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MKL1888:Erosion

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Erosion“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 814815
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Erosion. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 814–815. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Erosion (Version vom 13.12.2024)

[814] Erosion (lat., „Zernagung, Durchfressung“), in der Geologie Auswaschung durch fließendes Wasser oder Regen, wodurch im Lauf der Zeiten die Reliefformen der Erdoberfläche langsam verändert und nivelliert werden, sofern nicht neue Hebungen und Senkungen oder Zufuhr neugebildeten Materials diesem Nivellement entgegentreten. Die E. ist nicht allein an der Oberfläche, sondern auch in den unterirdischen Wasserläufen thätig, und durch ihre stetige und allgemein verbreitete Wirksamkeit ist sie für die Massen- und Formbildung der Erdrinde von größtem Einfluß. Ihre Wirkung ist teils chemischer, teils mechanischer Art, vielfach ineinander greifend. Die chemische E. wirkt auflösend entweder auf die Gesteine im ganzen oder auf gewisse Bestandteile derselben; ihre Wirkungen sind demnach abhängig von der Löslichkeit der Gesteinselemente und von dem Lösungsvermögen sowie der Menge des Lösungsmittels. Als Lösungsmittel kommt fast nur das Wasser in Betracht, dessen Lösungsvermögen aber sowohl durch die in geringer Menge darin gebundenen Gase, namentlich Sauerstoff und Kohlensäure, als auch durch etwa schon darin gelöste Mineralbestandteile modifiziert wird. So ist das Lösungsvermögen des Regenwassers im Winter und Frühjahr nicht dasselbe wie im Sommer und Herbst, weil der Gehalt an Ammoniumnitrat und -Nitrit mit der Jahreszeit wechselt; so ist das Lösungsvermögen des Flußwassers geringer als das des Regen- und Quellwassers, weil ersteres in der Regel schon mit mineralischen Bestandteilen gesättigt ist, während durch Aufnahme von Kohlensäure bei dem Durchsinken der Vegetationshülle oder aus unterirdischen Mofetten die chemische Wirkung der Gewässer auf die Mineralien bedeutend erhöht wird. Kein einziges Gestein ist absolut unlöslich, aber die Löslichkeit der Gesteinselemente [815] ist eine sehr verschiedene. Leicht lösliche Verbindungen, wie z. B. das Steinsalz, sind der chemischen E. in hohem Grad zugänglich und deshalb in ältern Formationen auch nur dort in größern Massen erhalten, wo dieselben durch wasserdichte Lagen (Thone) gegen die unterirdische E. geschützt waren. Auch Gips und Anhydrit können noch als leichter lösliche Gesteine gelten, und die unterirdische E. derartiger Massen kann gleichfalls für die Niveauveränderungen an der Oberfläche von Bedeutung werden. Kalkstein, kohlensaures Calcium, ist als solcher in destilliertem Wasser fast unlöslich; bei Gegenwart von freier Kohlensäure jedoch wird er als leichter lösliches Bicarbonat in nicht unbeträchtlicher Menge aufgelöst, aber auch bei Verlust der Kohlensäure leicht wieder abgesetzt. In den Mergelgesteinen, die neben Kalk auch Sand und Thon enthalten, ist zwar fast nur der erstere Bestandteil der chemischen E. unterworfen; aber wenn der Kalk ausgelaugt ist, so wird dadurch das Gefüge gelockert, und die mechanische E. hat nun ein viel leichteres Spiel. So geht auch bei den kristallinischen Silikatgesteinen die mechanische mit der chemischen E. Hand in Hand. Einzelne leichter lösliche Bestandteile werden allmählich zersetzt, mehr oder weniger gelöst, das Gefüge wird gelockert, und die losen Teile bieten der mechanischen Gewalt der strömenden Gewässer bald nicht mehr genügenden Widerstand. So zerfällt der Granit umso eher, je mehr er von leichter zersetzbaren Verbindungen (kalkhaltigen Feldspaten) enthält. Die mechanische E. an der Erdoberfläche wird auch durch den Temperaturwechsel der Atmosphäre unterstützt und dies um so mehr, je öfter die Temperatur um den Nullpunkt wechselt, je häufiger bei dem Gefrieren und der Volumvergrößerung des Wassers in den Spalten eine mechanische Kraftäußerung auf die Kohäsion einwirkt. Im allgemeinen wird demnach in den gemäßigten Zonen und auf Hochgebirgen in der Nähe der Schneegrenze durch Frost die E. am meisten befördert.

