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Königin Marienhütte, Aktiengesellschaft, in Cainsdorf

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Autor: Diverse
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Titel: Königin Marienhütte, Aktiengesellschaft, in Cainsdorf
Untertitel:
aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Königin Marienhütte,
Aktiengesellschaft in Cainsdorf.


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Königin Marienhütte, Aktiengesellschaft
in Cainsdorf.

Die Königin Marienhütte, Aktiengesellschaft, deren Grundkapital 6 000 000 Mark beträgt, besteht seit 1. Januar 1878. Das Werk wurde am 5. August 1839 als Aktiengesellschaft unter der Bezeichnung „Sächsische Eisenkompagnie“ begründet, und der erste Spatenstich erfolgte am 21. April 1840; den Namen Königin Marienhütte führt das Werk mit allerhöchster Genehmigung seit dem 22. Juni 1842.

In dem zu erbauenden Hüttenwerke sollten dem zur Gründung einladenden Prospekt vom 1. Oktober 1838 gemäß 60 bis 80 Tausend Centner Gießerei- und Walzwerks-Roheisen aus selbst gewonnenen Erzen mit Zwickauer Koke in 2 Hohofen erblasen und zu Gußwaren, sowie Walzwerksprodukten verarbeitet werden. Als ursprüngliches Kapital waren 500 000 Thaler in Aussicht genommen.

Der Prospekt fand Annahme, und nachdem 600 Stück Aktien zu 500 Thaler gezeichnet waren, wurde die Sächsische Eisenkompagnie konstituiert. Der Kammerherr von Arnim auf Planitz trat 1839 an die Spitze des Direktoriums und hatte während der ersten Jahre der Weiterentwickelung des Werkes mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. In erster Linie trat ihm die Unzulänglichkeit des Kapitals hindernd in den Weg; unter drückenden Verhältnissen mußte zur Aufnahme von Anleihen geschritten werden. Noch schwieriger wurden die Verhältnisse, als die ersten Hohofencampagnen höchst ungünstig verliefen, ja sozusagen kein Resultat lieferten. Die Hauptursache lag in der nicht genügenden Qualität der Zwickauer Koke. Nach jahrelangem, erfolglosem Arbeiten scheinen die übrigen Interessenten der Weiterverfolgung des Programms überdrüssig geworden zu sein; infolgedessen übernahm im Jahre 1844 der Kammerherr von Arnim für sich und in Gemeinschaft mit seinen Brüdern in Crossen und Kriebstein die Hütte pachtweise auf 5 Jahre mit der Verpflichtung des Ausbaues derselben durch Anlegen eines Puddelwerkes und Walzwerkes. Diese Ausführung erfolgte nach den Plänen rheinischer Ingenieure in zeit- und zweckmäßiger Weise.

Im gleichen Jahre trat dann auch eine günstigere Hochofen-Betriebsperiode ein, und erwarb sich die Hütte die staatlich ausgeschriebene Prämie von 1000 Thaler für eine ununterbrochene Campagne von mindeste einjähriger Dauer unter Benutzung sächsischer Koke. Um die Verbesserung der letzteren hat sich der spätere Oberhüttenmeister Schildbach hervorragende Verdienste erworben, während der nachmalige Generaldirektor von Lilienstern dem Hohofenbetrieb als Ingenieur vorstand.

Es war im Jahre 1848, als der Bau des Puddel- und Walzwerkes mit zwei durch Dampf getriebene Walzenstraßen beendet wurde; 1855 übernahm die Familie von Arnim nach nochmaliger Verlängerung des Pachtvertrages die gesamte Anlage käuflich. In demselben Jahre hatte die Hütte den Tod des Kammerherrn von Arnim zu beklagen, dem es nicht vergönnt gewesen ist, die volle Prosperität derselben zu erleben. Seine würdige Nachfolgerin wurde seine Witwe Isolde von Arnim, geb. Gräfin zu Lippe, dieselbe waltete im Sinne des Verstorbenen. Mit reichen Herzens- und Geistesgaben ausgestattet, gestützt auf einen gediegenen, ihr unbedingt ergebenen Bestand an Beamten und Arbeitern, arbeitete sie zum dem Segen der Ihrigen und zur Befriedigung Aller an der Entwickelung des Werkes rüstig fort. Ihrem klaren, zielbewußten Streben wurde die hohe Befriedigung zu teil, die Hütte, der damaligen Zeit entsprechend, auf vollkommener Höhe der Entwickelung zu sehen und dann auch deren materiellen Erfolge zu genießen. Nachdem noch zu [Ξ] Lebzeiten des Kammerherrn von Arnim der Anschluß an die Königliche Staatsbahn erfolgt war, wurde unter ihrer Leitung Lokomotivbetrieb auf der ganzen Hütte eingeführt, zwei neue Hohofen erbaut, das Walzwerk und die Maschinenbauwerkstatt wesentlich vergrößert, eine Röhrengießerei errichtet; ferner zählt die Marienhütte zu denjenigen Werken, welche zuerst in Deutschland den Bessemerbetrieb befriedigend durchführten.

