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Originalmittheilungen vom Kriegsschauplatze 5.

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Titel: Vertheidigung und Abzug der österreichischen Besatzung von Laveno am Lago maggiore
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aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 469–471
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Serie: Originalmittheilungen vom Kriegsschauplatze
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[469]
Originalmittheilungen vom Kriegsschauplatze.
V.
Vertheidigung und Abzug der österreichischen Besatzung von Laveno am Lago maggiore.[1]

Am 28. Mai wurden die Oesterreicher von dem Freischaarencorps von Camerlata bis nahe gegen Monza zurückgeworfen, und Garibaldi zog an der Spitze seiner siegesfreudigen Schaaren um zehn Uhr Abends in Como ein, wo ihn, wie in Varese, ungeheurer Jubel erwartete. Dreifarbige Fahnen wehten aus den glänzend erleuchteten Fenstern und von den Balconen; die Straßen waren mit Teppichen belegt und mit Blumen besäet; Mädchen und Weiber umdrängten, herzten und küßten die frisch einherziehenden Gesellen, und umschwärmten vor Allem den kühnen Führer, welcher hoch zu Roß mit freundlich lächelndem Blicke die Menge musterte, und auf die zahllosen Evvivas mit ruhiger, doch fester und heller Stimme sein gewöhnliches Losungswort erwiderte: „Alle arme, Lombardi, per la libertà d’Italia“ (Auf, zu den Waffen, Lombarden, für die Freiheit Italiens)! – Ohne sich die mindeste Rast zu gönnen, entsandte er sogleich einige Compagnien nach Lecco und anderen Uferorten des Comersees, um die daselbst stationirten Dampfschiffe und Barken in Beschlag zu nehmen; er selbst dagegen mit dem Kerne seiner Truppen verschwand, um sich, wie man bald erfuhr, gegen Laveno[2] zurückzuwenden, welches er mit einigen Hundert seiner Alpenjäger durch Ueberfall wegzunehmen hoffte.

Abzug der österreichischen Flottille von Laveno.

Die österreichische Besatzung Laveno’s, schon seit einiger Zeit ohne Nachricht, gleichsam von der Außenwelt abgeschnitten, hielt sich mittelst sorgfältigen Wach- und Patrouillendienstes sehr auf ihrer Hut, und setzte dabei eifrig ihre Forschungen zu Wasser, nämlich die Kreuz- und Querzüge ihres Geschwaders auf dem See, fort. Hierbei bombardirten die beiden Dampfer, der „Radetzky“ und der „Benedek“, das bereits mit Feldschanzen und Geschütz versehene Canobbio, zogen jedoch ab, als der Benedek eine Stückkugel in den Rumpf und einige Verwundete auf dem Verdeck erhielt. Auch waren schon den 27. und 28. Nachts feindliche Versuche bemerkt worden, mit Hülfe von Ueberläufern in die vereinzelten Forts einzudringen; jedoch war es nicht zum eigentlichen Gefecht gekommen, und einige Plänklerschüsse hatten hingereicht, die nicht sehr zahlreichen Angreifer, welche mehr nur durch Verrath zu wirken suchten, in die Flucht zu schlagen.

Mit seinem Hauptmann in einem außerhalb des Castells gelegenen Hause wohnend, hatte unser berichterstattender österreichischer Unterofficier in der dunklen Nacht vom 30. auf den 31. Mai den Auftrag erhalten, auf Kundschaft auszugehen. Von dem etwas hochliegenden Castell sachte gegen die Stadt zurückkehrend, hörte er plötzlich [470] um sich lispeln, und stieß gleichzeitig mit dem Ellenbogen leicht an einen Gegenstand, welcher ihn leise fragte:

„Siete pronti?“ (Sind Sie bereit?). Rasch besonnen, erwiderte derselbe:

„Si, Signore“ (Ja, mein Herr), warf sich aber schnell seitwärts unbemerkt zu Boden und gewahrte so endlich, in der stockfinsteren Nacht seine äußerste Sehkraft anstrengend, ringsum dunkle Gestalten lautlos und mit fast unhörbaren Schritten an sich vorüberhuschen; was, wie man später wahrnahm, daher kam, daß dieselben, um bei Erklimmung des Felsens weniger Geräusch zu verursachen, bereits im Voraus ihre Schuhe ausgezogen hatten.

