von außen Jubel.) Hoang-Puff erscheint! mit diesem Jubel wird er täglich des Morgens, von seinen getreuen Sclaven empfangen.
Die Sclaven.
Es lebe Hoang-Puff. –
[69] Hoang-Puff (schreyend).
Still!
Die Sclaven.
Es lebe – –
Hoang-Puff.
Still, sag’ ich! Noch ein Wort, und ihr seyd des Todes! – Sonst höre ich’s freylich gerne, daß ich leben soll, meinethalben könnt ihr diese frommen Wünsche, den ganzen Tag wiederhohlen, wenn sie auch nichts nützen, so schaden sie wenigstens nichts. Aber heute geht mir allerley Anderes im Kopfe herum, und d’rum sollt ihr schweigen. Kein Wort mehr, habt ihr mich verstanden? (Alle machen zugleich eine stumme Verbeugung.) Packt euch! ich will allein seyn.
(Alle Sclaven gehen ab).
Hoang-Puff (tritt ganz in Gedanken vertieft vor. Er bleibt öfters stehen und sieht wechselweise Kang-Schu und Jao an).
Kang-Schu.
Großmüthiger Herr! eine große Neuigkeit!
Hoang-Puff.
Schweige still! Kang-Schu! ehe ich mit Dir spreche, habe ich noch mit mir selbst zu reden! Ich habe gesagt, kein Mensch soll hier bleiben, deßwegen erlaube ich es nur euch Beyden. Habt ihr mich verstanden? (sie verbeugen sich. Zu sich selbst) Du bist verliebt, Hoang-Puff [70] und obendrein ganz unmenschlich. So paßt es auch für mich. Die kleine Oali scheint sich aber nur über mich lustig zu machen. Macht nichts, lustig ist besser als traurig. Ich hoffe heute noch durch mein Horoscop zu erfahren, ob die kleine Schelminn bald aufhören wird mich zu quälen. Jao!
Jao.
Herr!
Hoang-Puff.
Rufe mir Zimar!
Kang-Schu.
Gnädigster Herr, ich bin gekommen – –
Hoang-Puff.
Geduld – eins nach dem Andern! der Kopf kann nicht so viel auf ein Mahl tragen.
Jao.
So eben sehe ich ihn kommen!
Hoang-Puff.
Entferne Dich, Jao.
Jao (ab).
Zimar.
Sonne des Reichs, ich grüße Dich! erhabener Hoang-Puff!
Hoang-Puff.
Tiefes Gewicht der Gelehrsamkeit, unerschöpfliche Quelle – von – von allerley – kurz und gut, ich [71] empfange Deinen Gruß. (Ihn seitwärts ziehend.) Wie stehts, Zimar – weißt Du schon alles? tritt ein wenig zurück, Kang-Schu, Du siehst ja, daß ich hier eine geheime Sitzung halte.
Kang-Schu.
Der verwünschte Fremdling wird mich noch verderben.
Hoang-Puff (halblaut zu Zimar).
Wie weit sind wir mit meinem Horoscop?
Zimar.
Bald sind wir am Ziele. Ich sehe noch dicke Nebel, die euer Gestirn umgeben. (Deutet auf die Stirne.)
Hoang-Puff.
Nebel? das ist mir nicht lieb! ich will nicht benebelt seyn. Ihr müßt mich aufklären.
Zimar.
Das ist ein schwer Stück Arbeit! aber ich will’s versuchen.
Hoang-Puff.
Kang-Schu – nähere Dich! was hast Du mir zu sagen? Rede, wenn’s was Kluges ist.
Kang-Schu.
Mächtigster Herr! Ich kam, Dir zu berichten, daß Nadir, der Sohn des Zamti, seit einiger Zeit in Schekiang wieder sichtbar ist.
Hoang-Puff.
Was? der Sohn des Verräthers Zamti, den ich fortjagte?
Zimar (bey Seite).
Was höre ich?
[72] Kang-Schu.
Gestern Abend, als er sich frecher Weise öffentlich unerlaubter Ausdrücke gegen Euch, gnädigster Statthalter erlaubte, ward er vom Stadtrichter in’s Gefängniß geworfen.
Zimar (bey Seite).
In’s Gefängniß?
Hoang-Puff.
Ich weiß zwar nicht was er verbrach, aber in jedem Falle hat der Stadtrichter Recht gethan. Und was sagte er denn zum Exempel?
Kang-Schu.
Nachdem er mit einer unbeschreiblichen Kühnheit Eure Hoheit des ungerechtesten Verfahrens gegen seinen Vater anschuldete, wagte er es – oh des ungeheuren Frevels – er wagte es – zu behaupten – ja sogar öfters zu wiederhohlen, Ihr wäret – die Ehrfurcht schnürt mir den Hals zu. –
Hoang-Puff.
Ich lasse ihn Dir zuschnüren, wenn Du nicht sprichst.
Kang-Schu.
Er meynte – vernimm, ach großer Hoang-Puff – er meynte es, nicht ich – Du wärest – Du seyst –
Hoang-Puff.
Nu, werde ich ein Mahl erfahren wer ich bin? Rede ohne Scheu, ich habe eine starke Natur, die etwas verträgt.
Kang-Schu.