Im Jahre 1873 ging das Werk durch Kauf in den Besitz der Deutschen Reichs- und Kontinental-Eisenbahnbau-Gesellschaft über.

Das Produktionsprogramm der Königin Marienhütte ist im Laufe der Jahre wesentlich erweitert. Sie gewinnt aus ihren Gruben:

1. Eisenstein für den eigenen Bedarf, Schwer- und Flußspat, sowie Farberde und Nickelerze zum Verkauf, und erzeugt:
2. Koke für eigenen Bedarf;
3. Roheisen für den Puddel-, Bessemer- und Martinprozeß, sowie Gießerei-Roheisen für den eigenen Bedarf und zum Verkauf;
4. Bessemer- und Martinstahl zur weiteren Verarbeitung in den Walzwerken;
5. die verschiedensten Walzwerksprodukte aus Stahl und Eisen, als: a) Schienen, b) Schwellen, c) Laschen und Platten für Eisenbahnzwecke, d) Handelseisen, e) Bauträger, sogen. I Eisen, f) Formeisen der verschiedensten Art für Brückenbau und andere Eisenkonstruktionsarbeiten;
6. Gußwaren aller Art, besonders Maschinenguß und Röhren für Wasser- und Gasleitungen;
7. Eisenkonstruktionen, als: Brücken-, Dach- und Gebäudekonstruktionen etc.;
8. Dampfmaschinen, namentlich für Bergbauzwecke, als: Förder- und Wasserhaltungsmaschinen mit allem Zubehör, Luftkompressoren und Lufthaspel, Aufbereitungsmaschinen, besonders Kohlenwäschapparate, bei gleichzeitiger Übernahme ganzer Aufbereitungswerkstätten etc.;
9. feuerfeste Steine für eigenen Bedarf und zum Verkauf;
10. Gas zur Beleuchtung des Hüttenwerkes und der Ortschaften Bockwa und Wilkau;
11. Ausführung ganzer Wasserversorgungswerke und Gasleitungen mit Ausarbeitung der dazu nötigen Pläne.

Die Betriebskraft der Königin Marienhütte ist der Dampf. Die vorhandene Wasserkraft dient zum Betriebe einer Schlosserei-Werkstatt.

Im Betriebe sind:

62 Dampfkessel mit 2927 Quadratmeter Heizfläche; 87 Dampfmaschinen mit 4543 Pferdekräften;
den Eisenbahnbetrieb besorgen 3 Lokomotiven mit 101,25 Quadratmeter Heizfläche;
außerdem finden beim Bergbau noch 2 Dampfkessel mit 28,5 Quadratmeter Heizfläche Verwendung.

Ende 1888 beschäftigte das Werk 163 Berg- und 1730 Hüttenleute.

