MKL1888:Europa
[919] Europa (hierzu „Fluß- und Gebirgskarte“, „Staatenkarte“ und „Völker- und Sprachenkarte“), einer der fünf Erdteile, der kleinste der drei, welche die Alte Welt bilden.
- Name, Weltstellung und Grenzen S. 919
- Areal und Gliederung 920
- Meere 921
- Bodengestaltung 921
- Gewässer 926
- Geologische Übersicht 927
- Klima und Pflanzenwelt 929
- Tierwelt 932
- Bevölkerung 933
- Politische Verhältnisse 936
- Litteratur 938
E. ist seiner terrestrischen Gliederung wie seiner kulturhistorischen und politischen Bedeutung nach unbedingt der wichtigste unter den fünf Erdteilen. Der Name ist wahrscheinlich assyrischen oder phönikischen Ursprungs (hier ereb = Dunkel, d. h. Sonnenuntergang). Die alten Griechen bezeichneten ursprünglich damit nur einen Teil des westlich von Kleinasien gelegenen Festlandes, insbesondere Thrakien, in welcher Bedeutung der Name zuerst in dem Homerischen Hymnus auf Apollon (V. 250, 1) erwähnt wird; in dem Grad aber, als für die Hellenen die Kenntnis des Westens sich erweiterte, wuchs auch das Territorium, das man mit jenem Namen belegte. Als Grenze Europas gegen Asien wurde zu Herodots Zeit der Phasis angesehen; später galt der Tanais (Don) sehr allgemein als nördliche, der Hellespont als südliche Grenze im O. Nach Strabon und besonders nach Ptolemäos hing E. mit Asien nur durch eine Landenge von etwa 5° Breite zwischen der Nordspitze des Asowschen Meers und der heutigen Ostsee zusammen. Im S. selbst schied der allgemeinsten Annahme nach das Mittelmeer E. von Libyen, seltener rechnete man die Nordküste Afrikas noch zu E.; im äußersten Westen reichte es bis an die Säulen des Herkules. Weiter ging die Kunde der phönikischen Schiffahrer und des kühnen Massiliers Pytheas, aber ihre Kenntnisse waren so lückenhaft, daß sich daraus kein Gesamtbild über Europas Gestalt gewinnen ließ. Erst Cäsars Eroberungen in Gallien, seine Züge nach Britannien, Belgien, über den Rhein verbreiteten über diese Regionen einiges Licht; später ward durch die Expedition des Germanicus auch das Gestade der Nordsee bis an die Cimbrische Halbinsel bekannt, und Ptolemäos nennt die Inseln Skandia und Thule. Hinsichtlich der Konfiguration Europas hebt schon Strabon die mannigfaltige Gliederung seiner Länder und die Auszackung seiner Küsten hervor und bemerkt, wie Asien und Libyen darin gegen E. zurückstehen. Indes beschränken sich alle nähern Angaben der Alten nur auf das südliche und das mittlere E. im W.; das östliche mittlere E. zog erst seit der Völkerwanderung die Blicke der Geographen auf sich, und der Norden erschloß sich nicht vor der Einführung des Christentums. Aber bereits die Alten erkannten schon in den klimatischen Verhältnissen, überhaupt in der ganzen europäischen Natur jene glückliche mediocritas, welche der Entwickelung des Menschengeschlechts so förderlich gewesen ist, und der europäische Menschenschlag erscheint bereits Strabon in jeder Beziehung als der tüchtigste und zur politischen Entwickelung geschickteste.