Auf die Wirkung der E. im Lauf geologischer Zeiten ist die Abwechselung von Berg und Thal, die Bildung der Stromthäler wie das kuppenförmige Hervortreten der meisten isolierten Berge im wesentlichen zurückzuführen, wobei als modifizierende Faktoren auch die ursprüngliche Form und Struktur der Massen, die Lage von Trennungsklüften und die mineralische Natur der Gesteine von Einfluß gewesen sind, während vulkanische Eruptionen, säkulare Hebungen und Ausfüllungen von Erosionsthälern durch Neuabsätze ebenfalls, aber seltener, die Konfiguration einer Gegend bestimmen. So sind auch die reinen Erosionsthäler viel häufiger als diejenigen, deren erste Anlage durch die Tektonik der unterlagernden Gesteine, etwa durch Spaltenbildung (Spaltungsthäler), bedingt wurde, und auch in letzterm Fall ist dann der E. nach der ersten Anlage die Hauptrolle bei Erweiterung der Thalbildung zugefallen. Ein Beispiel der Wirkung der E. in der Kreide des Kaukasus zeigt die untenstehende Figur. – Aus der Menge des durch die Flüsse transportierten Materials hat man Rückschlüsse auf den erodierenden Einfluß der Flußthätigkeit in dem betreffenden Gebiet gethan und so z. B. gefunden, daß der Abtrag des Rheingebiets bis Bonn zu 1 m in 30,000 Jahren, des Pogebiets zu 1 m in 3600 Jahren, des Mississippi zu derselben Menge in 18,000 Jahren, des Ganges in 7900 Jahren geschätzt werden kann: Größen, die sich selbstverständlich auf das Gebiet sehr ungleich verteilen, so daß die E. an einzelnen Punkten schon in viel kürzerer Zeit sehr merklich

Erosion im Kreidefels bei Saermi im Kaukasus (nach Abich).

