Istein

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Textdaten
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Autor: Adolf Stöber
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Titel: Istein
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aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 243–246
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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[243]
Istein.[1]

Von Basel kommt gezogen
In stolzem Lauf der Rhein,
Da beugen seine Wogen
Zur Rechten plötzlich ein;

[244]
5
An Istein’s Felsenmauer

Zieht hoch der Strom heran,
Und rauscht zurück mit Schauer,
Und brandet wieder an.

Was lockt ihn da herüber?

10
Was treibt ihn fort zur Flucht?

Was wird er ernst und trüber
Und gräbt sich tiefe Bucht?
Es liegt an diesem Strande
Ein todtenstiller Ort;

15
Es ragt bis vor zum Rande

Des Dorfes Kirchhof dort.

Und oft – so hört’ ich sagen –
Wenn hoch die Wasser ziehn,
Wirft hier mit dumpfen Klagen

20
Der Strom die Todten hin;

Er wirft sie an’s Gestade
Aus seinem Wogensarg,
Auf daß er sich entlade
Der Schulden, die er barg.

25
Da lag wohl auf dem Sande

Schon manches graue Haupt.
Ob diesem Noth und Schande
Den Lebensmuth geraubt?
Ob Jener sank in Sünde,

30
Bis ihn hinunterriß

In seine Todesgründe
Der Geist der Finsterniß?

Auch manche Jungfrau’nleiche
Lag dort am Felsenhang.

35
Was war’s, du arme Bleiche,

Daß dich die Fluth verschlang?
Ach! wühlt’ in deinem Herzen
Getäuschter Liebe Gram,

[245]

Bis dich, betäubt von Schmerzen,

40
Verzweiflung überkam?


Ein Mensch im Todtenhemde –
Was stürzt’ ihn in die Fluth?
War’s eigne Schuld, war’s fremde,
War’s Sturm und Stromes Wuth?

45
Wer hat wohl sichre Kunde? –

Die Dörfner fragen’s nicht;
Sie denken nur zur Stunde
Der frommen Liebespflicht.

Des Friedhofs Ruhestätte

50
Nimmt alle Todten auf,

Die aus dem kalten Bette
Verstieß der Fluthen Lauf.
Sie richten nicht, sie schweigen;
Dem ist’s anheimgestellt,

55
Dem alle Todten eigen,

Demt Richter aller Welt.

Es steht ein Kreuz erhoben
Hoch auf dem Felsengrund,
Es deutet ernst nach Oben,

60
Thut Gottes Gnade kund;

Es sieht die Wellen fliehen
Im raschen Strom der Zeit,
Und, Die vorüberziehen,
Mahnt’s an die Ewigkeit.

Adolf Stöber.

  1. [245] Die gewaltige Felsenmasse, der Isteiner Klotz benannt, bildet einen Vorsprung des Gebirges am Ufer des Rheins, drei kleine Stunden von Basel und ebensoweit von Lörrach entfernt – 237 Fuß erhebt sie sich über dem Spiegel des Rheins, dessen grünliche Fluthen ihren Fuß bespühlen, und 1019 Fuß über die Meeresfläche. Auf dem Gipfel eröffnet sich eine paradiesische Fernsicht: im Hintergrunde die Schneehäupter der Gletscher und im Vordergrunde das sich immer mehr modernisirende Basel mit seinen reizenden Umgebungen; gegenüber dem Fellenufer die gesegneten Ebenen und weinreichen Berge des Elsaßes mit zahllosen Städten und Dörfern! [246] Ein romantischer Fußpfad führt von dem Dörfchen Kleins-Kems über diesen Felsen nach dem Pfarrdorfe Istein, an einer idyllisch gelegenen Mühle vorbei. Dieser Ort ist eine Grundherrschaft des Freiherrn von Freistädt und durch vorzüglichen Weinbau bekannt. Von da zieht sich eine majestätische Felsenwand, durch welche – ein bewunderungswürdiges Werk – der Tunnel der Freiburg-Baseler Eisenbahn führt, dem Rheine nach abwärts. In dieser Felsenwand ist auch die Wallfahrtskirche zu St. Veit eingehauen.
    Nahe bei dem Isteiner Klotz steht die bereits erwähnte Felsenmühle, welche noch an folgende Sage erinnert:
    Als zu Ende des 17. Jahrhunderts die Franzosen von Zeit zu Zeit durch Ueberfälle und damit verbundene Plackereien die dortigen Rheinbewohner ängsteten, floh ein schönes, aber armes und schutzloses Mädchen in finsterer Nacht zu der Stätte, wo jetzt die Felsenmühle steht, verbarg sich daselbst in einer Kluft und ward allnächtlich von der heiligen Jungfrau, deren Hülfe sie angefleht, mit Speise und Trank versorgt, bis die Gefahr vorüber gegangen war. Zum Danke dafür stiftete die fromme Jungfrau späterhin das Bild ihrer Retterin in die Wallfahrtskirche.
    Fromme reine Mädchen sollen von diesem Gnadenbilde stets mit einem himmlischen Gruß bewillkommt und ihnen ein glückliches Loos bedeutet werden.
    (Vergl. Pfarrer J. Schneider’s Werkchen: „Das Badische Oberland.“ etc. Lörrach, 1841.)