Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. 10. Der Cougar. 11. Das Vicuña

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Titel: Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. 10. Der Cougar. 11. Das Vicuña
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 93–95
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.
10. Der Cougar.

Der Cougar (Felis concolor) ist die einzige eingeborne langschwänzige Katzenart, die es in Amerika nördlich vom 30. Grade giebt. Die sogenannten wilden Katzen sind Luchse mit kurzen Schwänzen, von denen es drei Arten giebt. Das genus felis wird dagegen nur durch den Cougar repräsentirt.

Die amerikanischen Jäger nennen ihn Panther, in Südamerika und in Mexiko giebt man ihm dagegen den prahlenden Titel: „Löwe,“ und in Peruvia heißt er Puma. Die Naturforscher haben ihn „Concolor,“ einfarbig, genannt, weil er weder Streifen wie der Tiger, noch Flecke wie der Leopard, noch Rosetten wie der Jaguar hat, er ist vielmehr ganz gleichmäßig über den ganzen Leib lohfarben röthlich gefärbt, und nur die Bauchtheile und der Kopf sehen etwas heller aus. Er ist bei Weitem nicht so verhältnißmäßig gebaut, wie die andern Katzenarten. Sein Rücken ist lang und gebogen, und er trägt den Schweif nicht so graziös wie die Katzen es sonst thun, seine Füße sind kurz und stark, und er sieht plump und ungeschickt aus. Mit dem Schweif, der ein Dritttheil seines Maßes beträgt, ist seine höchste Länge sechs Fuß. Nichts an ihm erinnert an den Löwen, er gleicht vielmehr eher dem Panther oder dem Jaguar.

Sein Bereich ist sehr groß; man findet ihn von Paraguay bis zu den großen Seen Nordamerika’s. Glücklicher Weise begegnet man ihm indessen nicht allzu häufig, da er sich vor den Ansiedelungen der Menschen in die Gebirge und dichten Wälder flüchtet und auch dort einsam haust. Zeigt er sich irgendwo, so ist sogleich die ganze Umgegend auf den Beinen und macht Jagd auf ihn, wie auf einen tollen Hund. Er ist ein vorzüglicher Kletterer, denn er klimmt mit der Geschwindigkeit einer Katze mit den Klauen, nicht rutschend wie Bären und Opossums die Bäume hinan. Dort liegt er häufig auf einem geraden Zweig und lauert auf Beute, namentlich in der Nähe von Trinkplätzen; naht sich dann Elenn, Hirsch oder Reh, Antelope oder Büffel, so springt er mit gewaltigem Satz auf ihre Rücken, schlägt die Klauen in ihre Brust und zerfleischt ihren Hals. Erschreckt und von Todesangst gepeinigt, fliehen die armen Thiere davon und hoffen den schrecklichen Feind abschütteln zu können; vergebens, immer tiefer gräbt er sich in ihr Fleisch, immer gieriger saugt er ihr Blut, bis sie ermattet niedersinken.

Gewöhnlich heißt es, der Cougar sei feig, und es ist auch richtig, daß er sich vor dem Menschen scheut. Dies ist aber ebenso mit den Bären, Luchsen, Wölfen und selbst Alligatoren der Fall, seitdem sie den scharfen Ton der tödtlichen Büchse kennen gelernt haben. Ich habe aber auch von wilden Kämpfen der Cougars und Jaguare mit Menschen in Südamerika gehört, und in Peru, am östlichen Abhange der Andes-Kette, sind ganze Ansiedelungen aus Furcht vor diesen wilden Thieren verlassen worden.

Man jagt ihn mit Hunden, vor denen er entflieht, weil er weiß, daß die sichere Büchse des Jägers sie schützt, kommt ihm indessen einer derselben zu nahe, so genügt ein Tatzenschlag, den Hund niederzustrecken. Weiß er sich nicht mehr zu helfen, so erklimmt der Cougar einen Baum, hält sich dort auf einem Gabelzweig und lugt mit sich aufborstendem Haar und glühenden Augen sprungfertig hinab. Trifft ihn dann der Schuß und stürzt er nieder, so beginnt er noch einen furchtbaren Kampf mit den Hunden, welcher gewöhnlich noch mehreren derselben das Leben kostet. Er giebt ein Geheul von sich, das wie Cu-a klingt, daher der Name Cougar.

