Klein und Groß

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Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Klein und Groß
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 183-185
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803-1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: ULB Düsseldorf und Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[183]
Klein und Groß.

In Asien, in dem Gebirge Taurus und an andern Orten lebt eine Art von wilden Schafen, Argali genannt, die sind sehr groß, stark und scheu, und haben sehr große Hörner. Wenn ein solches Thier im Kampf oder durch ein anderes Unglück ein Horn verliert, was jejuweilen peschieht, so kommt es den dortigen Füchslein zu gut. Diese haben alsdann nicht nöthig, einen Bau in die Erde zu graben, meynen, das Horn sey wegen ihnen da, schlupfen hinein, und wohnen darinn. Worüber muß man sich mehr verwundern, über die großen Hörner oder über die kleinen Füchse?

Die kleinsten Vögel, die man kennt, heißen Kolibri. Sie sind in Süd-Amerika daheim, haben wunderschöne Farben von Gold- und Silberglanz, legen Eylein, so nicht größer sind, als eine Erbse; und werden nicht mit Schroten geschossen, sondern mit kleinen Sandkörnlein, weil sonst nichts Ganzes an ihnen bliebe. Neben ihnen wohnt eine Spinne, die ist so groß, daß sie diese armen Thierlein wie Mucken fängt und aussaugt. Doch das weiß der geneigte Leser schon, denn er ist ein belesener Mann.

Andern Respekt flößt der Herr Lämmer-Geyer seiner Nachbarschaft ein, der in den Tyroler- und Schweizer-Gebirgen [184] daheim ist. Denn mit seinen ausgespannten Flügeln bedeckt er eine Länge von 8 bis 9 Fuß, und ist stark genug, Gemsen, Ziegen und Kinder anzupacken, zu überwältigen und davon zu tragen.

Der größte unter allen Vögeln, die fliegen können, ist der Condur, ein Landsmann des Colibri. Dieser mißt mit ausgespannten Flügeln 16 Fuß, seine Flügelfedern sind vorne Fingersdick, also, daß man schön Fraktur damit schreiben könnte; und das Rauschen seiner Flügel gleicht einem fernen Donner.

Aber der allergrößte Vogel ist der Strauß in den Wüsteneyen von Asien und Afrika, der aber wegen seiner Schwere und wegen der Kürze seiner Fittige gar nicht fliegen kann, sondern immer muß auf der Erde bleiben. Doch trägt er seinen Kopf 9 bis 10 Fuß hoch in der Luft, kann weit herum schauen, und könnte, wie ein guter Freund neben einem Reiter auf seinem Roß herlaufen und mit ihm reden, wenn ihm nicht Vernunft und Sprache versagt wären.

In Asien lebt eine Art von Hirschen, Zwerg-Hirschlein genannt, deren Füßlein sind Fingerslang, und so dünn, wie der Stiel einer köllnischen Tabackspfeife. Das Spitzmäuslein, ebenfalls in Asien, wiegt ein halbes Quintlein, und ist das kleinste unter allen bekannten Thieren, die auf 4 Beinen gehen und ihre Jungen säugen. Der Elephant aber ist 12 bis 14 Fuß hoch, 15 bis 17 Fuß lang, wiegt seine 7,000 Pfund; und ein fleißiger Schüler soll mir ausrechnen: Wie viel Spitzmäuslein müßte man haben, die zusammen so schwer sind, als ein einziger Elephant?

Das kleinste Thierlein auf der Erde hat auch mit dem stärksten Vergrößerungsglas wohl noch kein Mensch [185] gesehen. Aber das größte ist der Wallfisch, der bis zu einer Länge von 120 Fuß wachsen kann, und seine 1,000 Centner und drüber wiegt.

In den fabelhaften Zeiten hat man geglaubt, daß es eine ganze Nation von Menschen gebe, die von dem Boden weg nur 2 Fuß hoch seyen. Der Lügenprophet Mahomet aber behauptete einmal, er habe den Erzengel Gabriel gesehen, und es sey von seinem rechten Auge über den Nasenwinkel bis zum linken, ein Zwischenraum von 70,000 Tagreisen.