formändernd wirken kann. – Über die erodierende Wirkung des sich vorwärts bewegenden Eises vgl. Gletscher und Eiszeit. – In der Heilkunde versteht man unter E. einen Verlust des Epithels auf Schleimhäuten, wie er namentlich bei Katarrhen häufig vorkommt, während man einen derartigen Verlust der Epidermis (durch Stoß, Schlag etc.) gewöhnlich als Exkoriation (s. Hautabschürfung) unterscheidet. E. der Zähne, s. Zahnkrankheiten.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 305307
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[305] Erosion. Die erodierenden Faktoren sind das Wasser in flüssigem und festem Aggregatzustand, also das rinnende und strömende Wasser der Bäche und Flüsse, das Eis des Meers und der Gletscher sowie die Luft im bewegten Zustand. Für die Herausbildung des Reliefs der festen Erdoberfläche, das wesentlich auf die Wirkung der E. zurückzuführen ist, kommen in erster Linie der Regen und das fließende Wasser in Betracht. Das auf geneigter Fläche herabrinnende reine Wasser ist an und für sich nicht fähig, in festes Gestein mechanisch eine Furche einzuschneiden, die Vorbedingung für eine erodierende Thätigkeit ist in diesem Fall die oberflächliche Zersetzung des Gesteins durch die chemische und mechanische Wirkung der Atmosphärilien und durch wechselnde Temperatur. Die Thätigkeit des rinnenden Wassers besteht demnach lediglich in der Zerkleinerung und dem Fortschaffen des durch die Verwitterung gelieferten losen Materials. Durch das Fortschwemmen der Gesteinspartikeln wird die Neigung der Gehänge beständig verringert und zwar bis zu dem Grade, daß die mit den kleinsten Partikeln beladenen Gewässer noch gerade fließen können. Da aber das Material in immer kleinere Partikeln zerlegt wird, so ist das Endresultat der Wirkung des Regens eine völlige Einebnung aller Gehänge. Sind dem bewegten [306] Wasser einzelne feste Mineralteilchen beigemischt, so wird zwar seine Kraft um den Betrag der zum Transport derselben nötigen Arbeit verringert, dafür üben aber feste Körper und besonders Sandkörner eine viel intensivere Wirkung auf die die Flüssigkeit umgebenden Wände aus als das gleiche Volumen Wasser; die mitgeführten Mineralpartikelchen führen eine abreibende und schleifende Thätigkeit auf den Untergrund aus, die bei fließendem Wasser als Korrasion bezeichnet wird. Ist das Wasser eines Flusses mit so viel Sediment belastet, als es bei der betreffenden Geschwindigkeit fortschaffen kann, so wird die ganze lebendige Kraft des fließenden Wassers zum Transport des suspendierten Materials verbraucht, und es findet keine Korrasion statt. Ist die Belastung des Wassers an einem bestimmten Punkt geringer als die der Geschwindigkeit entsprechende volle Belastung, so nimmt es Material vom Boden auf und vertieft durch Korrasion sein Bett; ist es hingegen an einem Punkt überlastet, so wird ein Teil des Materials abgelagert und das Bett erhöht. Die Geschwindigkeit, mit der die Korrasion fortschreitet, hängt einerseits von der Härte, Größe und Masse des suspendierten Materials ab, anderseits von der Beschaffenheit des das Bett bildenden Gesteins und der Strömungsgeschwindigkeit. Jeder Fluß hat das Bestreben, durch Beseitigung der Unebenheiten im Bett ein gleichmäßiges Gefälle herzustellen. Die Gesamtheit der Erosionsvorgänge wird in hohem Grade durch die meteorischen Niederschläge und die Verteilung derselben über das Jahr beeinflußt. Sind diese letztern auf eine bestimmte Jahreszeit beschränkt, so werden dadurch Transport und Korrasion beschleunigt, die Verwitterung hingegen wird verringert. Die Transportfähigkeit wächst sowohl durch zunehmende Strömungsgeschwindigkeit als durch Vergrößerung der Wassermasse; tritt diese zu einer bestimmten Jahreszeit ein, so wird die Transportkraft größer sein, als wenn dieselbe gleichmäßig über das Jahr verteilt wäre.

Die ersten Wirkungen der E. kann man auf gleichförmig abfallendem, aus lockerm, homogenem Material zusammengesetztem Boden nach jedem Regenguß beobachten. Das abfließende Wasser hat sich Rinnsale ausgegraben, die nicht direkt zum Thal hinunterziehen, sondern einander zuströmen und sich in einer Abzugsrinne vereinigen. Die fernere Ausgestaltung eines Rinnsals geht von dem tiefsten

Fig. 1. Längenprofil einer Erosionsrinne.