Er sagte, Ihr wäret, was ich sonst bin, wenn Eure Hoheit mir meine fünf Sinne bestreiten wollen.
[73] Hoang-Puff.
Da schelte ich Dich ja immer einen Narren.
Kang-Schu.
Das ist dasselbe Schreckenswort, welches er aussprach, großmächtigster Hoang-Puff.
Hoang-Puff.
Weißt Du gewiß, daß er nicht von Dir sprach.
Kang-Schu.
Sonne von Schekiang, er meynte Dich.
Hoang-Puff.
Unglaublich; man bringe Nadir her; er soll mir beweisen, daß ich ein Narr bin. Was sagst Du dazu, Zimar?
Zimar.
Er hatte Unrecht. Solche Dinge kann man wohl denken, aber nicht sagen.
Hoang-Puff.
Klug gesprochen. Gedanken sind zollfrey. Solche Aeußerungen aber zahlen eine kuriose Mauth. Kang-Schu, thue was ich befohlen.
Zimar (bey Seite).
Wenn ich ihn nicht rette, so ist er verloren.
Hoang-Puff.
Meine Stummen sollen schon mit ihm fertig werden, fort.
Kang-Schu (Ab).
[74]
Hoang-Puff (zu sich selbst).
Also ich wäre ein Narr, meynt Nadir.
Zimar (bey Seite).
Ein Mittel gibt’s, nur!
Hoang-Puff (ebenfalls zu sich).
Der Elende, er soll’s aber büßen (rufend). Jao!
Jao (erscheinend).
Großmächtigster Herr!
Hoang-Puff.
Schaffe mir Oali, und meine Pfeife herbey! (Jao ab, dann zu Zimar). Es soll mir lieb seyn, wenn Du sie jetzt zu sehen bekömmst.
Zimar.
Eure Pfeife, gnädiger Herr?
Hoang-Puff.
Was fällt Euch ein, meine Oali sage ich! Wenn ich verliebt bin, so schmeckt mir das Rauchen am Besten, und überhaupt, wenn ich nicht schlafe, so rauche ich, weil ich den Müßiggang nicht leiden kann.
Zimar.
Ein Geist wie der Eure, braucht immer Beschäftigung!
Hoang-Puff.
Um also wieder auf besagte Oali zu verfallen, die Kleine quält mich erschrecklich. Das thut aber nichts. So etwas verhindert das allzustarke Fettwerden, und mag dahin gehen. Ueberdieß ist sie ein Engel. Sie hat [75] – sie ist – sie weiß – sie besitzt – findet Ihr sie nicht schon nach der Beschreibung äußerst liebenswürdig?
Zimar.
Sie entspricht Eurem Geschmacke!
(Man hört Lärm von außen.)
Hoang-Puff.
Was gibt’s? Ist das vielleicht schon, Nadir den man hieher bringt?
Zimar (bey Seite).
Ja, ja, er ist’s, ich erkenne ihn.
Jao (mit einer langen Pfeife).
Großer Hoang-Puff, hier ist die Pfeife. Erlaube mir, daß – –
Hoang-Puff.
Kein Wort, Du siehst, daß ich arbeite! Fort!
Jao (Ab).
Hoang-Puff.
Kommt er noch nicht? (er sieht gegen die Coulisse). Ich glaube er läßt sich bitten.
Zimar (seitwärts).
Nun drängt die Zeit (laut). Großer Statthalter erlaubt mir, daß ich inzwischen, die Einsamkeit aufsuche, um alle Berechnungen zu vollenden, welche mir Licht in Eurem Horoscop geben sollen.
Hoang-Puff.
Recht, mein Freund, die Ungeduld verzehrt mich. Laßt Euch keine Mühe gereuen und bedenkt, daß es keine Kleinigkeit ist, mir einen Dienst zu leisten, denn ich bin ein großes Thier –
Zimar.
Dafür habe ich Euch von jeher gehalten (bey Seite). [76] Nun an’s Werk, Nadir zu retten und Kang-Schu zu verderben (Ab).
Hoang-Puff.
Jetzt wollen wir sehen, ob er es noch ein Mahl sagt, daß ich – wer bin!
Nadir (eintretend).
Ich wiederhohle es – ich habe nur die Wahrheit gesprochen.
Kang-Schu.
Ihr hört es selbst, gnädigster Herr, er hat die Wahrheit gesprochen.
Hoang-Puff.
Was, die Wahrheit?
Kang-Schu.
Meynt er – –
Hoang-Puff (zu Nadir).
Ich werde Euch meynen, daß ich ihn aufhängen lasse.
Nadir.
Ich bin bereit zu sterben.
Hoang-Puff.
Du weißt also was Du verdient hast? he? ich habe zwar keine Lust Dich lange zappeln zu lassen, aber vorher will ich nur noch wissen was Du gegen mich hast?
[77] Nadir.
Meine Gründe mußt Du ohnehin wissen.
Hoang-Puff.
Ich muß? Wer will mich zwingen?
Nadir.
Du vertriebst meinen Vater, der Dir treu diente. Du ließest ihn vor Kummer sterben, und gabst seine Stelle diesem Dummkopf da.
Kang-Schu.
Jetzt hört ihr’s, daß ich ein Dummkopf bin.
