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MKL1888:Beghinen und Begharden

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Beghinen und Begharden“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Beghinen und Begharden“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 2 (1885), Seite 613614
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Beghinen und Begharden. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 613–614. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Beghinen_und_Begharden (Version vom 30.04.2022)

[613] Beghinen und Begharden (Beguinen, Beginen oder Begutten, Beguinae, bez. Beghardi, Beguini, Beckarden) heißen in den Quellen des 12.–14. Jahrh. die Mitglieder der Collegia Beguinarum, bez. Beguinorum, d. h. der Brüder- und Schwesternhäuser, in welchen arme, ältere Personen Wohnung, Heizung und Licht unentgeltlich empfingen. Den sonstigen Lebensunterhalt verdienten sie, soweit sie dazu im stande waren, durch Handarbeiten, eventuell durch Krankenpflege und sonstige nützliche Beschäftigungen. Der Name Beghinen und Begharden, von welchen der erstere Frauen, der zweite Männer bezeichnet, hat bis jetzt keine allgemein anerkannte Deutung gefunden. Die Ableitung von dem Namen Lambert le Bègues, der 1180 in Lüttich ein Beghinenhaus stiftete, hat einige Wahrscheinlichkeit für sich; dagegen scheint die Erzählung von der heil. Begha, welche in einer spätern Epoche zur Schutzpatronin der Beghinenhäuser gemacht wurde, auf einer Mythe zu beruhen. Der Name Beghinen wird erst im 15. Jahrh. von den Insassen dieser Stifter selbst gebraucht, in der frühern Zeit ist es ein Schelt- und Sektenname, welcher von den „Brüdern“ und „Schwestern“ (denn so pflegten sie sich einfach zu nennen) zurückgewiesen worden ist. Die Begharden- und Beghinenhäuser sind bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrh. fast ausschließlich fromme Stiftungen jener weitverbreiteten „Brüdergemeinden“, welche unter dem Namen Waldenser bekannt sind. Die Geistlichen der Brüdergemeinden waren ihre Patrone. Sie hatten große Ähnlichkeit mit den heutigen evangelischen Frauenstiftern und Diakonissenhäusern. Sie standen zu den katholischen Orden, von welchen sie sich prinzipiell unterschieden, in Opposition. Daher erfolgten seit 1311 durch Papst Clemens V. Unterdrückungsmaßregeln. Infolge der äußern Verfolgungen und des Rückganges des Waldensertums sahen sich die Collegia Beguinarum meist genötigt, die Franziskaner-Ordensregel anzunehmen, und von da ab wurden sie von den Päpsten wieder in Schutz genommen. Während noch die Inquisition von Toulouse vom Jahr 1307 ab zahlreiche B. als Ketzer zur Einmauerung und Verbrennung verurteilt [614] hatte, erließ Papst Johann XXII. 7. März 1319 eine Bulle, in welcher allen denjenigen B., welche die Regel der Franziskaner-Tertiarier annehmen wollten, Gnade zugesichert ward. Die Bulle Papst Nikolaus’ V. vom 12. Febr. 1453 nahm alle damals noch bestehenden Konvente in den Schoß der Kirche auf und verlieh ihnen die Rechte der Tertiarier. Die Zeit der größten Ausbreitung des Beghinenwesens fällt in das 13. und 14. Jahrh. Damals gab es Konvente in fast ganz Westeuropa, besonders in Oberitalien, Südfrankreich, Deutschland, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz etc. Innerhalb des Reichsgebiets verschwanden sie mit dem 16. Jahrh.; in Norddeutschland nahmen sie meist die Reformation an. In Belgien, wo sie kirchlich organisiert wurden, existieren sie noch heute (20 Beghinenhäuser mit etwa 1500 Insassen). Vgl. Mosheim, De Beghardis et Beguinabus (Leipz. 1790); Hallmann, Geschichte des Ursprungs der belgischen Beghinen (Berl. 1843); L. Keller, Die Reformation und die ältern Reformparteien (Leipz. 1885).