Seiner Größe nach stellt sich E. mehr als die größte der Halbinseln des mächtigen Asien dar, mit welchem es seiner ganzen Breite nach im O. zusammenhängt, während Afrika fast ganz durch Meer von jenem getrennt ist; aber die selbständige Entwickelung, welche das menschliche Geschlecht auf seinem Boden genommen, Europas Stellung in der Weltgeschichte berechtigen vollständig, dasselbe als besondern Erdteil anzunehmen. Diese Selbständigkeit seiner rastlos fortschreitenden Entwickelung hat E. seiner eignen reichen äußern und innern Gliederung zu verdanken; daß es hierdurch zur Herrschaft über die Welt befähigt ist, daß der kleine Erdteil seinen überwältigenden Einfluß auf die größern ausüben kann, das hat seinen Grund in der Weltstellung desselben. E. liegt nämlich gerade in der Mitte der Landanhäufung auf der Erdkugel, umlagert von drei Erdteilen in größerer oder geringerer Entfernung, von Asien, Afrika und Nordamerika, und wenn es auch nur mit einem unmittelbar zusammenhängt, so ist es von den übrigen doch bloß durch verhältnismäßig schmale und leicht zu passierende Meeresteile gesondert, so daß es auf eine
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EUROPA. Fluß- und Gebirgssysteme. Maßstab = 1 : 24 000 000. |
Höhen und Tiefenschichten in Metern. |
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EUROPA. Politische Übersicht. Maßstab = 1 : 25 000 000. |
[Datumsangabe:] V. 86 |
[920] für die Entwickelung seiner Bewohner höchst bedeutungsvolle und wohlthätige Weise mit ihnen allen in gleichmäßigen Verkehr und Austausch treten konnte.
Die nordwestlichen Grenzen Europas berührt der Atlantische Ozean. Das Mittelländische und Schwarze Meer im S., das Baltische im N. des Erdteils, Binnenmeere von einer Bedeutung, wie sie kein andrer Kontinent aufzuweisen hat, dringen mit ihren Armen vielfältig und tief in denselben ein und bringen die entferntesten Erdteile in innigere Berührung mit E., als sie das kontinentale Asien trotz der Landesverbindung hat. Am kleinsten ist die Berührung mit dem ungastlichsten der Meere, die E. bespülen, nämlich mit dem Nördlichen Eismeer. Der größte Teil der Nord- und Nordwestgrenzen Europas ist ozeanisch; die Südgrenzen sind zwar ebenfalls größtenteils maritim, aber an Binnenmeeren gelegen und an drei Stellen (Gibraltar, Dardanellen und Konstantinopel) nur durch schmale Straßen von den Nachbarkontinenten geschieden; die Ostseite Europas ist völlig kontinental. Die natürliche Ostgrenze Europas, welche zunächst der Kamm des Ural, nach andern dessen Ostfuß bildet, zieht sich vom Südende dieses Gebirges aus längs des niedrigen Landrückens des Obtschej Syrt zur Wolga nach Kamyschin und folgt von da dem Abfall der Wolgahöhen südwärts über Zarizyn bis zur ponto-kaspischen Niederung, in welcher die Kuma zum Kaspischen, der Manytsch zum Schwarzen Meer zieht. Es ist dies die Grenze des Ackerbodens gegen den der Salzsteppen und Wüsten um das Kaspische Meer, welche vom Ural bis zum Kaukasus reichen; die Steppen des europäischen Rußland sind wohl baumlose Ebenen, aber ohne Salzboden. In einer nicht zu fernen Zeit der Erdgeschichte war diese Grenze freilich entschiedener ausgesprochen als gegenwärtig. Alles deutet auf eine frühere Verbindung des Kaspischen Sees einerseits nördlich mit dem Nördlichen Eismeer, anderseits durch die genannte ponto-kaspische Niederung mit dem Schwarzen Meer hin; die letzten Reste dieser Meeresbedeckung sind die zahlreichen Salzseen, und noch ist in den regenarmen Gegenden der Boden geschwängert vom Salz des zurückgetretenen Meers. Damals war E. ein von Asien völlig getrennter Erdteil, und noch jetzt zeugt die Gleichartigkeit der Pflanzen- und Tierwelt an beiden Gehängen des Ural und das Auftreten der spezifisch sibirischen Formen erst weit im O. desselben für die alte Scheidung der beiden Erdteile in der gegebenen Richtung und für die Naturwahrheit der oben gezogenen Grenzen. Die politische Ostgrenze Europas greift in den russischen Gouvernements Perm und Orenburg über das Uralgebirge hinaus und hält sich später westlich vom Uralfluß, den sie nur im Gouvernement Orenburg überschreitet. Die weitere Grenze bilden das Kaspische Meer und die Flüsse Manytsch und Kugu Jeja, welche das europäische Rußland von Kaukasien trennen.
