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Johann Wilde

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Johann Wilde
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 261–263
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[261]
222. Johann Wilde.

Vor vielen Jahren lebte in dem Dorfe Rodenkirchen auf Rügen ein Bauer, Namens Johann Wilde. Der wollte gern reich werden, und fing das auf folgende listige Weise an: Er ging um Mitternacht zu den neun Bergen, [262] nahm eine Branntweinflasche mit und legte sich nieder, als wenn er schwer betrunken wäre. Wie nun die Zwerge aus den neun Bergen hervorkamen, um auf der Oberwelt zu tanzen, da glaubten sie, daß er wirklich betrunken sey, und nahmen sich nicht sonderlich vor ihm in Acht, so daß es ihm glückte, einem von ihnen, ehe derselbe sich dessen versehen konnte, seinen gläsernen Schuh von dem kleinen Fuße zu ziehen. Mit dem lief er eilig zu Hause, wo er ihn sorgfältig verbarg. Die andere Nacht aber ging er zu den neun Bergen zurück, und rief laut hinein: Johann Wilde in Rodenkirchen hat einen schönen gläsernen Schuh; wer kauft ihn? wer kauft ihn? Denn er wußte, daß der Zwerg dann bald kommen würde, um seinen Schuh wieder einzulösen.

Der arme Zwerg mußte nun seinen Fuß so lange bloß tragen, bis er seinen Schuh zurück hatte. Sobald er daher wieder auf die Oberwelt kommen durfte, verkleidete er sich als ein reisender Kaufmann und ging zu Johann Wilde. Dem suchte er den Schuh Anfangs für ein Spottgeld abzukaufen; Johann Wilde pries aber seine Waare an, bis der Kleine ihm zuletzt die Kunst anzauberte, daß er in jeder Furche, die er pflügte, einen Ducaten finde. Dafür gab er den Schuh zurück.

Nun fing der Bauer geschwinde an zu pflügen, und so wie er die erste Scholle gebrochen hatte, sprang ein blanker Dukaten ihm aus der Erde entgegen, und das ging immer so von neuem, so oft er eine neue Furche anfing. Daher machte er denn auch bald ganz kleine Furchen, und er wendete den Pflug so oft um, als er nur eben konnte. Dadurch wurde Johann Wilde in Kurzem ein so reicher Mann, daß er selbst nicht wußte, wie reich er war. Aber es war dies Alles sein Unglück, und er hatte keinen Segen davon. Denn weil er immer des Geldes mehr [263] haben wollte, so pflügte er zuletzt Tag und Nacht und that nichts mehr als pflügen. Das konnten nun zwar seine Pferde wohl aushalten, denn er kaufte sich deren eine große Menge, damit sie immer frische Kräfte hätten, und desto mehr Furchen pflügen könnten; aber er selbst wurde durch die viele Mühe und Arbeit ganz krank und elend; und zuletzt fiel er hinter dem Pfluge hin und war vor Entkräftung plötzlich gestorben.

Seine Frau und Kinder fanden nach seinem Tode einen ungeheuren Schatz von Dukaten vor, davon haben sie sich große Güter gekauft, und sind nachher reiche und vornehme Edelleute geworden.

E. M. Arndt, Märchen u. Jugenderinnerungen, I. S. 235-240.