Punkt aus. Bezeichnet aedb (Fig. 1) den ursprünglichen Wasserlauf auf einer geneigten Fläche, a das Quellgebiet, b die Ausmündung in eine dem Abhang vorgelagerte Thalsohle, in welcher bei o ein größerer Fluß strömt, so ist die größte Wassermasse auf der Strecke cb vereint, wo die E. zuerst einsetzt. Das fließende Wasser hat das Bestreben, sich eine Furche von gleichmäßiger Breite mit senkrechten Wänden zu graben. Ist eine solche für eine mehr oder minder lange Strecke oberhalb b hergestellt, so wird das größte Gefälle und die stärkste Erosionskraft rückwärts, weiter nach d, verlegt werden. Gleichzeitig lagert der Bach die Erosionsprodukte als Schuttkegel am Fuß des Gehänges von b thalaufwärts ab und fließt in mehreren Wasserrinnen darüber hin. Nach jedem stärkern Regenguß findet man das Bett oberhalb b vertieft und den Schuttkegel erhöht, gleichzeitig ist das Quellgebiet nach rückwärts verlegt. Vertiefung der einmal gebildeten Bachrinne und Verlängerung derselben nach rückwärts gehen in gleichem Maß vor. Im Quellgebiet ist die E. am geringsten, dann folgt ein Abschnitt, in dem sie am stärksten wirkt, hierauf ein Teil, in dem weder E. noch Ablagerung stattfindet, endlich der Schuttkegel, der nur durch Ablagerung entsteht. Das Bachbett nimmt also nacheinander eine Gestalt an, die in Fig. 1 durch die gestrichelten Linien bezeichnet ist. Ist der Anfang der Erosionsrinne von d nach e und schließlich bis ins Quellgebiet nach a zurück verlegt, so verschiebt sich der Abschnitt der stärksten E. nach d1d2d3, bez. nach e1e2. Jeder Wasserlauf, der von der Quelle bis zur Mündung an Wassermenge zunimmt, ist bestrebt, der Thalsohle ein solches Gefälle zu geben, daß an jedem Punkte die Transportkraft des Wassers und die Geschiebelast sich das Gleichgewicht halten. In diesem Fall würde weder eine Vertiefung noch Aufschüttung des Bettes möglich sein. Aber dieser Zustand wird niemals dauernd erreicht, da verschiedene Faktoren, wie wechselnde Wassermenge, Erweiterung des Quellgebiets und Bewegungen der Erdrinde, stets störend in den Erosionsprozeß eingreifen. Die Endkurve der E. ist durch die Höhe des Meeresniveaus an der Mündung des Flusses bestimmt, von diesem Punkt aus regelt sich die Gefällskurve. Ihre Lage hängt von dem Verhältnis der Strömungsgeschwindigkeit und der Belastung mit Sediment ab, letztere ihrerseits wieder von der Neigung der Wasserläufe im Quellgebiet. Die Quellflüsse schneiden ständig ein und ermäßigen dadurch ihr Gefälle. Dieser Umstand vermindert aber die Masse der Sedimente, der Fluß kann in seinem untern Teil damit wieder seine einschneidende Thätigkeit aufnehmen und die Erosionskurve tiefer legen; die verstärkte E., welche hierdurch im Oberlauf angeregt wird, führt ihrerseits wieder größere Sedimentmassen dem Unterlauf zu. Daher hören Einschneiden und Ablagern nie ganz auf, nur die einzelnen Abschnitte im Flußlauf verlängern oder verkürzen sich und verschieben sich dabei nach rückwärts. Das Endziel der E. ist, das Gefälle in eine Kurve zu bringen, welche sich von der Quelle bis zur Mündung beständig verflacht. Im obern Teil nimmt das Sammelbecken die Gestalt eines halb umschlossenen Trichters an. An den Wänden desselben ziehen sich radial und nach der Tiefe zu konvergierend Runsen hin, die das Wasser dem eigentlichen Bachbett zuführen. Auch in diesem Sammeltrichter arbeitet die E. an den Wänden und sucht sie nach rückwärts zu verlegen. Stoßen die Rückwände der Sammelbecken von zwei nach entgegengesetzten Richtungen abfließenden Bächen aneinander, [307] so bildet der zwischen ihnen liegende Grat die Wasserscheide. Die Hauptwasserscheide verläuft gewöhnlich in gewundener Linie und zeigt abwechselnd sattelförmige Vertiefungen mit Erhebungen.

