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München: die Glyptothek und Pinakothek

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CXVIII. Zion, die Stätte der Burg David’s Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CXIX. München: die Glyptothek und Pinakothek
CXX. Delphi
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DIE GLYPTOTHEK UND PINACOTHEK
in München

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CXIX. München: die Glyptothek und Pinakothek.




München, Bayern’s Hauptstadt, ist, wie Rom, von einer Art Campagna umgeben, welche jedoch nur das Oede, Sterile, Eintönige, nicht aber das Großartige der römischen hat. Die Stadt selbst besteht aus einem alten Kern, der an der linken Seite der Isar liegt, und einem neuen, glänzenden Anwuchs. Dieser ist das München des Königs Ludwig, und von ihm soll vorzugsweise hier die Rede seyn.

Keine Residenz in Europa (London, wenn man es als solche betrachten mag, allein ausgenommen) hat im Gebiete der Baukunst in der neuesten Zeit einen Zuwachs von so vielen und so grandiosen Schöpfungen erhalten, als [73] dieser Wohnort eines der kleinsten Monarchen unter den Gekrönten der Erde. Erstaunt betrachtet man ein Prachtgebäude nach dem andern, durchwandelt die aus hohen, glänzenden Wohnhäusern gebildeten, breiten, oft unabsehlichen Straßen, und würde sich in den Mittelpunkt eines großen Reichs versetzt glauben, vermißte man nicht – das Volk, welches sie bewohnen sollte. Wie sehr auch, theils durch sehr künstliche Mittel, und fast immer nur auf Kosten anderer Städte, die Bevölkerung von Bayerns Hauptstadt seit dem Regierungsantritt Ludwig I. gewachsen ist, so hat sie doch mit der räumlichen Ausdehnung der Metropole nicht Schritt halten können. Das Mißverhältniß tritt, da die überspannte Baulust, trotz mancher traurigen Erfahrung, noch nachhaltig fortwirkt, mit jedem Jahre greller hervor. München, das über fünf Stunden im Umfang hat, zählt noch nicht ganz 100,000 Bewohner. –

Man muß in die Ludwigsstraße in München einfahren, wenn man den Eindruck der größten Werke der Baukunst in ihrer ganzen Frische auffassen will. Während rechts am Thore noch ein Breterverschlag den ungeheuern Raum umschließt, auf welchem das Universitätsgebäude sich erheben soll, zeigt sich links, fast vollendet, die Ludwigskirche, im byzantinisch-altitalienischen Style, gegenüber das in der Bauart jener ähnliche Blindeninstitut, die Bibliothek im alt-florentiner Styl wiederum auf der linken Seite, in ernster Pracht das Palais des Kriegsministeriums und die kolossalen, aber etwas monotonen Wohnhäuser zu beiden Seiten der Straße, letztere meistens nach Klenze’schen Rissen gebaut, während jene öffentlichen Werke vorzugsweise nach den Plänen Gärtner’s aufgeführt sind. Die Palläste Leuchtenberg und Herzog Max, gleichfalls Klenze’schen Ursprungs, machen sich weniger durch große Pracht, als durch räumliche Dimensionen, als Fürstenwohnungen kenntlich. Aber einen Triumph feiert das Genie der Architektur in den berühmten 2 Gebäuden, welche, der Kunst zum Heiligthume bestimmt, durch den Wetteifer unter allen Künsten ihre Ausschmückung erhielten: wir meinen die den Königsplatz zierende Glyptothek und Pinakothek. Beide sind Werke Klenze’s. Die Glyptothek, zur Bewahrung classischer Kunstschätze bestimmt, kündigt schon von außen an, daß es ein Pallast sey, wo Götter und Heroen wohnen sollen. Im reinsten ionischen Tempelstyle erbaut, macht dies Gebäude eine unbeschreibliche Wirkung. Seine Form ist ein Quadrat, welches einen Hofraum einschließt. Die nach Südwest gerichtete Hauptfronte von 225 Fuß Länge ruht auf 3 hohen Sockeln und besteht aus einem von 12 herrlichen Säulen getragenen Portikus, an dem sich 2 niedrigere Flügel anlehnen. Sie ist ganz aus Marmor. Eine plastische Darstellung, den Zyklus der Bildnerei versinnlichend, erfüllt das Giebelfeld. Sechs hohe Nischen zu beiden Seiten des Portikus harren der Aufnahme colossaler Statuen der gefeiertsten Künstler und Mäcene des Alterthums. Aehnliche Nischen zieren die Seitenfronten. Die Auffahrt ist auf der Rückseite unter einem auf vier Säulen ruhenden Vorsprung.