Kaum glaubte er die Letzten vorüber, so raffte sich unser jugendlicher, sich in dieser unverhofften Gesellschaft nicht ganz wohl fühlender Kriegsheld rasch auf, jagte vollen Laufes in sein nicht mehr weit entferntes Quartier und weckte daselbst den Hauptmann und einige schlafende Leute der Infanteriemannschaft, welche eben von der Patrouille zurückgekommen, ohne Etwas entdeckt zu haben. Nach einigen schnell ertheilten Weisungen ging es nun rasch, aber zerstreut und vorsichtig den Felsen hinan, und bald befanden sie sich wieder mitten unter den Anklimmenden, welche sie aber, wahrscheinlich nach schon früher angenommenem Gebrauche, der über das Riemenzeug verbergend zugeknöpften dunklen Mäntel wegen für Freunde hielten, um so mehr, als sich bereits schon Deserteure der Garnison unter ihnen befanden, und sie daher nur durch leisen Zuruf „Avanti, Signori“ (Vorwärts, ihr Herren) zu vermehrter Eile anzuspornen suchten.

An einem nur der patrouillirenden Infanteriemannschaft bekannten engen Felsenpfade angelangt, bogen sie hastig links ab und eilten der vorliegenden Ausfallsthüre zu, wo sie nach kurzem Anrufe und gewechseltem Feldgeschrei die gesuchte Aufnahme fanden. Kaum sind sie aber eingetreten, so fällt schon vom Walle ein Schuß, dann ein zweiter und endlich Geknatter aus der ganzen Umfangslinie mit Begleitung von auf’s Ungefähr hinausgesendetem Kugel- und Kartätschenhagel. Gleichzeitig schlagen auch Kolben- und Axthiebe an die erwähnte Ausfallsthüre, mit italienisch-deutsch hereingerufener Aufforderung, sich zu ergeben oder überzugehen; auf die verneinende Antwort zwängt sich ein langes, starkes Brecheisen unter der Thüre herein, um dieselbe aus ihren Angeln zu heben, was aber ein nahe stehender Officier benutzte, um durch die entstehende Spalte den vordersten Heber mit seinem Pistol schnell zu Boden zu strecken.

Eiligst entfernten sich hierauf die Angreifer, um so mehr, als sie selbst überrascht und auf allen Seiten zuvorkommend kräftigst empfangen, überall von einem wahren Flintenkugel- und Kartätschenregen umsaust, den beabsichtigten Ueberfall verunglückt sahen, und ohne Geschütz, noch dazu mit wahrscheinlich ungenügender Mannschaft versehen, den eigentlichen Gewaltangriff nicht fortsetzen konnten. Beim schnellen, aber natürlich unter diesen Verhältnissen unverfolgten Rückzuge vermochten sie ihre Todten und Verwundeten mit sich zu nehmen, doch fanden die bei Tagesanbruch ausgesandten Patrouillen noch zahlreiche und lange Blutspuren, die von reichlichem Verluste zeugten. Glaubwürdige italienische Berichte sagen im Vertrauen, daß von der zufällig in gekreuztes Kartätschenfeuer gekommenen Compagnie des tapferen Hauptmanns Cosenz alle Officiere und fast die ganze Mannschaft getödtet oder verwundet wurden. Ein Alpenjägerofficier sagte uns, daß sie in dieser Nacht funfzehn Officiere mit mehr als 200 Mann verloren, und als Trophäe blieben den Oesterreichern ein von seinem eigenen Hauptmann durch die Hand geschossener feindlicher Lieutenant und drei gefangene Soldaten in den Händen.

