Zum Inhalt springen

Karl V. und der katholische Bund vom Jahre 1538

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Hermann Baumgarten
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Karl V. und der katholische Bund vom Jahre 1538
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 6 (1891), S. 273–300.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J. C. B. Mohr
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Freiburg i. Br
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[273]
Karl V. und der katholische Bund vom Jahre 1538.
Von
Hermann Baumgarten.


Zu den grössten Erfolgen, welche die Französische Politik im Ringen mit Karl V. auf Deutschem Gebiete gewonnen hat, muss die Auflösung des innerlich freilich längst zersetzten Schwäbischen Bundes gerechnet werden. Die Wiedereroberung Württembergs für Herzog Ulrich war bekanntlich die unmittelbare Folge. Der Kaiser hatte alles aufgeboten, um den Bund zu erhalten und in seinem auf den Schutz der Oesterreichischen und katholischen Interessen gerichteten Wesen herzustellen. Kaum war das Unglück in Württemberg geschehn, so finden wir die kaiserlichen Commissäre in eifriger Thätigkeit, den Schwäbischen Bund durch einen neuen zu ersetzen; bereits Anfang Juni 1534 wurde auf einem Tage in Augsburg darüber verhandelt. Die friedliche Verständigung zwischen König Ferdinand und dem Landgrafen von Hessen, sodann die freundschaftliche Verbindung der Baierischen Herzöge mit Ferdinand liess jene Verhandlungen etwas ins Stocken gerathen, welche erst Ende September neues Leben gewannen. Zunächst hatte man gemeint trotz allem den Schwäbischen Bund herstellen zu können; da sich das aber bald als unmöglich herausstellte, begnügte man sich nach sehr langwierigen Verhandlungen mit einer Schöpfung, deren Unvermögen auf den Gang der Dinge einzuwirken so gross war, dass man kaum etwas von ihrer Existenz merkte[1].

[274] Dem Kaiser war seit dem Sommer 1534 durch den von neuem drohenden Conflict mit Frankreich und die gefährliche Ausbreitung der Macht Barbarossa’s an der Afrikanischen Küste die vorsichtigste Zurückhaltung in den Deutschen Dingen auferlegt worden. Das Ausschreiben, welches er am 5. Januar 1535 aus Madrid an die Stände des Reichs erliess, ging in der Nachsicht gegen die Ketzer noch weit über das ihnen im Jahre 1532 gewährte hinaus. Wenn er da erklärte, viele hätten in Sachen der Religion gegen die früheren Reichsabschiede gefehlt, er wolle aber Milde gegen sie üben, wenn sie sich nur weiterer Neuerungen enthielten, so war damit doch deutlich genug gesagt, dass es dem Kaiser ebensowohl an der Macht fehlte, die in Regensburg und Nürnberg aufgerichteten Schranken zu behaupten, wie er früher ausser Stande gewesen war, den Augsburger Abschied durchzuführen. Zugleich erhielt Graf Roeulx Auftrag, den Lutherischen Fürsten und Städten in des Kaisers Namen ausdrücklich zu versichern, dass es seine Absicht nicht sei in Glaubenssachen Gewalt anzuwenden. Seinem Bruder aber schärfte Karl immer wieder ein alles aufzubieten, damit Deutschland ruhig bleibe und die Abgefallenen ja nicht in neue Verbindungen mit Frankreich treten. Besonders die Gewinnung des Landgrafen Philipp und die Erhaltung der Baierischen Freundschaft wurde König Ferdinand fast in jedem Briefe ans Herz gelegt[2].

Diese Haltung des Kaisers musste natürlich die Ausbreitung des Protestantismus mächtig befördern; was auch das Kammergericht gegen Einzelne der Abtrünnigen unternahm, man wusste, dass ihm der Nachdruck der kaiserlichen Macht fehlte. So war [275] es denn natürlich, dass die der alten Kirche treu gebliebenen Stände mit wachsender Sorge die immer höher steigende Fluth des Abfalls beobachteten. Namentlich die Herzoge von Baiern fühlten sich in hohem Grade beunruhigt, als nicht nur in Württemberg und Augsburg die neue Kirche gesiegt hatte, sondern diese beiden Nachbarn auch ihre Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund eifrig betrieben. Als sie im Februar 1536 den bekannten Weissenfelder an den Kaiser schickten, um das merkwürdige Project des Herzogs Ludwig zu betreiben, welcher sich einbildete das durch den Tod Sforza’s erledigte Mailand gewinnen zu können, wurde in seiner Instruction die gefährliche Lage der Deutschen Dinge mit besonderem Nachdruck geschildert. Die Lutheraner, sagten sie, stärkten sich gegen den Nürnberger Vertrag täglich, wollten Jedermann zu ihrem Glauben dringen und würden dem Concil nicht gehorchen. König Ferdinand werde durch seine „bösen Räthe“ verhindert, gegen dieses Unwesen, namentlich gegen das neuerdings in Württemberg und Augsburg vorgenommene, energisch einzuschreiten. Dazu komme, dass England und Frankreich die Lutheraner in ihren bösen Anschlägen stärkten. Der Kaiser bemühe sich aber ganz vergeblich um das Concil, wenn er nicht vorher die Ausführung der Beschlüsse desselben gesichert habe. Er müsse die Abgefallenen mit Gewalt dahin bringen, dass sie erstens in ihrem Lande einem Jeden die alten Ceremonien gestatteten und zweitens sich verschrieben, dem Concil zu gehorchen. Die Herzöge versprachen dem Kaiser für dieses Unternehmen ihren nachdrücklichen Beistand; sie würden sich zunächst gegen Herzog Ulrich wenden, denselben vertreiben und seinen Sohn einsetzen. Danach seien die Nassauischen und andere Sachen in die Hand zu nehmen und der Landgraf anzugreifen. Sobald diese beiden, der Landgraf und Herzog Ulrich zu Gehorsam gebracht worden, würden die Sachsen und die Anderen „entgegen laufen“. In drei oder vier Monaten lasse sich diese wichtige Aufgabe lösen. Dann könne sich der Kaiser gegen Frankreich wenden[3].

Man versteht nicht wohl, wie am Baierischen Hofe so kühne Phantasien möglich waren, nachdem der Kaiser seit Jahr und [276] Tag alles aufgeboten hatte, um die Dinge im Reiche ruhig zu halten[4]. Wenn er im Januar 1535, wo der Kampf mit Frankreich doch nur von ferne drohte, sich zu der oben mitgetheilten Erklärung genöthigt gesehen hatte, wie sollte er im Februar 1536, wo dieser Kampf in sicherer Aussicht stand, sich in einen Deutschen Krieg stürzen? Granvelle erklärte denn auch Weissenfelder, der Kaiser sei mit dem Vorschlage der Herzöge sehr wohl einverstanden, die er wie seine eigenen Brüder liebe, er werde gern alles nach ihrem Wunsche thun, wenn er nur nicht „mit andern so gar grossen obligen beladen wäre“. Zunächst müsse er den Kampf mit Frankreich ausfechten; wolle er nach dem Wunsche der Herzöge vorgehn, so sei zu fürchten, dass es einen grossen Krieg im Reiche gebe, wo er dann die Herzoge nicht schützen könne. Sie möchten sich also einstweilen in Geduld finden; zu günstigerer Zeit sei der Kaiser bereit, wolle auch die Herzöge gegen Ulrich, welcher in alle Wege sich widerwärtig gehalten, nicht verlassen[5].

Der Krieg gegen Frankreich verlief bekanntlich so wenig glücklich, dass der Kaiser im Herbst 1536 noch weiteres Entgegenkommen gegen die Ketzer in Erwägung zog. Nach seiner durchaus politischen Denkweise musste er besorgen, dass die Protestanten seine Bedrängnisse benutzen, wohl gar im Bunde mit Frankreich gegen ihn vorgehen würden. Im November 1535 hatte er im frischen Hochgefühl seines Afrikanischen Sieges aus Neapel an die Schmalkaldener eine scharfe Mahnung gerichtet, sich streng an den Nürnberger Frieden zu halten, über dessen mehrfache Verletzung ihm Klagen zugegangen seien[6]. Dieses mit den Verheissungen vom Januar nicht wohl stimmende Schreiben hatte die Protestanten mit Besorgniss erfüllt und den Ausstreuungen Frankreichs Glauben verschafft, dass der Kaiser sich [277] mit kriegerischen Gedanken gegen sie trage. Karl fand es desshalb nothwendig, ehe er nach Frankreich aufbrach, an die Schmalkaldener ein Schreiben zu richten, worin er seine frühere Zusicherung auf das nachdrücklichste wiederholte, dass er Niemand der Religion wegen „thetlicher weiss zu überziehen und zu beschedigen“, sondern den Nürnberger Frieden gewissenhaft zu halten beabsichtige[7]. Obwohl nun der Kurfürst von Sachsen im Namen seiner Bundesgenossen darauf am 9. September eine Antwort ertheilte, welche dem Kaiser mit lebhaftem Dank für seine Zusicherung die volle Loyalität der Schmalkaldener verhiess, wurde in diesem Schreiben doch zugleich die Ansicht der Verbündeten ausgesprochen, dass das vom Papst nach Mantua ausgeschriebene Concil schwerlich als ein „freies, christliches, unverdächtiges“ angesehen werden könne. Als der Kaiser von seinem unglücklichen Zuge in die Provence zurückkehrte, trug ihm eine protestantische Gesandtschaft die oft erörterten Beschwerden gegen das Kammergericht vor; die Processe desselben müssten eingestellt und der Nürnberger Frieden auf diejenigen ausgedehnt werden, welche sich seit seinem Abschluss zum Evangelium bekannt hätten. Ausserdem erklärten sie, dass das vom Papst nach Mantua ausgeschriebene Concil nicht den wiederholten Beschlüssen Deutscher Reichstage entspreche, welche immer ein Concil in „Deutscher Nation“ gefordert hätten. Die Loyalitätsversicherungen des Kurfürsten von Sachsen wurden dadurch einigermassen zweifelhaft gemacht. Mehr als je musste der Kaiser besorgen, dass die Werbungen Frankreichs, nachdem es seinen doppelten Angriff im Süden wie im Norden empfindlich zurückgewiesen hatte, im Reich Anklang finden möchten. Wie sollte er dieser Gefahr begegnen? Wie überhaupt die Angelegenheiten des Reichs in eine erträgliche Ordnung bringen?

