Literarischer Diebstahl
[432] Literarischer Diebstahl. Wir sind abermals in der Lage, gegen einen Unfug Protest einlegen zu müssen, der nicht allein darum verdammenswerth ist, weil er als ein trauriges Zeichen vom Ungeschmack unserer Zeit erscheint, sondern noch mehr deshalb, weil er so recht die Schutzlosigkeit unserer Autoren und die – Keckheit vieler Bühnenleiter und sogenannter Bühnendichter beweist. Von dem Romane der Frau W. von Hillern „Der Arzt der Seele“ liegen gegenwärtig nicht weniger als drei dramatische „Bearbeitungen“ vor, die ohne Ausnahme als durchaus triviale Entstellungen und Verballhornungen der geistvollen Romandichtung unserer geschätzten Mitarbeiterin zu bezeichnen sind. Von diesen drei „Bearbeitungen“ ist jüngst die eine auf dem Victoriatheater des Directors Cerf zu Berlin über die Bühne gegangen, trotz und gegen die ausdrückliche Verwahrung der Frau von Hillern in der „Theaterchronik“. Wir überlassen es unsern Lesern, diese räuberische Brandschatzung, die der Romanschriftsteller auf solche Weise machtlos über sich muß ergehen lassen, zu beurtheilen, fürchten aber, daß unser Protest bei der vollständigen Gesetzlosigkeit, welche der Autor nach dieser Richtung hin in Deutschland zu beklagen hat, heute ebensowenig nützen werde, als der gegen die dramatischen Verunglimpfungen, welche in den letzten Jahren E. Marlitt erfuhr.