Leberecht Uhlich (Albert Traeger)
Der Jahre einundsiebzig zählt er heute,
Und zählen doppelt dieser Jahre meiste,
Entrang er doch dem Alter seine Beute
Und steht, ein Mann mit jugendfrischem Geiste,
Selbst eine Fahne, hoch noch im Gefecht;
Wo Uhlich steht, da gilt’s ein heißes Ringen,
Da schnellt den Pfeil, was finster, feig und schlecht,
Doch ließ er nie sich beugen, noch bezwingen,
Sein langes Leben stets ein Leberecht.
Das Priesterthum der Freiheit und des Lichtes,
Dies schwere Kreuz hat er auf sich genommen,
Und führt’s auch noch den Weg des Hochgerichtes,
Es muß der Tag des Sieges endlich kommen,
Der statt der Dornen Lorbeerkränze flicht
Für alle die Verklagten und Verdammten;
Unsterblich ist der Geist, der Ketten bricht,
Doch die der Scheiterhaufen Brand entflammten,
Die Kläger und Verdammer sind es nicht.
Sie haben immer trefflich sich verstanden,
Jenseits der Berge, diesseits – eitle Worte,
Den Quell des Lebens machten sie versanden,
Bis hüben er wie drüben starr verdorrte,
Und ob auch Zwist in beiden Lagern schien,
Begann sich nur ein freier Geist zu regen,
Schnell ließen sie den müß’gen Hader flieh’n,
Und riefen dem gemeinen Feind entgegen
Einstimm’gen Chores: Kreuz’ge, kreuz’ge ihn!
Und die des Lichtes heil’gen Kampf begannen,
Lang’ blieben sie vereinzelte Zerstreute,
Und unbegriffen gingen sie von dannen,
Saat für die Zukunft – anders ist es heute:
Wir stehen eine festgeschloss’ne Schaar,
Die Besten alle sind auf uns’rer Seite,
Des Kampfes Ziel ist Jedem offenbar,
Und uns’rer Losung bringt aus fernster Weite
Die neue Stunde neue Kämpfer dar.
Die eine Freiheit, und die eine Allen,
So wird die alte Botschaft neu verkündet,
Und ihre Kanzel, nicht in Tempelhallen,
Im Menschenherzen steht sie tiefbegründet,
Und mächt’ger immer schwillt der Geister Strom,
Er trägt die sich befreiende Gemeine,
Schon wölbt sich stolz ihr unsichtbarer Dom
Hoch über allem trügerischen Scheine –
Und uns’re Feinde sind nicht blos in Rom.
Noch tagen aller Orten die Concile,
Den Bannstrahl schleudern sie nach allen Enden,
Ohnmächtig aber fehlt er seine Ziele,
Wer läßt am Tag von Feuerschein sich blenden!
Das Wort ertödtet, Leben schafft der Geist,
Zerbrochen liegt der todten Formel Schranke,
Darein den Glauben mühsam sie geschweißt,
Unfehlbar ist der menschliche Gedanke,
Der selbst dem Himmel seinen Blitz entreißt!
Ein Wecker bist und Sammler Du gewesen,
Als dämmernd sich das Licht des Morgens regte,
Zu ihrem Herold hat auch Dich erlesen
Die neue Zeit, die sturm- und drangbewegte;
Treu, Uhlich, bliebst Du stets in Wort und That,
Hast männlich der Verfolger Haß getragen,
Schau’ Deinen Lohn: schon grünt der Zukunft Saat,
Und bald wird sie für alle Zeiten ragen,
Die freie Kirche in dem freien Staat!
Albert Traeger.