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Hyperion an Diotima LI

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Textdaten
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Autor: Friedrich Hölderlin
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Titel: Hyperion – Hyperion an Diotima LI
Untertitel: oder der Eremit in Griechenland – Zweiter Band
aus: Hyperion oder der Eremit in Griechenland von Friedrich Hölderlin. Erster Band. Tübingen 1799; S. 48–52
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: o. A.
Erscheinungsdatum: 1799
Verlag: J. G. Cotta'sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
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Quelle: www.hoelderlin.de
Kurzbeschreibung:
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[48-49]
HYPERION AN DIOTIMA.


     Ich habe gezaudert, gekämpft. Doch endlich muss es seyn.

     Ich sehe, was nothwendig ist, und weil ich es sehe, so soll es auch werden. Misdeute mich nicht! verdamme mich nicht! ich muss dir rathen, dass du mich verlässest, meine Diotima.

     Ich bin für dich nichts mehr, du holdes Wesen! Diss Herz ist dir versiegt, und meine Augen sehen das Lebendige nicht mehr. O meine Lippen sind verdorrt; der Liebe süsser Hauch quillt mir im Busen nicht mehr.

     Ein Tag hat alle Jugend mir genommen; am Eurotas hat mein Leben sich müde geweint, ach! am Eurotas, der in rettungsloser Schmach an Lacedämons Schutt vorüberklagt, mit allen seinen Wellen. Da, da hat mich das Schiksaal abgeerndtet. - Soll ich deine Liebe, wie ein Allmosen, besizen? - Ich bin so gar nichts, bin so ruhmlos, wie der ärmste Knecht. Ich bin verbannt, verflucht, wie ein gemeiner Rebell und mancher Grieche in Morea wird von unsern Heldenthaten, wie von einer Diebsgeschichte, seinen Kindeskindern künftighin erzählen.

     Ach! und Eines hab’ ich lange dir verschwiegen. Feierlich versties mein Vater mich, verwies mich ohne Rükkehr aus dem Hause meiner Jugend, will mich nimmer wieder sehen, nicht in diesem, noch im andern Leben, wie er sagt. So lautet die Antwort auf den Brief, worinn ich mein Beginnen ihm geschrieben.

     Nun lass dich nur das Mitleid nimmer irre führen. Glaube mir, es bleibt uns überall noch [50-51] eine Freude. Der ächte Schmerz begeistert. Wer auf sein Elend tritt, steht höher. Und das ist herrlich, dass wir erst im Leiden recht der Seele Freiheit fühlen. Freiheit! wer das Wort versteht - es ist ein tiefes Wort, Diotima. Ich bin so innigst angefochten, bin so unerhört gekränkt, bin ohne Hoffnung, ohne Ziel, bin gänzlich ehrlos, und doch ist eine Macht in mir, ein Unbezwingliches, das mein Gebein mit süssen Schauern durchdringt, so oft es rege wird in mir.

     Auch hab’ ich meinen Alabanda noch. Der hat so wenig zu gewinnen, als ich selbst. Den kann ich ohne Schaden mir behalten! Ach! der königliche Jüngling hätt’ ein besser Loos verdient. Er ist so sanft geworden und so still. Das will mir oft das Herz zerreissen. Aber einer erhält den andern. Wir sagen uns nichts; was sollten wir uns sagen? aber es ist denn doch ein Seegen in manchem kleinen Liebesdienste, den wir uns leisten.

     Da schläft er und lächelt genügsam, mitten in unsrem Schiksaal. Der Gute! er weiss nicht, was ich thue. Er würd’ es nicht dulden. Du must an Diotima schreiben, gebot er mir, und must ihr sagen, daß sie bald mit dir sich aufmacht, in ein leidlicher Land zu fliehn. Aber er weiss nicht, dass ein Herz, das so verzweifeln lernte, wie seines und wie meines, der Geliebten nichts mehr ist. Nein! nein! du fändest ewig keinen Frieden bei Hyperion, du müsstest untreu werden und das will ich dir ersparen.

     Und so lebe denn wohl, du süsses Mädchen! lebe wohl! Ich möchte dir sagen, gehe dahin, gehe dorthin; da rauschen die Quellen des Lebens. Ich möcht’ ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich! Aber o Himmel! könnt’ ich diss, so wär’ ich auch ein andrer und so müsst’ ich auch nicht Abschied nehmen - Abschied nehmen? Ach! ich weiss nicht, was ich thue. Ich wähnte mich so gefasst, so besonnen. Jezt schwindelt mir und mein Herz wirft sich umher, wie ein ungeduldiger Kranker. Weh über mich! ich richte meine lezte Freude zu Grunde. Aber es muss seyn und das Ach! der Natur ist hier umsonst. Ich bin’s dir schuldig, und ich bin ja ohnediss dazu geboren, heimathlos und ohne Ruhestätte zu seyn. O Erde! o ihr Sterne! werde ich nirgends wohnen am Ende?

     Noch Einmal möcht’ ich wiederkehren an deinen Busen, wo es auch wäre! Aetheraugen! [52] Einmal noch mir wieder begegnen in euch! an deinen Lippen hängen, du Liebliche! du Unaussprechliche! und in mich trinken dein entzükend heiligsüsses Leben - aber höre das nicht! ich bitte dich, achte das nicht! Ich würde sagen, ich sei ein Verführer, wenn du es hörtest. Du kennst mich, du verstehst mich. Du weist, wie tief du mich achtest, wenn du mich nicht bedauerst, mich nicht hörst.

     Ich kann, ich darf nicht mehr - wie mag der Priester leben, wo sein Gott nicht mehr ist? O Genius meines Volks! o Seele Griechenlands! ich muss hinab, ich muß im Todtenreiche dich suchen.