Hoang-Puff.
Ruhig! – Also weiter – bey dem Dummkopf seyd Ihr stehen geblieben.
Nadir.
Mein Vater war klug und treu, während dieser Schurke –
Kang-Schu.
Ach Herr, Ihr duldet? –
Hoang-Puff.
Dieser Schurke! nur weiter;
Nadir.
Des Ranges unwerth ist, den er bekleidet.
Hoang-Puff.
Ist das Alles? Es hätte mehr seyn können.
Nadir.
Seitdem er in Deinem Nahmen herrscht, rauben Bösewichter beynahe täglich, die unschuldigsten Weiber und Mädchen, und ich selbst mußte diejenige verlieren, die meinem Herzen am theuersten ist, ohne die ich nicht leben kann.
Zimar (erscheint hier im Hintergrunde).
[78] Hoang-Puff.
Dummes Reden, wenn man in meinem Reiche Frauenzimmer raubt, so sind sie vermuthlich hübsch, und folglich ist’s ihre Schuld und nicht die Meinige. Was deinen Vater betrifft, so that ich es, weil ich die Abwechslung liebe.
Nadir.
Ihr seht also selbst, daß ich vorhin vollkommen Recht hatte, als ich sagte – –
Hoang-Puff (ihn unterbrechend).
Ich glaube er hat die Verwegenheit? Wo sind meine Stummen?
Zimar (bey Seite).
Ich muß Nadir allein sprechen! (zu Hoang-Puff). Was ist Euch, mächtiger Hoang-Puff?
Hoang-Puff.
Ich ersticke vor Zorn! Mir, dem großen Hoang-Puff, Statthalter von Schekiang so zu begegnen! Ein Wurm, dem mächtigsten der Mandarine, dessen Unterthanen sich weit und breit ausdehnen, denn Chineser gibt’s überall. Kang-Schu rufe meine Stummen herbey, sie sollen meine Befehle vollziehen und schweigen.
Kang-Schu (Ab).
Zimar.
Ich sehe, mächtiger Gebiether, daß dieser unvorsichtige Jüngling das Leben verwirkt hat. Erlaubet [79] daß ich ihm vor seinem Ende sein Unrecht vorstelle, und Eure Gerechtigkeit in’s Gedächtniß rufe.
Hoang-Puff.
Thut das: beweiset ihm, daß ich kein Narr, sondern nur grausam bin. Junger Mensch (zu Nadir), höre diesem Manne aufmerksam zu.
Zimar (tritt zu Nadir).
Ich bin Zimar, der Freund deines Vaters.
Nadir.
Wäre es möglich? Du Zimar?
Zimar (eben so halblaut).
Ich werde Dich retten.
Nadir.
Was bringt Dich hieher?
Zimar.
Der Wunsch, meinen alten Zamti zu rächen. Die Augenblicke sind kostbar; höre mich.
Hoang-Puff (immer auf der andern Seite).
Spitze Deine Ohren und verliere kein Wort, das er Dir sagt. Worte sind Perlen, wer weiß wozu sie gut sind.
Zimar (schnell und leise).
Sey unbesorgt; Deine Strafe wird widerrufen werden. Die leichtgläubige Dummheit Hoang-Puff’s ist mir Bürge.
Hoang-Puff.
Warum sprecht Ihr nicht laut, Zimar, damit auch ich es höre.
Zimar.
Verzeiht, das Lob, welches ich über Euch ausschütte, könnte eure Bescheidenheit verletzen.
[80] Hoang-Puff.
Ist auch wahr, bald hätte ich vergessen daß ich bescheiden seyn muß. Drum redet sehr leise, denn ich habe ein langes Gehör.
Zimar (zu Nadir).
Entsetzt Euch über nichts, und thut was ich Euch vorschreiben werde. Ehe der Tag sich endet, sollt Ihr so glücklich seyn, als Ihr es nur wünscht.
Hoang-Puff.
Habt Ihr ihm jetzt alles gesagt?
Zimar.
Ich habe nichts vergessen.
Hoang-Puff (zu den Stummen, welche eintreten).
Ergreifet diesen Burschen!
Nadir (zu den Stummen, welche ihre Säbel ziehen wollen).
Haltet ein!
Hoang-Puff.
Sintemahl ich Hoang-Puff bin, commandire ich! Welche Keckheit? Man lasse ihn noch vor seinem Tode, sechzig Bambushiebe auf die Sohlen geben, damit er die weite Reise wenigstens geschmiert antrete.
Nadir (zu Zimar bedeutungsvoll).
Was soll das bedeuten?
Zimar.
Seyd ruhig! (mit Bedeutung).
[81] Hoang-Puff.
Zimar hat Recht; Ihr müßt Euch ruhig in Euer Schicksal geben! He, Sclaven, macht hurtig! Man muß niemand aufhalten.
(Die Stummen wollen Hand anlegen).
Zimar (winkt ihnen mit der Hand, und sagt dann leise zu Hoang-Puff).
Befehlt daß man innehalte, bis ich Euch allein gesprochen habe. Er verdient die Strafe, doch muß ich Euch vorher eine Sache von größter Wichtigkeit mittheilen.
Hoang-Puff.
Keinen Augenblick!
Zimar.
Euer Leben hängt davon ab!
