Korfu (Die Gartenlaube 1893/13)

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Titel: Korfu
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 212–217
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[212]

Korfu.

Schilderung in Wort und Bild von Gustav Conz.


Nach einem Besuche Athens landete ich im Monat September zum zweiten Male in Korfu, das ich auf der Hinreise nur flüchtig berührt hatte. Wie damals im Juli, so wölbte sich auch jetzt der Himmel in wolkenloser Klarheit über den weißen Häusern der Stadt, und die Sonne hatte, wie ich auf dem Wege zum Hotel – es war Mittagszeit – genügend erfuhr, noch nichts von ihrer südlichen Gluth verloren. Der Reisende, der einige Ansprüche macht, hat die Wahl zwischen zwei Gasthöfen, „St. George“ und „Bella Venezia“ (Hotel Angleterre). Sie liegen nahe beisammen in derselben Häuserflucht und genießen beide mit Recht des besten Rufs. Ich fand in der „Bella Venezia“ bei mäßigem Pensionspreis ein gutes Zimmer und vortreffliche Kost; der noch junge sehr gefällige Wirth hat eine Tochter des Reiseunternehmers Stangen zur Frau und spricht geläufig deutsch; im übrigen wird das Italienische, in der Stadt wenigstens, fast allenthalben verstanden. Es war früher weit allgemeiner im Gebrauch, aber die Kraft des griechischen Volksgeistes hat sich auch hier bewährt: die Einwohner sprechen jetzt untereinander fast ausschließlich griechisch, und ohne den starken Fremdenverkehr würde die Kenntniß der andern Sprache noch weit rascher abnehmen.

Zur Zeit meines Besuches war jedoch von Fremden wenig zu sehen; nicht selten saß ich in stiller Größe allein an der Speisetafel, denn erst gegen Ende September pflegt die Hitze sich zu mildern und die eigentliche Fremdenzeit fällt in die Wintermonate.

[213]

Straße in Korfu.
Nach der Natur gezeichnet von G. Conz.

[214] Die Stadt Korfu hat die Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks. Auf der nördlichen ans Meer grenzenden Seite liegt der Hafen, seitwärts überragt von den mit dunklen Zypressen bepflanzten Wällen der „Fortezza nuova“, der „neuen Befestigung“. Auch die östliche Seite der Stadt, in welcher die beiden genannten Gasthöfe und die besuchtesten Kaffeehäuser liegen, ist dem Meere zugekehrt, aber von demselben getrennt durch einen ausgedehnten freien Platz, die „Spianata“ (Esplanade). Jenseit derselben führt eine Zugbrücke über einen schmalen Kanal zur alten Festung, der „Fortezza vecchia“, welche, auf steilem Felsen weit ins Meer hinausragend, Stadt und Umgebung beherrscht (siehe das Bild S. 201). Die dritte dem Lande zugekehrte Seite bildet die längere Grundlinie des Dreiecks. Die Vorstadt S. Rocco schließt sich unmittelbar an dieselbe an. Den Hauptzugang zur Stadt bildet von dort die „Porta Reale“, ein massiver alter Thorbau. Während wir auf der Spianata meist Erholung suchenden Spaziergängern und Kaffeehausgästen begegnen und auf der Hafenseite der Schiffsverkehr die Hauptrolle spielt, herrscht in der Umgebung der Porta Reale zu jeder Tageszeit, besonders in den Vormittagsstunden, ein buntes malerisches Treiben von Landleuten, welche in den mannigfaltigsten Trachten ihre Erzeugnisse zu Markte bringen oder Einkäufe machen und dort mit ihren Pferden und Eseln – die wenigsten kommen zu Fuße – Rast zu halten pflegen.

Der Reisende, dem nur die kurze Zeit zwischen Ankunft und Abfahrt des Schiffes zur Verfügung steht, verwendet dieselbe am besten zu einem Besuch der Fortezza vecchia, indem er vom Landungsplatze aus die Dogana (Zollstelle) durchschreitet und an der Markthalle vorüber der Nikephorosstraße folgt. Diese und die parallel laufende Nikiasstraße bilden die Hauptverkehrsadern und gewähren mit ihren Buden und Garküchen, mit der Farbenpracht der in reicher Fülle ausgestellten Früchte und mit den auf engem Raum sich drängenden Menschen und Thieren ein charakteristisches Bild südlichen Lebens. Die Nikephorosstraße mündet auf die Spianata gegenüber der Zugbrücke, welche zur Zitadelle führt.

Im Judenviertel von Korfu.