Der Verlust der Besatzung bestand aus einem todten Soldaten, ferner aus einem bereits wiederhergestellten verwundeten Officier und zwei Mann mit leichten Stichwunden, da die Garibaldisten, ohne Schuß anstürmend, nach ihrer Gewohnheit nur mit Bajonnet und Messer zu arbeiten versuchten, hiermit aber in Folge bekannter Fechtlage nichts Besonderes ausrichten konnten. Als eigenthümliches komisches Intermezzo können wir hier anführen, daß in der Hitze des Gefechtes ein vom Castell verirrtes Schrapnell (Kartätsch-Granatkugel) in die Fenster eines vom Militair oft besuchten Kaffeehauses der Stadt einschlug und daselbst an Spiegeln, Leuchtern, Gläsern, Tassen, etc. gräulichen klirrenden Schaden anrichtete, welcher aber der jammernden Besitzerin durch die Großmuth der Garnison schnell und reichlich ersetzt wurde, was sie selbst dankend wieder erzählt.

Nach dem verunglückten Sturme auf Laveno wandte sich Garibaldi wieder nach Varese, wo er vom General Urban eine Schlappe erhielt und bis hart an die Schweizergrenze zurückgedrängt wurde, so daß man ihn allgemein bereits für verloren hielt. Die Besatzung von Laveno aber pflegte ihre und die feindlichen gefangenen Verwundeten mit gleicher Sorgfalt, wie dies eine von denselben später aus Mailand veröffentlichte Dankadresse beweist, und verhielt sich einstweilen ganz ruhig.

Fast gleichzeitig jedoch verbreiteten sich die Nachrichten von dem Vordringen der Alliirten über die Sesia und den Ticino, von der verlorenen Schlacht bei Magenta, von der Besetzung Sesto-Calende’s durch die etwa 10–12,000 Mann starke und hinreichend mit Geschütz versehene Division des zur Unterstützung der Freiwilligen-Legion herbeigeeilten Generallieutenants Cialdini, ferner von dem erneuerten Vordringen Garibaldi’s und entschiedenem Zurückweichen des Feldmarschalllieutenants Urban, welcher sich nach einem blutigen Gefecht bei Canonica bereits im vollen Rückzuge gegen die Adda befand; so daß die kleine Besatzung von Laveno nichts mehr vor Augen haben konnte, als im Falle eines ernsthaften Angriffes von der Landseite her nutzlose Aufopferung oder, im besten Falle, zwecklos herbeigeführte Gefangenschaft.

Nebenbei hatten die beständig auf Spähung hin und her fahrenden Dampfer die sichere Nachricht gebracht, daß die Piemontesen an den Ufern des Sees Batterien aufzuwerfen begönnen, um den sich gegen die nördliche Schweizerseite rasch verengenden Lago für die Schifffahrt ganz abzusperren. Auch waren bereits mehr oder minder hinterlistig feindliche Versuche gemacht worden, sich der Barken und selbst der größeren Schiffe durch Verrath zu bemächtigen, dieses Vorhaben aber durch die Wachsamkeit der Schiffsmannschaft vereitelt worden, obgleich sich unter derselben auch einige lombardisch-venetianische ganz unzuverlässige Elemente befanden, wie wir dies etwas später sehen werden.

Nach abgehaltenem Kriegsrathe wurde daher der Abzug der Mannschaft und der Schiffe unter dem Befehle des als Rangsältesten commandirenden Hauptmannes vom Flottillencorps angeordnet. Die Positionsgeschütze wurden zur Vernagelung vorgerichtet, alle brauch- und fortschaffbaren Waffen-, Munitions- und sonstigen Vorräthe auf die Schiffe gebracht, die übrigen zurückgelassen und dabei auch der verwundeten, bisher im Garnisonsspital gepflegten Gefangenen nicht vergessen, sondern dieselben guter italienischer Fürsorge anvertraut und so Alles zum raschen, stillen Abmarsche vorbereitet.