Hoang-Puff.
Mein Leben? (er schreyt aus vollem Halse). Haltet ein! führt ihn unterdessen in das Gartenhaus und bewacht ihn (zu Nadir). Werdet nicht ungeduldig, junger Mensch, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Laßt uns allein, Kang-Schu!
Kang-Schu.
Vielleicht wäre meine Gegenwart –
Hoang-Puff.
Pack Dich fort!
Kang-Schu.
Man kann doch nicht wissen ob – –
Hoang-Puff.
Fort, sage ich! – oder der Bambus!
[82] Kang-Schu.
Solchen Gründen ist nicht zu widersprechen (die Stummen die Nadir abführen und Kang-Schu ab).
Hoang-Puff.
Ich kann das immerwährende Einreden nicht leiden, da lobe ich mir meine Stummen, die widersprechen mir nie.
Zimar (thut als ob er mit sich allein spräche).
Unglücklicher Hoang-Puff, unseliges Geschick.
Hoang-Puff.
Was spricht er da? Woran denkst Du? Zimar!
Zimar.
An Euer Horoscop. Ich habe es vollendet, und bemerke mit Schrecken, daß Nadir’s Tod Euch furchtbares Unheil bringen würde.
Hoang-Puff.
Ich erbebe! Rede deutlicher!
Zimar (nimmt ein großes Papier hervor).
Seht selbst!
Hoang-Puff.
Was soll ich mit dem Zeug anfangen, Du weißt, daß ich weder lesen noch schreiben kann. Das paßt nur für gemeine Leute.
Zimar.
Ich erkenne genau Euer Gestirn! Hier!
[83] Hoang-Puff.
Dieser kleine unbedeutende Stern? Und was sagt er?
Zimar.
Hängt Ihr sehr an Eurem Leben?
Hoang-Puff.
Dumme Frage!
Zimar.
Ihr werdet es verlieren, sobald Nadir stirbt.
Hoang-Puff.
Alle Wetter!
Zimar.
Ich entdecke so eben, daß dasselbe Gestirn, welches bey Eurer Geburt den Vorsitz hatte, gleichfalls um vierzig Jahre später der Geburt dieses Jünglings vorstand.
Hoang-Puff.
Was kümmert mich das?
Zimar.
So oft der Zustand zweyer Dinge so gestaltet ist! so stirbt immer der Eine vier und zwanzig Stunden nach dem Andern.
Hoang-Puff.
Also, wenn Nadir heute stirbt –
Zimar.
So sterbt Ihr unfehlbar Morgen um dieselbe Zeit.
Hoang-Puff.
Verfluchte Einrichtung!
Zimar.
Jedes Gestirn zieht in seinen Wirkungskreis was unter seinem Einflusse geboren ward, das wißt Ihr wohl?
[84] Hoang-Puff.
Das weiß ich nicht! aber es schadet nichts. Man braucht nicht alles zu wissen, und kann doch existiren.
Zimar.
Das sollt Ihr aber wissen!
Hoang-Puff.
Wenn Ihr es durchaus wollt, so weiß ich es.
Zimar.
Es folgt daher daraus, daß Euer Lebensfaden mit dem des Nadir, in einem und demselben Gestirne vereinigt, und daß die mindeste Bewegung, welche den Einen zerreißt, beynahe zu gleicher Zeit auch den Andern zerstört. Begreift Ihr nun?
Hoang-Puff.
Ob ich’s begreife! Das ist ja sonnenklar. Der Lebensfaden, die Sterne, die Bewegung, die gleiche Zeit, – Ihr seht, ich weiß alles.
Zimar.
Und gründlich, wie ich bemerke!
Hoang-Puff.
Aber allen Respect vor meinem Gestirne, so ist das doch eine alberne Einrichtung, wenn man beständig von dem Leben eines Andern abhängen soll, da kann man plötzlich sterben, ohne daß man selbst etwas davon weiß.
Zimar.
Nicht anders!
Hoang-Puff.
Es gibt so viele Sterne, daß wohl jeder nur Einem angehören sollte, und der große Hoang-Puff verdiente [85] wenigstens seinen Eigenen. Da kann man wohl sehen, wie allenthalben die Oekonomie um sich greift.
Zimar.
Gewiß, und doch könnt Ihr nur bey diesem Verhältnisse gewinnen. Da Euer Lebensfaden zu sechzig Jahren, an dem eines Jünglings von zwanzigen geknüpft ist, dem man obendrein ein hohes Alter voraussagt, so könnt Ihr berechnen, wie lange Ihr noch zu leben habt.
Hoang-Puff.
Beym Propheten! das laß’ ich mir gefallen!
Zimar.
Handelt nun, wie es Euch gut dünkt! Was ich Euch vertraute, bleibt das strengste Geheimniß.
Hoang-Puff.
Stumm wie ein Fisch! Vor allen darf es Nadir nicht erfahren, der Bursche wäre kapabel, und brächte sich mir zum Trotze um.
Zimar.
Natürlich!
Kang-Schu.
Großer Hoang-Puff, so eben sprang Nadir zu einem Fenster des Gartenhauses hinaus, welches man zufälliger Weise offen gelassen hatte.
Hoang-Puff.
Nicht möglich!
