Jägerpech

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Textdaten
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Autor: Karl Brandt
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Titel: Jägerpech
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 817, 820
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[817]

Jägerpech.
Nach einem Gemälde von W. Gräbhein.

[820] Jägerpech. (Zu dem Bilde S. 817.) Jagdglück und Jagdpech, das sind die beiden Extreme im Jägerleben, die dem Weidmann so manche Freude, so manches Leid bereiten, die sein Herz langen und bangen lassen in schwebender Pein – das Hoffen und dann die Erfüllung seiner Wünsche, oder aber, wenn er schon glaubt, ja fest überzeugt ist, daß die keusche Diana das Füllhorn ihrer Gunst über ihn ergießen wolle, eine oft jähe Enttäuschung! Durch dieses wechselvolle Spiel versteht es die hehre Göttin, ihre Jünger zu sich heranzuziehen, zu reizen und fest und unzertrennlich an sich zu ketten.

Wohl jedem Grünrock, der lächelnd das lustige Gräbheinsche Bild betrachtet, auf welchem der vom Aste rieselnde Schneeanhang im entscheidenden Augenblicke dem Jäger auf den Kopf fällt und ihn am Schießen hindert, wo endlich, endlich nach vielleicht stundenlangem Harren bei eisiger Kälte Erdmännchen den Fuchs aus dem Bau sprengt, ziehen unwillkürlich selbsterlebte Geschichten am Geiste vorüber, wo ihm gerade, wie jenem Jäger, ein vollkommen unerwarteter Zwischenfall all seine jägerischen Hoffnungen vernichtete. — — —

Es war August, Feistzeit, die Hirsche hatten „geschlagen“, d. h. den Bast vom reifen Geweih gescheuert und geschlagen, und ich hatte mir einen guten Zwölfender ausgemacht, der allabendlich auf einem Ausläufer des Süntels, „der Katzennase“, austrat. Jeden Morgen saß ich schon lange vor Tagesgrauen vor der am Hange sich hinziehenden Dickung, und wenn der erste Sonnenstrahl die Gipfel der Bäume goldig überhauchte und ich leise pirschend meinen Schirm verließ, fand ich die Einfährte des Hirsches, der schon lange vor meinem Kommen in das schützende Dickicht zurückgewechselt war. Noch stand die Sonne am Himmel und ich saß schon wieder hundert Schritt von der Dickung an einen Buchenstamm gelehnt und wartete, bis es Nacht geworden. So hatte ich vierzehn Tage lang jeden Abend und jeden Morgen den Hirsch erwartet und nur festzustellen vermocht, daß er regelmäßig Wechsel hielt – nein! eines Morgens in der ersten Dämmerung hatte ich ihn sogar gesehen, wie er langsam, vorsichtig zur Dickung zog, ein schwarzer Schatten in düsterer Nacht — — — Wohl klopft in solchem Augenblicke das Herz stürmisch in der Brust und befiehlt dir gebieterisch, die Büchse zur Wange zu heben, und das Auge strengt sich an, die Finsternis zu durchdringen, aber es sieht das Visier nicht einmal, viel weniger die Mündung der Büchse und das Korn — und langsam senkt sich die Büchse wieder aufs Knie. Das Glas zeichnet dir aber die Umrisse des Hirsches scharf ab, sogar das Geweih siehst du sich wiegen über dem Kopfe sich hin und her bewegen — — ach, wäre es doch Büchsenlicht! Es dämmert so langsam, so langsam und der Hirsch zieht nach der Dickung hin – auch so langsam, langsam — der Jäger nennt es: „er macht den Kirchgang“ – aber er verschwindet endlich doch viel zu früh im dichten Buschwerk. Deiner Brust entringt sich ein tiefer Atemzug — — und erst zwanzig Minuten später ist’s möglich, Visier und Korn zusammenzubringen.

Ich hatte „geblattet“, einen Bock im Rucksack, und gerade, als die Sonne ihre letzten Strahlen über die Spitze des Süntels ausgoß, hatte ich mein Ziel erreicht und saß in meinem Schirme an der Buche auf der Katzennase. Kaum habe ich mir es bequem gemacht und die Büchse gespannt, da schäkert eine Drossel im Buschwerk, ich blicke hin und 150 Schritt von mir steht der kapitale Hirsch sichernd am Rande der Dickung. Der Wind stand gut – er gehörte schon mir, bevor ich schoß. Jetzt tritt er spitz auf mich zu, bleibt 80 Schritt vor mir stehen, verhofft wieder und fängt zu äsen an. Wenn er nur breit tritt, dann hat er die Kugel! — — Plötzlich wirft er auf – was ist das? Das ist kein Verhoffen, als wenn er nur seine Sicherheit im Auge hätte — — er äugt besorgt nach einem bestimmten Gegenstande – – das Korn liegt auf dem Stich – sobald er sich dreht, fliegen lassen! Plötzlich wirft sich der Hirsch herum, hinter einen Stamm — — in die Dickung zurück! — — und seitwärts hinter mir erklang es: „O Mutter, wat förn Hirsch!“ Auf einem nur äußerst selten und fast niemals des Abends begangenen Fußpfade, der über den Süntel ins Deisterthal führt, kam ein altes Kiepenweib mit ihrem Jungen gegangen und „vergrämte“ mir den Hirsch, der vielleicht wenige Sekunden später die Kugel gehabt hätte. Karl Brandt.