Bereits den 8. Juni Abends war der Dampfer Ticino bis Luino und Maccagno hart an die Schweizergewässer auf Recognoscirung vorgefahren, hatte dadurch die ganze Uferbevölkerung in höchste Aufregung gebracht und gleichzeitig die Ueberzeugung mitgebracht, daß auch dieser einzige Rettungsweg nicht mehr lange brauchbar oder vielmehr offen bleiben werde. In derselben Nacht also um 12½ Uhr, im finstersten, gewitterstürmenden Dunkel, setzte sich die bereitgehaltene Escadre in Bewegung; die Dampfer, den Radetzky an der Spitze, voran und mit mehreren schwer beladenen Barken im Schlepptau. Die Mannschaft in Waffen auf dem Verdeck, die Artilleristen mit brennenden Lunten an den scharfgeladenen Geschützen und die Schiffsmannschaft an ihren angewiesenen Plätzen, somit Alles gleichmäßig zum Kampfe gegen die tobenden Elemente, wie gegen Menschenkraft bereit, glitten die Schiffe trotz des heftigen Sturmes still, lautlos und langsam dahin. Bei Tagesanbruch in den schweizerischen Gewässern angelangt, hielten sie vor Gero-Gamborogno an und erwarteten die Herankunft der schweizerischen Besatzungsbehörden, welchen das Eintreffen der erwarteten österreichischen Flottille bereits durch ihre eigene, längs dem Seegestade vorgeschobene Vorpostenkette angezeigt war.

[471] Bald legten die mit den noch hochgehenden Wogen kämpfenden eidgenössischen Boote an, und der an Bord gestiegene graubündtnerische Major Latour, ein entfernter Verwandter des ehemaligen österreichischen Kriegsministers Graf Latour, übernahm das Commando, wofür er auch, wie billig, später in seinem Heimathkanton und unter den schweizerischen Besatzungstruppen selbst den scherzhaften Beinamen „der Flottenadmiral“ erhielt. Die Waffen der Oesterreicher wurden in’s Wasser ausgeschossen, was vielen Fischen Leides gethan haben soll, sodann in ordentlichen Haufen auf das Verdeck niedergelegt; Vorder- und Hinterdeck jedes Schiffes waren bereits mit einem Piquet urwüchsiger Hinterwäldner Infanteristen besetzt, welche sich sehr wunderten und freuten, so plötzlich auch zum Flottendienst berufen zu sein. Hierauf wieder gegen Magadino zu in Bewegung gesetzt, wurde der ganze Zug von dem daselbst stationirten Brigadecommando freundlich empfangen und einem Theile der zwar ganz gut aussehenden und ganz wohlbefindlichen, aber doch durch das Ungewohnte und jedem[WS 1] Soldaten selbst Peinliche der Lage etwas niedergedrückten Mannschaft die Ausschiffung gestattet, diese Erlaubniß aber schnell wieder zurückgenommen, als zwei Italiener der Schiffsmannschaft, wahrscheinlich durch die umherstehenden Tessiner angeeifert, im Nu entsprungen waren.