Ich hatte das Glück, einen Cougar erlegen zu helfen, als er sich uns auf der Taubenjagd näherte, um sich seinen Antheil an der Beute zu holen. Wir spürten ihn so glücklich, daß er nicht mehr Zeit hatte, uns zu entfliehen, und zwei gut gezielte Schüsse streckten ihn zu Boden. Wir zogen sein Fell ab, das natürlich eine stattliche Beute bildete.

Bei dieser Gelegenheit erzählte einer meiner Jagdgenossen ein merkwürdiges Begegniß mit einem Cougar, das ihm zu Theil geworden war.

„Ich hatte mich am Mississippi anbauen wollen,“ erzählte er, „aber meine Hütte zu nahe an dem Bereich der Fluth aufgeschlagen, und daher eines Nachts die Erfahrung zu machen, daß diese in mein Haus und bis an mein Bett drang, so daß ich nur noch eben Zeit hatte, meine nöthigsten Sachen und meine Büchse zu packen und mit ihnen zu meiner alten Mähre zu flüchten, die auch schon bis zum Bauch im Wasser stand. Da half natürlich kein Weilen mehr, und ich beschloß, durch das Wasser zu meinem nächsten Nachbar zu reiten, der zehn Meilen entfernt wohnte. Im Finstern verfehlte ich aber den Weg, der durch die Prairie ging, gerieth wieder in das Wasser hinein, und sah mich dort von dem Strome erfaßt und fortgerissen.

Eine Zeit lang hatte auch das keine Gefahr. Die Mähre schwamm und trug mich ganz gut. Als ich aber sah und fühlte, daß die Kräfte des guten alten Thieres nachließen, kam mir meine Lage doch bedenklich vor – und es schien mir am gerathensten, einen der im Flusse schwimmenden großen Baumstämme zu erklimmen und das Pferd seinem Schicksale zu überlassen, da es auf diese Weise leichter entkommen konnte, ich aber sicher war, mit dem Stamme irgendwo zu landen oder die Fluth abwarten zu können,

Dies that ich, und die Mähre schien mich eben nicht zu vermissen, denn sie schwamm ruhig weiter. Ich suchte den Stamm entlang zu gehen, fand aber, daß er schlüpfrig war, und zog es daher vor, mich an dem Ende desselben niederzusetzen. Dabei sank er wieder zu weit unter, und ich fand es zweckmäßiger, nach der Mitte zu rutschen. Als ich mich dort eben zurechtrichtete, sah ich, daß am andern Ende auch etwas heraufkletterte. Es war zwar ziemlich dunkel, aber so viel konnte ich doch sehen, daß es ein Thier war. Welcher Art, konnte ich zwar nicht sagen, aber wie mir schien, war es ein Bär oder ein Panther, und als ich genauer nach seinen Augen sah, fand ich, daß es ein Panther war. Das war keine angenehme Entdeckung, und die Nachbarschaft des Thieres war mir durchaus nicht lieb, muß ich sagen. Ich rückte daher bis an das andere Ende des Stammes und hielt dort mein Messer, meine einzige Waffe, bereit, denn meine Büchse hatte ich verloren, als ich von dem Pferde stieg. So schwammen wir wohl eine Stunde lang und saßen uns Auge im Auge gegenüber. Dem Panther schien indessen nicht wohler zu sein als mir, denn ab und zu stieß ein anderer Stamm an den unsern, und es machte dem Thiere offenbar mehr Mühe, das Gleichgewicht zu behalten als mir. Ich sah ihn dabei aber immer starr an, weil dies das beste Mittel war, seine auch auf mich gerichteten Glutaugen im Zaume zu halten.

In dieser Lage wartete ich darauf, daß der Strom uns einen Baum nahe triebe, dann wollte ich dessen Zweige ergreifen und auf ihm die Nacht abwarten. Plötzlich tauchte indessen eine kleine Insel vor meinen Augen auf, auf der, wie es mir vorkam, allerlei Strauchwerk stand. Dies änderte meinen Entschluß. Es war mir klar, daß ich nichts Besseres thun konnte, als den Baumstamm verlassen und nach der Insel schwimmen. Mochte dann der Panther seine Reise ohne mich fortsetzen. Als ich daher meinte, der Stamm sei nahe genug, glitt ich hinab und schwamm, hörte aber gleichzeitig ein Plumpen. Das verdammte Biest, der Panther, war auch in’s Wasser gesprungen und schwamm hinter mir her. Ich dachte zuerst, er hätte es auf mich abgesehen, und faßte daher mein Messer mit der einen Hand, während ich mit der andern schwamm. Aber der Panther dachte an keinen Kampf; er schwamm nur schlecht und schien sehr froh, daß er Land vor sich sah; so schwammen wir also dicht neben einander, ohne ein Wort zu wechseln.

