Jerusalemsberg

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Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Jerusalemsberg
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aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 259–260
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung: Die Entstehung eines der ältesten deutschen Kreuzwege (1493)
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[259]
145. Jerusalemsberg.

1493 ist in dem Eichholz vor dem Burgthor zu Lübeck, welches Jerusalem hieß, der Berg Golgata von Herrn Heinrich Constin aufgehöht.

Dieser war ein reicher Kaufherr und allewege sehr angesehen; aber er war heftig im Jähzorn, und so that er einst seiner Frau, die er sonst zärtlich geliebt, ein so großes Herzeleid an, daß sie seitdem nimmer genesen wollen, und endlich gestorben ist.

Von Stund an hat er keine Ruhe gehabt in seiner Heimat; er verläßt also sein Haus und seine Güter einem treuen und erfahrenen Diener, giebt seine einzige Tochter einem frommen Kaufgesellen in Novgorod zum Ehegemahl, und zieht selber in das gelobte Land, um Buße zu thun und seiner Seele Frieden zu gewinnen.

Dort hat er gegen die Ungläubigen sich so tapfer erwiesen, daß man ihn zum Jerusalemsritter gemacht. So hat er alle Wege und Stege wohl ausgemessen und sich vorgenommen, wenn Gott ihn wohlbehalten in die Stadt Lübeck zurückführe, den Schädelberg an der Stätte, die Jerusalem vor Alters gegenannt ist, aufzurichten.

Seitdem ist er ruhig und friedsam geworden, und es ist ihm seiner Frauen Gestalt im Traum erschienen, und hat ihm verheißen, daß Gott wegen seiner innigen Reue ihm gnädig sei.

[260] Da er nun zurückgekehrt, hat er alles fleißig abmessen und aufreißen lassen; und hat sich befunden, daß von der alten Gerichtsstube an der Kanzlei bis an das Jerusalem vor dem Burgthor genau die Zahl der Schritte sei, wie von Pilati Richthaus bis zur Schädelstätte.

Danach sind die Schritte von der Stätte, wo Christus das Kreuz getragen, abgezählt, und ein Denkstein in die Mauer der Jakobikirche am Kuhberge gefügt, wo die Kreuzestracht begonnen.

Desgleichen ist vom ersten Burgthor ab bis nach dem Jerusalem die Länge des Weges gefunden, wo Simon von Cyrene für den Herrn das Kreuz genommen.

Als nun der Berg erhöht und das Bild der Kreuzigung aufgestellt ist, und Herr Constin inbrünstig anbetet: siehe, da kömmt ein großes Schiff die Trave aufwärts, das führt seine Tochter samt ihrem Eheherrn daher; die legen ihm ihr Kind, seiner verstorbenen Frauen Ebenbild, in den Arm.

Danach ist er sanft und selig entschlafen.

Als aber nach vielen Jahren durch einen Blitz der Stein der Kreuzigung zerrissen, sind doch die Beine ganz heil und unzerbrochen geblieben; wie zuvor gesagt ist: „Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen.“ Dessen haben sich verständige Leute, die es gesehn, nicht genug verwundern können.

Bemerkungen

[396] (Am ausführlichsten mündlich.)

Anmerkungen (Wikisource)

Siehe: Hinrich Constin, Ratsherr in Lübeck. Weiteres zum Thema Kreuzweg.