Sehr herzlich, theilnehmend und selbst freundschaftlich war das Benehmen der größtentheils deutschschweizerischen, eidgenössischen Officiere und Soldaten gegen die Quasi-Gefangenen; sie unterhielten sich freundlich mit ihnen, lobten ihre gute Haltung und waren bald im besten Einvernehmen, wenigstens in so weit sie sich wechselseitig verständlich machen konnten, da ein Theil der Schiffsmannschaft aus Lombarden und die Infanterie größtentheils aus slavisch sprechenden Mähren bestand; doch halfen wohlwollende Händedrücke, gutmüthig ausdrucksvolle Gebehrden auch hier hinlänglich ergänzend nach. Auffallend roh und feindlich dagegen zeigten sich die zum ungewohnten Schauspiele aus allen Kantonstheilen herbeigeströmten Italianissimi oder echten Ticinesen; hämische Schadenfreude blitzte aus ihren stechenden Augen, spitze Bemerkungen in ihrem echten Kauderwelsch flogen hin und her, natürlich nur halblaut, da sie sich vor der ernsten, strengen Haltung der aufgestellten eidgenössischen Truppen scheuten. Man sah jedoch so recht deutlich den Ausdruck dieses tückisch-welschen Charakters, welcher sich herzinnig freut, wenn er am wehrlosen Feinde, an den er sich früher nicht getraute, nun so ganz gefahrlos sein Müthchen kühlen kann; welche Freude ihnen nun freilich hier die braven „Confederati“ (Eidgenossen) selbst verdarben, wofür sie später aber auch „maledetti Austro-Svizzeri“ (verd… Oesterreichische-Schweizer) geschimpft wurden.

Um 2 Uhr Nachmittags war die Uebergabe der mitgebrachten Geschütze, bestehend aus zehn schönen achtzehnpfündigen Kanonen und zwei vierundzwanzigpfündigen langen Haubitzen, nebst mehreren Raketengestellen, sodann der Handwaffen, zusammen 530 schöne, neuartige Bajonnetflinten und 440 Säbel, nebst der dazu gehörigen Ausrüstung und endlich der Schiffe selbst geschehen. Hieraus begann in militairischer Ordnung die Ausschiffung der Truppen mit 2 Hauptleuten, 10 Lieutenants, 5 Chirurgen, 3 Maschinisten nebst 636 Infanterie- und Flottillensoldaten, im Ganzen 656 Mann stark, welche unter den Augen des eigens hierzu hergekommenen eidgenössischen Truppen-Divisionscommandanten an’s Land stiegen und sich daselbst in Reih und Glied formirten; die Mannschaft in Marschadjustirung mit Czackos, blauen Pantalons und Mantel, nebst aufgeschnalltem Tornister, Feldflasche und an der Seite herabhängendem Brodsack, die Officiere gleich adjustirt, jedoch mit ihren Seitengewehren (Säbel in Stahlscheide) bewaffnet.

Sogleich nach beendeter Inspection begann der Abmarsch unter Begleitung eines halben Bataillons (3 Compagnien) Urner-Infanterie in ihrer schmucken Felduniform, nämlich schwarzen, niedrigen Filzczackos mit weißrothen Pompons, blauer Tuchtunika (Waffenrock) und Pantalons, braunem Kalbfelltornister mit aufgerolltem Mantel, ferner auf der Brust gekreuztem weißem Riemenzeug und einer Feldflasche; die Officiere trugen silberne Franzenepauletten und Säbel in Lederscheide an der unter der Tunika um den Leib geschnallten Hängekuppel; die Hälfte, nämlich 1½ Compagnien, ging an der Spitze und die andere Hälfte am Schlusse der Colonne. Hierbei ward als erste Marschstation Bellinzona bestimmt, wo bereits im Voraus die Quartiere gemacht waren oder vielmehr – hätten gemacht sein sollen.

Einen eigenthümlichen Eindruck machte es, als sich beim Abzuge die Blicke dieser tapferen Soldaten, gleichsam unwillkürlich und zum stummen Lebewohl, nach ihren verlassenen Schiffen wandten, auf deren Verdeck nunmehr die schweizerischen Schildwachen ganz gemüthlich hin und her spazierten. Ruhig neben ihnen und in gleicher Weise bewacht, lagen die fünf sardinischen Dampfer; gestern erbitterte Todfeinde, heute auf neutralem Gebiete zu friedlicher Vereinigung, zu schweigendem Aneinanderliegen gezwungen, zeigten sie so recht das Bild der Vergänglichkeit irdischer Macht und die Nichtigkeit menschlicher Blutkämpfe zu wechselseitiger Vernichtung. Lustig flaggten übrigens noch auf den kaiserlichen Schiffen die österreichischen Marinefarben, während die kahlen Maste der Piemontesen traurig in die Luft starrten, was auch sogleich zu Reklamationen der sardinischen Schiffscapitaine und selbst der Bevölkerung Anlaß gab; daher wurden die verhaßten „Disegni Croati“ (kroatische Flaggen) später auch herabgenommen und so das Gleichgewicht Europa’s an der Nordspitze des Lago maggiore wiederhergestellt. Auf wie lange, können wir freilich nicht vorhersagen.