[86] Jao.
Er kann noch nicht aus dem Garten seyn! die Mauern sind zu hoch.
Hoang-Puff.
Lauft, rennt, das euch der Athem ausbleibt. Sucht ihn auf, sage ich euch – lebendig muß ich ihn haben, hört ihr, lebendig, oder ich lasse euch allen die Köpfe abschlagen (Kang-Schu, Jao, die Sclaven ab). Du lieber Himmel, ich bin in Todesängsten, vielleicht liege ich jetzt schon mit einem Fuße im Grabe; so ein dünner Faden ist leicht entzwey, und jetzt wird ohnehin nichts auf die Dauer gearbeitet. Was seh’ ich? (Nadir läuft rückwärts über die Bühne). Da ist er, dort, he Wache, läuft ihm nach – krümmt ihm aber kein Haar, ergreift ihn aber nur manierlich (zu Zimar). Ich bin außer mir! mein Faden wird schon gesponnen; wenn er reißt, so bin ich verloren (rennt ab).
Zimar.
Dank sey es der Leichtgläubigkeit des Statthalters, und seiner ungewöhnlichen Lebenslust, Nadir ist gerettet, wenn er nicht selbst in sein Verderben stürzt.
Jao (innerhalb).
Oali, Oali!
Oali.
Warte nur, ich komme gleich! (ebenfalls von innen).
[87] Zimar.
Sollte es die schöne Sclavinn seyn, welche sich nähert?
Oali.
Ach Himmel! Ich finde ihn nirgends.
Zimar.
Wen suchst Du, schönes Kind?
Oali.
Ich suche Nadir.
Zimar.
Nimmst Du Theil an Nadir’s Schicksal?
Oali.
Ihn liebte ich, ihn wollte ich heirathen, als sein Vater verwiesen und er der armen Oali auf immer entzogen wurde.
Zimar.
Bist Du Oali; Hoang-Puff’s Leiden und Freuden? Kaum kann ich mich von meinem Staunen erhohlen, und doch ist es kein Schatten von dem, was sich Nadir’s bemeistern wird, wenn er seine Vielgeliebte hier entdeckt.
Oali.
Nadir wäre hier? Wenn ihn der Mandarin erkennt, so ist sein Untergang gewiß.
Zimar.
Besorge nichts. Du siehst in Zimar, seines Vaters, und seinen Freund.
[88] Oali.
Wenn Du sein Freund wirklich bist, so suche ihn zu verbergen.
Zimar.
Er ist bereits gerettet.
Oali.
Hast Du seine Flucht begünstigt?
Zimar.
Er ist noch im Pallaste.
Oali.
Und da glaubst Du ihn sicher?
Zimar.
Ich bürge Dir dafür.
Oali.
Darf ich ihn sehen?
Zimar.
Bald.
Oali.
Ich werde ihn an meine Brust drücken?
Zimar.
Ich hoffe auf immer!
Oali.
Ich glaubte mich so fern vom Ziele!
Zimar.
Das Ungefähr vereinige Euch nun.
Oali.
Und Eure Freundschaft!
Zimar.
Soll das ihre dazu beytragen.
Oali.
Wie soll ich Euch danken?
[89] Zimar.
Durch Folgsamkeit. Nur sie führt Dich an’s sichre Ziel. Mäßige Deinen Eifer und quäle den Statthalter nicht mehr durch Kälte. Schmeichle sogar seiner Neigung.
Oali.
Das ist unmöglich!
Zimar.
Bedenke: Nadir ist der Preis, und diesen zu erringen, sollte Dir unmöglich seyn?
Oali.
Ich gehorche.
Zimar.
Sey zärtlich, so viel Du kannst.
Oali.
Ich will ihn anbethen, wenn ich es vor Lachen kann.
Zimar.
Du mußt noch mehr thun, Du mußt Dich sogar widersetzen, wenn er Dir Nadir’s Hand anbiethet.
Oali.
Und wenn er mich beym Worte nimmt?
Zimar.
Das wird er nicht.
Oali.
Mir ist alles ein Räthsel!
Zimar.
Das sich bald aufklären wird, und wobey die Auflösung das Wörtchen: Ehe ist. Doch stille, er kömmt so eben!
Oali.
Und mit dieser Figur soll ich zärtlich seyn! Welche [90] schwere Aufgabe. Ich verberge mich. (Sie verbirgt sich in’s Bosket).
Hoang-Puff (schnaubend).
Puh!
Oali (rückwärts).
Welche Karikatur?
Hoang-Puff.
Endlich hat man ihn gefunden.
Zimar.
Ich wünsche Euch Glück, gnädigster Herr!
Hoang-Puff.
Das waren Aengsten: mein lebelang werde ich’s nicht vergessen. Schon stand er auf der Mauer: wenn ihn nicht die Sclaven haschen, so bin ich ein Kind des Todes. Ich rief ihm eiligst zu, daß ihm sein Leben geschenkt sey, und nun scheint er etwas ruhiger.
Oali.
Das Leben schenken?
Hoang-Puff.
Daß ich ihm Wort halten werde, glaubt Ihr mir, auf’s Wort, obschon ich sonst das Versprechen bequemer als das Halten finde.
Zimar.
An Großmuth kommt Euch Niemand gleich.