Korfu dient seit dem Abzug der Engländer nicht mehr als Festung. Die alten Werke stehen theils verlassen, theils werden sie als Kasernen und Magazine benutzt, und man bedarf keiner besonderen Erlaubniß, um die Höhe des Forts zu besteigen. Schon auf dem Wege dorthin entschädigt manch reizender Blick für die Mühe, oben aber eröffnet sich eine herrliche Rundsicht. Vor uns liegt die Stadt Korfu; jenseit derselben umspannt die Küste in weitem Bogen eine Meeresbucht; auf ihrer linken Seite nach West und Nordwest hin sanft ansteigendes Hügelland, mit Olivenwäldern bedeckt, aus deren mattem Grün da und dort die weißen Häuser einer Ortschaft herausleuchten, im Norden als Abschluß der langgestreckte felsige Bergrücken des 914 Meter hohen Monte Salvatore oder Pantokrator. Sein östliches Ende scheint mit der nur durch einen schmalen Meeresarm von ihm getrennten albanesischen Küste zusammenzuhängen, welche von da ungefähr parallel mit der Ostküste von Korfu nach Süden verläuft und dort im blauen Duft mit dem fernsten uns sichtbaren Punkt der Insel, dem Kap Levkimo, verschwimmt. Zwischen diesem und unserem Standpunkt erhebt sich breit hingelagert der „Santi Deca“ („Hagioi Deka“ d. h. die zehn Heiligen). Sein Gipfel ist von der Stadt ungefähr drei Wegstunden entfernt und unter den zahlreichen Aussichtspunkten der Insel besonders berühmt. Eine Strecke abwärts von seinem Gipfel sehen wir ein größeres Dorf und dicht bei demselben ein stattliches, weiß schimmerndes Gebäude: Gasturi mit dem Palast der Kaiserin von Oesterreich. Am Fuße des Santi Deca liegt der ziemlich ausgedehnte, durch einen schmalen Zugang mit dem offenen Meer verbundene See Kalikiopulo, der Kriegshafen des alten Kerkyra. Von dort zieht sich ein Hügelrücken am Meere hin nach der Stadt zu; auf seinem uns zugewandten Ende fällt ein ausgedehnter bis zum Meere hinabreichender Park in die Augen, die „Villa Reale“, berühmt durch ihre schöne Lage und ihren Reichthum an südlichen Bäumen und Pflanzen der verschiedensten Art. Sie ist an bestimmten Nachmittagen dem allgemeinem Besuch geöffnet, dem Fremden jedoch jederzeit zugänglich. Eine breite schön angelegte Straße, die „Strada marina“, führt sodann dicht am Meere hin an der Vorstadt Kastrades vorbei zur Esplanade. Viel besucht ist auch das jenseitige Ende des erwähnten Hügelrückens, wo ein Rondell, „Il Canone“ genannt, einen schönen Blick auf den See Kalikiopulo, die offene See und den gegenüberliegenden Santi Deca gewährt. Eine noch schönere Aussicht genießt man auf der Höhe zwischen Canone und Villa Reale bei dem Dorfe Analipsis. Ich schwärme nicht für Fernsichten, wenn ihr Werth vorwiegend in dem mehr geographischen als malerischen Genuß besteht, eine sehr große Anzahl von Bergspitzen oder Kirchtürmen überblicken zu können, deren Form gewöhnlich von unten gesehen viel schöner zur Geltung kommt. Aber in Korfu war ich stets aufs neue überrascht und entzückt von der Pracht der Bilder, welche das Auge auf hoch und frei gelegenen Punkten vor sich sieht. Nicht wenig trägt zu ihrer künstlerischen Wirkung der Meeresgürtel bei, der in seiner wunderbaren Färbung das Land umschließt und ihm als Rahmen dient.

