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Kaisers Geburtstag in Berlin

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Textdaten
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Autor: Hermann Heiberg
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Titel: Kaisers Geburtstag in Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 254
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[254] Kaisers Geburtstag in Berlin. Ueber den Königsplatz dröhnen die Kanonen, von den Kirchen läuten die Glocken, mit Blumen und bunten Fahnen schmücken sich die Häuser, die Geschäfte sind geschlossen, das Militär hat keinen Dienst, im festlichen Gepränge liegen die Straßen, überall wogt’s in gehobener Stimmung auf und ab, und die Militärmusik spielt und im Gold der Sonne – fliegen die weißen silbernen Schneeflocken.

So war’s diesmal an des deutschen Kaisers Geburtstage! Aber trotz wirbelnden Schnees kam das Licht von oben in Strömen herab, und trotz des Unwetters, das sich auf Hüte und Mäntel festsetzte und in Naturthränen zerfloß, drängten sich Hunderttausende in Berlin unter den Linden am Sonntag, den 22. März!

Kaisers Geburtstag! Er ist ein nationales Fest geworden im ganzen deutschen Reiche! –

Einst schaute die Welt angstvollen Blickes in die verschlossenen Mienen eines Napoleon, der die Welt zu beherrschen schien, und heute richten sich die Blicke auf die grandiose Gestalt des Mannes, in dessen Brust die höchsten Mannestugenden wohnen, in dessen Hand die Kraft ruht, um ein Volk zu regieren und nach Blut, Kampf und Weltenwirrwarr nicht nur dem eigenen Volke, nein, den Nationen in Europa den Frieden zu geben!

Kaisers Geburtstag! Je älter der greise Held, je silberner sein Scheitel, um so erhabener leuchtet seine Gestalt auf in der Zeit mit ihrer nie rastenden Bewegung, ihrem heißen Athem und ihren nie schwindenden Gegensätzen. –

Kaisers Geburtstag! In der Nationalgalerie hängt ein Bild von Adolf Menzel. Wir sehen auf demselben die Linden mit ihrem Treiben, mit ihrem Schmucke, mit ihren erregten, begeisterten Menschen im Jahre 1870, als König Wilhelm Berlin verließ, um zur Armee zu stoßen. Ein kleines, aber musterhaftes Bild! und ein ähnliches Bild stieg vor den Augen auf an diesem Ehrentage unseres Kaisers! Bereits um acht Uhr früh begann das bunte Treiben Unter den Linden, [255] vornehmlich vorm Palais und um das Standbild Friedrichs des Großen, das mit Kränzen und Blumen reich geschmückt war. Ein märchenhafter Anblick entwickelte sich. Bunte und vergoldete Galawagen und Karossen in schier endloser Zahl fuhren auf die Rampe des kaiserlichen Gebäudes. Das blitzte von reichgeschirrten Pferden, Uniformen, Federbüschen und Ordenssternen nicht minder, als von dem Gold der Epauletten und dem Silber der Harnische. Fürsten und höchste Herrschaften, diesmal von auswärts zahlreicher, denn jemals, nahten sich zur Gratulation, und erst gegen zehn Uhr, als die Klänge vom Dom zur kirchlichen Feier einluden, vertheilte sich das Publikum.

Das Gotteshaus war überfüllt. Kopf an Kopf drängte sich die Menschenmenge bis an den Ausgang, und die feierliche Stimmung ward gehoben durch die Orgeltöne, die vom Chore herabdrangen. Nach beendeter Feier begann abermals die Auffahrt am Palais, und unter brausenden Hurrahs und Hüteschwenken des nun wieder herbeiströmenden Publikums fuhren neue Glückwunschbringende vor.

Und nach dieser Zeit begann sich die Stadt zu besonderen Feiern zu regen. In der Akademie der Künste und in der Universität wurden Festreden gehalten, in den höheren Schulen vollzogen sich schon am Sonnabend gleiche, den Tag würdigende Feiern, und in dem ganzen Berlin erhob sich heute der Blick zu der bekränzten Büste oder dem Bilde des Kaisers, das fast in keinem Hause fehlt.

Um 12 Uhr erfolgten die Salutschüsse vom Königsplatz, und etwa um dieselbe Zeit ward im Kastanienwäldchen unter Beisein der höchsten militärischen Chargen die Parole ausgegeben. Abermals ein überaus anziehendes Bild, denn gerade brach die Sonne wieder hervor und bestrahlte die zahllosen glänzenden Helme und bunten Uniformen. Und vom Rathhaus in der Königstraße brausten die Klänge der Militärmusik zu Ehren des Tages herab, und auch hier stauten sich die Menschenmassen und feierten durch ihre Anwesenheit den Tag.

Mit Beginn des Nachmittages begannen die zahlreichen, dem Tage gewidmeten Festessen. Im Kronprinzlichen Palais fand die Familientafel statt, im Rathhause tafelten 250 Stadtverordnete und hörten auf die zündende Festrede des Oberbürgermeisters von Forckenbeck. Der eiserne Kanzler hatte die Botschafter und Gesandten um sich versammelt, und bei sämmtlichen Häuptern der Reichs- und preußischen Ministerien erschienen die Geladenen. Aber auch der Reichs- und Landtag und zahlreiche Civilbeamten- und Militär-Korporationen hatten Vorbereitungen für diesen Tag getroffen, um Kaiser Wilhelm zu ehren.

Am Abend stürzte sich fast die ganze Bevölkerung in den Rausch des Vergnügens. Alle Theater brachten Festvorstellungen mit Prologen und Jubel-Ouvertüren. In allen öffentlichen Lokalen, bis auf den Keller herab, herrschte, wohin man blickte, eine gehobene, begeisterte Stimmung, und namentlich an den vornehmeren Häusern der Hauptstraßen entzündeten sich die Lichter zu einer wahrhaft feenhaften Illumination.

Die großen Ministerialgebäude in der Wilhelmstraße versanken fast in dem Lichte der Transparente, und von dem Rathhausthurm flammten rothe Flammengarben in die dunkle Nacht. Gesang, Jubel, Bewegung, Hochs, Hurrah, Begeisterung! Ein fröhlicher, ausgelassener Taumel der Berliner Bevölkerung, wie kaum eine Feder ihn zu beschreiben vermag!

Und als endlich die Nacht allmählich alle Lichter löschte, stand noch Kaiser Wilhelm’s Glücksstern am Himmel und in ihm leuchtete verheißungsvoll:

„Noch lange Jahre glänze ich ihm zum Ruhme, dem deutschen Volke zum Segen.“ Hermann Heiberg.