Hoang-Puff.
Weil ich nun schon ein Mahl heute einen großmüthigen Tag angezogen habe, so will ich sogar statt [91] aller Strafe, die sechzig Bambushiebe auf dreyßig herabsetzen. Es ist zwar nicht viel, aber es ist doch etwas.
Zimar.
Herr, er würde auch diesen unterliegen.
Hoang-Puff.
Da muß er von sehr schwacher Complection seyn. In’s Himmels Nahmen, er soll ganz leer ausgehen.
Zimar.
Ihr thut wohl, denn es wäre so viel als ob Ihr ihm den Kopf abschneidet.
Hoang-Puff.
Schweigt! Mir läuft’s eiskalt über dem Rücken. Einen Kopf abschneiden, der so zu sagen, auf meinen Schultern sitzt.
Oali (noch immer verborgen).
Ich athme!
Hoang-Puff (sich umdrehend).
Wer athmet hier? (Er bemerkt Oali, deren Kopf aus dem Bosket hervorragt).
Oali.
Was soll ich thun? (sie bleibt unbeweglich).
Hoang-Puff.
Weil wir gerade von Köpfen sprechen, sag’ mir, Zimar, wie gefällt Dir dieser hier? he!
Zimar.
Ich finde ihn allerliebst.
Hoang-Puff (zu Oali).
So komme doch hervor, kleines Närrchen, hast Du an Hoang-Puff, der Sonne von Schekiang gar nichts zu sagen?
[92] Oali.
Verzeiht, diese Sonne blendet, ich kann Euch nicht ansehen.
Hoang-Puff.
Was suchtest Du dort?
Oali.
Ich hörte Euch rufen, ich sah’ Euch unruhig, und ward es selbst, um Euretwillen.
Hoang-Puff.
Allerliebstes Kind, unruhig um Meinetwillen. Hörst du, Zimar, ich kann noch Mädchen unruhig machen. Jetzt geh Oali – laß’ uns allein, und mache dir um Meinetwillen nicht zu viel Kummer. Geh’!
Oali (Ab).
Hoang-Puff.
Ich sage Dir’s, das Mädchen wird noch sterblich in mich verliebt, und mich wird sie erst vollends zum Narren machen.
Zimar.
Das soll ihr wohl kaum mehr möglich seyn.
Hoang-Puff.
Komm näher, mein lieber Nadir, Dir soll kein Leid geschehen (leise zu Zimar). Was seh’ ich! Wie blaß er aussieht? Wie eingefallen! ich bin in Lebensgefahr! Ist meine Phisiognomie noch nicht entstellt?
Zimar.
Nicht besonders!
[93] Hoang-Puff.
Nicht besonders! das ist ein verdammt zweydeutiger Ausdruck!
Nadir.
Hoang-Puff, endige Dein Spiel; willst Du meinen Kopf, hier ist er.
Hoang-Puff.
Wie der Bursche mit meinem Kopfe herum wirft (zu Nadir). Freylich will ich ihn, ohne deinen Kopf kann ich nicht existiren; aber er soll bleiben wo er ist.
Nadir.
Wo er ist! – (zu Hoang). Ich verstehe Dich nicht!
Hoang-Puff.
Glaub’s gerne! das thut aber nichts zur Sache, Du behältst Dein Leben, sollst es so angenehm als möglich genießen und damit Holla! (zu den Sclaven). Fort!
Kang-Schu.
Erlaubt Herr, daß ich um die Ursache dieses Entschlusses – –
Hoang-Puff.
Die brauchst Du nicht zu wissen, ich weiß es selbst nur halb! Fort! – He, Jao! (er spricht leise mit ihm).
Nadir.
Das ist Zimar’s Werk (bey Seite).
Hoang-Puff (zu Jao).
Wie ich Dir sage, die besten Gerüchte, die besten Weine, die auserlesensten Früchte. Hurtig, der ganze Harem soll sich hier versammeln, ein frohes Mahl schlägt doppelt an (zu Nadir). Du ißt mit mir! mein Sohn!
[94] Nadir.
Ich?
Hoang-Puff.
Du! Du mußt essen, und zwar viel essen, es lebt wohl mancher um zu essen, aber Du mußt essen damit ich lebe! (zu Kang-Schu). Du siehst mich so verwundert an, das ist wohl das erste Mahl, daß einem Chineser etwas spanisch vorkömmt!
Kang-Schu.
In der That, diese plötzliche Anhänglichkeit an Nadir!
Hoang-Puff.
Zum Henker, ich muß wohl – zwischen uns geht’s auf Leben und Tod.
Hoang-Puff.
Jetzt lasse Dir’s wohl schmecken, mein Sohn, Du warst seit gestern im Gefängniß – auf einen solchen Fasttag wird Dir’s vermuthlich jetzt recht behagen.
Zimar.
Staune nicht, Nadir, der großmüthige Hoang-Puff wünscht nur Dein Wohl.
Hoang-Puff.
Und besonders wünsche ich Dein langes Leben, damit ich alt werde (bey Seite). Alle Wetter, jetzt hätte ich mich beynahe verplaudert, (zu Nadir) Du bist gewiß recht bey Appetit?
[95] Nadir.
Ich kann es nicht läugnen.
