Inkle und Yariko
Die Liebe zum Gewinnst, die uns zuerst gelehrt,
Wie man auf leichtem Holz durch wilde Fluten fährt;
Die uns beherzt gemacht, das liebste Gut, das Leben,
Der ungewissen See auf Bretern Preis zu geben;
Von Vortheil und Verlust, trieb Inklen auf ein Schiff.
Er opferte der See die Kräfte seiner Jugend;
Denn Handeln war sein Witz, und Rechnen seine Tugend.
Ihn lockt das reiche Land, das wir durchs Schwerdt bekehrt,
Er sieht Amerika; doch nah an diesem Lande
Zerreißt der Sturm sein Schiff. Zwar glückt es ihm, am Strande
Dem Tode zu entgehn; allein der Wilden Schaar
Fiel auf die Britten los; und wer entkommen war,
Die Flucht in einen Wald muß ihm Beschirmung geben.
Vom Laufen athemlos, wirft, mit verwirrtem Sinn,
Der Britte sich zuletzt bey einem Baume hin;
Umringt mit naher Furcht und ungewissen Grämen,
Ein wildes Mädchen springt aus dem Gebüsch hervor,
Und sieht mit schnellem Blick den Europäer liegen.
Sie stutzt. Was wird sie thun? Bestürzt zurücke fliegen?
Sie sieht den Fremdling an; sein rund und weiß Gesicht,
Sein Kleid, sein lockicht Haar, die Anmuth seiner Blicke
Gefällt der Schönen wohl, hält sie mit Lust zurücke.
Auch Inklen nimmt dies Kind bey wilder Anmuth ein.
Verräth sie durch den Blick die Regung ihrer Triebe:
Ihr Auge sprach von Gunst, und bat um Gegenliebe.
Die Indianerinn war liebenswerth gebaut.
Durch Mienen redt dieß Paar, durch Mienen wirds vertraut.
Mit Früchten speist sie ihn in einer kleinen Hütte,
Und zeigt ihm einen Quell, vom Durst sich zu befreyn.
Durch Lächeln räth sie ihm, getrost und froh zu seyn.
Sie sah ihn zehnmal an, und spielt an seinen Haaren,
So oft der Morgen kömmt: so machte Yariko
Durch neuen Unterhalt den lieben Fremdling froh,
Was für ein treues Herz in einer Wilden schlage!
Mit mancher bunten Haut, mit bunten Federn aus;
Und eine neue Tracht von schönen Muschelschalen
Muß, wenn sie ihn besucht, um ihre Schultern pralen.
Zur Nachtzeit führt sie ihn zu einem Wasserfall;
Schläft unser Fremdling ein. Aus zärtlichem Erbarmen
Bewacht sie jede Nacht den Freund in ihren Armen.
Wird in Europa wohl ein Herz so edel seyn?
Die Liebe flößt dem Paar bald eine Mundart ein.
Kurz, er versteht sein Kind, und ihn versteht die Schöne.
Oft sagt ihr Inkle vor, was seine Vaterstadt
Für süße Lebensart, für Kostbarkeiten hat.
Er wünscht, sie neben sich in London einst zu sehen;
Dort, spricht er, kleid ich dich; und zeiget auf sein Kleid,
In lauter bunten Zeug, von größrer Kostbarkeit;
In Häusern, halb von Glas, bespannt mit raschen Pferden,
Sollst du in dieser Stadt bequem getragen werden.
Schon nach der offnen See, ob noch kein Schiff erscheint.
Es glückt ihr, was sie wünscht, in kurzem zu entdecken;
Sie sieht ein Schiff am Strand, und läuft mit frohem Schrecken,
Sucht ihren Fremdling auf, vergißt ihr Vaterland,
So freudig in die See, als ob das Schiff im Meere,
In das sie steigen will, ein Haus in London wäre.
Das Schiff setzt seinen Lauf mit gutem Winde fort,
Und fliegt nach Barbados[1]; doch dieses war der Ort,
Als schnell in seiner Brust der Kaufmannsgeist erwachte.
Er kam mit leerer Hand aus Indien zurück;
Dieß war für seinen Geiz ein trauriges Geschick.
So hab ich, fieng er an, um arm zurück zu kommen,
Er stillt in kurzer Zeit den Hunger nach Gewinn,
Und führt Yariko zum Sklavenhändler hin.
Hier wird die Dankbarkeit in Tyranney verwandelt,
Und die, die ihn erhielt, zur Sklaverey verhandelt.
Sie fleht, sie weint, sie schreyt. Nichts! Er verkaufet sie.
Mich, die ich schwanger bin, mich! fährt sie fort zu klagen.
Bewegt ihn dieß? Ach ja! Sie höher anzuschlagen.
Noch drei Pfund Sterling mehr! Hier, spricht der Britte froh,
O Inkle! du Barbar, dem keiner gleich gewesen;
O möchte deinen Schimpf ein jeder Welttheil lesen!
Die größte Redlichkeit, die allergrößte Treu
Belohnst du, Bösewicht! noch gar mit Sklaverey?
Das dich dem Tod entriß, und ihrem Volk entsagte,
Mit dir das Meer durchstrich, und, bey der Glieder Reiz,
Das beste Herz besaß, verhandelst du aus Geiz?
Sey stolz! Kein Bösewicht bringt dich um deinen Namen;
- ↑ Barbados ist eine von den carabischen Inseln, welche den Engländern zugehöret. Es wird ein großer Sklavenhandel daselbst getrieben.