Das Innere der Stadt Korfu besteht aus einem Labyrinth von engen auf und ab steigenden Gäßchen und hohen, vier- bis sechsstöckigen, in ihrem Aussehen wenig voneinander verschiedenen Häusern. Auch die Nikephoros- und Nikiasstraße sind kaum so breit, daß zwei Fuhrwerke einander ausweichen können. Nur an einer Stelle erweitert sich die letztere Straße zu einem kleinen Platz, welchen die Abbildung Seite 213 darstellt. Einen Namen hat derselbe nicht, so wenig wie die Mehrzahl der Straßen, oder wenn Namen vorhanden sind, so wird kein Gebrauch davon gemacht; auch Hausnummern sind in Korfu unbekannt. Ein früherer Bürgermeister hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die unleserlich gewordenen Namen an den Straßenecken wiederherzustellen und, [215] wo solche fehlten, neue anzubringen; aber man hatte wenig Verständniß für seine Kulturbestrebungen, und ich konnte, wo überhaupt Straßenschilder sichtbar waren, höchst selten den Namen entziffern. – In holder Uebereinstimmung mit diesem patriarchalischen Zustand befindet sich das Postwesen. Es giebt in Korfu keine Briefträger. Was die Postdampfer bringen oder mitnehmen, wird nach der sehr einfach eingerichteten nicht weit vom Hafen gelegenen Posthalle gebracht, von wo die Beförderung zum Schiff besorgt wird, während es denjenigen, welche Sendungen erwarten, überlassen bleibt, dieselben dort abzuholen. Etwa zwei Stunden, nachdem das Nebelhorn eines Dampfers dessen Ankunft verkündigt hat, schicken die Behörden, Gastwirthe und größeren Geschäfte nach der Post und lassen sich bringen, was unter ihrer Adresse gekommen ist.

Brunnen bei Gasturi.

Wer sonst etwas erwartet, fragt gelegentlich nach. Außerdem giebt es Leute, welche ein Privatgeschäft daraus machen, die Adressaten nicht abgeholter Briefe aufzusuchen und ihnen diese gegen eine kleine Entschädigung zuzustellen. Da Korfu – seine Einwohnerzahl beträgt einschließlich der Vorstädte 25000 – die einzige größere Stadt auf der Insel ist und der geschäftliche Verkehr, welcher hauptsächlich Oel und Wein betrifft, großentheils persönlich abgemacht wird, so besteht auch wenig Bedürfniß für Postverbindungen im Innern. Nöthigenfalls weiß der Einheimische eine Gelegenheit zur Beförderung zu finden.

Betritt man die Stadt von der Landseite aus durch die Porta Reale, so hat man zur Linken das von den Juden bewohnte Viertel. Der größere Theil derselben besteht aus Handwerkern und kleineren Geschäftsleuten; von den reicheren Familien dürften nach den letzten Unruhen wenige zurückgeblieben sein. Die eigentliche Ursache der heftigen Verfolgung, welche die Juden in Korfu im Frühjahr 1891 zu erdulden hatten, ist bis heute noch nicht aufgeklärt.

Es wäre unrecht, aus jenem vereinzelten Ausbruche der Leidenschaft einen ungünstigen Schluß auf den Charakter der Bevölkerung zu ziehen. Im Gegentheil verdient für gewöhnlich das friedliche und anständige Benehmen auch der niederen Klassen gerühmt zu werden, und es herrscht hier wie im übrigen Griechenland im allgemeinen eine so große Sicherheit des Lebens und Eigenthums wie an wenigen Orten. Ich hatte die beste Gelegenheit, die Leute von ihrer guten Seite kennenzulernen, während ich die erwähnte Straßenansicht zeichnete. Außen war der Raum zu eng und der Verkehr zu lebhaft, als daß es möglich gewesen wäre, ohne allzu große Belästigung zu arbeiten. Ich setzte mich daher unter die Thür eines kleinen Tabakladens, was mir aufs bereitwilligste gestattet wurde, obgleich auch dort der Raum so beschränkt war, daß außer dem Verkäufer höchstens vier bis fünf Personen gleichzeitig Platz hatten. Meine Anwesenheit war für die ein- und ausgehenden Kunden ziemlich unbequem, aber jeder drückte sich aufs vorsichtigste an mir vorbei, und wenn draußen ein Neugieriger die Aussicht versperrte, so war mein Quartiergeber alsbald bei der Hand, ihn fortzuweisen. Bald stand ich mit dem biederen Tabakhändler und seinen nächsten Nachbarn, soweit sie das Italienische verstanden, auf freundschaftlichem Fuße; einer brachte mir seinen kunstbeflissenen Sohn und dessen Arbeiten behufs gebührender Anerkennung, welche ich ihm natürlich nicht versagte, und wenn ich irgend einen Wunsch äußerte, so war man sofort bereit ihm nachzukommen. Eigennützige Beweggründe hatten damit nichts zu thun, vielmehr fehlte mir jede Gelegenheit, mich dankbar zu erweisen.

Villa Reale.

