Kaiser und Patriot
Kaiser und Patriot.
Kaiser Karl, der Herr der Franken,
Sucht Italiens Gewinn;
Nicht der Alpen Felsenschranken
Hemmen seinen Heldensinn.
In der heißen Sachsenschlacht,
Führt auf ihren Wolkenstiegen
Seines Heeres junge Macht.
In dem blüh’nden Ländergarten,
Wo der edlen Longobarden
Ritterliche Tugend haust,
Schlägt er mit den Löwenbranken
Seinen Gegner in den Staub,
Fallen Land und Volk zum Raub.
Der besiegten Longobarden
König Desiderius
Trägt mit stillem Schmerz des harten
Tiefer wird die große Seele
Seines Kanzlers doch betrübt,
Daß der Freiheit Sonne fehle
Seinem Volke, das er liebt.
Stets seiner Brust gewacht!
Hat mit Jünglingsgluth geschrieben,
Was das Heldenvolk vollbracht!
Wie Homer einst in Gedichte,
Seinen alten Stamms Geschichte
In ein hochbegeistert Lied.
Als den Besten nennt ihn Jeder,
Dessen reichbegabter Geist
Seiner Ahnen Größe preis’t,
Ihren Ruhm der Welt zu lehren
Als ihr ebenbürt’ger Sohn.
Also steht in hohen Ehren
An der Väter großen Tagen
Hängt sein schwärmerischer Blick,
Darum kann er nicht ertragen
Seines Volkes Mißgeschick.
Stiftet kühn, geheimen Bund,
Und von hehrem Muthe zeuget
Herrlich sein beredter Mund.
Wenn er so begeist’rungtrunken
Wirft er seines Zornes Funken
In der Hörer Angesicht.
Wie der Knechtschaft Schmach zu rächen,
Gibt er klug erdachten Rath,
Drängt er heiß zur Waffenthat.
Aber ach, der Longobarden
Alter Heldenmuth verschied.
Auf Verrath nicht lange warten
Ihn verdammt zu Kerkerwänden
Streng das fränkische Gericht,
Aber Karls Befehle senden
Ihn zur düstern Buße nicht.
Als erlauscht der Richter Ohr,
Daß mit seinen Stammgenossen
Warnefried sich neu verschwor.
„Den Verbrecher werft in Bande!“
Aber von der Ketten Schande
Hält der große Karl ihn frei.
Warnefried wirkt ohne Wanken,
Daß der Brüder Muth er weckt,
Auch zum dritten Mal entdeckt.
Und er steht vor dem Gerichte
Unerschrocken, stolzen Blicks:
„Nimmer meinen Sinn zu nichte
Da zu ungezähmten Grimmes
Flammen wächst der Richter Wuth,
Und es lechzt ihr furchtbar schlimmes
Unheil nach des Dichters Blut.
Spricht ihm ab ihr Rachewort,
Und so leb’ er bis zum Ende
Lichtlos und verstümmelt fort!
Lächelnd und mit milden Zügen
„Laßt euch an dem Spruch genügen,
Doch vollzogen wird er nicht.
O wo nähm’ ich andre Augen,
Die so klar die Dinge sehn,
Zu beschreiben sie so schön?“
L. Storch.