Bei der Ausbildung der Erosionsrinne in vertikaler Richtung kommt nicht bloß die Korrasion in Betracht, sondern es tritt daneben noch die Verwitterung in Wirksamkeit. Besteht der Boden aus einer Reihe von Schichten, die abwechselnd aus festem und lockerm Gestein von verschiedener Beschaffenheit und Lagerung zusammengesetzt sind, so setzen sie der erodierenden Kraft verschiedene Widerstände entgegen. In die

Fig. 2. Querprofil einer Erosionsrinne.

oberste harte Gesteinsmasse a in Fig. 2 schneidet der Wasserlauf eine Rinne mit fast senkrechten Wänden ein. Da das Gestein der Verwitterung nur in geringem Maß unterliegt und die Korrasion der etwanigen Verwitterungsprodukte schnell vor sich geht, so kann sich zu beiden Seiten des Thals keine Schutthalde bilden. Hat der Wasserlauf die unter a liegende zweite Schicht b weichen und lockern Gesteins fast durchschnitten, so wird infolge schnellerer Verwitterung dem Bach eine große Masse Sediment zugeführt; dieselbe stammt nicht nur von der Schicht b, sondern auch von a, die durch Unterwaschen des Baches ihre Stütze verliert und abbricht. Die in den Wasserlauf geschwemmten Gesteinsmassen verringern das Gefälle und zugleich die Korrasionskraft. Ist auch c durchschnitten, so liefern die Schichten a und b die Produkte der Verwitterung, c die der E.; hat die erodierende Kraft endlich auch d durchfurcht, und ist damit ein Gleichgewichtszustand vorläufig eingetreten, so wird c unterminiert und die Stütze für die Schutthalde, welche in b sich gebildet hat, genommen, die losen Massen stürzen nach und unterhöhlen dadurch wieder a. Unter solchen Verhältnissen ist das Normalprofil ausgebildet, alle weitern Veränderungen gehen durch die Verwitterung allein vor sich und betreffen die obern Schichten in stärkerm Grad als die unterste, welche durch das herabfallende Material geschützt ist. Seitliche E. tritt überall da ein, wo die Kraft der Strömung zu beiden Seiten eines Wasserlaufs ungleich verteilt ist. Dies geschieht stets, wo derselbe von der geraden Linie abgelenkt wird. Es

Fig. 3. Seitliche Erosion.