Europas nördlichster Punkt ist das Nordkap auf Magerö, 71°10′ nördl. Br. und 25°50′ östl. L. v. Gr. (der nördlichste Punkt des Festlandes ist das Nord-Kyn), sein südlichster Punkt das Kap Tarifa, 35°59′53″ nördl. Br. und 5°39′ westl. L. v. Gr., sein westlichster das Kap La Roca, 38°40′ nördl. Br. und 9°31′ westl. L. Die größte Längenausdehnung des Erdteils fällt in die Richtung von SW. nach NO., vom Kap St. Vincent (37°3′ nördl. Br.) bis zum Karischen Golf, und beträgt 5560 km, seine größte Breite in der Richtung von N. nach S., vom Nordkap (oder Nord-Kyn) bis zum Kap Matapan (36°23′ nördl. Br.), 3860 km; die schmälste Stelle ist zwischen dem Golfe du Lion und dem Viscayischen Meerbusen, 370 km breit. Im allgemeinen nimmt die Breite des europäischen Festlandes von W. nach O. hin mehr und mehr zu, so daß sich, nach Abrechnung der anstoßenden Halbinseln, als Grundgestalt des Kontinents die Form eines rechtwinkeligen Dreiecks ergibt, von dem die eine Spitze am Meerbusen von Viscaya, die andre am Karischen Golf, die dritte, mit dem rechten Winkel, am Nordrand des Kaspischen Meers gelegen ist.
Der Flächeninhalt von E. begreift nach der politischen Grenzbestimmung (mit Ausschluß von Russisch-Kaukasien, den Kanarischen Inseln und Madeira) 9,881,980 qkm (179,476 QM.) oder mit Einschluß der Haffe an der Ostsee, des Bodensees und des Asowschen Meers 9,923,415 qkm (180,229 QM.). Dagegen würde E. innerhalb seiner natürlichen Grenzen (s. oben) mit Ausschluß der polaren Inseln (auch Islands) nur 9,538,300 qkm (173,225 QM.) groß sein. Die europäische Küste am Eismeer beträgt 5800 km, am Atlantischen Ozean 13,500, am Mittelländischen und Schwarzen Meer 12,600, die Küstenentwickelung des ganzen Weltteils also 31,900, zu denen noch gegen 1200 km für das Kaspische Meer kommen. Bei keinem andern Erdteil findet eine so vielfältige Berührung zwischen Meer und Land statt, ein Verhältnis, welches sich für E. dadurch noch günstiger gestaltet, daß diese Berührung in dem milden Westen und Süden am stärksten und ungleich größer ist als in dem starren Norden. Entsprechend diesem Verhältnis sind auch die bedeutendsten Halbinseln auf der Süd- und Nordwestseite des Erdteils angesetzt; nach dem unwirtbaren Pol hin strecken sich nur zwei geringere Glieder (Kanin und Kola), während Skandinavien gegen den Norden hin durch hohe Gebirgsmauern abgeschlossen ist und Jütland zum Teil schon der Westhälfte des Erdteils angehört. Man kann im ganzen zwölf europäische Halbinseln unterscheiden, welche sich als gesonderte, individuelle Länderräume an das oben bezeichnete Dreieck anschließen. Es sind Kanin und Kola, Skandinavien, die Cimbrische Halbinsel, Nordholland, Normandie, Bretagne, Iberische Halbinsel, Italien, Istrien, die griechische Halbinsel und die Krim. Ihr Flächeninhalt wird auf 2,243,000 qkm (1/5 des Erdteils) oder mit Einschluß Finnlands, das manche auch zu den Halbinseln rechnen, auf 2,683,000 qkm (48,728 QM.), ihre Küstenlänge auf 19,550 km geschätzt; letztere verhält sich also zu ihrem Flächeninhalt wie 1 : 115, und es erhellt hieraus, daß die günstige Küstenentwickelung des ganzen europäischen Kontinents vorzüglich diesen peninsularen Vorsprüngen zuzuschreiben ist, ohne welche E. in dieser Beziehung noch hinter Amerika zurückbleiben würde.