Es war eine bunte Musterkarte der mannigfaltigsten Typen, welche dort in stetem Wechsel sich durch die Straße bewegten. Hochgewachsene Albanesen, trotz der Hitze in lange Mäntel gehüllt, und albanesische Frauen in plumper unschöner Tracht – viele des Stammes wohnen in der Vorstadt San Rocco – Frauen vom Lande, bald mit turbanartig den Kopf dicht umschließenden Tüchern, bald mehr nach italienischer Weise gekleidet, zuweilen eine Fustanella oder der schwarze Talar und die hohe Mütze eines Popen und im Gegensatz dazu ein Polizist in weißer Sommeruniform oder ein Türke in langem hellblauen Kaftan. Doch herrscht im ganzen die moderne Tracht vor oder eine willkürliche, oft eigenartige Mischung derselben mit Theilen einer Landestracht. Die elegantere Welt ist unter Tages wenig sichtbar. Um so vollzähliger zeigt sie sich gegen Abend lustwandelnd auf der Strada marina und auf der Spianata, oder vor den zahlreichen an dieser liegenden Kaffeehäusern und Konditoreien im Freien herumsitzend. Zweimal wöchentlich spielte daselbst eine Militärkapelle, an zwei anderen Abenden übernahmen zwei aus Bürgern bestehende Vereine die musikalische Unterhaltung. Das Hauptstück war jedesmal die vollständige Musik irgend einer Oper, welche mit anerkennenswerther Ausdauer ohne Unterbrechung, mitunter dreiviertel Stunden dauernd, durchgespielt wurde. Daß mir die korfiotischen Damen durch besondere Schönheit [216] oder Eigenthümlichkeit aufgefallen wären, kann ich nicht behaupten; den Preis in dieser Beziehung verdienten zweifellos zwei Mädchen von zwölf bis vierzehn Jahren; auch in Athen ist mir wiederholt die Schönheit von Mädchen dieses Alters aufgefallen.

Eine große Anziehungskraft übt neuerdings das bei dem Dorfe Gasturi erbaute Schloß der Kaiserin von Oesterreich aus. Man fährt auf bequemer Straße in einer starken Stunde bis dorthin; unterwegs hatte ich Gelegenheit, den Reichthum an prachtvollen alten Oelbäumen zu bewundern, welcher die Insel auszeichnet. Nirgends sonst habe ich dieselben in solcher Größe und in so außerordentlich malerischer, oft ganz phantastischer Bildung gesehen. Gasturi selbst bietet wenig Bemerkenswerthes. Am oberen Ende des Dorfes machte mein Rosselenker Halt vor einer Bretterbude, welche die Aufschrift „Bella Vienna“ trug; den Hauptschmuck derselben bildete ein die ganze Höhe der Wand ausfüllendes Plakat mit einer Riesenflasche, deren Inhalt als „Benedictine de l’abbaye Fécamp“ bezeichnet war. „Piazza Cavour“ war seitwärts auf einer Tafel zu lesen und gegenüber auf einem Bretterzaun „Boulevard imperiale“, Scherze der italienischen Arbeiter, welche beim Bau beschäftigt sind. Wenige Schritte brachten mich zum Eingangsthor der kaiserlichen Villa. Man hatte mir gesagt, daß der Zutritt zu derselben niemand gestattet werde, und auch der deutsche Konsul in Korfu, Herr Fels, dessen liebenswürdige Zuvorkommenheit allen deutschen Besuchern Korfus bekannt ist, erklärte sich außer stande, mir die Erlaubniß zu verschaffen. Doch wurde mir nach längerem Parlamentieren ein Einblick in das Vestibül und Treppenhaus und ein kurzer Aufenthalt im Garten zugestanden. Mehr war nicht zu erreichen, da jeden Augenblick der Besuch des kaiserlichen Intendanten, eines dalmatinischen Marineoffiziers, erwartet wurde, dessen rücksichtslose Strenge sehr gefürchtet schien. Das Aeußere des aus weißem Marmor im Stile der italienischen Renaissance aufgeführten stattlichen Hauses macht einen entschieden vornehmen Eindruck; was ich von Malereien im Inneren sah, war von geringerem Werthe.

Säulenhalle am Schloß der Kaiserin von Oesterreich.
Nach einer Photographie.