Jener Gesandtschaft erklärte er, er werde seinen Vicekanzler Held ins Reich senden, um alle Streitfragen zu erledigen. Von den positiven Aufträgen nun, welche er diesem ertheilte, sind wir leider nicht genau unterrichtet; wir kennen nur die sehr merkwürdige geheime Instruction[8], nach der er sich mit König [278] Ferdinand im tiefsten Geheimniss berathen sollte, wie endlich im Reich eine zuverlässige Ordnung hergestellt werden könne. Der beklagenswerthe Zustand desselben, welches sich seinem Kaiser versage, sei die eigentliche Quelle der unversöhnlichen Feindschaft Frankreichs, dieser Zustand aber entspringe aus den religiösen Wirren. Dieselben beizulegen und dadurch die kaiserliche Autorität wieder aufzurichten, sei desshalb von höchster Wichtigkeit. Frankreich habe alles Interesse, den religiösen Zwiespalt im Reiche zu erhalten, desshalb suche es auf jede Weise den Zusammentritt des Concils zu hindern. Der Papst habe dasselbe wohl ausgeschrieben, scheine jetzt aber aus Furcht vor Frankreich, oder auch aus seiner naiven Zuneigung zu demselben, an der Abhaltung des Concils irre zu werden. Der Kaiser wolle gewiss nichts gegen die päpstliche Autorität oder die heiligen katholischen Ordnungen thun; wenn aber der Papst in dieser seiner kühlen Gleichgültigkeit verharre, so erfordere der bedenkliche Zustand des Reiches, dass man andere Mittel in Erwägung ziehe. Held solle desshalb mit König Ferdinand überlegen, ob die Abhaltung des Concils ohne den Papst und Frankreich möglich sei. Lasse sich aber das Concil in Deutschland mit Zustimmung aller oder doch des grössten Theiles der Stände nicht durchführen, so müsse man prüfen, ob es einen anderen Weg gebe, um die vom Glauben Abgefallenen fest für den Kaiser und König Ferdinand zu gewinnen, indem man sie auf Grund des Nürnberger oder eines andern neu zu schliessenden Vertrages „für immer“ vor Gewalt sichere, „oder ob man eine National-Versammlung in Deutschland berufen und einige Dinge nachgeben soll, die für unsern Glauben nicht wesentlich sind, oder ob es andere Mittel gibt, um zu verhindern, dass die kaiserliche Autorität zu Grunde geht“.

In der That höchst erstaunliche Ideen! Ein Concil ohne den Papst oder gar eine National-Versammlung! Hat der Kaiser da nicht seine ganze bisherige Politik auf den Kopf gestellt? Es scheint so. Aber man übersehe nicht, dass diese geheime Instruction nicht Entschliessungen, sondere Fragen des Kaisers enthält. Held soll im tiefsten Geheimniss mit König Ferdinand erwägen, ob durch eines der angegebenen Mittel ein befriedigender Zustand im Reiche hergestellt werden könnte. Der weitere Verlauf beweist, dass Held neben diesen Fragen eine Reihe positiver [279] Aufträge hatte: er sollte die Protestanten zur Beschickung des Concils, wie es Paul III. ausgeschrieben hatte, er sollte sie zur genauen Beobachtung des Nürnberger Friedens, zur Leistung einer Hilfe gegen die neuerdings andringenden Türken bestimmen; er sollte mit verschiedenen Ständen, namentlich dem Kurfürsten von Sachsen über Beilegung von besonderen Zwistigkeiten verhandeln. War in diesen Aufträgen auf die in der geheimen Instruction erörterten Möglichkeiten irgend welche Rücksicht genommen?

Held’s Abreise ins Reich verzögerte sich. Während die geheime[WS 1] Instruction das Datum des 31. Oktober trägt, schreibt der Kaiser seinem Bruder am 14. November, Held sei bis jetzt durch allerlei Geschäfte aufgehalten; er werde aber Ferdinand von allem bis zu seiner bevorstehenden Abreise nach Spanien Vorgefallenen unterrichten, was Ferdinand aus seiner allgemeinen und geheimen Instruction entnehmen werde. Held traf erst gegen Ende December in Wien ein. Von seinen mit Ferdinand gepflogenen Verhandlungen wissen wir nichts. Um die Mitte Januar 1537 wird seine Anwesenheit in München gemeldet; über den Erfolg seiner Verhandlungen mit den Baierischen Herzögen äusserte er sich bald darauf in Nürnberg sehr befriedigt. Hierher kam er am 4. Februar. Nürnberg war in seiner conservativen, kaisertreuen Richtung damals soweit von seinen Glaubensgenossen abgekommen, dass Held es vollends auf die kaiserliche Seite hinüberzuziehen hoffte. Er lobte es, dass es vor vielen Fürsten und Ständen gehorsam gewesen sei; der Rath habe zwar auch in der Religion allerlei Aenderungen vorgenommen, aber sich darin doch bescheidener gehalten, als andere Stände; der Kaiser wolle alle Ungnade gegen Nürnberg fahren lassen, wenn nur der Rath auf weitere Aenderungen verzichte, und sich in die bösen Praktiken anderer Stände nicht einlasse. Der Kaiser sei unablässig bemüht gewesen, die Glaubensspaltung zu beseitigen, habe jetzt mit grosser Mühe die Berufung des Concils nach Mantua erreicht, und werde dasselbe, wo immer möglich, selbst besuchen. Er hoffe, dass auf dieser Versammlung „die misspreuch in der kirchen (wo nit gar, doch zum theil) abgethan werden“. Da er fürchte, dass sich einige Stände weigern würden, das Concil zu besuchen, so begehre er, dass Nürnberg es trotzdem beschicke. Sollte das Concil aber nicht zu Stande kommen, so möge der [280] Rath die Sache bedenken und dem Kaiser rathen, durch welche Mittel Friede und Einigkeit im Reich erhalten und verhindert werden könne, dass die Religion in weiteren Abfall komme[9].

Man sieht, Held tritt hier sehr versöhnlich auf, aber doch nicht mehr, als es seine Absicht, Nürnberg noch weiter von den Schmalkaldenern zu trennen, erforderte; von den eigenthümlichen Gedanken der geheimen Instruction ist keine Spur wahrzunehmen.

Man weiss, wie es dann auf dem Tage zu Schmalkalden, wo Held den Protestanten die Wünsche des Kaisers namentlich in Betreff der Beschickung des Concils vortrug, zu einem scharfen Zusammenstoss zwischen dem Vicekanzler und den Schmalkaldenern gekommen ist. In dem ausführlichen Berichte, den Held am 5. März über seine Verhandlungen an König Ferdinand erstattete[10], beklagte er es, dass er, während er vom Kaiser Auftrag gehabt habe, mit den einzelnen Fürsten zu verhandeln, in die Nothwendigkeit gekommen sei, zu der Gesammtheit der Protestanten zu reden. Das war ja in der That für ihn sehr ungünstig. Zu irgend einer Verständigung mit ihnen zu gelangen, erklärte er für ganz unmöglich, da sie auf nichts geringeres ausgingen, als die ganze Welt lutherisch zu machen. Obwohl er sie aber so vollkommen verhärtet gefunden, habe er doch mit Rücksicht auf die gefährlichen Zeiten einen Bruch vermieden und dem Kaiser weitere Entscheidung vorbehalten. Ehe er vor den versammelten Ständen auftrat, hatte er eine lange Unterredung mit dem Kurfürsten von Sachsen. Er drückte ihm das besondere Wohlwollen des Kaisers aus, der wohl wisse, dass der Kurfürst für seine Person friedfertig und zur Erhaltung der Ruhe geneigt sei; um das gute Einvernehmen mit ihm zu befestigen, [281] wünsche der Kaiser verschiedene Sachen zu begleichen, welche bisher zwischen ihnen gestanden. Es handelte sich da natürlich besonders um die Anerkennung der Königswahl Ferdinands, zu welcher der Kurfürst bekanntlich trotz mehrjähriger Verhandlungen noch nicht hatte bestimmt werden können. Auch in diesem Punkte erreichte Held gar nichts, obwohl er dem Kurfürsten von kaiserlicher Seite alles mögliche, freilich auf ziemlich vage Weise in Aussicht stellte.

