Löb Hersch

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Textdaten
Autor: Friedrich Stoltze
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Titel: Löb Hersch
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aus: Gedichte in Frankfurter Mundart. Band 2, S. 284–287
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Heinrich Keller
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Erscheinungsort: Frankfurt am Main
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Kurzbeschreibung:
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[284]
Löb Hersch.


So hat Ääm niemand noch gequeelt
Als wie der alte Bienedhal:
Dieselwig Anekdod verzehlt,
Die hat err ääm finfdausendmal.

Un war merr noch so grobb und werrsch
Un dhat mit Hänn un Fieß sich wehrn,
Sei Anekdod vom „Löbche Hersch
Die krag merr widder doch ze heern.

Zeletzt war’sch net mehr auszesteh
Un länger ze ertrage net,
Drum dhat merr zu seim Parre geh,
Daß Der em in’s Gewisse reddt.

[285]
Der Parre hat deß ääch gedhaa

Un waart bis morje net emal,
Gleich gung err hi un reddt en aa:
„Gun Dach, mein lieber Bienendhal.

Ich hör, was mir erfreulich is,
Un wann ich recht berichtet bin,
Daß Sie e großer Freund gewiß
Von neue Anekdode sin.

Hie haw ich Ihne mitgebracht
Die allerneust, gedankereich,
Die lese Se merr mit Bedacht,
Un dann verzehle Se se gleich.“

Der Parre gnug. – For Frääd en Krisch
Hat dann der Bienedhal gedhaa,
Un setzt dann schnell sich an sein Disch
Un fung dann gleich ze lese aa:

„Einer der ältesten jüdischen Schriftsteller im Talmud (alte Baraitha) behauptet, nicht der Genuß der verbotenen Apfelfrucht, sondern der verbotene Genuß der Anekdote vom Löb Hirsch von Posen habe den Sündenfall herbeigeführt. Vorbehaltlich unserer richtigen Uebersetzung lautet die betreffende Stelle in der Baraitha so: Aber es geschahe an einem Regentage, daß Adam mit Lilith, seinem ersten Weibe, in einem hohlen Baume hockte. Adam aber mopsete sich. Und er sprach zu Lilith seinem Weibe: „Weib, erzähle mich Etwelches, [286] denn es mopset mir.“ Und Lilith, sein Weib, hub also an zu sprechen: „Es war einmal ein Mann im Lande Posen, so Löb Hirsch hieß. Und er sollte Zeugniß ablegen vor dem Richter gegen ein Mitglied des Rockford-Comité’s. Denn Löb Hirsch war doch seines Zeichens Altkleiderhändler. – Und der Richter, so ein Gojim war, frug ihn also: Löb Hirsch, wie heißen Sie? – „Löb Hersch.“ – Ihr Geburtsort? – „Posen.“ – Stand und Gewerbe? – „Altkleiderhändler.“ – Religion? „Wie heißt Religion? Wenn ich Ihnen doch saake, ich heiße Löb Hersch, bin von Posen und handle mit alten Kleidern, könn’ ich doch nicht sein ein Herrnhuter!“ – Und Lilith schwieg und blickte sinnig auf Adam. Und Adam blickete auf Lilith und sagte: „Au!“ – Und Lilith entfärbete sich und gebar ihm fünfhundert Dämonen, ehrwürdige Greise im Silberhaar. Und Adam nannte sie Meidinger, Hinkender Bote und Schatzkästlein des Witzes und der Laune, Fliegende Blätter und Schöne Feierstunden, Alterthumsverein und Anekdotenschatz des deutschen Volkes. – Und die Neugeborenen geriethen in Wuth und fielen über ihre Mutter her. Denn es stehet geschrieben also: das Alter soll man ehren. – Und Lilith entfloh durch die Luft. Und ihre Kinder verfolgten sie. – Zu Adam aber trat Gott der Herr an den hohlen Baum und[1] sprach also: „Als die Ahnfrau des Schöpfungskeims noch in den Windeln des Chaos lag und um Gestaltung schrie, schläferte sie die Urnacht, ihre Amme, ein mit der grausamen Anekdote von Löb Hirsch von Posen. – Aber ich verbot das, als einem humanen Zeitalter nicht mehr angemessen. – Und siehe, nach fünf Milliarden [286] Aeonen ist noch Lilith damit ’ringefallen. – Du aber bist nicht eingeschlafen. Drum lege dich hin und hole es nach. Und ich werde dir aus einer Rippe, die du entbehren kannst, ein andres Weib, die Havva, schaffen. Und du sollst ihr erzählen dürfen, was du willst: die Anekdoten vom alten Fritz und vom Kaiser Joseph, von Mordje Unglück und vom Förster Fröhlich, nur nicht die Anekdote von Löb Hirsch, Altkleiderhändler von Posen.“ – Und da Adam wieder erwachte, saß Havva neben ihm, sein neues Weib, im ausgeschnittenen Ballanzug, ähnlich dem des zukünftigen neunzehnten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung. Und Adam kosete mit ihr und sprach: „Ich weiß eine Anekdote, aber ich darf sie nicht erzählen.“ Havva sein Weib wurde aber sehr neugierig und schmeichelte ihm: „So du mir erzählest deine Anekdote, stricke ich dir auch einen schönen langen Hosenträger.“ Und Adam erzählete ihr die Anekdote vom Löb Hirsch, Altkleiderhändler von Posen. Und Havva sprach zu Addam: „Lieber, erzähle sie mir noch einmal!“ – Da aber trat Gott der Herr, mit Baumwolle in den Ohren, hinter dem hohlen Baume hervor und rief: „Unterstehe dich! – Mache daß du hinaus kommst aus dem Paradiese! Im Schweiße deines Angesichts sollst du deinen Acker bestellen und den Hirsch Löb von Posen ausgraben und dein Weib Havva soll mit Schmerzen alte Anekdoten gebären. – Cardinal mit dem feurigen Schwerte! ich habe meine Schuldigkeit gethan, thun Sie die Ihrigte!“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nnd