So weit unser gemüthlicher österreichischer Unterofficier, den ich in Bellinzona zum letzten Male sprach. Die ferneren Schicksale der österreichischen Colonne sind bekannt. Vielfach geschmäht von den Bellinzonesen, die dafür von den wackern begleitenden Schweizertruppen mit Kolbenstößen reichlich tractirt wurden, zogen die Oesterreicher durch die schauerlich schöne Via Mala nach dem freundlichen Chur, von wo ab eine Abtheilung nach Zürich, eine zweite nach St. Johann in Toggenburg und eine dritte Abtheilung nach Schloß Lenzburg, ganz in der Nähe der alten kaiserlichen Habsburg, einquartiert wurden. Ueberall liebreich und freundlich aufgenommen, haben Officiere und Gemeine dort schöne Tage verlebt, die ihnen unvergeßlich bleiben werden.



  1. Ueber diese Episode aus dem italienischen Kriege ist so viel Falsches und absichtlich Uebertriebenes durch die deutschen Zeitungen gelaufen, daß eine authentische Darstellung, wie wir sie in obiger Mittheilung geben, wohl nicht ohne Interesse sein dürfte. Unser Correspondent in Tessin hat sie nach den Berichten eines gebildeten österreichischen Unterofficiers zusammengestellt, der die ganze Affaire mitmachte. D. Redact.     
  2. Laveno“, nicht zu verwechseln mit dem am jenseitigen, piemontesischen Ufer des Lago maggiore gelegenen Oertchen Baveno, ist ein kleines, aber ziemlich gewerbreiches italienisches Städtchen am Ostgestade des genannten Sees, den prachtvollen Borromeischen Inseln beinahe gegenüber und selbst in einer bergumschlossenen reizenden Lage, mit einem im Frieden als Landungsplatz der österreichischen Seeschiffe dienenden Hafen und einigen Befestigungswerken,[470] welche durch die jüngstverflossenen Kriegsereignisse eine gewisse vorübergehende Bedeutung erlangten. Von drei Compagnien des österreichischen Infanterie-Regiments Erzherzog Karl nebst einer Abtheilung des Flottencorps (Schiffsmannschaft), zusammen beiläufig 650 Mann, besetzt und mit 28 Geschützen verschiedenen Kalibers ausgerüstet, beherrschen diese Festungswerke, nämlich zwei unbedeutende Forts und eine kleine, „Il Castello“ genannte Citadelle die Stadt und den Hafen, welch letzterer nunmehr den sowohl für den Personen- und Waarentransport als auch für den Kriegsgebrauch ausgerüsteten österreichischen Schiffen als improvisirter Kriegshafen Schutz und Deckung gewährte. Drei Dampfer und mehrere Barken bildeten die Flottille der Oesterreicher, wovon die Schiffe der „Benedek“ und der „Ticino“, jedes mit zwei Achtzehnpfündern bewaffnet, ganz gewöhnliche Dampfschiffe vorstellten, wie wir sie auf unseren Seen und Flüssen finden, während der „Radetzky“ von 100 Pferdekraft, mit Platz für 500 Mann Besatzung und mit sechs Geschützen schweren Kalibers ausgestattet, als prächtiges Kriegsfahrzeug stolz die Wogen des Langensees durchfurchte, und die unbewaffneten sardinischen Schiffe gleich aufgescheuchten Eulen vor sich hertrieb.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: jeden