Man kann nicht sagen, dass dieser Bericht, welchen er dem Kaiser in Lateinischer oder Französischer Uebersetzung[11] zuzusenden bat, eine besonders gehässige Stimmung verrathe; er constatirt eben die auseinandergehende Tendenz der kaiserlichen und der protestantischen Politik. Aber worauf richtete sich denn damals die kaiserliche Politik? Waren die Gedanken der geheimen Instruction vollständig verschwunden? In der besonderen Verhandlung mit dem Kurfürsten von Sachsen hätte sich doch Gelegenheit geboten, auf diese Ideen wenigstens vorsichtig hinzudeuten, wenn dieselben in der Berathung mit König Ferdinand für zulässig wären erkannt worden; Held findet es nicht einmal nöthig dem Könige zu erklären, weshalb er von jenen Ideen gar keinen Gebrauch gemacht habe.

Am 14. April schrieb Ferdinand dem Kaiser über das Resultat der Held’schen Verhandlungen. Er fand, dass die Dinge in jeder Beziehung schlecht ständen. Er müsse allerdings gestehen, dass, als er die Deutsche Instruction Held’s gesehen (les instructions en Alleman dudict docteur Mathias), er wenig Hoffnung gefasst habe, dass die Lutheraner sich zur Vernunft bringen liessen, sondern vielmehr mit Rücksicht auf den bösen Stand aller Angelegenheiten gefürchtet, dass es schlimmer werde als je. Als er Held diese Besorgniss geäussert, habe derselbe erwidert, man müsse so handeln, um die kaiserliche Würde und Autorität zu erhalten, ausserdem entspreche es der Gerechtigkeit, wie es sich ja in der That verhalte, wenn es nur mit ihren gemeinsamen Angelegenheiten nicht so schlecht stünde. Er sei dann aber beruhigt worden, als ihm Held seine besonderen Französischen Instructionen (ses instructions particulieres en valon) gezeigt, die [282] gemässigt und auf die Vermeidung jedes Bruchs gerichtet, vielmehr durch Nachgiebigkeit in einigen Punkten den Bruch zu verhüten, die Lutherischen auf des Kaisers Seite zu ziehen geeignet gewesen seien[12]. Er habe gehofft, dass Held mit einer solchen Instruction und angesichts der schwierigen Lage die Dinge nicht so weit werde kommen lassen. Hätten die Lutherischen nicht so offen den Willen des Kaisers vernommen, am Kammergericht gegen sie vorzugehen, sondern einen gewissen Aufschub hoffen können, so würden sie in den anderen Punkten wohl nicht so schwierig gewesen sein. „Nichtsdestoweniger, finde ich, dass Dr. Mathias Held ihnen auf alles genügend geantwortet hat; da es aber so weit gekommen ist, bitte ich Euch wohl darüber nachzudenken und reiflich zu erwägen, wie geholfen werden kann.“

Aus diesen Worten des Königs ergibt sich mit voller Bestimmtheit: Held hatte für seine Verhandlungen mit den Protestanten zwei Instructionen, eine allgemeine Deutsche und eine besondere Französische; jene war so abgefasst, dass Ferdinand an einer Verständigung mit den Protestanten verzweifelte, vielmehr eine Verschlimmerung der Verhältnisse fürchtete; die Französische dagegen wollte jeden Bruch vermeiden, vielmehr durch Nachgiebigkeit in gewissen Punkten die Lutheraner auf des Kaisers Seite ziehen. War nun diese Französische Instruction die uns bekannte vom 31. Oktober? Ferdinand schreibt von ihr nur aus dem Gedächtnisse, da er sich keine Copie habe geben lassen. Sehr im Allgemeinen stimmen ja seine Angaben mit ihrem Inhalt, wenngleich man sich wundern muss, dass er es gar nicht nöthig findet, sich über ihre für ihn besonders auffälligen Gedanken irgendwie zu äussern. Jedenfalls, müssen wir annehmen, hat die von Karl gewünschte Berathung mit Held über die Räthlichkeit derartiger Concessionen kaum stattgefunden. Ferdinand liess sie, wie es scheint, in vager Ferne als ein Beruhigungsmittel auf sich wirken, ohne mit Held irgend wie ein bestimmtes Verfahren festzustellen. So hatte dieser freie Hand nach seiner [283] schärferen allgemeinen Instruction zu handeln. Ferdinand ist damit nicht gerade einverstanden, aber da die Dinge nun einmal soweit gekommen sind, muss man sich zu helfen suchen.

Ferdinand fürchtet, wenn das Kammergericht, dessen Besoldung seit längerer Zeit rückständig war, auseinander ginge, würden die Lutheraner sich ein Haupt wählen, indem sie sagten, auf andere Weise könnten sie ihr Recht nicht finden. Die katholischen Fürsten würden sich möglichst vor Verwicklungen hüten, wenn ihnen der Kaiser nicht mit seiner Macht zu Hilfe käme. Er möge desshalb dem Erzbischof von Lunden oder Held oder beiden Auftrag geben „pour avec tout secret se trouver devers les princes chrestiens tant pour leur donner tout espoir de par vre Mte, comme aussi pour traicter avec eulx de manutenance et deffense contre les emprinses que vouldroient faire les Lutheriens“. Um diesen aber keinen Verdacht zu erwecken und die Praktik besser zu verhüllen, könne ja der Kaiser den genannten beiden oder einem von ihnen auch Verhandlungen mit den Lutherischen Fürsten auftragen. Wenn der Kaiser in dieser Weise den katholischen Fürsten Unterstützung verhiesse, würden sie um so leichter geneigt sein „daider a resister et empescher aux volontez des aultres et que les choses ne tumbent tout a ung cop en confusion irremediable“. Die bedrohliche Vermehrung der Lutheraner mache solche Vorsichtsmassregeln nothwendig.

Karl beantwortete dieses Schreiben des Bruders am 31. Mai, nachdem er den Bericht Held’s über den Tag zu Schmalkalden, wie schon erwähnt, am 9. d. M. erhalten hatte. Er habe, schrieb er, daraus ersehen, dass die Fürsten sich in Schmalkalden „fort insolens et absolutz“ gezeigt hätten. Dennoch würden sie, wenn man nur fest zu den katholischen Ständen hielte, wohl nichts unternehmen. Er sende Lunden und Held Vollmachten und überlasse ihnen, im Einvernehmen mit Ferdinand nach Gutdünken zu handeln. Vor allem müssten sie darauf sehen, dass die Lutheraner in diesem schwierigen Moment nichts Gewaltthätiges unternähmen, jedoch sich innerhalb der Bestimmungen des Nürnberger Friedens hielten. Wenn nöthig, könne Ferdinand einen Reichstag, jedoch auf einen möglichst fernen Termin, ankündigen und dafür das Erscheinen Karl’s in Aussicht stellen. Vielleicht liessen sich die Abtrünnigen dadurch von Ausschreitungen abhalten. Dass er im [284] Reiche mit Waffengewalt eingreife, davon könne, wie er oft geschrieben, keine Rede sein; das sei zu gefährlich, auch fehlten ihm dazu die Mittel. Das müsse Ferdinand als feste Maxime betrachten, sich ja auf nichts Gewagtes einlassen, sondern alle andern Auskunftsmittel anwenden, die „nur nicht gegen unser Gewissen und unsere Ehre sein dürfen“.

Der Kaiser, sieht man, vermeidet es auf des Bruders Vorschlag eine präcise Antwort zu geben; Lunden und Held sollen im Einvernehmen mit Ferdinand nach Gutdünken handeln. Danach werden die ihnen ertheilten Vollmachten, welche wir nicht kennen, ebenfalls unbestimmt genug gelautet haben. Um keinen Preis aber will es der Kaiser in diesem schwierigen Moment zu einem kriegerischen Zusammenstoss mit den Lutheranern kommen lassen.

Als Ferdinand dieses Schreiben erhielt, war Held bei ihm in Prag angekommen. Er hatte mit ihm, wie er dem Kaiser am 4. Juli schrieb, eine ausführliche Besprechung gehabt, über deren Resultat Held berichte, wesshalb er nicht nöthig habe darauf zurück zu kommen. Dieser Bericht Held’s hat leider bisher nicht aufgefunden werden können, sein Inhalt lässt sich aber aus dem, was Ferdinand hinzufügt, erkennen. Die Dinge, sagt er, seien durch die bösen Praktiken und Conspirationen der Lutheraner, welche weder Glauben noch Treue hielten, dahin gekommen, dass es kein anderes Rettungsmittel gebe, als das von Held entwickelte. Karl möge daher sofort und mit äusserster Eile die nöthigen Verfügungen treffen. Das geforderte Geld werde ausreichen, um die Lutheraner von gefährlichen Unternehmungen zurückzuschrecken. Noch deutlicher sprach sich der König in Briefen vom 8. und 15. Juli aus. Er und Held, schrieb er da, sähen keine andere Rettung als in dem von Held empfohlenen Mittel. Wolle man gegen die Lutheraner Milde üben, so würden sie sich nur noch schwieriger und böser erweisen. Ohne das angegebene Mittel würden die Katholiken sich genöthigt sehen mit den Lutheranern eine Verständigung zu suchen. Die bisher geübte zu grosse Nachsicht habe die Lage nur verschlechtert. „Ohne den Abschluss der als wahres und einziges Mittel gegen ihre Unternehmungen empfohlenen Liga (la conclusion de la ligue) werden sie solche Dinge anstellen, dass man nachher nichts mehr dagegen wird machen können“. Der König schliesst [285] mit der Bitte um schleunige Entschliessung. Am 18. August wiederholt er diese Bitte. Er erwarte mit Sehnsucht Karl’s Antwort auf Held’s Vorschläge. „Denn je mehr die Zeit vorrückt, desto deutlicher sieht man die Gefahr.“ Held hat inzwischen bereits die Verhandlungen zur Ausführung seines Projects begonnen. Er hat ausführlich mit Herzog Ludwig von Baiern über die Sache gesprochen, welcher sie sehr gut und passend findet. „Für die Vollendung des Plans fehlt also nichts als Eure Zustimmung, die, wie ich hoffe, der Nothwendigkeit durchaus entsprechen wird“.

