Hyperion an Bellarmin LIV

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Textdaten
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Autor: Friedrich Hölderlin
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Titel: Hyperion – Hyperion an Bellarmin LIV
Untertitel: oder der Eremit in Griechenland – Zweiter Band
aus: Hyperion oder der Eremit in Griechenland von Friedrich Hölderlin. Erster Band. Tübingen 1799; S. 61–63
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: o. A.
Erscheinungsdatum: 1799
Verlag: J. G. Cotta'sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: www.hoelderlin.de
Kurzbeschreibung:
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HYPERION AN BELLARMIN.


     Sechs Tage nach der Schlacht lag ich in einem peinlichen todähnlichen Schlaf. Mein Leben war, wie eine Nacht, von Schmerzen, wie von zükenden Blizen, unterbrochen. Das Erste, was ich wieder erkannte, war Alabanda. Er war, wie ich erfuhr, nicht einen Augenblik von mir gewichen, hatte fast allein mich bedient, mit unbegreiflicher Geschäftigkeit, mit tausend zärtlichen häuslichen Sorgen, woran er sonst im Leben nie gedacht, und man hatt’ ihn auf den Knien vor meinem Bette rufen gehört: o lebe, mein Lieber! dass ich lebe!

     Es war ein glüklich Erwachen, Bellarmin! da mein Auge nun wieder dem Lichte sich [62-63] öffnete, und mit den Thränen des Wiedersehens der Herrliche vor mir stand.

     Ich reicht’ ihm die Hand hin, und der Stolze küsste sie mit allen Entzüken der Liebe. Er lebt, rief er, o Retterin! o Natur! du gute, alles heilende! dein armes Paar, das vaterlandslose, das irre, verlässest doch du nicht! O ich will es nie vergessen, Hyperion! wie dein Schiff vor meinen Augen im Feuer aufgieng, und donnernd, in die rasende Flamme die Schiffer mit sich hinaufriss, und unter den wenigen geretteten kein Hyperion war. Ich war von Sinnen und der grimmige Schlachtlärm stillte mich nicht. Doch hört’ ich bald von dir und flog dir nach, so bald wir mit dem Feinde vollends fertig waren. -

     Und wie er nun mich hütete! wie er mit liebender Vorsicht mich gefangen hielt in dem Zauberkreise seiner Gefälligkeiten! wie er, ohne ein Wort, mit seiner grossen Ruhe mich lehrte, den freien Lauf der Welt neidlos und männlich zu verstehen!

     O ihr Söhne der Sonne! ihr freieren Seelen! es ist viel verloren gegangen in diesem Alabanda. Ich suchte umsonst und flehte das Leben an, seit er fort ist; solch eine Römernatur hab’ ich nimmer gefunden. Der Sorgenfreie, der Tiefverständige, der Tapfre, der Edle! Wo ist ein Mann, wenn ers nicht war? Und wenn er freundlich war und fromm, da wars, wie wenn das Abendlicht im Dunkel der majestätischen Eiche spielt und ihre Blätter träufeln vom Gewitter des Tags.