Hoang-Puff.
Das ist mir sehr lieb. Du sollst mein zweytes Ich werden, und was du forderst sey dir im Voraus gewährt.
Zimar (bedeutungsvoll zu Nadir).
Gewiß, Du darfst alles fordern!
Nadir (bey Seite).
Das will ich versuchen! (laut). Großer Statthalter ehe wir uns zu Tische setzen, befreye mich von einem Anblicke der mich mit Zorn erfüllt, und in dessen Gegenwart ich keinen Bissen verzehren, und lieber Hunger sterben würde.
Hoang-Puff.
Hunger sterben! mir schaudert die Haut.
Nadir.
Dieser feige Verleumder meines Vaters, der Urheber seiner Ungnade, bringt mich zur Verzweiflung.
Hoang-Puff.
Dieser miserable Kerl? Fort mit ihm. Ich übergebe ihn Dir – lasse ihn einsperren, laß’ ihn prügeln, laß’ ihn aufhängen, wenn’s Dir Spaß macht, mir gleichviel!
Kang-Schu.
Aber, mächtigster Herr!
Nadir.
Ich bin mit seiner Verweisung zufrieden!
Hoang-Puff.
Du gehst zu gnädig mit ihm um! Ein paar hundert [96] Bambus könnten nicht schaden (zu den Sclaven). Schleppt Kang-Schu in den Thurm.
Kang-Schu.
Aber bedenkt!
Hoang-Puff.
Ich denke nie! in den Thurm! (Kang-Schu wird fortgeführt).
Jao.
Herr, der Harem naht; ich erwarte Eure Befehle!
Hoang-Puff.
Geduld! (zu Nadir). Sage mir, findest Du noch Jemand hier, der Dir vielleicht zuwider ist? (auf Jao). dieser da, hat eine infame Phisiognomie! he!
Nadir.
Er ist häßlich.
Hoang-Puff.
Soll ich ihn stranguliren lassen? (Jao fällt ihm zu Füßen).
Nadir.
Er mißfällt mir keineswegs.
Hoang-Puff.
Das ist was Anderes (zu Jao). Du bist zwar häßlich, du mißfällst ihm aber nicht. Stehe auf und dank es seiner Großmuth, daß Du mit heiler Haut davon kömmst. Der Harem soll erscheinen. (Jao ab).
[97] Nadir (bey Seite).
Mir scheint alles wie ein Traum.
Hoang-Puff.
Komm, Nadir, die Tafel ist bereitet! das ist der einzige Unterthan, den ich nie lange auf mich warten lasse (er setzt sich).
Nadir.
Weil Ihr es mir erlaubt! (setzt sich).
Hoang-Puff.
Zimar! Ihr seyd geladen!
Zimar (setzt sich).
Hoang-Puff.
Der Hungrigste soll leben! (er trinkt Nadir zu).
Nadir.
Ich thue gern Bescheid! Es lebe Hoang-Puff!
Hoang-Puff.
Nadir soll leben, es geht auf ein’s hinaus!
Hoang-Puff (sich überall umsehend).
Da seyd ihr ja, – aber wo ist denn – –
Jao.
Herr, sie bindet so eben einen Blumenstrauß für Euch!
Hoang-Puff.
Einen Strauß, für mich? Das macht sie gut. Wenn nur ein Immergrün und Je länger je lieber, dabey [98] ist, das kann auf ein langes Leben Bezug haben. He, Nadir, wie gefallen Dir diese Täubchen hier?
Nadir (ißt emsig).
Deliciös! besonders das Ragout ist schmackhaft.
Hoang-Puff.
Das nenne ich in Gedanken seyn. Iß nur, mein Sohn, wer lange ißt, der lebt lange. Ich gebe Dir nach Tische die Erlaubniß, die Schönste meines Serails Dir zur Frau zu erwählen.
Nadir.
Ich danke Euch! nur die mir Geraubte, und keine Andere soll je die Meinige, ohne sie, kann ich nie glücklich werden.
Hoang-Puff.
So etwas bildet man sich nur ein, die Liebe vergeht oft über Nacht!
Nadir.
Wüßte ich sie zu finden, wüßte ich wo sie jetzt weilt!
Hoang-Puff.
Ich will sie Dir aufsuchen lassen; ich will die Hälfte meines Schatzes dem zur Belohnung geben, der sie bringt.
Nadir.
O erlaubt, daß ich selbst ihre Spur verfolge.
Hoang-Puff.
Alle Wetter! das kann ich nicht erlauben; man hört täglich von Unglücksfällen, die Reisenden begegnen, von Räubern, von zerbrochenen Wägen, und dergleichen; nein, nein, das kann ich nicht zugeben; mein Leben ist mir viel zu lieb.
Nadir (ißt sehr gierig fort).
[99] Hoang-Puff.
Was machst Du, Nadir?
Nadir.
Ich esse! (mit vollem Munde).
Hoang-Puff.
Das kannst Du nicht verbergen (bey Seite). Der Unglückselige wird sich noch den Magen überladen.
Nadir (der immer frisch zugreift).
Hoang-Puff.
Er erstickt! ich bin zu Grunde gerichtet!
Nadir (ganz ermüdet vor essen).
