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Immergrüne Weihnachtsbäume

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Oskar Luckhardt
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Titel: Immergrüne Weihnachtsbäume
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 763–764
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[763] Immergrüne Weihnachtsbäume. Während ich vor Kurzem mit dem Pflanzen junger Fichten beschäftigt war, erhielt ich den Besuch eines Pfarrers aus der Umgegend, der meine Gartenanlagen anzusehen wünschte. Da in denselben die Nadelhölzer eine ziemlich reiche Verwendung gefunden haben, theils freistehend, theils in Gruppen oder Hecken, so hatte ich wohl schon Gelegenheit, zu bemerken, welches Interesse, ja welche Bewunderung dieselben jederzeit bei den Besuchern erregten, und war namentlich deshalb, weil die Verpflanzung derselben im Allgemeinen vom Laien für eine sehr schwierige gehalten wird und etwaige Versuche damit ihm auch in der Regel mißlingen. Fast schwärmend äußerte sich aber der erwähnte geistliche Herr, und das frische Aussehen meiner Fichtenanpflanzungen veranlaßte ihn zu der halb vorwurfsvollen, halb ermunternden Frage, warum ich nicht auch Fichten und Tannen in Kübel einsetze, um so dieselben auch im Zimmer, und zwar insbesondere in Krankenzimmern, halten zu können. Suche man der Trockenheit der Zimmerluft durch Zimmer-Springbrunnen abzuhelfen, warum nicht diese Luft durch die würzigen Ausathmungen der immergrünen Nadelhölzer noch verbessern? In jedem Hause, vor Allen in Spitälern, Speisesälen, Corridors sollten Tannen und Fichten in Kübeln stehen! Die schönste Verwendung würde sie aber als Weihnachtsbäume finden. Seit Jahren habe er, wenn das liebliche Weihnachtsfest herannahe, mit Trauer daran gedacht, daß nun so viele Tannen- und Fichtenbäumchen gefällt, oder Spitzen hoher Tannen abgebrochen würden. Wie viele Nadelbäume könnten vor frühzeitigem Untergang bewahrt werden, denn jedes eingesetzte und gedeihende Bäumchen würde jedes Jahr einem Bruder im Walde das Leben retten. Seit etwa zehn Jahren habe er den Weihnachtsbaum in der eigenen Familie angezündet; hätte er gleich im ersten Jahre wenn auch nur einen kleinen lebenden Baum gehabt, so wären neun von dessen Brüdern mit ihm am Leben geblieben. Und erst welche Freude würde es den Kindern gewähren, wenn ihr Liebling nicht mehr entfernt zu werden brauchte, sondern den ganzen Winter hindurch, sei es auch ohne Schmuck, im Zimmer bliebe, und mit welcher Freude werden die Kinder den lieben Winterfreund auch im Sommer im Garten pflegen! Wird der Baum zu groß für das Zimmer, nun, so setze man [764] ihn in den Hof! Dort möge er hoch und mächtig werden, und vielleicht dem Greise, dem er in seiner Kindheit die erste himmlische Freude bereitet, nun auch die Bretter zur letzten Ruhestätte geben!

Es gereichte mir zum besondern Vergnügen, dem begeisterten Fichtenfreunde seine Eingangs aufgeworfene Frage in befriedigender Weise mit dem Hinweise auf zwei in Kübeln vor meinem Hause stehende Fichten beantworten zu können, sowie seiner Idee über deren schönste Verwendung die Thatsache an die Seite zu stellen, daß die fraglichen Bäume zu den erwähnten Zwecken bestimmt wären und bereits auch bei mir selbst als Weihnachtsbäume gedient hätten. Ebenso leicht war es mir, seinem Wissensdrange nach Behandlung der Nadelhölzer behufs ihrer erfolgreichen Verpflanzung Genüge zu leisten, denn die Behandlung derselben ist im Wesentlichen keine andere als die allen Baumarten zu Theil werdende. Beim Versetzen junger Pflanzen, zwei- bis dreijähriger, muß die Pfahlwurzel, die namentlich bei den Tannen außergewöhnlich lang ist, bis auf acht bis zehn Centimeter eingekürzt werden, bei größeren Bäumen vier- bis achtjährigen, sind auch die Seitenwurzeln, welche nur wenige Centimeter tief unter der Erde fortlaufen, bis auf zehn bis zwanzig Centimeter abzuschneiden; auch ist es rathsam, solche ältere Bäume, wenn sie nicht bereits in den früheren Jahren in der angegebenen Weise einmal versetzt worden waren, mit dem Erdballen zu verpflanzen und eventuell einzuschlemmen. Will man noch größere Bäume zu Anpflanzungen oder um Einsetzen in Kübel verwenden, so muß auch durch mehrmaliges Versetzen und Verschneiden der Wurzeln in der Baumschule für die Bildung einer der Größe des Baumes entsprechenden Wurzelkrone gesorgt worden sein, ganz wie bei allen anderen Bäumen auch. Die Zeit zur Verpflanzung der Nadelhölzer ist beliebig, nur dürfen sie nicht im Triebe stehen, was während der Monate Mai, Juni und Juli und je nach Gegend und Klima auch wohl im August der Fall ist. Ich habe als beste Zeit im Frühjahre die des Safteintrittes und im Herbste den October erprobt.

Sehr erfreut, daß der Durchführbarkeit der Idee keine praktischen Schwierigkeiten entgegenstehen, wie er immer gefürchtet, drang nun mein freundlicher Besuch in mich, das große Publicum mit der Sache bekannt zu machen und zu diesem Zwecke dieselbe in der „Gartenlaube“ zu besprechen, und da die Redaction sich in liebenswürdigster Weise zur Aufnahme einer diesbezüglichen Notiz bereit erklärte, glaubte der Unterzeichnete die oben geschilderte Begegnung als am geeignetsten hierzu dem freundlichen Leser bieten zu sollen. Mögen sich recht Viele an der Verbreitung und Durchführung der Idee betheiligen und sich so, nach dem Ausspruche meines geistlichen Besuchers, den herzlichsten Dank aller frohen Kinder und aller Tannen-Elfen verdienen!

     Kronstadt in Siebenbürgen, im October 1876.
O. Luckhardt.