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Hoffmann von Fallersleben als Irrlicht

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Titel: Hoffmann von Fallersleben als Irrlicht
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 224
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[224] Hoffmann von Fallersleben als Irrlicht. In der Mitte der vierziger Jahre genoß Hoffmann von Fallersleben, damals wegen seiner „Unpolitischen Lieder“ als Breslauer Professor abgesetzt und aus mehreren deutschen Bundes-Vaterländern verwiesen, die Gastfreundschaft eines Mecklenburger Gutsbesitzers in Holdorf. Schon Monate hatte er ein beneidenswerthes Leben der Freiheit und des Genusses geführt, als ihm Etwas passirte, das die Erinnerung an diese „schönen Tage von Aranjuez“ ihm besonders tief einprägte. Unseres „unpolitischen“ Dichters liebstes Vergnügen war, in dunklen Nächten im Garten, Parke und Hof zu lustwandeln, wobei ihm natürlich die getreue Cigarre niemals ausging. Für die Tagelöhner und Dienstleute des Gutes gehörte eine solche Passion geradezu zu den unbegreiflichen Dingen, und es ist ihnen nicht zu verargen, wenn sie jedesmal, sobald sie den fremden wunderlichen Herrn seine Nachtwandelung antreten sahen, ihre bedenkliche Frage wiederholten: „Worüm de Kirl woll ümmer in de Nacht rüm spöken deiht?“

Eines Nachts nun, wo Hoffmann vor einem drohenden Gewitter früher als gewöhnlich dem Hause zuschritt, hörte er auf dem Hofe die Worte sagen: „Töff! den Flimmstirn, den griep ick mi!“ vernahm das Geräusch des Herannahens und spürte plötzlich eine so gediegene Ohrfeige, daß ihm Hören und Sehen verging. Schreien war das Erste, was er that, und es geschah erfolgreich genug, um in kurzer Zeit den Herrn sammt allem Hausgesinde um den dichterischen Gast zu versammeln. Mit aller Entrüstung erzählte der schwer Beleidigte das schreckliche Attentat auf sein würdiges Haupt. Der Gutsherr brauste nicht weniger auf und fuhr mit der Frage nach dem Verbrecher unter seine Leute, aber Alles vergebens; alle Anwesenden waren die reine Unschuld, und es blieb der ehrenwerthen Versammlung schließlich nichts übrig, als sich aufzulösen, und zwar, nach dem klugen und ehrlichen Vorgange des Dichters, mit herzlichem Lachen.

Erst am andern Morgen kam die Erklärung des geheimnißvollen Ereignisses und zwar in Gestalt eines Zimmergesellen, der erst Tags vorher in Arbeit auf dem Gute getreten war. Wie glücklich ihm auch die Flucht nach seiner kühnen That gelungen war, so peinigte ihn sein Gewissen doch so, daß er Alles, selbst eine strenge Strafe riskiren wollte, um sein Herzklopfen los zu werden. Und so gestand er dem mit Gutmüthigkeit nach seinem Begehr fragenden Dichter, daß er es gewesen sei, der dem Herrn Professor unversehens den gräulichen Schlag versetzt habe.

„Unversehens?“ rief Hoffmann. „Und warum denn?“

Nun folgte eine Erklärung, welche dem geschlagenen Manne einen förmlichen Lachsturm entlockte. Es herrscht nämlich in Mecklenburg und gewiß auch anderwärts der Aberglaube, daß Derjenige, welcher ein Irrlicht einfange, im Leben immerdar Glück habe. Die Irrlichter heißen dort auch Glimm- oder Flimmsterne. In der leuchtenden und im Munde Hoffmann's auf und ab und hin und her sich bewegenden Cigarre, hinter welcher in der finstern Nacht der Träger derselben nur wie ein Schatten erschien, glaubte der nach Glück lüsterne Zimmermann einen solchen Flimmstern zu erkennen, und so ging er denn auf den Fang aus.

„Aber warum schlugst Du denn so mörderlich zu?“ fragte Hoffmann.

„Ick müßt' den Flimmstirn doch irst dahl slahn, dat ick em griepen kunn.“

„Also so war's gemeint? 'Dahl slahn' – zu Boden schlagen – ?“ meinte der Dichter. „Ich danke. Ich bin mit dem Geleisteten zufrieden.“ Damit versöhnte er sich mit dem Manne und entließ ihn mit beruhigtem Gewissen. Aber dem Gutsherrn versicherte er am Schlusse seiner Mittheilung: „Einmal Irrlicht gewesen und nicht wieder!“