Um den so mannigfach gegliederten Körper Europas sind aber noch eine beträchtliche Zahl Inseln sehr günstig gelagert. Dieselben haben inkl. der polaren Inseln einen Flächenraum von ca. 740,000 qkm (13,440 QM.), ohne letztere von ca. 469,000 qkm (8518 QM.), liegen dabei, mit Ausnahme Islands, sämtlich den Küsten des Kontinents benachbart und sind meist durch schmale Meeresarme davon getrennt, ohne daß sie sich in langen Reihen weit in den Ozean hinaus verlaufen. Hierin liegt der Hauptgrund, daß E. trotz seiner vielfachen Berührung mit dem Meer doch vor einer polynesischen Zerstreuung seiner Bewohner gesichert war. Einzelne der zu E. gehörigen Inseln liegen im N. vor, sind aber nur öde, einflußlose Eilande; zahlreich sind die kleinen Felsinseln, die sich den Küsten Skandinaviens und Finnlands anschließen; größere, nämlich die niedrigen dänischen [921] Inseln, verknüpfen Südskandinavien mit dem gegenüberliegenden Festland. Um Großbritannien und Irland, die größten der europäischen Inseln, welche allein es zur freien, selbständigen politischen Entwickelung gebracht, gruppieren sich kleinere Inseln und Inselreihen, und nördlich von ihnen vermitteln die Färöer die Verbindung Schottlands mit Island. Niedrige, im Kampf mit der See fortdauernd an Umfang variierende Inseln begleiten von Südjütland die Küste bis nach der Spitze Nordhollands. Auch die Halbinseln der Normandie und Bretagne haben ihre Inselbegleitung, aber eine felsigere als das gegenüberliegende Festland. Unter den Inseln des Südens sind die wichtigsten die drei großen italienischen: Corsica, Sardinien und Sizilien, in dessen Süden die Maltagruppe den Übergang zu Afrika bildet. Griechenland, die gegliedertste der Halbinseln, besitzt auch die zahlreichsten Inseln längs seiner Küsten, von denen im O. die zahllosen Inseln des Archipels die Brücke nach Asien bilden.
Europas Seeküsten werden im N. vom Nördlichen Eismeer und dessen zahlreichen Buchten bespült, von denen sogar das Weiße Meer ein halbes Jahr lang durch Eisbedeckung dem Schiffahrtsverkehr verschlossen ist. Vom Atlantischen Ozean erstrecken sich zwei vom Land umringte Binnenmeere tief nach O. in den Erdteil herein, das südliche oder das Mittelmeer und das nördliche, die Nord- und Ostsee, verbunden durch die drei Straßen der Belte und des Sundes, eine wesentliche Bereicherung Nordeuropas, wenn auch jene Straßen zuweilen gänzlich zufrieren und jährlich die innersten Teile der Ostsee, der Finnische Meerbusen und von den Ålandsinseln an auch der Bottnische, sich monatelang mit Eis bedecken. Die Nordsee kennt kein solches Hemmnis der Schiffahrt; dort gefährden nur die Stürme den Schiffer, insbesondere beim westlichen Zugang aus dem offenen Ozean durch den Kanal. Nur der Ozean und die Nordsee besitzen Ebbe und Flut im größern Maßstab; mit voller Wucht treffen die Flutwellen die dortigen Küsten in der Richtung aus SW. und stauen sich am höchsten am Westende des Kanals und in seiner Nachbarschaft, wo an den Scillyinseln die Springflut bis 6,5 m, an den Normännischen Inseln bis 9,7 m steigt. Am höchsten stemmt sich aber die Flutwelle im Golf von Bristol, in dessen Innerm bei Chreston die Flut die immense Höhe von 19,5 m bei einer Geschwindigkeit von 60 km in einer Stunde erreicht. Ebenso wächst die Höhe der von N. in die Nordsee eindringenden Flut von 4–6,5 m am Humber. Kaum nennenswert ist dagegen die Größe der Gezeiten im Mittelmeer und in der Ostsee. Auch die Strömungen des Meers sind gewaltiger an der ozeanischen Seite; schwächer, wenn auch vorhanden, sind sie in den