Lichtenthal
Wie! dies wäre der Weg, der den staunenden Wanderer leitet
Zu dem Asyle, wo Ruh findet das schmachtende Herz?
Wie! dies wäre der Weg in die friedlichen Räume des Klosters,
Hier, wo das laute Gewühl bunter Gestalten sich drängt?
Durch den umwirbelnden Staub Albions Töchter entfliehn!
Ha! wie flattern die Locken, die Schleier, wie pochen die Busen!
Mancher verderbliche Pfeil zückt aus den Augen herab.
Sieh nur, wie kleidet so hübsch das schwarze Barett die Blondine,
Sieh, wie die Grazie leicht auf dem schäumenden Zelter sich schaukelt
Und wie die Wangen ihr glühn, – Mädchen, wie bist du so schön!
Aber sie sausen vorbei durch den Gang altprächtiger Eichen,
Deren erquickendes Dach üppig sich über uns wölbt. –
Wandeln im glänzenden Zug Herren und Damen vorbei.
Neugier findet und Lachlust immer Befriedigung reichlich,
Heiteres Wechselgespräch, eiteles Geckengezier;
Hier auch flittert die Mode vorbei in unzähligen Farben,
Dort auf dem schlängelnden Pfade, der hinläuft neben dem Hauptweg,
Sitzt auf der moosigen Bank flüsternd ein zärtliches Paar;
Wohl kam, Heilung zu suchen, schon Mancher zur reizenden Badstadt,
Doch ein verwundetes Herz bracht’ er nach Hause zurück.
Ein gleichfühlendes Herz, innigen Liebesgenuß.
Keinerlei Heilquell kann so Wunder vollbringen, wie Liebe,
In das verödete Herz ruft sie den Frühling zurück.
Wandle nur, glückliches Paar, kein Lauschender möge dich stören!
Aber nun folgt mir wieder zurück auf den Weg zu dem Kloster,
Mischt euch wieder mit mir dort ins Gewühle des Zugs!
Amor verlocket uns sonst in unendliche Waldlabyrinthe,
Und in das klopfend Herz zischet der sichere Pfeil. –
Und mit dem spornenden Stock schreitet der Führer zur Seit’;
Dort am Quell im Gebüsche, da bieten die Knaben geschäftig
Köstliches Wasser dir an gegen ein kleines Geschenk;
Hast du getrunken genug von den siedenden Thermen der Badstadt,
Dies die Allee zum Kloster also, dies wären die Pilger,
Deren unendlicher Zug plaudernd die Vögel verscheucht?
Wallen sie hin zum Gebet? Doch nein, bei dem Thore des Klosters,
Kehren die Schwärmenden um, oder zerstreu’n sich im Thal,
Oder bei Wein und Kaffee scherzen den Abend sie weg.
Gern doch weil’ ich im Kloster am Ufer des schäumenden Waldbachs,
Hinten von dunkeler Wand träumrischer Tannen begrenzt:
Wenige folgen mir nur in den Frieden der stillen Kapelle,
Auf dem Paradebette, von riesigen Löwen bewachet;
Manch ein Gedenkmal noch dämmert aus Nischen hervor.
Und nun tret’ ich von da in die hallenden Räume der Kirche,
Wo mit der Orgel vermählt klinget der Nonnen Choral.
Und in das fromme Gebiet senkt sich der Himmel herab.
Aus dem Gewirbel der Fluth in der Andacht Hafen gerettet,
Fühlt das beklommene Herz neu sich gehoben und frei;
Sehnsucht schwellt es empor nach einer beglückteren Heimath,
Ach! und der Kindheit Blumen, des schuldlos frommen Gemüthes,
Von dem gekreuzigten Christ blühen mir wieder empor.
Heilige Märtyrer nah’n, mit den leuchtenden Wunden geschmücket,
Frieden im Antlitz, das Haupt strahlend im goldenen Schein. –
Sind wie ein seliger Schmerz liebender Seelen verhallt.
Stille verliert sich das Volk; nur ich noch zögere träumend,
Ganz allein, und es fehlt dennoch kein theueres Bild;
Scheidend strahlt noch die Sonne herein durch die farbigen Scheiben,
Nur ein schwankendes Licht noch fällt von der ewigen Lampe
Auf der Madonna Gesicht, daß es erglüht und erbleicht. –
Aber die Sonne versinkt und mahnet mich wieder zur Heimkehr,
Tief aus der inneren Welt ruft mich die äußre zurück.
Ueber dem schwärzlichen Berg hebt sich der blühende Mond;
Feierlich halten die Wacht ringsum die rauschenden Wälder,
Ueber die Wiesen dahin gleiten die Nixen des Thals.
Murmelnd geleitet der Oelbach mich in die dampfende Badstadt,
Freundliches Thal, leb’ wohl! Dein Frieden erquickt mich im Schlummer,
Webt mir zum lieblichsten Traum reizende Bilder von dir.