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König Johann und der Bischof von Canterbury

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Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: König Johann und der Bischof von Canterbury
Untertitel:
aus: Gedichte, Seite 428–432
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[428]
König Johann und der Bischof von Canterbury.


     Nun heb’ einen lustigen Schwank ich an,
Ein Märchen von unserm König Johann,
Muthwillig hat er im Lande regiert,
Ob’s recht war, ob nicht – hat ihn wenig geschiert.

5
     Und erzählen auch will ich zur Stelle hie

Von dem hochweisen Bischof von Canterbury; –
Die Küche voll Wildpret, der Keller voll Wein
Und Früchte von London, so mußt’ es sein.

     Und hundert Diener tagein, tagaus,

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Die warteten seiner in Hof und Haus,

Sie trugen Kleider von Sammet schwer
Und goldene Ketten darüber her.

     Das hörte der König: „He, Bischof, sprich,
Du hältst ja glänzender Haus als ich,

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Ich wett, Du betrügst mich um Steuer und Zins

Und beraubst meinen Seckel seines Gewinns.“

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     „„Herr,““ seufzte der Bischof, „„vor Gott ich bekenn,

Ich hab’ nur vertafelt, was mein ich nenn’,
Und Ihr könnet und werdet mir krümmen kein Haar

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Weil ich Wein getrunken, der meine war.““


     „Doch, Bischof, doch, Dein Verbrechen wiegt schwer,
Du stirbst, es kann Dich nichts retten mehr,
Es sei denn, Du fändest die Antwort schnell
Auf drei winzige Fragen, die ich Dir stell’.

25
     Zum ersten: wenn ich auf Englands Thron,

Das Scepter in Händen, zu Häupten die Kron’,
Rath halte mit meinen Grafen und Herrn,
Wie viel ich dann werth bin, wüßt’ ich gern?

     Und zum zweiten sollst Du mir sagen dann,

30
Wie rasch wohl die Welt ich umreiten kann?

Und zum dritten will ich wissen geschwind,
Was zur Stelle meine Gedanken sind?“

     „„Herr, Eure Fragen sind viel zu schwer,
Da find’ ich nicht Lösung flugs hinterher,

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Gönnt mir drei Wochen vom heutigen Tag,

Daß ich Frag’ und Antwort ergründen mag.““

     „Wohlan es sei! doch nutze die Frist,
So lieb Dir Dein Land und Dein Leben ist,
Denn räthst Du falsch oder bist Du nicht hier,

40
Sind Dein Land und Dein Leben verfallen mir.“


     Der Bischof hört es in trübem Sinn,
Gen Oxford und Cambridge ritt er hin,
Da war kein Doktor, den er nicht frug,
Doch die Klugen waren nicht klug genug.

[430]
45
     So ritt er denn heimwärts, das Kinn auf der Brust,

Da kam sein Schäfer des Weges just,
Der rief ihm zu: „willkommen zu Haus!
Was bringt Ihr? Wie sieht es in London aus?“

     „„Schlecht,““ seufzte der Bischof, „„drei Tage nach hier

50
Fällt mein armer Kopf vor die Füße mir,

Es sei denn, daß er auf Antwort verfällt
Auf drei Fragen, die mir der König gestellt.

     Zum ersten, wenn er auf Englands Thron,
Das Scepter in Händen, zu Häupten die Kron’

55
Rath hält mit seinen Grafen und Herrn,

Wieviel er dann werth ist, wüßt’ er gern.

     Und zum zweiten soll ich ihm sagen dann,
Wie rasch er die Welt wohl umreiten kann;
Und zum dritten will er wissen geschwind,

60
Was zur Stelle seine Gedanken sind.““


     Da lachte der Schäfer: „Herr, denket daran,
Daß ein Narr einen Weisen lehren kann;
Gebt mir Euer Roß, Euren Stab, Euer Kleid
Und ich fecht’ Euch aus Euren ganzen Streit.

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     Sorgt nicht; in Kentshire weiß jedes Kind,

Daß wir zwei von einem Vater sind,
Und trag ich nur erst Euer prächtig Gewand,
Unterscheidet uns keiner im ganzen Land.“

     Da beschwor ihn der Bischof: „„nimm Chorrock und Stab,

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Nimm Diener und Läufer so viel ich hab’,

Nimm Mitra, Kapuze, nimm was Dir gefällt,
Nur löse die Fragen, die er gestellt.““

[431]
     „Willkommen, Freund Bischof,“ rief König Johann,

„Du hälst Deine Zeit, das ist wohlgethan,

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Und hält auch Dein Witz auch so pünktlich Stand,

Belehn’ ich aufs Neu Dich mit Leuten und Land.

     Zum ersten: Wenn ich auf Englands Thron
Das Scepter in Händen, zu Häupten die Kron’
Rath halte mit meinen Grafen und Herrn,

80
Wie viel ich dann werth bin, wüßt’ ich gern.“


     „„Unser Heiland wurde, so wahr ich getauft,
Um dreißig Silberlinge verkauft,
Drum neunundzwanzig schätz’ ich Euch ein,
Um einen müßt Ihr doch billiger sein.““

85
     Da lachte der König und schwur bei Sankt Velt:

„Ich hab’ nicht gedacht, daß so wenig ich gelt!
Nun aber zum zweiten sage mir an,
Wie rasch wohl die Welt ich umreiten kann?“

     „„Reit’ aus mit der Sonn’ immer neben ihr fort

90
Bis Du andren Tages am alten Ort,

So hast Du die Reise in Tag und Nacht
Oder vierundzwanzig Stunden gemacht.““

     Da lachte der König und schwur bei Sankt Velt:
„Ich hab’ nicht gedacht, daß so rasch ich reit’!

95
Nun aber sollst Du mir sagen geschwind,

Was zur Stelle meine Gedanken sind.“

     Da beugte der Schäfer schnell sein Knie:
„„Ihr denkt, ich sei Bischof von Canterbury,
Der sitzet daheim; nur sein Schäfer bin ich

100
Und bitt’ um Gnade für ihn und für mich.““


[432]
     Da schwur der König und lachte hell:

„Du sollst Bischof sein an seiner Stell’.“
Der Schäfer seufzte: „„’s geht halt nit mehr,
Wo nähm’ ich das Lesen und Schreiben her?““

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     „Wohlan denn, so nimm zu Dank und Lohn

Vier Nobel die Woche von mir, mein Sohn,
Und reitst Du bei Deinem Bischof heran,
So bring ihm Verzeihung vom König Johann.“