Als ich der Insel näher gekommen war, hatte ich entdeckt, [94] daß das, was ich für Gebüsch gehalten hatte, aus einer Gruppe von Thieren bestand, die sich dahin gerettet hatten, ein paar Hirsche, Rehe und ein Thier, das stärker war als sie; ein Opelrusa-Ochse oder ein Pferd. Richtig, es war ein Pferd, meine alte Mähre, die so klug gewesen war, wie ihr Herr.

Als der Panther an’s Land stieg, hörte ich ein Stampfen der Hufe, die Thiere flogen bei seinem Anblick wild aus einander, als wäre der leibhaftige Old Nick (der Teufel) unter sie gefahren, keins dachte aber daran, sich wieder in’s Wasser zu stürzen. Als ich mich aus dem Wasser aufrichtete, hörte ich ein lustiges Wiehern. Meine alte Mähre hatte mich sogleich gewittert und kam zu mir und rieb ihre Nase an meiner Schulter. Diese Erscheinung war mir gar nicht unangenehm, ich sprang sogleich auf ihren Rücken, da ich dort offenbar eine bessere Position zum Abwarten der Nacht hatte. Als ich mich von da umsah und orientirte, kam es mir vor, als sei ich in der Arche Noah. Da war mein alter Freund, der Panther, vier Hirsche, ein Rehbock und drei Rücken; dann kamen ein Catamount und ein schwarzer Bär so dick, wie ein Büffel; ein paar graue Wölfe, ein Racun und ein Opossum, ein Prairiehase, und hol’s der Teufel, ein Stinkthier, Das letztere war das unangenehmste von allen, denn es verpestete die ganze Insel.

Sie alle waren aber so klamm und angsterfüllt, daß keines wagte, das andere anzugreifen, und sie lebten so harmlos neben einander, wie uns die Bibel erzählt, daß die Thiere im Paradiese sich befanden, wo der Löwe so zahm war, wie das Lamm.

Das konnte sich indessen ändern, und es war mir doch lieb, als die Fluth fiel, daß es mir möglich war, von der Gesellschaft Abschied zu nehmen, ehe diese zu Kräften gekommen war, denn ich konnte mir mit meiner Mähre natürlich am ersten einen Ausweg nah der Prairie suchen. Mein Nachbar war etwa noch drei Meilen entfernt, und in einer Stunde war ich vor seiner Thür. Er wollte mir kaum glauben, als ich ihm mein nächtliches Abenteuer erzählte; und griff, als ich ihm dessen Wahrheit versicherte, sogleich zur Büchse und gab mir ein zweites Gewehr, um Jagd auf die Thiere zu machen, die ich verlassen hatte.

Wir fanden sie nicht mehr ganz in dem vorigen Zustande. Der Morgen hatte dem Panther, der Katze und den Wölfen Muth gegeben. Von dem Hasen und dem Opossum war nur noch etwas Wolle übrig, und eine von den Rücken war halb verschlungen.

Mein Freund nahm die eine, ich die andere Seite der Insel. Zuerst streckte ich den Panther nieder, während er den Bären erlegte. Dann legten wir auf die Wölfe an, dann auf das Cuny, darauf folgten die Hirsche; sie und die Bären waren die einzig werthvolle Beute. Das Stinkthier schossen wir zuletzt, weil wir uns nicht vollends von dem Platz wollten fortstänkern lassen, während wir dem Bären das Fell abzogen. Dann bestiegen wir mit dem Wild und dem Bärenfell unsere Pferde. Ich fand auch meine Büchse wieder; als die Fluth verschwunden war, lag sie mitten in der Prairie halb im Schlammme begraben.