Die Ausschmückung des aus 12 Säulen bestehenden Innern ist eben so prächtig als geschmackvoll. Unter den reich und emblematisch verzierten Deckengewölben, vor den mit farbigem Stucco lustro bedeckten Wänden, auf [74] den kostbaren mit Marmor ausgelegten Fußböden, erscheinen die Meisterwerke der antiken Plastik nur um so bedeutender. Die Aufstellung, nach den historischen Entwickelungsperioden der Kunst, ist musterhaft geordnet, und kein Stück in dieser, nur von der des Vatikans übertroffenen Sammlung ist von untergeordnetem, oder mittelmäßigem Kunstwerth. Vieles, was früher zu den ersten Zierden des Louvre gehörte, was in Rom in Pallästen und Villen glänzte, die herrlichen Werke, welche in den Tempelruinen Aegina’s und andern Orten Griechenland’s aufgefunden wurden, sind hier vereinigt, und alle andern Museen Deutschlands werden an Reichthum von diesem einzigen überstrahlt. Als Sterne erster Größe glänzen: der berühmte Antinous, der Apollo Citheroidus, der schlafende Faun, der Torso des Niobiden. Ein Saal ist einzig den Werken der größten Meister unserer Zeit – Thorwaldsen’s, Canova’s, Schadow’s, Rauch’s, Schwanthaler’s geweiht. Aber auch die Kunst der Malerei hat die Glyptothek verherrlicht und hier Schöpfungen hervorgerufen, mit denen sie gleichsam eine neue Aera begann. Wir meinen die Fresken des großen Meisters Cornelius, mit welchen die beiden mittlern, oder die Festsäle, und die zu Versammlungen, oder zum Ausruhen bestimmten Räume, geschmückt sind. Dem Meister ward vom Könige die Aufgabe, in diesen Hallen die griechische Götter- und Heldensage in einer cyklischen Folge von Gemälden darzustellen, und er hat sie auf die genialste Weise gelöst. Aus dem Hesiodischen Mythenkreise wählte er die Gegenstände für die Malereien des einen, des sogenannten Göttersaals; die Homerische Heldensage gab den Stoff zu den Fresken des andern. Die Betrachtung dieser Gemälde reißt selbst das von dem Anschauen der herrlichen Antikensammlung gesättigte Auge zur Bewunderung hin, und gibt dem rohesten Menschen eine heilige Ahnung von dem Anbruche einer Kunstepoche, welche vielleicht einst alle früheren verdunkeln mag. Namentlich ist’s das Gemälde der Zerstörung von Troja, was mit der tragischen Gewalt eines Aschylus oder Shakspeare die Seele des Betrachtenden erfaßt.

Jener stattliche, auf unserm Bilde schwächer beleuchtete Palast, nahe am eben beschriebenen Tempel der Plastik, ist die Pinakothek. Sie ward erst in diesem Jahre vollendet, und ist bestimmt, das Herrlichste des großen Bilderschatzes zu empfangen, der bisher in den Gallerien von München, Schleisheim, Lusthain und andern königlichen Wohnungen zerstreut war. Aus den vorhandenen 9000 Bildern sind die 1600 auserlesensten hier aufgestellt, und sie bilden, nach der des Vatikans, die merkwürdigste und kostbarste Gemäldesammlung der Welt. Die Geschichte der Malerei ist nirgends umfassender, glänzender und vollständiger dokumentirt als hier. Eine in’s Einzelne gehende Beschreibung würde uns zu weit führen; es möge nur erwähnt seyn, daß sich die größten Meister der alt- ober- und niederdeutschen Schule (die berühmte Boisseree’sche Sammlung ist ebenfalls hier) so wie Rubens, Rembrandt, und andere Niederländer, nirgends besser in allen Nüancen ihres Genius studieren lassen.