In des Kaisers nach dem 31. Mai geschriebenen Briefen an Ferdinand findet sich unsere Angelegenheit mit keinem Worte erwähnt. Aber am 19. August meldet er aus Monzon, wohin er sich zur Abhaltung der Aragonischen Cortes begeben hatte, unterwegs habe er Ferdinand’s Briefe vom 4. u. 8. Juli zusammen mit dem ausführlichen Berichte Held’s erhalten. Sein Bescheid darauf lautet so: Ay le tout veu et bien entendu, mesmes les menees, emprinses et practiques que mainnent continuellement les devoyez a lencontre des estatz catholicques et la ligue defensive quavez advise et dresse pour y obvier. Sur quoy je respondz amplement et au long audict docteur mon intention et ce que me semble y convenir. Et en effect me suis condescendu densuyr vostre advis touchant ladicte ligue deffensive, confiant que la chose se conduyra selon que en rescript audict docteur, enquoy vous prie avoir bon regard.

Leider hat der Bescheid des Kaisers an Held bis jetzt ebensowenig aufgefunden werden können, wie Held’s Bericht an den Kaiser. Ohne Zweifel wird er Held grösste Vorsicht empfohlen haben, damit es im Reiche nicht zu einem offnen Conflicte komme; aber die von Held vorgeschlagene und von König Ferdinand so lebhaft befürwortete Defensivliga hat seine Zustimmung erhalten. In einem Schreiben an Ferdinand vom 7. October kommt er auf die Sache zurück. Aus den jüngsten Berichten, schreibt er, entnehme er, dass der Herzog von Sachsen und der Landgraf von Hessen immer böseren Willen zeigen „pour troubler et embrouller la Germanie“; er denke aber, wenn sie den Rückzug des Türken und den Verlauf des Kriegs in der Lombardei erführen, welcher die Hoffnung des Königs von Frankreich so sehr wenig erfüllt habe, so würden sie nichts Gewaltthätiges unternehmen. „Et [286] cependant vous pourrez entendre avec le moyen du docteur Mathias a traicter ladicte ligue, en quoy, comme je lay respondu, naura faulte de mon couste, et ma este plaisir entendre que noz cousins de Baviere la treuvent bonne“.

Nach dem Mitgetheilten kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die bisher herrschende Ansicht, wonach Held in directem Widerspruche mit den Aufträgen und Absichten des Kaisers die Bildung des katholischen Bundes betrieben habe, aufgegeben werden muss. Die geheime Instruction vom 31. Oktober hat durchaus nicht die Bedeutung, welche man ihr oft beigelegt hat. Obwohl der Kaiser an der jener zu Grunde liegenden üblen Meinung vom Papste lange festgehalten hat[13], findet sich doch in keinem einzigen seiner Briefe eine Erinnerung an die Ideen der Instruction vom 31. Oktober. Ferdinand auf der andern Seite hat derselben nie besonderen Werth beigelegt; er hat sie nur in dem Sinne eines versöhnlichen Auftretens gegen die Lutheraner verstanden. Er ist zwar zunächst mit dem Verfahren Held’s in Schmalkalden nicht ganz einverstanden, geht aber alsbald auf die dadurch geschaffene Situation ganz in Held’s Sinne ein. Er lässt sich von ihm leicht überzeugen, dass gegen die vom Schmalkaldischen Bunde drohende Gefahr nur ein katholischer Gegenbund schützen kann. Er empfiehlt diese „Defensivliga“ dem Kaiser wiederholt aufs wärmste und dieser ertheilt ohne Weiteres seine Zustimmung. Welches Verfahren er Held vorgeschrieben hat, wissen wir leider nicht. Die Art, wie er sich gegen Ferdinand über das Project äussert, verräth nicht gerade grosse Begeisterung für dasselbe. Nach den Erfahrungen, welche er bisher mit den katholischen Ständen gemacht hat, wird er vermuthlich nicht eben hochgehende Erwartungen an diese Defensivliga geknüpft haben, aber er verheisst doch, dass er es von seiner Seite an nichts werde fehlen lassen.

Inzwischen hatte Held, wie wir hörten, bereits im Juli die Verhandlungen über die Liga mit Baiern begonnen, wo man sich [287] mit seinen Plänen einverstanden erklärte. Anfang August finden wir ihn bei dem eifrigen Abt von Weingarten, von wo er Ferdinand in lebhaften Klagen die Noth des Kammergerichts schildert, dessen Unterhaltung auf die grössten Schwierigkeiten stosse. „Es ist zu erbarmen“, schreibt er, „das die sach dahin kumen, das man schier offentlich on allen scheuch understeet zu verhindern alles das, so die Kay. Mt. furnemen, wenn es schon nit irer Kay. Mt. zu nutz und guetem raicht, sondern dem heil. reich und allen die eher und gerechtigkeit ueben, wie in diesem faal mit dem Kay. Cammergericht. Ich verhoff aber zu got, es werden sölch und dgl. prattiken den practicirern noch selbs den rechten lon geben“[14].

Längere Zeit vernehmen wir dann nichts von ihm. Herzog Heinrich von Braunschweig, welcher auf Umwegen von dem Plan eines katholischen Bundes gehört hatte, schickte Ende Oktober einen Secretär an Herzog Ludwig von Baiern, um zu erfahren, wie es eigentlich damit stehe. Er fand „den verzug disser sach hoch beschwerlich“. Man müsse befürchten, dass sie „offenbar“ werde. Der Secretär sollte, wenn Held in Deutschland sei, mit diesem alles bereden und sich erkundigen, wie es eigentlich mit dem Handel stehe, „bey weme es gemangelt, dass nichts beschlossen, oder wass er von Kay. Mt. derhalb vor eigentlichen bevelh hab, damit sich die Chur- und fursten, auch wir danach hetten zurichten“. Er bedürfe dieser genauen Kenntniss, „damit wir den Churfursten von Mainz als einen kleinmuthigen und Hertzog Georgen (von Sachsen) als einen alten fursten zu trosten haben“. Denn die Zeitungen meldeten von bedrohlichen Rüstungen der Protestanten[15].

Erst im December erschien Held, nachdem er vorher in Dresden gewesen, bei Herzog Heinrich, mit dem er natürlich keine Schwierigkeit hatte. Von da eilte er an den Rhein, um die geistlichen Kurfürsten für seinen Plan zu gewinnen. Nach einer Baierischen Aufzeichnung über den Speyerer Tag wusste er da recht schöne Hoffnungen zu erwecken: Köln, erzählte er, habe sich wohl gehalten und über die Beschwerungen des Landgrafen [288] geklagt, wolle dem Kaiser gehorsam sein. Trier habe er „rechtschaffen“ gefunden mit dem Erbieten, den Augsburger und Regensburger Abschieden gehorsam und dem Kaiser anhängig zu sein. Der „geschickte Herr“ habe ihm viel von den Praktiken des Landgrafen erzählt und ihn viele Briefe desselben lesen lassen. Komme es zu einem Angriffe der Protestanten, so wolle er dem Kaiser dienen, in das Bündniss aber könne er ohne Köln und Pfalz nicht treten. Auch Pfalz habe sich „ziemlich wohl“ gehalten, erklärt in der alten Religion zu bleiben und dem Kaiser zu gehorchen[16]. D. h. alle drei hatten es an schönen Worten nicht fehlen lassen, den Eintritt in das Bündniss aber abgelehnt.