Die Erfahrung hatte mich natürlich klug gemacht; und ich baute mein Blockhaus weiter ab vom Strome. Zum Frühjahr hatte ich es fertig, und ich hatte die Freude, mein Weib und meine beiden Jungen, die ich im Staate Mississippi zurückgelassen hatte, dahin abholen zu können.“


11. Das Vicuña.

Als Pizarro und seine Spanier zuerst die peruvianischen Andesgebirge erstiegen, waren sie sehr erstaunt, eine neue Gattung Vierfüßler zu erblicken, die ihnen zugleich wie ein Schaf und wie ein Kameel vorkam, und die sie daher auch Kameelschaf nannten. Sie kannten das gezähmte Lama, das als Hausthier Lasten trug, sowie das Alpaka, eine kleinere Gattung desselben, das seines Vließes wegen ungemein hoch geschätzt wurde. Jetzt sahen sie aber zwei andere Arten dieser Gattung im wilden Zustande, welche die einsamsten und unzugänglichsten Gegenden der Cordilleren bewohnten. Sie waren das „Guanaco“ und „das Vicuña.“ – Noch bis vor Kurzem hat man das Guanaco für das wilde Lama gehalten, dies ist jedoch nicht richtig. Wenn man es zähmt, vermag es als Lastthier nicht dieselben Dienste zu verrichten, wie das Lama. Auch sein Vließ und sein Fleisch sind weniger werth. Die Wolle des Vicuña galt dagegen noch fünf Mal so viel als Alpakawolle, und die Ponchos oder spanischen Mäntel, welche daraus gewebt sind, haben den fabelhaften Preis von 100 bis 200 Thalern. Jeder Wohlhabende trägt einen solchen Mantel und wird allgemein darum beneidet, denn die Aermeren können ihn nur von grober Lamawolle tragen.

Da die Wolle des Vicuña so hoch im Preise steht, wird demselben natürlich vielfach nachgestellt. In vielen Theilen der Andes giebt es Vicuña-Jäger, und ganze Stämme peruvianischer Indianer bringen einen Theil des Jahres mit der Jagd dieses Thieres und des Guanaco hin. Dasselbe findet im Süden, nah Patagonien zu statt, wo andere Stämme fast ausschließlich von der Vicuña-, Guanaco- und Straußenjagd leben.

Diese Jagd ist kein leichtes Gewerbe. Der Jäger muß auf den höchsten und kältesten Punkten der Andes, fern vom civilisirten Leben und dessen Freuden wohnen, und entweder auf freiem Felde lagern, in Höhlen schlafen oder sich mit seinen Händen eine rohe Hütte bauen. Er hat eine Witterung zu bestehen, die so kalt ist wie der Winter in Lappland, und zwar häufig an Stellen, wo keine Spur von Holz zu entdecken ist und wo er sich seine Mahlzeit nur an dem Feuer, das ihm der trockene Mist des Wildviehes gewährt, kochen kann. Glückt ihm die Jagd nicht, so ist er dem Hungertode ausgesetzt und kann sein Leben nur durch Wurzeln und Beeren fristen. Und dabei drohen ihm noch stets die Gefahren, welche die schlüpfrigen Gebirgspfade, Abhänge und wild brausenden Ströme mit sich bringen. Es ist ein rauhes, entbehrungsvolles Leben, das der Vicuñajäger führt.

Auf meiner Reise durch Peru beschloß ich, auch eine Vicuñajagd mitzumachen. Von einer Stadt der unteren Sierra erklomm ich die hohen Regionen der „Puna“ oder „Despopoblado“ (unbewohnte Region), wo ich mich 12 bis 14,000′ über der Meeresfläche, in einer kalten Wüstenei befand, nachdem ich eben erst aus dem Lande der Palmen und Orangen gekommen war. Vor mir und rings um mich sah ich nichts als schwarze oder schneebedeckte Berge, welche hier und da Ebenen von einigen Meilen Breite zwischen sich ließen. Geht man diese zu Ende, so kommt man an tiefe Klüften, aus denen die nächsten Bergkuppen emporsteigen.