Die Produktion in Tonnen à 1000 kg und der Betrag der an Fremde verkauften Waren in Mark betrug:

im Jahre: Roheisen: Gußware: Walzwerks-
fabrikate:
Maschinen und
Brücken etc.:
Fakturabetrag:
To. To. To. To. Mark
1844 355 371 nicht zu ermitteln
1845 884 472 nicht zu ermitteln
1850 1 685 590 2 527 861 000
1855 4 423 1 496 10 000 3 280 000
1860 11 263 1 689 11 998 2 181 000
1865 6 284 1 253 14 096 725 3 985 000
1870 1 058 26 949 1 084 7 265 000
1873 12 518 5 305 29 388 946 11 403 000
1875 2 848 4 026 13 864 2 500 4 960 000
1880 9 061 3 182 19 277 988 4 066 000
1885 21 028 5 376 25 477 2 200 4 580 000
1888 24 227 7 375 32 526 3 403 6 306 000

[Ξ] Der Umsatz von 1873 ist seit dem Bestehen der Königin Marienhütte bis jetzt der größte; die höchste Produktion in den einzelnen Werkstätten wurde 1888 erreicht. Trotzdem ist der pekuniäre Effekt der Produktion des Jahres 1888 bedeutend geringer als z. B. im Jahre 1873, wo bei 48 157 To. Gesamt-Produktion der Fakturabetrag M. 11 403 000 betrug, während 1888 auf insgesamt 67 531 To. nur ein solcher von M. 6 306 000 erreicht worden ist.

Dies ist ein beredtes Zeugnis von dem Einfluß der günstigen Konjunktur, welche bis zum Jahre 1873 preissteigernd gewirkt, mit dem plötzlichen Eintritt der großen Reaktion aber auch ein rapides Sinken der Preise zur Folge hatte; aus der Tabelle ist nachweisbar, daß der Fakturabetrag für 32 508 To. im Jahre 1880 nur M. 4 066 000, also pro To. M. 125 betrug, im Jahre 1888 sogar auf 93 M. gesunken war, dagegen im Jahre 1873 sich dieser Einheitswert mit 237 M. berechnete.

Das natürliche Absatzgebiet für die Produkte der Hütte ist das Königreich Sachsen, sowie die angrenzenden Länder, welche durch einmündende Bahnen mit Sachsen leichten Verkehr ermöglichen. Für alle ihre Produkte ist das sächsische Gebiet allein nicht aufnahmefähig genug, und muß daher weiterer Absatz gesucht werden. Es gilt dies besonders für Eisenbahnbaumaterialien, als Schienen, Schwellen, Laschen und Platten; ebenso für Bauträger, Gas- und Wasserleitungsröhren, sowie für Eisenkonstruktionen. Für den Export ist die Lage der Hütte nicht günstig.

Auf die hochgehenden Jahre von 1870–73 mit nie erwarteten hohen Eisenpreisen und Verdienst folgten Jahre der größten Depression, und nur die Jahre 1878, 1880, 1882 und endlich wieder 1888 ermöglichten es, eine Dividende aus den Erträgen der Hütte zu zahlen. Nicht allein die zu außerordentlicher Tiefe gesunkenen Eisenpreise, sondern ganz besonders der Mangel an hinreichender Beschäftigung lasteten schwer auf dem Werke. Die Zahl der beschäftigten Berg- und Hüttenleute, die 1873 2092 betrug, sank 1876 auf 1223 und stieg ganz allmälig wieder bis zum Jahre 1888 auf 1893.

Nachdem die von der Deutschen Reichs- und Continental-Eisenbahnbaugesellschaft unternommenen Bauten der Posen-Creuzburger- und Weimar-Geraer Eisenbahn mit dem Jahre 1877 beendet und keine Aussichten zur weiteren Uebernahme von Bahnbauten vorhanden waren, wandelte sich dieselbe unter gleichzeitiger Reduktion des Aktienkapitals von 10 auf 6 Millionen um in die „Königin Marienhütte, Aktiengesellschaft.“

Im Jahre 1881 wurde an Stelle der vorhandenen vier Hohöfen ein neuer erbaut, dessen Leistungsfähigkeit größer als die der abgetragenen Öfen ist. 1883 wurde das Walzwerk rekonstruiert und besonders durch Aufstellung neuer, zum Teil wesentlich stärkerer Dampfmaschinen für die ausgedehntere Fabrikation von Bauträgern eingerichtet. 1887 endlich erfolgte der Bau einer Siemens-Martinstahlhütte.