bilden sich Kurven im Stromlauf und wirbelnde Bewegungen, die durch Korrasion im Boden runde Becken und an den Seiten Nischen mit geglätteten Wänden aushöhlen (Fig. 3). Das großartigste Beispiel von Flußerosion bietet der Cañon des Colorado. Bei diesem Strom sind alle Vorbedingungen für eine energische Korrasion bezüglich Wassermenge, Sedimente und Gefälle erfüllt. Die gleichförmige Ausgestaltung eines so langen und tiefen Erosionsthals beruht auf der großen Erhebung des Gebiets, der horizontalen Lagerung der Schichten, der Wechsellagerung von homogenen harten Schichten mit solchen, welche der Verwitterung wenig widerstehen, und auf dem trocknen Klima. Jede Thalwand besteht aus einer Übereinanderfolge von abwechselnden Schutthalden und Steilwänden, deren oberste allmählich zurückweichen, während die Schuttkegel, die den weichern Schichten entsprechen, sich verbreitern (s. Thäler, Bd. 17, mit Tafel). Vgl. v. Richthofen, Führer für Forschungsreisende (Berl. 1886); Noë und Margerie, Les formes du terrain (Par. 1888); Gilbert, Geology of the Henry Mountains (Washingt. 1877); Dutton, Tertiary history of the Grand Cañon District (das. 1882).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 256
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[256] Erosion. Alles rinnende Wasser ist bestrebt, sofern es innerhalb der festen Grenzen eines Bettes fließt, für die ganze Länge des Laufes eine bestimmte Gefällskurve herauszubilden. Die Gefällsentwickelung eines Flusses ist aber je nach den besondern Umständen eine ganz verschiedene. Als allgemeines Gesetz gilt der Satz, daß die Wasserwirkung genau der zur Verwendung kommenden Wasserkraft entspricht, d. h. der Wassermenge und Fallhöhe, so daß bei einer Zunahme der Wassermenge eine Abnahme des Gefälles eintreten muß. Ist also das Gefälle derart, daß der Fluß an jedem Punkte seines Laufes dieselbe Arbeit verrichtet, so muß die allmähliche Abnahme des Gefälles genau der Wasserzunahme entsprechen. Anders liegen die Verhältnisse bei jenen Strömen, welche überall auf jedes Hindernis dieselbe Stoßkraft ausüben und infolgedessen ihren Lauf mit gleicher Geschwindigkeit durchströmen. In diesem Falle nimmt das Gefälle des Flusses in dem gleichen Maße ab, wie die Quadratwurzel aus dessen Wassermenge wächst. Die Wasserwirkung wird nun vor allem beschränkt durch den zu überwindenden Widerstand, der seinerseits wieder ein verschiedener ist, je nachdem das Flußbett in festen Fels eingegraben ist oder aus losen Massen besteht. In der Mehrzahl der Fälle, besonders bei den großen Strömen, ist der Boden des Bettes mit Geschiebe bedeckt. Dasselbe entstammt entweder dem Ufer zu beiden Seiten des Flusses, oder wird aus dem obern Laufe zugeführt. Soll nun der Fluß das ihm gelieferte Material bewältigen, so muß sich sein Gefälle nach der Menge und Größe des zugeführten Geschiebes einrichten. Im Laufe der Zeit nutzen sich aber die Geschiebe durch gegenseitige Reibung ab und werden kleiner, zum Transport derselben ist dann aber nicht mehr dieselbe Stoßkraft nötig wie im obern Laufe zum Fortschaffen der größern Blöcke. Da nun die Stoßkraft der Wassermenge und dem Gefälle proportional ist, so kann letzteres um so kleiner werden, je mehr die Wassermenge zunimmt. Der größte Teil der lebendigen Kraft, welche dem fließenden Wasser beiwohnt, wird aber durch die innere Reibung der einzelnen Flüssigkeitspartikel und durch die Reibung der Wasserteilchen am Boden und an den Seiten des Bettes verbraucht. Korrosion und Geschiebetransport ist also nur bei denjenigen Flüssen möglich, in welchen nicht die ganze Beschleunigung der Schwere zur Herstellung der fließenden Bewegung und Überwindung der äußern und innern Reibung verbraucht wird. Man bezeichnet derartige Gewässer als Wildwässer, während Stillwässer diejenigen heißen, bei welchen Wasserkraft und Reibung sich fast im Gleichgewichtszustand befinden. Die Grenze zwischen Wild- und Stillwasserentwickelung fällt daher mit der Grenze zusammen, bis zu welcher die E. wirken kann. Nach der Berechnung von Boussinesq erhält man als eine solche Grenze ein Gefälle von ungefähr 4 pro Mille. Demnach kann ein 1 m tiefes Gerinne bei einem Gefälle von 1,5 m auf 1 km einen Teil seiner Kraft noch auf den Transport von Geschiebe verwenden, während eine einigermaßen beträchtliche E. erst bei einem Gefälle von 7 m auf 1 km beginnt. Die Endkurve der E. liegt somit bei einem Gefälle, das bedeutender ist als das der meisten großen Ströme. Wenn trotzdem Ströme mit ganz geringem Gefälle erodierend auf den Boden ihres Bettes einwirken, indem sie Schlammmassen an einer Stelle aufheben, um dieselben an einer andern in einer Vertiefung wieder abzulagern, so geschieht das auf Kosten der lebendigen Kraft des Wassers. Die Grenze der Wild- und Stillwasserentwickelung fällt mithin nicht mit dem Ende der E. zusammen. Die E. hört erst dann auf, wenn die Gewässer so träge dahinschleichen, daß sie nicht mehr die feinsten Partikel zu verschleppen vermögen, welche sich im Laufe der Zeiten durch das Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte aus ihrem Boden loslösen. Das Gefälle, bei welchem noch ein Schlammtransport möglich ist, ergibt sich für einen 1 m tiefen Strom zu 0,016 pro Mille, d. h. von 16 mm auf 1 km. Die wahre Endkurve der E. verlangt demnach ein ganz geringes Gefälle.