Dieses Tafelland ist zu kalt für den Ackerbau; nur Gerste und einige harte Wurzeln der kalten Zone gedeihen hier, aber der Boden ist mit einer Schwarte von „Ycha-Gras“ bedeckt, welches die Lieblingsnahrung der Lama’s bildet, und diese giebt ihm auch für den Menschen Werth. Man findet dort Heerden von halb wildem Vieh, welche von noch wilder aussehenden Schäfern geleitet werden. Schaaren von Alpaka’s, Lamaweibchen mit ihren Jungen und langschwänzige peruvianische Schafe durchstreifen sie und verleihen ihnen einiges Leben. Ueber ihnen schwebt ferner der Riesengeier – der Condor oder kauert in seinen Nestern auf den Bergspitzen. Dann und wann trifft man endlich auf die schwarze Erdhütte des „Vaqueros“, des Viehhirten, oder stößt auf den Mann selbst, der mit einer Koppel wilder Hunde seiner Heerde folgt und noch wilder erscheint als sie.

So sieht die Puna aus, welche den Lieblingsaufenthalt des Vicuña, und daher auch die Heimath der Vicuñajäger bildet. Ich war an einem derselben empfohlen und suchte ihn in seiner Hütte auf, wohin er eben mit einer Beute von ein paar Chinhilla’s und Viscacha’s, Bergkaninchen, die er in Schlingen gefangen, zurückgekehrt war.

Es war gut, daß ich zu Pferde ankam, denn als ich vor der Hütte hielt, kam ein Pack kleiner fuchsähnlicher Hunde aus dieser heraus und sprang an meinen Beinen schnappend in die Höhe, so daß ich mich nur vor ihnen retten konnte, indem ich meine Füße bis zum Sattel heraufzog. Selbst ihr Herr konnte ihnen, als er erschien, erst nach vielen Fußtritten begreiflich machen, daß ich nicht dazu hergekommen sei, mich von ihnen fressen zu lassen. Darauf stieg ich ab und ging oder kroch vielmehr in die Hütte. Sie bestand aus einer Höhle von fünf Fuß Höhe, die aus Erde und Steinen hergestellt und mit Puna-Gras bedeckt war. Ein paar Steinblöcke in der Mitte derselben bildeten den Herd, und der Rauch mußte sich selbst seinen Weg suchen.

Der Besitzer war ein Indianer und gehört zu den Stämmen, welche nie von den Spaniern besiegt wurden, weil sie zu hoch wohnten. Nur die Missionäre kamen allmälig mit ihnen in Berührung und schieden sie in „Indios mansos“ zahme Indianer, und „Indios bravos“, wilde Stämme, die noch bis jetzt unabhängig sind.

Mein Wirth war ein Junggesell und bereitete sich Alles selbst. Ich nahm an seinem Mahle, das aus Mais und einem [95] gerösteten Kaninchen bestand, Theil, und da ich glücklicher Weise eine Flasche catalanischen Brandy mit mir führte, machten wir es uns ganz schmackhaft. Ich hatte auch Taback bei mir, aus dem wir Cigarren fertigten, mein Wirth hatte jedoch noch mehr Genuß an dem Kauen des „Cocu“, und er trug stets ein mit trockenen Blättern der Cocupflanze gefülltes Chinchillenfell mit sich.

Am frühen Morgen machten wir uns zu Fuß auf den Weg. Unsere Pferde blieben angebunden bei der Hütte. Der Indianer nahm einen seiner Hunde mit sich, der treu und zuverlässig war.

Wir schritten über die Ebene und kamen in ein Bergdefilé, das aufwärts führte, und wobei wir fortwährend über Felsblöcke und Geröll stiegen. Zu Zeiten war der Weg äußerst schlüpfrig und sogar gefährlich, wo der gefrorene, mehrere Zoll hohe Schnee ihn verdeckte. Unser Ziel bildete ein höher gelegenes Plateau. wo wir, wie mein Führer sagte, Vicuña’s finden würden.

Als wir zwischen den Felsen kletterten, gewahrte ich über uns bewegliche Gegenstände und erblickt, als ich schärfer hinsah, mehrere Thiere von starkem Bau und rothbrauner Farbe. Ich hielt sie zuerst für Rothwild, erkannte jedoch sogleich meinen Irrthum. Sie waren ihm nur ähnlich, aber ungleich elastischer und sprangen wie Gemsen von Fels zu Fels.

„Das sind wohl Vicuña’s?“ sagte ich.