Es war schon jetzt mit ziemlicher Bestimmtheit vorauszusehen, dass die beabsichtigte Defensivliga nur einen geringen Theil der katholischen Stände umfassen werde. Mit Sicherheit konnte nur auf die Baierischen Herzöge, Herzog Georg von Sachsen, Herzog Heinrich von Braunschweig und den Erzbischof von Salzburg gerechnet werden, und nun gab es auch noch unter diesen eine erhebliche Differenz. Held hatte mit Herzog Georg, Kurfürst Albrecht von Mainz und Herzog Heinrich von Braunschweig einen Entwurf der künftigen Bundesverfassung verabredet. Das geht aus einem Schreiben Ferdinand’s an Herzog Georg hervor[17], worin es heisst, auf die Handlung, die in des Kaisers und seinem Namen Matthias Held „zu uffrichtung einer loblichen cristlichen vereynung und buntnus, so allein defensive gestellt, in schrift verfasst und durch dein lieb bewilligt und angenommen ist, haben wir zu enndlicher und beschliesslicher uffrichtung und fertigung“ einen Tag auf den 4. März nach Speyer angesetzt, den Georg durch einen Gesandten mit den nöthigen Vollmachten beschicken möge. Georg war in hohem Grade dazu bereit, aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen. In der Instruction für seinen Gesandten vom 20. Februar lesen wir, derselbe solle Achtung geben, dass „die gestalten noteln des bundes an den wesentlichen [289] stucken in nichts geandert werden“. Besonders aber, wenn Einige das Bündniss allein auf die Religion ziehen wollten, „so sol er sich keineswegs darein lassen fuhren, sondern stracks sagen, er hab allein bevehl diese notel zu vollziehen“; er solle dahin arbeiten, „das es uff die Religion prophan und alle andern sachen ane allen unterscheit vollzogen werde“. Sollte das Bündniss allein auf Religionssachen Anwendung finden, so würde das zu allerlei „Inconvenienz“ gereichen[18]. Derselben Ansicht war Held. Als er am 29. Februar Herzog Wilhelm von Baiern über den Speyerer Tag schrieb, erklärte er die Einbeziehung der Profansachen für nothwendig, damit die Lutheraner nicht „unter solchem scheine, dieweil diese ainigung allein auf religionsachen gestellt were, sich in ander weg zum vorstraich gefasst machen“[19]. Aber am Baierischen Hofe dachte man anders; die Herzöge wollten keineswegs ganz und gar in das Oesterreichische Lager übertreten, alle Beziehungen zu den Protestanten abbrechen; sie lehnten desshalb die Beschickung des Speyerer Tages ab, wenn das Bündniss auf „weltliche und prophansachen gezogen werden sollte“. Vor allem fürchteten sie für Ferdinand’s Königswahl engagirt zu werden. Da sich Ferdinand so vor die Gefahr gestellt sah, dass aus dem ganzen Bündnisse nichts werde, wich er vor den Baierischen Wünschen zurück. Er erklärte den Herzögen, er habe nie daran gedacht, einen Artikel wegen seiner Wahl in den Vertrag aufzunehmen; auch andere Profansachen sollten nicht erwähnt werden; an diesem Punkte dürfe die „cristenliche defension aynung und bundnus“ nicht scheitern. Er bat die Herzöge dringend, den Speyerer Tag schleunigst zu beschicken, damit ja kein weiterer Verzug in der Aufrichtung des nothwendigen Bündnisses eintrete[20]. Dieser Zusage entsprechend stellten die Herzöge am 27. Februar ihre Vollmacht für Weissenfelder aus, er solle „die cristenliche gegenwerliche ainung und verstandnus die religion betreffend“ aufrichten helfen.

Die Sächsische und die Baierische Instruction widersprachen einander also direct. Herzog Georg verbot seinem Gesandten [290] ausdrücklich, in eine Beschränkung des Bündnisses auf Religionssachen zu willigen, während die Baierischen Herzöge es nur auf diese bezogen wissen wollten. Ein Abschluss konnte schon desshalb in Speyer nicht erfolgen; ausserdem war aber doch auch die Zahl der gewonnenen Genossen gar zu gering. Vertreten waren lediglich der Kaiser, König Ferdinand, der Kurfürst von Mainz, der Erzbischof von Salzburg, die Herzöge von Baiern, Sachsen und Braunschweig. Der von diesen unterzeichnete Abschied vom 13. März besagte, da eine Einigung über die Ausdehnung des Bündnisses nicht habe erreicht werden können, sollen alle Betheiligten bis zum 13. April sich gegen Ferdinand über die Annahme des hier aufgestellten, die Profansachen ausschliessenden Entwurfs erklären, Ferdinand dann innerhalb eines Monats einen neuen Tag nach Nürnberg oder Rothenburg zur Versiegelung des Bündnisses ausschreiben. Da Held mit verschiedenen anderen Ständen über den Beitritt verhandelt habe, solle er sich bemühen, sie hereinzubringen. Ebenso soll mit den Schwäbischen Prälaten, Grafen, Rittern und Städten verhandelt werden, und endlich die Baierischen Herzöge sich bei ihren Nachbarn bemühen. Der Abgesandte des Erzbischofs von Salzburg hat diesen Abschied nur auf Hintersichbringen angenommen[21].

Anfang April traten die Bevollmächtigten des Kurfürsten Albrecht und der Herzöge Georg und Heinrich in Halberstadt zu einer Berathung zusammen, ob sie den in Speyer über die Beschränkung des Bündnisses gefassten Beschlüssen zustimmen könnten. In der Erklärung, welche dieselben den 13. April an Ferdinand richteten, treten uns noch andere Differenzen entgegen. Sie hätten, sagen sie, dem Könige gern in der bestimmten Zeit geantwortet, hätten aber nicht gedacht, dass an dem früher zwischen ihren Herren und Held vereinbarten Entwurfe so grosse Aenderungen vorgenommen worden wären, die erhebliche Bedenken erwecken müssten. Erstens habe man in Speyer alles gestrichen, „darinne der Kaiser gesetzt wird als unser aller Oberkeit“. Diese ausdrückliche Anerkennung der kaiserlichen Autorität dürfe aber durchaus nicht fehlen. Ebensowenig dürften die Profansachen von dem Bündnisse ausgeschlossen werden; denn wenn das geschähe, „so dienete das Bundnus unsers ermessens [291] zu nichts mehr, dann das die protestirende stände uber den Nurnberger fridstand versichert werden“, da sie sich jeden Tag mehr unterstehen „in sachen auch ausserhalb der Religion ires gefallens vorzunehmen“. Sodann sei es nothwendig, dass der Kaiser ein offenes Ausschreiben in Druck ausgehen lasse, in demselben erkläre, was ihn zu der Aufrichtung des Bündnisses bewogen habe und bei ansehnlicher Strafe gebiete, dass sich niemand wider dasselbe einlasse.

Die Liga drohte selbst in den engen Grenzen zu scheitern, die sie bisher erreicht hatte. Es bedurfte erheblicher persönlicher Anstrengung Ferdinand’s, der selbst nach Dresden reiste, bei den Norddeutschen, Held’s bei den Baiern, um die entgegengesetzten Standpunkte einander einigermassen zu nähern. Herzog Georg bestand ebenso hartnäckig auf seiner Anschauung[22], wie die Baierischen Herzöge auf der ihrigen. Er durfte aber umsomehr eine Berücksichtigung seiner Wünsche fordern, als man ihn in der Speyerer Aufstellung stärker als irgend einen anderen belastet hatte; denn während der Kaiser und König Ferdinand zusammen nur 50 000 Gulden, die Baierischen Herzöge ebensoviel zu den ersten Bundeskosten zahlen sollten, war er mit 60 000 Gulden angeschlagen. Anfang Juni richtete Ferdinand eine dringende Mahnung an ihn, nachzugeben. Alle Bemühungen Held’s, Baiern zur Ausdehnung des Bundes auf die Profansachen zu vermögen, seien unwirksam geblieben. Nun dürfe daran doch aber nicht die ganze Sache scheitern, die durch die vielen Verhandlungen bereits „an vil orthen erschollen“. Es würde grosser Unrath entstehen, wenn schliesslich aus der Sache gar nichts würde[23].

So gab denn Georg zuletzt, wenn auch mit grossem Widerstreben, nach. Auf die Einzelheiten des am 10. Juni 1538 in Nürnberg unterzeichneten Vertrages einzugehen, ist hier nicht nöthig. Es möge nur erwähnt werden, dass die Aufgabe des zum Schutze der Religion geschlossenen Bündnisses „defensive und allein zur gegenwehr“ sein, dass die Verbündeten niemand von den Protestanten „wider den aufgerichteten Friedstand zu [292] Nurnberg überziehen“ wollten[24]. Theilnehmer des Bundes waren ausser Karl und Ferdinand der Kurfürst von Mainz (aber nur für seine Stifte Magdeburg und Halberstadt), der Erzbischof von Salzburg, die Herzöge Wilhelm und Ludwig von Baiern, Georg von Sachsen, Erich der Aeltere und Heinrich der Jüngere von Braunschweig.