Auch die Pinakothek, deren innere Verzierung der Vorwurf allzugroßer und unangemessener Pracht nicht unverdient trifft, schmückt die Freskomalerei in einem längst der Südfronte hinlaufenden Corridor, (einer Loggia) der [75] mit seinen 25 Arkaden äußerlich dem Gebäude zur bezeichnenden Zierde gereicht. Diese Fresken machen die Geschichte der neuern Malerei anschaulich. Jeder der 25 Bogen enthält bildliche Darstellungen, zu denen Professor Zimmermann die Kartons nach den Skizzen von Cornelius entwarf. Aber auch die neuere Plastik übernahm die Aufgabe, mit einer Reihe ihrer Meisterwerke diesen Prachtpallast der Malerei zu zieren. Professor Schwanthaler’s berühmte Marmor-Standbilder der größten Maler, colossal, und in der Tracht ihrer Zeit, gehören zu den vollkommensten Hervorbringungen der neuern Sculptur, und sie stellen diesen genialen Künstler voll nicht zu ermüdender Thätigkeit Thorwaldsen an die Seite[1].

Unter den übrigen Bauten des Königs zur Verherrlichung Münchens zeichnen sich aus der 600 Fuß lange Bazar, mit den gegen den Hofgarten hin sich öffnenden Arkaden, welche Kaffehäuser und Waarengewölbe überschatten. Durch die theils landschaftlichen und theils historischen Freskomalereien, womit Cornelius und seine Schüler dieser Bogengänge Inneres dekorirten, werden sie zu einer der Hauptsehenswürdigkeiten der Hauptstadt. – Dem aus den Arkaden Tretenden zeigt sich rechts die nördliche Fronte der Residenz, die Klenze im Style des Palladio aufzuführen noch beschäftigt ist. Vollendet wird es der vollkommenste Königspallast in Europa seyn und an Größe von keinem übertroffen. Die derzeitige Wohnung des Monarchen, der sogenannte Königsbau, macht künftig nun einen Flügel der Residenz aus. – Wir enthalten uns, von den nicht minder großartigen Unternehmungen dieses Fürsten zu reden, die im Entstehen sind, oder zu denen erst der Plan entworfen ist. In den verschiedensten Stadttheilen sieht man mächtige Substruktionen aus der Erde steigen, und in den Ateliers der Künstler Tausende von Händen mit Entwürfen und mit der Ausführung von Bildwerken zu Zierde und Schmuck thätig. So sind, um nur ein Beispiel anzuführen, in Schwanthaler’s Werkstätte allein über 50 Künstler behülflich, des berühmten Meisters Arbeiten zu fördern. – Ein Wille aber leitet alle diese Thätigkeiten, und ein Geist geht durch alle diese Werke, der des Königs. Fern sey es von uns, der richtenden Nachwelt in ihrem Urtheile über diesen Monarchen vorgreifen zu wollen; es wird vielleicht ein strenges seyn; wie es aber auch falle: Ludwig’s großartiges Wirken für die Kunst wird für alle Zeiten Glanz auf seinen Namen werfen. –





  1. Mit Erlaubniß des Königs und im Auftrag des Bibliographischen Instituts wird gegenwärtig der ganze Cyklus dieser herrlichen Bildwerke, nach den Originalmodellen, in der königlichen Kunstgießerei vom Director Stiglmaier in Erz gegossen; und im Verlage desselben Instituts werden sie vom Grabstichel des berühmten Amsler als chalkographisches Prachtwerk erscheinen. Beiden Unternehmungen hat der vielbeschäftigte Meister (Schwanthaler) auf eine ganz uneigennützige Weise die lebhafteste Theilnahme zugewendet.