„Nein,“ erwiederte mein Gefährte, „nur Guanaco’s.“

Ich hätte gern auf sie angelegt.

„Verspart es Euch lieber,“ sagte indessen mein Führer. „Der Schuß schreckt sonst die Vicuña’s, wenn sie in der Ebene sind, die ganz nahe ist. Ich kenne die Guanaco’s und ihre Schlupfwinkel – das Defilé hier dicht bei – und wir können die auf dem Rückwege suchen.“

Ich versagte mir also den Schuß, obwohl es mir sauer genug wurde, denn die Thiere liefen so dicht an uns vorbei, daß ich sie bequem erreichen konnte. Mein Gefährte dachte natürlich an das werthvollere Vließ der Vicuña’s.

„Hier müssen wir sie finden,“ sagte er, „das ist ihr Aesungsplatz.“

Schöne Thiere und ein edles Wild sind die Guanaco’s, so edel wie Rothwild. Von den Vicuña’s unterscheiden sie sich wesentlich. Sie äsen nur in kleinen Rudeln, von sechs bis zwölf Stück, während man die Vicuña’s in vierfacher Anzahl beisammen findet. Die Guanaco’s hausen ferner in den Felsen und springen von Klippe zu Klippe, weit über die Abgründe. Auf der Grasebne laufen sie dagegen nur schlecht, weil das Leben auf dem Gestein ihre Hufe in besonderer Weise zusammenschrumpfen läßt. Die Vicuña’s ziehen dagegen den sanften Rasen der Tafelebene vor, über welche sie mit der Gelenkigkeit des Rothwildes dahinfliehen. Beide gehören zu derselben Art Vierfüßler, aber ihr Wesen hat sich durch ihre Aesungsart verschieden gestaltet.

Als wir den Rand der Ebene erreicht hatten, nach der wir strebten, sahen wir unsere Erwartung erfüllt. Nicht weit davon äste ein Rudel, das einen herrlichen Anblick darbot. Die Thiere sahen stattlich und graziös aus. Dem ungeübten Auge konnten sie ganz als Rothwild erscheinen, denn außer der Antelope gleicht ihm kein Thier so, als das Vicuña, und zwar weit mehr, als es dem Lama, Alpaka und Guanaco gleicht. Seine Glieder sind indessen schlanker und beweglicher und seine Farbe ist lichter, und wenn man sich an seinen Anblick gewöhnt hat, kann man das Orangeroth seines seidenen Felles auf einen Blick in weiter Ferne unterscheiden. Mein Gefährte sagte sogleich, daß es ein Rudel Vicuña’s sei. Es bestand aus 20 Stück, die auf der Grasebene ästen. Eins stand besonders, mit hocherhobenem Halse, als wolle es für die Uebrigen wachen. Das war in der That auch seine Pflicht, denn es war das Leitthier, der Patriarch, Mann und Vater des Rudels. Alle Uebrigen waren seine Jungen, wie mir mein Führer versicherte.

Das Vicuña lebt in Vielweiberei, kämpft mit verzweifelter Kühnheit für seinen Harem und wacht über ihn, während er äst oder schläft, vertheidigt ihn gegen Feinde und deckt, wenn es nöthig, den Rückzug mit dem eigenen Leibe.

„Nun Señor,“ sagte der Jäger, indem er das Rudel überblickte, „wenn ich den da (auf den Leiter deutend) schießen könnte, wäre mir um den Rest nicht bange, dann wollte ich sie Alle kriegen.“

„Wie so?“ fragte ich. „O, ich wollte wohl. Ich möchte nur erst wissen –“

„Sie ziehen nach dem Felsen zu, laßt uns dahin gehen, Kamerad!“

Vorsichtig stahlen wir uns um die Spitze des Berges, bis die Felsen zwischen uns und dem Wilde lagen. Dann faßten wir dort Posto, indem wir uns hinter einem Felsblock verbargen, der ganz dazu gemacht war, und vorsichtig durch die Spalten lugten. Die Vicuña’s kame langsam auf uns zu und waren beinahe schon in Schußweite. Ich hatte eine Büchsflinte, deren Läufe ich mit starker Ladung versehen hatte, mein Gefährte eine lange spanische Rifle.

Wispernd ertheilte er mir seine Instruktionen. Ich sollte erst nach ihm feuern, beide wollten wir aber auf das Leitthier zielen. Da er hierauf bestand, versprach ich zu folgen.