Das Bedürfniß läßt nach! ich bin fast gesättigt.
Hoang-Puff.
Dem Himmel sey es gedankt! ich athme! Jetzt noch einen Schluck, damit die Speisen schwimmen.
Nadir (trinkt).
Hoang-Puff.
Wie ist Dir, mein lieber Sohn?
Nadir.
Vollkommen wohl!
Hoang-Puff.
Das hat mir warm gemacht! (er steht auf).
Hoang-Puff.
Komm näher, kleine Oali!
Nadir (der noch immer bey Tische saß, und jetzt erst ihren Nahmen hört, springt auf und läuft auf sie zu).
Was sehe ich? meine Oali!
[100] Oali (leise zu ihm).
Mäßige Dich.
Hoang-Puff (trennt sie).
Was soll das vorstellen? seyd Ihr behext?
Nadir.
Dieses Mädchen ist es, das ich liebe; gebt mir meine Oali!
Hoang-Puff.
Das kann nicht seyn. Ich habe Dir die Erlaubniß ertheilt, unter allen Uebrigen Eine auszusuchen, aber diese da kann ich nicht verschenken.
Nadir.
Ich will Oali oder ich will sterben.
Hoang-Puff.
Ich will aber leben. Alle Hagel, ich muß leben. Um’s Himmelswillen, rede ihm zu (zu Zimar).
Zimar.
Nadir, Du hast unrecht. Wie kannst du Dir es beymessen, dem erhab’nen Hoang-Puff diejenige zu rauben, die er anbethet.
Hoang-Puff.
Die ich anbethe; mir aus der Seele gesprochen.
Zimar.
Dir ziemt es zu schweigen.
Hoang-Puff.
Zu schweigen, mir wieder aus der Seele gesprochen.
Zimar.
Zu dulden!
Hoang-Puff.
Zu dulden; mir auch aus der Seele gesprochen!
[101] Zimar.
Zu sterben, wenn es nöthig ist.
Hoang-Puff.
Zu sterben! – (erschrocken). Mir nicht aus der Seele gesprochen. Er soll schweigen, und dulden, aber nicht sterben: das käme mir verdammt ungelegen.
Nadir.
Ich bin in einem unseligen Gestirne geboren.
Hoang-Puff (zu sich selbst).
Wenn sich der über sein Gestirn beklagt, so thut er wahrhaftig unrecht.
Nadir.
Ich kann ohne Oali nicht leben. Ihr versagt mir sie also wirklich?
Hoang-Puff.
Ja.
Nadir.
Ich soll also sterben?
Hoang-Puff (schreyend).
Nein!
Nadir.
Oali lebe wohl! (er ergreift schnell ein auf der Tafel liegendes Messer, und thut dergleichen als ob er sich erstechen wollte).
Hoang-Puff (Nadir zurückhaltend).
Er bringt mich um! In’s Himmelsnahmen, da hast Du sie! – (er will Oali zu Nadir ziehen).
Oali.
Ich, Nadir’s Frau? um keinen Preis.
Hoang-Puff.
Was wäre das?
[102] Oali.
Nadir hat weder Rang noch Vermögen, keine Würden schmeicheln meiner Eitelkeit; Ihr besitzt alle diese Vorzüge – nur Euch will ich besitzen.
Hoang-Puff.
Der Teufel hohle Deine infame Liebe zu mir.
Nadir.
Wenn also alles verloren ist so – – (er bewegt sich wieder wie vorhin).
Hoang-Puff.
Halt! Es muß gehen! (zu Oali). Aber liebe Oali, ich bin ja häßlich.
Oali.
Mir gefällt Ihr!
Hoang-Puff.
Damit Nadir einen Rang bekleide, so mache ich ihn zu meinem Großvezier, da wird er doch was Rechtes seyn?
Oali.
Euch zu Liebe, lasse ich mir’s gefallen! (sie läuft in Nadir’s Arme).
Hoang-Puff.
Was thut man nicht alles, des Bischen Lebens wegen? (zu Nadir). Hast Du Dich nur nicht verwundet? so ein Teufels-Messer schneidet oft scharf.
Nadir.
Nur mein Herz ist auf ewig verwundet.
Hoang-Puff.
Und meines ist auf immer geheilt. So etwas schadet auch nicht – mit der Wunde kannst Du steinalt werden.
[103] Nadir.
Wie soll ich Euch meine Dankbarkeit? –
Hoang-Puff.
Bleibt mir weg mit solchen gewöhnlichen Redensarten, die jeder im Munde führt, so lange sie nichts kosten. Unser Familiengestirn wird schon für uns sorgen, und wenn Du mir einen Gefallen thun willst, so werde alt, wie Methusalem.
Die Sclaven.
Es lebe Hoang-Puff.
Hoang-Puff.
Meinethalben ruft: es lebe Nadir, damit ist mir auch geholfen.
Die Sclaven.
Er lebe Nadir!
(Während den letzten Reden, haben die Sclaven einen reichen Thronhimmel, welcher mit einem schönen Schirm bedeckt ist, hereingebracht. Hoang-Puff setz sich darauf; Oali, Nadir, Zimar und Jao gehen zu beyden Seiten; die Frauen und alle Sclaven folgen Gruppenweise).
(Der Vorhang fällt).