Als der Kaiser dieses Resultat der langen Bemühungen seines Bruders und Held’s erfuhr, hatte er eben in Aiguesmortes mit König Franz Freundschaft geschlossen. Von seinen Deutschen Gegnern war jetzt zunächst nichts zu fürchten. Ein dringendes Bedürfniss, dem Schmalkaldischen Bunde eine katholische Liga entgegen zu stellen bestand nicht mehr, und hätte es auch noch bestanden, was konnte er von diesem Nürnberger Bunde erwarten, dem die Rheinischen Kurfürsten[25], und fast die sämmtlichen Prälaten des Reichs fernblieben, dessen Glieder durch weite Entfernung von einander getrennt waren, dessen Macht sich mit der des Schmalkaldischen Bundes gar nicht vergleichen liess? Da er überdies während der nächsten Zeit sehr von den Spanischen Angelegenheiten in Anspruch genommen war, überliess er den werthlosen Bund sich selbst. Dessen Mitglieder geriethen [293] natürlich durch diese Passivität des Kaisers in grosse Verlegenheit und Aufregung. Im Oktober schrieb der Kurfürst Albrecht an Herzog Heinrich, wenn es dem Kaiser ernst sei und er drücken wolle, werde der Pfalzgraf in den Bund zu bringen sein. Aber, klagte er, „unser sach schlefft und weiss niemands, ob es gehauen oder gestochen ist“. Held liege versteckt in Neuhausen (bei Worms), wolle von nichts wissen, schreibe niemand, während Briefe vom Hofe der Königin Marie meldeten, Held sei in grosser Ungnade beim Kaiser, was er doch nicht hoffen, noch viel weniger glauben wolle. Am 17. December richtete Held selbst an Herzog Heinrich einen Klagebrief. Obwohl er dem Kaiser über alle Sachen vorlängst „mer dann uberflussig berichtet“, sei doch bis zu dieser Stunde von ihm kein Bescheid gekommen, vielmehr habe er König Ferdinand wiederholt geschrieben, er warte auf Held’s Ankunft. Held hatte zu dieser Spanischen Reise offenbar sehr wenig Lust. Er erklärte sie für vollkommen überflüssig nach seinen ausführlichen Berichten. Aber aus anderen Briefen vom Hofe ersehe er, dass man geneigt sei, ihm allerlei Schuld aufzubürden. Deswegen wolle er in Gottes Namen, „dieweil ich alwege vor anderen geplagt sein muess und ausgemergelt und dann an disen sachen zum hochsten gelegen“, morgen nach Spanien aufbrechen. Er hoffe den Kaiser bald zu sprechen, gutes bei ihm auszurichten und rasch zurückzukehren. Damit er aber nicht lange am Hofe aufgehalten werde, möge doch Heinrich an den Kaiser schreiben, und ihm die Dringlichkeit von Held’s Rückkehr ans Herz legen. Ebenso möge er Herzog Georg und die anderen Mitglieder des Bundes veranlassen, dasselbe zu thun[26].

Also Mitte December hatten die Verbündeten vom Kaiser noch keinerlei Bescheid auf das, was sie Anfang Juni seiner Aufforderung gemäss geschlossen hatten. Dass unter diesen Umständen vergebens an der Erweiterung des Bundes gearbeitet wurde, versteht sich von selbst. Seit dem Nürnberger Tage, schrieb Herzog Georg den 21. Januar 1539 an König Ferdinand, habe sich nichts zugetragen, das einen Bericht verdient. Er habe auch niemand zum Eintritt in das Bündniss bestimmen können, als die Bischöfe von Merseburg und Meissen und die Grafen [294] Hoyer und Philipp von Mansfeld. Der traurige Gang der ganzen Angelegenheit stamme hauptsächlich daher, dass sich die Rheinischen Kurfürsten und Fürsten, besonders die geistlichen[27], die „doch die furnehmsten ursacher der besorgnis, derhalb solch bundnus uffgerichtet“, demselben ferngehalten hätten. Es scheine, als wollten sie freie Hand behalten, sich demjenigen Theile anzuschliessen, der zuletzt die Oberhand behalte. Wenn er es so hätte machen wollen („darfor mich doch Goth behutten wirt“) hätte er auch wohl auf andere Wege denken und sich Friede und Gemach verschaffen können. Desshalb möge Ferdinand doch darauf bedacht sein, wie jene geistlichen Herren noch in das Bündniss könnten gebracht werden. Der König erwiderte am 2. Februar, wenn Georg sich über die Rheinischen Kurfürsten beklage, so wolle er ihm nicht verhalten, „das wir solcher waigerung gleicherweise beschwerung tragen, hetten uns auch derselben nit versehen“. Dass er sich nun aber nach Georg’s Wunsche bemühen werde, jene Fürsten noch ins Bündniss zu bringen, davon war in dem Briefe nichts zu lesen. Vielmehr enthielt derselbe die überraschende Meldung, der Kaiser habe Lunden mit dem Auftrage geschickt über Beilegung der Streitigkeiten in den Religionssachen zu handeln. Dafür sei ein Tag in Frankfurt auf den 20. d. M. angesetzt. Brandenburg und Pfalz würden daselbst die Vermittelung übernehmen[28].

Georg hatte schon vorher von diesem Frankfurter Tage erfahren; er fand es im höchsten Grade anstössig, dass der Kaiser derartige Verhandlungen mit den Gegnern einleite, ohne den Mitgliedern des katholischen Bundes davon die geringste Mittheilung zu machen. Dieselben könnten doch wenigstens beanspruchen, bei jenen Verhandlungen neben dem Kaiser vertreten zu sein. Freilich habe man schon früher eine ähnliche Erfahrung gemacht. [295] Der Augsburger Abschied sei völlig wirkungslos geblieben, weil sich der Kaiser mit den Lutheranern „in sonderlich vertrege eingelassen“. Wenn das so fortgehe, werde es im Reich immer schlimmer werden. Liessen der Kaiser und sein Bruder die Stände der christlichen Vereinigung ohne Trost und Hilfe, was er doch nicht fürchten wolle, so würden sie genöthigt sein, sich auf anderen Wegen Friede und Ruhe zu sichern. Sollten die Lutheraner es erreichen, von der Thätigkeit des Kammergerichts unbehelligt zu bleiben, so müssten die Katholiken nach derselben Befreiung streben. Ja dieser allergetreueste Diener des Kaisers schloss mit der Drohung, unter Umständen würden die Katholiken die Hilfe gegen den Türken verweigern müssen. An demselben 5. Februar, wo der alte Herr seinem Vertreter auf dem für den Bund ausgeschriebenen Pilsener Tage diese charakteristische Weisung gab, schrieb er an Kurfürst Albrecht in demselben Sinne. Ja hier wollte er sogar für den Gedanken, dem Kaiser die Türkenhilfe zu versagen, ausserhalb des Bundes Propaganda machen.

Vergebens suchte Kurfürst Albrecht den Unwillen Georg’s zu mässigen. Er habe, schrieb dieser am 3. März, mit Herzog Heinrich über die Angelegenheit verhandelt; sie müssten im wesentlichen bei der früher von ihm geäusserten Ansicht bleiben. Den Tag zuvor hatte er seinem Herzen in einem ausführlichen Schreiben an Lunden Luft gemacht. Wenn Lunden mit den Lutheranern jetzt verhandle, müsse er ihn doch darauf aufmerksam machen, dass dieselben den Nürnberger Vertrag beharrlich verletzt, sich gegen die katholischen Stände alles erlaubt, überall lediglich nach ihrem Gutdünken gehandelt hätten. Die gegen diesen Unfug aufgerichtete „christliche einigung“ sei wesentlich durch die Schuld des Kaisers verkümmert worden, der sich so gehalten habe, dass niemand an seinen ernstlichen Willen habe glauben können[29].

Held war nicht allein nach Spanien gegangen; Kurfürst Albrecht veranlasste den Markgrafen Albrecht von Brandenburg zu einer Reise an den kaiserlichen Hof und die Baierischen Herzöge sandten zu Held’s Unterstützung den bekannten Bonacorsi Grün (in Baiern schlechtweg Kurss genannt), welcher mit dem [296] Kaiser in Italienischer Sprache verhandeln konnte. Die Berichte dieses Mannes aus Toledo[30] werfen ein eigenthümliches Licht auf die damaligen Stimmungen der Deutschen Katholiken. Während er sich anfangs durch die schönen Worte Karl’s und Granvelle’s einwiegen liess, welche um die Wette betheuerten, der Kaiser habe keine treueren und lieberen Freunde als die Baierischen Herzöge, ohne sie wäre der christliche Glaube im Reiche ganz zu Grunde gegangen, sie könnten sich ganz auf den Kaiser verlassen, wurde er, da sich der Bescheid eine Woche nach der anderen verzögerte, missmuthig. „An diesem Hof, klagt er am 13. Februar, geht alles dermassen langsam zu, dass es zu erbarmen; denn der Granvell und der Kofos regieren den Kaiser und gedenken allein, wie sie reich werden“. Ehe er den Brief schliesst, bittet er noch einmal um Audienz beim Kaiser und stellt demselben beweglich vor, dass es sich in dem katholischen Bunde um die Ehre Gottes, die Exaltation des Kaisers selbst und die Erhaltung des Glaubens handle; Karl aber erklärt, er müsse erst vom Papst Bescheid haben[31]. So, klagt Kurss, wird die Deutsche Sache an diesem Hofe behandelt, dass sich nichts Heilloseres denken lasse. Einige Wochen später schreibt er, eben sei er bei Granvelle gewesen, der ihm „aber eins gelogen“ und guten Bescheid auf den nächsten Tag verheissen. Sechzehn Tage später hat er denselben immer noch nicht. Jetzt, klagt er am 19. März, sei er 56 Tage hier. In dieser ganzen Zeit habe Held nur ein einziges Mal Gehör beim Kaiser erhalten können. „Also acht man sich der teutschen handlungen, also geht es auch leider im teutschen land. Der gute Vizekanzler thet warlich gern das [297] best, er ist aber ein teutscher, darumben muess er auch desto minder gelten“. Er wünsche nichts mehr, als möglichst bald aus diesem „Fegfeuer“ befreit zu sein. Uebrigens gehe es ihm nicht allein so: „es beklagt sich got und die welt uber das haillos wesen“. König Ferdinand’s Bote sei ebenso unzufrieden wie er. Die vom Kaiser bevorzugten Räthe klagt er der grössten Selbstsucht an, vor allen den grimmig gehassten Lunden[32] und Cornelius Scepperus, den damaligen Gesandten am Französischen Hofe, welchen der Landgraf bestochen haben soll. „Die gewaltigen an disem hof, ruft er aus, haben gern geld und furdren von geldswegen alle Sachen, sie seien mit got oder wider got“.