Das Rudel kam näher und näher, der Leiter voran, mit langem weißen Seidenhaar vor der Brust und seine Augen auf uns richtend. Ich beobachtete das Leuchten seiner Augäpfel und den Ausdruck von Stolz, der ihn erfüllte, wenn er sich zuweilen nach seinem Gefolge umsah.

„Ich hoffe, er hat Würmer,“ murmelte mein Genosse, „denn dann kommt er nach dem Felsen hier, sich zu scheuern.“

Dies war auch offenbar seine Absicht, denn er streckte seinen Hals vor und kam bis auf ein paar Schritte auf uns zu. Da machte er plötzlich Halt. Der Wind war für uns, sonst wäre er längst davon getrabt. Aber er faßte Verdacht, stand still, zog den Kopf in die Höhe, stampfte den Boden mit dem Fuß und stieß einen sonderbaren Schrei aus, der dem Pfeifen des Rothwildes glich. Das Echo dieses Schreies war der Donner aus meines Gefährten Rifle, und gleich darauf sah ich das Vicuña in die Höhe springen und todt zu Boden stürzen.

Jetzt glaubte ich, würden die Andern eilig davon fliehen und wollte rasch unter sie feuern, so lange ich sie noch erreichen konnte. Mein Gefährte hielt mich indessen zurück.

„Halt!“ – wisperte er – „Ihr werdet gleich einen bessern Stand haben. Seht da – jetzt, wenn’s Euch beliebt, Señor!“

Zu meiner Ueberraschung kam das Rudel, statt zu fliehen, auf den Ort zugetrabt, wo ihr Leiter lag, lief um ihn herum, stand dann wieder vor seinem Kadaver still und stieß klägliche Schreie aus.

Es war ein rührender Anblick, aber die Mordlust ist in dem Jäger immer noch größer, als das Mitleid. In einem Augenblicke hatte ich beide Läufe abgeschossen und ihren tödtlichen Inhalt entsandt. In der That tödtlich, denn als der Pulverrauch sich zertheilte, sahen wir die Hälfte des Rudels ruhig am Boden liegen oder krampfhaft zucken. Die Uebrigen blieben wie vorher stehen. Noch ein Schuß aus der Rifle, und ein Thier stürzte, noch eine Ladung meines Flintenlaufes und eine ganze Anzahl folgte, und so fuhren wir fort, Kugeln und Schrot zu entsenden, bis das ganze Rudel verendet am Boden lag.

Unser Werk war gethan, ein großes Tagewerk für meinen Gefährten, der aus dem Ertrag dieser Jagd gegen hundert Dollars lösen konnte. Dies war, versicherte er mir, ein besonderer Treffer. Oft konnte er auch Tage und Wochen lang umherirren, ohne ein Vicuña oder Guanaco zu finden, und zwei Mal war es ihm vor diesem gelungen, sich einem Rudel Vicuña’s, in der Haut eines Guanaco’s versteckt, zu nahen, und den größten Theil des Rudels zu erlegen, ehe es sich zur Flucht wandte.

Wir mußten jetzt an die Rückkehr denken, um die Pferde zu holen und das Wild heimzuführen, da dies mehrere Reisen erforderte. Um die Wölfe und Condors davon fern zu halten, wandte mein Gefährte ein sehr einfaches Mittel an, dessen sich die Prairie- Trapper im Norden allgemein bedienen. Sie nehmen ein paar Blasen aus den Vicuña’s, blasen sie auf, binden sie an ein paar Stäbe und pflanzen diese über den Kadavern auf, so daß sie sich im Winde hin und her bewegen können. So schlau der Andeswolf ist, so läßt er sich doch hierdurch täuschen, und wagt sich so wenig wie der Condor heran.

Es war beinahe Nacht, als wir mit der letzten Ladung die Hütte des Indianers erreichten. Wir waren Beide hungrig und müde, aber ein frisches Vicuña-Cotelettes, ein paar Gläser Catalaner Wein und eine Cigarette ließen uns die überstandene Mühe bald vergessen. Mein Wirth war natürlich mit seinem Tagewerk außerordentlich zufrieden, und versprach mir für den nächsten Morgen eine Guanaco-Jagd.