Die Lage ist entzückend: nach rechts, wo der Berg steil abfällt, das weite Meer und die nach Süden verlaufende Küste der Insel, nach Norden die mit Olivenwald bedeckte Abdachung bis zum See Kalikiopulo, dann die Stadt Korfu und jenseit derselben wieder ein vom Pantokrator und den albanesischen Bergen begrenzter Meeresstreifen, nach links ein Blick ins innere Land und im Rücken der Santi Deca. Der leitende Architekt war der Neapolitaner Garito; auch die Ausführung der einzelnen Arbeiten, der Malereien und der übrigen Ausstattung im Inneren wurde größtenteils italienischen, im besonderen neapolitanischen Künstlern und Arbeitern übertragen. Später war auch ein Wiener Ingenieur mit einer Anzahl dortiger Arbeiter berufen worden. Ich machte seine Bekanntschaft in der „Bella Vienna“ bei einer Flasche vortrefflichen Biers, dessen hier zu Lande überraschende Güte er mir dadurch erklärte, daß der praktische Wirth, der natürlich ebensowenig wie andere seiner Landsleute über einen Keller verfügte, denselben durch Eingraben der Flaschen in die kühle Erde zu ersetzen wußte.

Ehe das Schloß der Kaiserin Elisabeth gebaut wurde, war die Hauptsehenswürdigkeit Gasturis ein alter Brunnen, der hinter dem Dorfe in einer Schlucht steht, umgeben von Oelbäumen und Zypressen. Ein kleiner Junge, Alexandros mit Namen, bot sich als Führer an, sein Schwesterchen, die Wasilika – zu deutsch „Königin“ – durfte auch mit; war ihr Kostüm auch nicht königlich, so hätte doch ihr Gesichtchen einer Prinzessin wohl angestanden, so fein und regelmäßig waren die Züge und so klug und munter blickten die schwarzen Augen daraus hervor. Der Brunnen hat die Form eines großen Würfels mit einer Kuppel darüber, welche ein Kreuz trägt, und ist nach zwei Seiten geöffnet. Frauen und Mädchen mit großen Krügen gingen ab und zu oder standen und saßen plaudernd umher; die vornehme Anmuth ihrer Bewegungen, die Schönheit der meisten Gesichter paßte herrlich zu dem landschaftlichen Reize des Ortes.

Viel besucht ist auch das Kloster Paläokastrizza auf der Westküste der Insel, zu Wagen in drei Stunden erreichbar. Man fährt eine Strecke weit durch flache, mit Oliven bepflanzte Landschaft, bis man sich den westlichen Ausläufern des Monte Salvatore nähert, an deren Felswänden die Straße sich dann bis zur Küste hinzieht. Das Kloster liegt auf einem steil nach dem Meere abfallenden Vorsprung und gewährt einen herrlichen Blick auf die weite blaue See, die felsige, vielfach zerrissene Küste und die nächstgelegenen, in überraschender Farbenpracht heraufleuchtenden Buchten. Die Architektur des Klosters, obwohl an sich unbedeutend, würde mit ihrer ganzen Umgebung eine noch malerischere Wirkung machen, wenn sie nicht der allgemeinen Sitte gemäß durchweg weiß übertüncht wäre. Eine Anzahl Mönche hat daselbst ihren Sitz; der gute Eindruck, den ihre interessanten edel geschnittenen Gesichter und ihr freundliches Wesen auf mich machten, wurde leider durch ihr schmutziges Aeußere etwas abgeschwächt.

Bald nach meinem Besuch Paläokastrizzas verließ ich die Insel. Den Abend vor meiner Abreise machte ich noch einmal den üblichen Spaziergang auf der Strada marina. Die Sonne sandte ihre letzten Strahlen über die Vorstadt Kastrades herüber auf das Meer zu meiner Linken in dem die rothen Abendwolken sich spiegelten. Ich ging weiter am Strande hin bis in die Nähe der Villa Reale, wo es ganz einsam war, und begann hier zu zeichnen. Seitwärts stand ein einzelnes Haus, von einer Palme überragt; auf seiner offenen Veranda saß ein weißbärtiger Alter mit einer jungen Frau, die mit melodischer weithin klingender Stimme ein Lied sang. Es waren die eigenthümlichen langgezogenen Töne der griechischen und albanesischen Volkslieder, welche meist die kriegerischen Thaten berühmter Helden feiern. War ein Vers zu Ende, so hielt die Sängerin inne und der Alte sprach ihr die Worte der folgenden Strophe vor. Kein anderer Laut unterbrach die friedliche Stille, kein Lüftchen bewegte die See; auf dem Hügel vor mir lag der herrliche Park der Villa mit seinen Palmen und dunkeln Cypressen – das war das letzte Bild, welches ich von Korfu mitnahm, und es wird mir unvergeßlich bleiben.




[217]

Das Schloß der Kaiserin von Oesterreich auf Korfu.
Nach einer Photographie gezeichnet von R. Büttner.