MKL1888:Ackerkulte

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ackerkulte“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 93
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Ackerkulte. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 93. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ackerkulte (Version vom 28.10.2021)

[93] Ackerkulte (Feldkulte). Bei allen Ackerbau treibenden Völkern findet man entweder einen ausgebildeten Kultus der den Acker und die auf ihm gebaute Feldfrucht beschützenden Gottheiten oder doch gewisse Gebräuche, welche die Überlebsel eines alten Ackerkultus sind. Bei den alten Ägyptern war dieser Kultus gänzlich mit dem Osirisdienst verschmolzen, dessen Leben und Sterben mit dem periodischen Leben und Sterben der Sonne und der gesamten Natur verknüpft war. Bei den Griechen war der Demeter- und Persephonedienst wesentlich ein Ackerkultus, man verehrte in der Demeter (der Ceres der Römer) und ihrem Günstling Triptolemos die Bringer und Schützer des Ackerbaus, in der Persephone (der Proserpina der Römer) die Ackerfrucht selbst, die zur Unterwelt hinabsteigt, um wieder neu zu sprossen. Bei den Römern war der Feldkultus ein außerordentlich entwickelter; man verehrte nicht nur eine ganze Schar von Gottheiten und Göttinnen, die jeden einzelnen Entwickelungsvorgang des Getreides zu beschützen hatten, eine Seja für das begrabene Korn, eine Segetia für die Keimung, einen Nodotus für die Knotenbildung, eine Volutina und Patella für die Knospen- und Spelzenbildung, eine Lacturcia für die Samenbildung etc., sondern man suchte auch dem Getreide feindliche Gottheiten, wie die Rostgöttin Robigo, durch feierliche Opfer an bestimmten Tagen zu versöhnen. Die Priesterschaft, welche diese Kulte zu versehen hatte, waren die Arvalischen Brüder (s. d.), welche durch feierliche Umzüge und Weihen das Gedeihen der Feldfrucht zu sichern suchten. Von diesen feierlichen Umzügen haben sich in den katholischen Ländern deutliche Spuren in der christlichen Einsegnung der Felder und Feldfrüchte, in den Umgängen des Maikönigs (s. Maifest), in den Bittgängen zur Zeit der Dürre und Trockenheit, in den Zeremonien zur Fruchtbarmachung der Felder (s. Opfergebräuche[WS 1]) und in der feierlichen Einsegnung der Alpen (Alpenweihe) erhalten. Wahrscheinlich aber gehen verschiedene dieser Gebräuche auch auf das deutsche Heidentum zurück, in welchem Freir und Holda als Beschützer des Ackerbaus verehrt wurden und der Hertha oder dem Nerthus ähnliche Umzüge gewidmet waren. Auch die Jahreszeitenfeste, das Frühlings-, Mai- und Mittsommerfest, hatten eine deutliche Beziehung auf die Fruchtbarmachung der Felder und Beschützung der Haustiere. Nächstdem lebt in Naturvölkern der Glaube, daß das Leben der Kulturpflanzen durch ein menschliches Wesen oder eine Art Dämon personifiziert werde. So verehrten die alten Peruaner eine Maismutter und eine Kartoffelmutter, denen sich in den germanischen Ländern eine Kornmutter oder Roggenmuhme an die Seite stellt, die im Feld schützend umgehen und in Peru wie im alten Deutschland bei der Ernte durch Puppen aus Mais- oder Roggenstroh dargestellt wurden. Diesen schützenden Gottheiten stellten sich aber überall feindliche entgegen, so der böse Feind der Bibel, welcher Lolch (in Skandinavien „Lokis Hafer“) unter das gute Getreide säet, in Rom der Dornengott (Deus spiniensis) und die Robigo, welche Disteln und Brand schickten, und bei den germanischen Stämmen der Roggenhund oder Roggenwolf, Bilwitz oder Bilsenschnitter, Tauschlepper, und wie sie alle heißen. Der Roggenwolf ist ein Dämon, den die Landleute im Getreide gehen sehen, wenn es im Wind Wellen schlägt und die Halme niedergeworfen werden, und ihm schreibt man auch die Entstehung des Mutterkorns (Wolfszähne) zu. Als der Bilwitz oder Bilsenschnitter wurde der Teufel selber oder ein ihm verbündeter Mensch betrachtet, welche mittels kleiner, an den Zehen befestigter Sicheln die besten Halme wegmähen, damit es dünn steht, und der Tauschlepper endlich ist ein böser Mensch, der den Feldern in der trocknen Jahreszeit den Tau nimmt. Wie schon die Römer in ihren Agrargesetzen das Verhexen des Ackers verboten, so hatte man natürlich auch allerlei Gegenmittel gegen diese Beschädigungen. Bei der Getreideblüte folgten neue Weihen, bei der Ernte ließ man besondere Büschel für Odin und Holda stehen und suchte (in Preußen) den von Garbe zu Garbe fliehenden Korndämon zu fangen, der dann in der letzten Garbe stecken bleibt, die, als alter Mann (Kornmann, Kurche) ausgeputzt, feierlich eingeholt, beim Erntefest mitspielt, den Winter über bewahrt und im Frühjahr wieder aufs Feld geführt und zerstreut wird. Vgl. die Schriften von W. Mannhardt: Wald- und Feldkulte (Berl. 1875–77, 2 Bde), Roggenwolf und Roggenhund (2. Aufl., Danz. 1866), Die Korndämonen (Berl. 1867).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. dieses Stichwort ist nicht vorhanden