Seit dem Jahre 1866 besitzt die Königin Marienhütte eine Knappschaftskasse, die für Beamte und Arbeiter höchst segensreich wirkt; durch sie war schon lange vor dem Erlaß der Gesetze über Kranken- und Unfallversicherung nicht allein hierfür, sondern auch für Invaliditäts- und Altersversicherung, Witwen- und Waisenunterstützung auskömmlicher gesorgt, als es die betreffenden Gesetze vorschreiben, resp. dafür in Aussicht genommen ist. Die Kranken- und Unfallunterstützung bewegt sich seit der Geltung der betreffenden Gesetze im Rahmen derselben. Invaliden erhalten nach fünfjähriger Mitgliedszeit 10%, und aufsteigend bei dreißigjähriger Mitgliedschaft 55% eines für die einzelnen Mitglieder festgesetzten Normallohnes. Mitglieder, welche über 60 Jahre alt sind und 30 Jahre der Kasse als Mitglied angehören, haben das Recht, ihre Pensionierung zu verlangen und sind in der weiteren Verwertung ihrer Arbeitskräfte unbeschränkt. Die Beiträge zu dieser Pensionskasse sind inkl. der Krankenkassenbeiträge auf 3½% des Arbeitslohnes und pro Vierteljahr eines Normalarbeitstages-Verdienstes, sogenannter Quartalschicht, von seiten der Mitglieder und auf 3⅓% der ausgezahlten Löhne sowie 2 Pf. für 100 kg verkaufter Eisenwaren von seiten des Werkes normiert. Vom Bestehen der Knappschaftskasse bis Ende 1888 betrugen die Zahlungen der Hütte an dieselbe M. 961 384,25. An Pensionen wurden während dieser Zeit M. 865 735,00 gezahlt. Das Vermögen der Kasse betrug Ende 1888 M. 999 785,06.

Für erkrankte Beamte ist nach Trennung der Krankenversicherung von der Knappschaftskasse durch eine besondere Beamtenkrankenkasse gesorgt.

[Ξ] Weiter besteht bei der Hütte ein Unterstützungsfonds für Frauen und Kinder der zum Militärdienst einberufenen Reservisten und Landwehrleute und endlich ein Christbescherungsfonds für die der Knappschaft angehörenden Waisen, welcher durch regelmäßige und außerordentliche Zuwendungen ein Kapital von M. 6 298,14 Ende 1888 aufweist.

Geehrt wurde die Hütte von Sr. Majestät dem König Albert durch Verleihung des Ritterkreuzes I. Klasse vom Albrechtsorden an die Ende 1874 und 1888 in den Ruhestand getretenen Generaldirektoren Alexander Rühle von Lilienstern und Bruno Ehrhardt, durch Verleihung des Ritterkreuzes II. Klasse desselben Ordens an 3 pensionierte ältere Beamte, sowie vom Königlichen Ministerium durch Verleihung der Medaille für Treue in der Arbeit an eine größere Anzahl alter braver Arbeiter.

In hervorragender Weise wurde die Hütte durch den Besuch der Mitglieder unseres hohen Königshauses ausgezeichnet. Se. Majestät König Albert, sowohl als Kronprinz wie als König, geruhte die Hütte zu besuchen, auch Se. Majestät der hochselige König Johann mit allerhöchster Gemahlin und Se. Majestät der hochselige König Friedrich August in Begleitung der hochseligen Königin Marie, deren Namen die Hütte trägt, ehrten das Werk wiederholt durch Ihre persönliche Anwesenheit.

Der Aufsichtsrat der Königin Marienhütte setzt sich gegenwärtig aus den Herren: Geh. Kommerzienrat G. von Bleichröder, Vorsitzender; Kommerzienrat W. Wolf, stellvertretender Vorsitzender; Kommerzienrat F. Kühnemann, Delegierter; Oberbürgermeister a. D. W. Weber, Delegierter; Geh. Kommerzienrath C. Richter; Kommerzienrat Friedenthal, sämtlich in Berlin; Rechtsanwalt B. Jahn in Zwickau und Eisengießereibesitzer Gustav Götz in Leipzig zusammen, während den Vorstand der Gesellschaft die Herren O. Springer und C. Dulheuer, beide in Cainsdorf, bilden.

Möge die Königin Marienhütte fortleuchten am industriellen Sternenhimmel zur Ehre unser Sachsenlandes; möge ihrer Weiterentwicklung und ihrer Thätigkeit dauernder Segen beschieden sein.

Glück auf!