Leiden und Freuden in der Tierpension
[448] Leiden und Freuden in der Tierpension. (Zu den Bildern S. 444 u. 445.) Nun nahen sie sich wieder, die holden Tage der Rosen und der Sommerferien! Am häuslichen Herde beansprucht das Thema des sommerlichcn Landaufenthalts mehr und mehr eine bevorzugte Stellung und die Stammtische im Wirtshaus wie die Kaffeevisiten werden gleichsam zu ebensovielen Sommerfrischenörsen, an denen über Wert oder Unwert der einzelnen Plätze nach Maßgabe der vorjährigen Erfahrungen abgeurteilt wird.
Eine Schwierigkeit wirft vielfach bängliche Schatten über das fröhliche Planen und Rüsten – was wird aus dem „Karo“, den man doch nicht von Berlin auf den Ortler, aus Mieze, die man nicht von Königsberg nach Ilmenau, aus „Joko“, dem Papagei, den man doch nicht samt seinem großen Käfig von Frankfurt ins Seebad schleppen kann. Wohin mit all den zwei- oder vierfüßigen, geflügelten oder ungeflügelten Lieblingen, die man doch ebensowenig allein in den verlassenen Räumen der Stadtwohnung ihrem Schicksal überlassen darf? Glücklich noch der, dem ein guter Freund, ein gefälliger Nachbar, eine aufopferungsvolle Familientante die Sorge für Hund, Vogel oder Katze abnimmt – aber nicht jedermann verfügt über so bequeme Hilfstruppen; und vielleicht hat schon manche freundlich lächelnde Luftkurhoffnung um eines nichtsahnenden Köters oder Kanarienvogels willen unter stillen Seufzern über die Unvollkommenheit des menschlichen Erdenloses begraben werden müssen.
Indessen, es ist eine alte Erfahrungsthatsache: Bedürfnisse schaffen Erwerbszweige. Aus dem Zusammendrängen der Menschen in Großstädten entstand das Bedürfnis nach einem Gegengewicht, einem Aufatmen in reiner Luft, und aus dem Bedürfnis der reinen Luft entstand die Sommerfrischenindustrie; als Nebenerscheinung dieser Vorgänge entwickelten sich aus dem Bedürfnis einer sommerlichen Unterkunft für die verlassenen tierischen Hausgenossen die „Tierpensionen“. Zünftige Tierzüchter oder unternehmende Liebhaber erboten sich, gegen ein entsprechendes Entgelt die zum Dableiben verurteilten Haustiere in „Kost und Logis“ zu nehmen und für eine zweckmäßige Wartung während der Abwesenheit der verehrlichen Herrschaften Sorge zu tragen. Derartige Tierpensionen bestehen zum Beispiel in Berlin, zweifellos auch in anderen Großstädten, und sie finden, was in Anbetracht der Verhältnisse nicht wundernehmen kann, lebhaften Zuspruch.
In eine solche Tierpension führen uns die Bilder von H. Krause. Auf dem einen nimmt eine vornehme Dame mit einem letzten „zärtlichen Liebesblick“ Abschied von ihrem prächtigen Kakadu, einem rechten Luxusvogel, den der stattliche Livreediener im großen Käfig zur Stelle gebracht hat, während ein kleines Mädchen noch liebevoll das gelbe Gefieder seines Kanarienvögelchens streichelt, ehe auch dieses von dem Herrn Pensionsbesitzer ihr abgenommen und in das „Fremdenbuch“ eingetragen wird. Auf dem zweiten Bilde äußert sich die Freude des Wiedersehens nach wochenlanger Trennung bei Menschen und Tieren in der mannigfachsten Weise. Am freudigsten mag wohl die junge Dame überrascht sein, die bei ihrer Rückkehr ihre schöne Leonberger Hündin als glückliche Mutter von vier hoffnungsvollen Leonbergerchen wiederfindet.