Den nächsten Tag endlich, den 20. März, vollzog der Kaiser den Akt, durch den er die „christliche Ainigung“ feierlich ratificirte. In dieser Urkunde erkannte er ausdrücklich an, dass Held in dieser Angelegenheit nach seinem Auftrage gehandelt habe; merkwürdiger Weise setzte er diesen Auftrag hier in das Jahr 1536 zurück[33]. Ehe dieses jetzt werthlose Zeugniss im Reich anlangte, hatte der Bund durch den am 17. April erfolgten Tod Herzog Georg’s eine seiner Hauptstützen verloren. Auch das Herzogthum Sachsen trat jetzt in das protestantische Lager über. Herzog Heinrich von Braunschweig stand im Norden vereinzelt. In seiner Correspondenz führte er allerdings noch eine sehr zuversichtliche Sprache. Er hatte sich im Frühling ebenfalls nach Spanien begeben, um die Bemühungen Held’s zu unterstützen; als er im Juli zurückgekehrt war, schrieb er Herzog Ludwig, er habe gute Resolutionen mitgebracht. Der Kaiser werde „mit allem ernst ob unserm christlichen bündnus halten“. In Wirklichkeit war dieser Bund für den Kaiser todt. Auf dem Frankfurter Tage erreichten die Protestanten zwar nicht so viel, wie man lange gemeint hat, aber die kaiserliche Politik bewegte sich trotz allen Gegenbemühungen zunächst in friedfertigen Bahnen. Die Zeit der Religionsgespräche begann. Die noch übrigen Glieder des katholischen Bundes folgten dieser Wendung mit äusserstem Unbehagen. In einer ausführlichen Instruction der Baierischen [298] Herzöge für eine Sendung an Karl vom 9. Juni 1540 wurde die Schuld der widerwärtigen Entwicklung der Religionsangelegenheiten im Reiche ganz auf den Kaiser geworfen. Derselbe werde sich erinnern, hiess es da, was sie ihm 1530 in Augsburg und 1532 in Regensburg vorgestellt und seitdem in häufigen Schriften und Sendungen geworben hätten. Wäre der Kaiser „den sachen mit mererm ernst“ gefolgt, so würden die Secten zu seinem grossen Lobe und besonderen Nutzen „zeitlich gestillt sein“. „Aber die weil Ir Mt. der teutschen sachen gemuet und wesens zum theil unerfaren und etlichen, denen villeicht an der Religion und teutschen nation handlung wenig gelegen, mer glaubens geben“, als den treuen Katholiken, so seien die Dinge in den gegenwärtigen trostlosen Stand gediehen. Jetzt liege vor Augen, wozu die kaiserliche Milde gedient habe. Hätte er auf dem Augsburger Reichstage nach ihrem Rathe gehandelt, so würden sich die Lutherischen nicht dergestalt vermehrt haben „und sonderlich wer der schmalkaldisch bundt verbliben“. Aber noch immer sei es nicht zu spät, wenn man nur auf den verderblichen Wahn verzichte, durch Disputationen mit den Abgefallenen etwas zu erreichen. Der Kaiser möge persönlich im Reich erscheinen, die Rheinischen Kurfürsten und die Oberdeutschen Prälaten zu sich laden und sie ernstlich zum Eintritt in den christlichen Bund mahnen. Dann werde sich derselbe von Tag zu Tag mehren und die Lutherischen in Zerrüttung bringen[34]. Aehnliche Klagen und Anklagen vernehmen wir zu derselben Zeit aus Herzog Heinrich’s und Held’s Munde. „Ist mir laidt“, schreibt Held dem Herzoge, „das man e. f. gn., mein und anderer weissagung für und für im werckh mit wahrheit befindt. Es bedarf nunmehr keines beweisens noch uberredens, wil man anderst mit sehenden Augen nit gar plindt beleiben“. Und einige Monate später über das Wormser Gespräch: „es ist mir von hertzen laid, das e. f. g. und ich in kay. Mt. sachen müssen so warhafftige propheten sein. Mich verdreusst vil, das ich nit wenden kan. Der allmächtig got wil sein gnad verleihen und etlich untreue leuth erleuchten, die dem gemainen nutz im weg ligen von ires geytz wegen, der doch uncristlich ist“[35].

[299] Die Beziehungen des Kaisers zu den katholischen Ständen des Reichs haben bisher auffallend wenig Beachtung gefunden, und doch bilden sie ein nicht unwichtiges Moment in dem Ganzen der damaligen Entwicklung. Der Nürnberger Bund hat an sich niemals eine fühlbare Bedeutung gewonnen, aber seine Geschichte besitzt nichtsdestoweniger ein erhebliches Interesse, schon desshalb, weil uns in ihr die Verhältnisse des katholischen Lagers mit voller Anschaulichkeit entgegentreten. Man sollte es doch kaum für möglich halten, dass der Gedanke einer Defensivliga, wie sie Held in des Kaisers und seines Bruders Auftrage betrieb, gerade bei den zunächst betheiligten katholischen Fürsten, bei den Rheinischen Kurfürsten auf die grösste Gleichgültigkeit gestossen sei. So lange man annahm, dass Held ohne und gegen des Kaisers Willen gehandelt habe, war ja dieses Verhalten begreiflich; für uns, die wir den wahren Hergang kennen, ist es höchst erstaunlich. Wir sehen die hohe katholische Geistlichkeit des Reichs auch jetzt noch, wo sie sich doch über die Gefährlichkeit ihrer Lage nicht mehr täuschen konnte, von völliger Apathie gelähmt. Auch der Kurfürst von Mainz konnte dem Bunde ja nur für seine Sächsischen Stifte beitreten. Im ganzen Reiche sind es nur die Baierischen Herzöge, Herzog Georg von Sachsen und Herzog Heinrich von Braunschweig, die Ernst und Entschluss zeigen, ihre täglich bedrohtere Stellung zu vertheidigen, auch sie, wie wir sahen, nicht recht einmüthig, auch sie zum Theil, wie die Baierischen Herzöge, der Aufgabe gegenüber mit getheilten Empfindungen. Diese erstaunliche Lähmung der katholischen Kräfte musste natürlich die kaiserliche Politik empfindlich hemmen. Aber war diese Lähmung nicht auch des Kaisers Werk? Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass er den katholischen Bund gewollt, dass Held in seinem Auftrage gehandelt hat. Aber rechten Glauben, dürfen wir annehmen, hat er an das Gelingen des Unternehmens nie gehabt und dasselbe nie energisch gefördert. Er liess es mehr geschehen, als dass er es ernstlich trieb. Und als dann Held’s Bemühungen mit einem kläglichen Misserfolg endigten, da liess er die Sache kaltsinnig fallen. Die einzigen eifrig katholischen Fürsten des Reichs durften sagen, er habe sie preisgegeben. Ja sie erhoben sogar die Anklage, seine diplomatisirende Politik trage die eigentliche Schuld an der Zerrüttung der Römischen Kirche im Reiche. Der alte Herzog [300] Georg verlebte seine letzten Tage in bitterem Schmerz: er sah sich von dem Kaiser, für den er ein langes Leben gearbeitet hatte, verlassen, auf die Wege der gehassten Gegner gedrängt. Die Baierischen Herzöge nahmen ihre Beziehungen zu dem Landgrafen um so eifriger auf, und Herzog Heinrich war ein verlorener Mann. Wer konnte jetzt noch dem Schmalkaldischen Bunde die Bahn sperren? Aber wenn des Kaisers Politik die katholischen Reihen vollends sprengte, so wusste sie auf der anderen Seite die Gegner zu verwirren. Da er wie in Rom so auch im Reiche seine Sache gern durch Männer von auseinandergehender Richtung vertreten liess, damit er sich je nach Bedürfniss bald rechts, bald links wenden könne, so erlagen die Protestanten der Täuschung, er sei ihnen gar nicht so unfreundlich. Dass Held ohne und gegen den Auftrag des Kaisers gehandelt habe, war ihnen gar leicht einzureden. Wie freundlich begegnete ihnen Lunden, und wie vertraulich wusste sich Naves zum Landgrafen zu stellen! War das Schicksal des Nürnberger Bundes auf der einen Seite ein schwerer Schlag für die Autorität des Kaisers, so erleichterte es ihm auf der andern die Vorbereitung des grössten Triumphes seines Lebens. Wichtiger als die Zusammenfassung der lahmen katholischen Stände war für den Kaiser die Lähmung des mächtigen Schmalkaldischen Bundes, und diese zu erreichen bot das Scheitern der Defensivliga ein vortreffliches Mittel.



Anmerkungen

  1. Eine reichliche Correspondenz über diese Dinge findet sich in dem Baierischen Staatsarchiv (Bundssachen de a. 1534–36). Es verdient bemerkt zu werden, dass der Kaiser, obwohl ihm doch an dieser Sache so viel lag, auch hier seine Deutschen Freunde durch langes Zögern ärgerte. Die entscheidenden Verhandlungen hatten in den ersten Tagen des Januar 1535 in Donauwörth beginnen sollen, aber am 10. Januar musste König Ferdinand den Baierischen Herzögen bekennen, er warte leider noch immer auf des Kaisers genauere Weisungen, „nit one sunder Befremden des langen verzugs“. Bekanntlich wurde der sogen. „kaiserliche Bund“ dann doch am 30. Januar 1535 auf neun Jahre in Donauwörth abgeschlossen. Siehe das Instrument bei Spiess, Geschichte des kayserlichen neunjährigen Bunds S. 57 ff. Dieser Bund versuchte lediglich Zwistigkeiten unter seinen Gliedern beizulegen, ohne auch nur damit Erfolg zu haben.
  2. Namentlich in den Briefen vom 16. Januar, 18. Februar und 10. Mai 1535 (Wiener Archiv).
  3. Instruction für Weissenfelder von Eck’s Hand vom 12. Februar 1536. Baierisches Staatsarchiv.
  4. Schon im Mai 1535 hatte man in München dem päpstlichen Abgesandten klar zu machen gesucht, dass mit dem Concil nur etwas erreicht werden könne, wenn der Kaiser entschlossen sei die Widerspänstigen mit Gewalt niederzuwerfen, worauf Vergerius mit dem Hinweis auf die Macht der Ketzer und die feststehende Abneigung des Kaisers, im Reiche Gewalt anzuwenden, entgegnete. Laemmer, Monumenta Vaticana p. 175.
  5. Bericht Weissenfelder’s an die Herzoge Neapel 3. März. Baierisches Reichsarchiv. (Gütige Mittheilung des Herrn Dr. Jochner.)
  6. Gedruckt bei Winckelmann, Politische Correspondenz Strassburgs S. 340.
  7. Dieses Schreiben d. d. Savigliano 3. Juli 1536 bei Neudecker, Urkunden S. 268 f.
  8. Lanz, Correspondenz 2, 268 ff.
  9. Siehe die aktenmässige Darstellung in Heide’s Aufsatz „Nürnberg und die Mission des Vicekanzlers Held“ in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte Nürnbergs. Desselben Gelehrten Aufsatz „Die Verhandlungen des kaiserlichen Vicekanzlers Held mit den Deutschen Ständen“ (Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, Band 102 S. 713 ff.) hat einige Punkte der vorliegenden Untersuchung bereits gegen frühere Auffassungen richtig gestellt, im Betreff der Entstehung des katholischen Bundes aber mancherlei Irriges gesagt, da ihm das nöthige Material fehlte.
  10. Wiener Archiv, wo auch die sämmtliche in diesem Aufsatz benützte Correspondenz Karl’s V. mit seinem Bruder. Dem Berichte Held’s waren die in Lanz, Staatspapiere zur Geschichte Karl’s V. S. 231 ff. abgedruckten Stücke als Beilagen zugefügt.
  11. Er liegt nur in dieser Französischen Fassung vor mit dem Vermerk, dass er am 9. Mai in Valladolid angekommen.
  12. Quelle estoit plus moderee et pretendoit devicter toute rompture et aussi tendoit a se condescendre a aulcunes conditions pour ne venir a rompture, mais les tirer a vre devotion, excepte quil ne fust touche aux articles de notre foy.
  13. So schreibt er Ferdinand am 15. Februar 1537, der Papst sei „froid au remede et provision des affaires publiques“, wolle auch nichts zur Abwehr des Türken thun. Gegen ihn, den Kaiser, sei er in hohem Grade rücksichtslos und obwohl er vorgebe neutral zu sein, fördere er in Wahrheit die Interessen Frankreichs wo er könne; täglich sei zu bemerken, dass alle seine Bestrebungen auf die Vergrösserung seines Hauses gerichtet seien.
  14. Held an Ferdinand 1. August 1537. Wiener Archiv.
  15. Herzog Heinrich’s Instruction für seinen Secretär Köterlin. Wolfenbüttel 31. October 1587. Hauptlandesarchiv zu Wolfenbüttel.
  16. Tagebuch über den Speyerer Tag im Baierischen Staatsarchiv.
  17. Ebenso aus einem Schreiben des Kurfürsten Albrecht an Herzog Georg vom 23. Marz 1538, worin ausserdem erwähnt wird, auf einem in Halle unter Theilnahme Held’s abgehaltenen Tage hätten die Gesandten Georg’s und Heinrich’s erklärt, „das inen nit leidlich, das die Substanz der nottel, wie die zu Dresen zuvoran begriffen, solte geandert, weder das die prophansachen daraus solten gelassen werden.“
  18. Georg’s Instruction für seinen Secretär Joachim v. d. Heiden. Dresd. Hauptstaatsarchiv.
  19. Held an Herzog Wilhelm. Germersheim, 29. Februar 1538. Baier. Staatsarchiv.
  20. Ferdinand an die Herzöge. Prag, 18. Febr. 1538. Baier. Staatsarchiv.
  21. Dresdener Archiv.
  22. Er fürchtete, wie Ferdinand an Karl schrieb, dass der Kanzler Eck es mit diesem Bunde gerade so mache, wie er es früher mit dem Schwäbischen Bunde gemacht habe. (Ferdinand an Karl. Bautzen, 22. Mai 1538.)
  23. Ferdinand an Georg. Breslau, 9. Juni. Dresd. Archiv.
  24. In dem Nebenvertrage vom 12. Juni, welcher die Organisation des Bundes, die Einsetzung der beiden Obersten, die Ernennung der Bundearäthe als bereits vollzogen meldet, findet sich folgende eigenthümliche Wendung: „uff das die stedt und andere stende, bey denen die Lutterisch meynung albereit eingerissen, in dis Buntnus unverhindert des auch mogen beredt werden, so mogen dieselben und sollen bey irer religion, wie sie jetzund sein, bis uff ein gemein Concil oder christliche reformation [bleiben], doch das sie mitler zeit in der religion keine fernere enderung oder neuerung vornemen und was in gemeinem christlichen Concilio oder reformation beschlossen wurdet, das sies darbey wollen pleiben lassen“. Bucholtz, Gesch. Ferdinand’s, Urkundenband S. 368. Wenn Heide a. a. O. S. 737 meint, der Bund sei „ursprünglich paritätisch geplant“ gewesen, so ist das natürlich ein Irrthum.
  25. Trotz aller Bemühungen Held’s, von dem ein charakteristisches Schreiben an den Kurfürsten von Trier (Wiener Arch.) vorliegt, in welchem er diesem eine möglichst rosige Schilderung der Lage entwirft und namentlich hervorhebt, dem Kaiser sei „ain merklich grosse summa gelds aus den Indien zugestanden, mer dan vor nie, also das man clerlich befindt, das der almechtige got ir Mt. wunderparlich regiert und nit verlassen wil“. Im Gegensatz dazu klagt er König Ferdinand schon zu dieser Zeit: „Ich kann nit gedenkhen, wie es immer zuegeet, das die Kay. Mt. nit heraus schreibt.“ (Brief vom 27. März 1538. Wiener Archiv.)
  26. Wolfenb. Archiv.
  27. Ueber sie klagt Held gegen König Ferdinand, bei ihnen habe „der geiz so gar überhand genomen, das sye nichts guetes thuen kunen und wil sich jederman auf den andern entschuldigen, so lang bis got der almechtig sie mit einander straft und plagt. Wenn ain gotsforcht oder erberkait in den leuthen were und gedechten, was Kay. u. Ew. Kon. Mten bis hero wider die unglaubigen gethan und noch gern theten, solt ain jeder sein vermugen selbs anbieten, sonderlich die geistlichen“. (Held an Ferdinand, 22. Marz 38. Wiener Archiv.)
  28. Dresdener Archiv.
  29. Alle diese Schreiben im Dresdener Archiv.
  30. Im Baierischen Reichsarchiv.
  31. In der Correspondenz des Kaisers mit Rom, soweit sie bei Gayangos (V, 2 u. VI, 1) vorliegt, wird der katholische Bund nur einmal ausdrücklich erwähnt. Am 3. Februar 1538 schreibt Karl seinem Botschafter Aguilar um die von den Lutheranern drohenden Gefahren abzuwehren „an agreement is about to be entered into with such among the electors and other princes of Germany, who are constant to their faith; they are to make a league for their own protection“. Aguilar solle vom Resultat hören. Weiterhin findet sich aber keine Spur davon. Auch in den Berichten der Nuntien aus Deutschland, soweit wir sie durch Laemmer kennen, ist von den Bestrebungen Helds in den ersten Jahren nur flüchtig die Rede. Erst im Januar 1539 hören wir, dass der Legat sich gegen den Bischof von Passau bitter über das Verhalten der geistlichen Fürsten beklagt (Laemmer p. 218.)
  32. Je mehr er Lunden nachfrage, schreibt er am 3. März, desto mehr Bubenstücke höre er. Von Augsburg, heisst es in dem Briefe vom 19. März, habe Lunden 2500 Goldgulden, auch von Zapolya eine Summe bekommen: „seine schelmereien prechen mit gewalt auf“.
  33. Karl’s Schreiben, Toledo 20. März 1539. Baier. Staatsarchiv.
  34. Baierisches Reichsarchiv. Religionsacta.
  35. Held an Herzog Heinrich, Bruckh in Flandern 6. Juli und Neuhause 6. Sept. 1540. Wolfenb. Archiv.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gegeheime