Binnenmeeren. Von den Küsten der Nordsee und des Atlantischen Ozeans geht daher erst seit der höhern Ausbildung der Schiffahrt der Weltverkehr aus, während das nur durch enge Straßen mit den Nachbarmeeren zusammenhängende, einem See gleich geschlossene Mittelmeer früh schon, in der Kindheit der Völkerschiffahrt, den Verkehr zwischen seinen umliegenden Küsten ermöglichte und E. die Bildungselemente aus dem Osten zuführte, die sich auf dem gegliederten Boden Europas zu reicherer Blüte entfalteten und endlich die in die Mitte seiner Küsten gestellte italische Halbinsel zur Herrin aller Mittelmeerländer machten. Auch hier sind die östlichen Meeresteile die am wenigsten begünstigten; Pontus euxinus („gastliches Meer“) war nur ein Euphemismus für das noch jetzt durch seine Stürme die Schiffahrt gefährdende Schwarze Meer, und das Asowsche Meer ist ebenfalls ein wahres Eismeer, welches fast jährlich völlig zufriert und bei Taganrog ausnahmslos von Anfang November bis März durch Eisbedeckung geschlossen ist.
(Vgl. die „Fluß- und Gebirgskarte von Europa“.)
Der vielgestaltigen horizontalen Gliederung Europas entspricht die Erhebung seines Bodens, wenn auch der größte Teil desselben Tiefland, nur ein kleiner Berg- und Gebirgsland ist. Den ganzen Osten Europas nimmt ein großes Tiefland ein, das in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tiefland Turans und Sibiriens steht und von der Grenze Asiens bis zu der Westküste Europas am Kanal reicht. Es legt sich mit den nordöstlichen Gliedern des Atlantischen Ozeans trennend zwischen das gebirgige Skandinavien im N. und das von niedern Hügelzügen bis zur Hochgebirgshöhe sich erhebende Berg- und Gebirgsland im S. des Kontinents. Dieses dem nordosteuropäischen Tiefland entgegengesetzte südwestliche höhere E. ist aber kein einförmiges, geschlossenes Hochland, sondern mannigfach in horizontaler und vertikaler Richtung gegliedert; längs der Ströme dringt das Tiefland weit in sein Inneres ein, am gegliedertsten längs der Donau; ausgedehnte Hochebenen und aus ihrer Zerstückelung entstandene Berg- und Hügellandschaften trennen seine Hügel-, Berg- und Gebirgsketten voneinander. Seine höchste Erhebung besitzt es im Alpensystem, welches sich im Kreisbogen um das nördliche Italien herumlegt, und mit dessen Enden die Gebirge der italischen und griechischen Halbinsel in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Getrennt durch ein die Schweiz, Südschwaben und Bayern durchziehendes Plateauland, die süddeutsche Hochebene, welche ostwärts mit den Donautieflandschaften, südwestwärts mit dem Tiefland des Rhône zusammenhängt, folgt nördlich, konzentrisch um die Alpen gelegen, der große Gürtel von Mittelgebirgslandschaften, von denen keine die Schneegrenze erreicht, wenn auch die Karpathen in ihren höhern Teilen schon alpine Natur besitzen. Dieser Mittelgebirgsbogen reicht aus den Ebenen der Garonne durch Frankreich, Deutschland, Ungarn und seine Grenzländer bis zum Mündungsland der Donau, indem er seine höchste nördliche Breite an der untern Weser erreicht. Durch Tiefland getrennt, lagern sich noch einzelne isolierte, niedrige, kleine Berglandschaften herum, so an der untersten Donau die Dobrudscha im O. wie westlich an den Küsten Frankreichs die Normandie und Bretagne. Auch die große spanische Halbinsel, die trotz ihrer einfachen Umrisse in sich mannigfach orographisch gegliedert ist, hängt nicht mit dem Körper des Berglandes zusammen, sondern wird davon völlig getrennt durch ein Tiefland, das, gegen O. zu einer schmalen Enge zusammengeschnürt, welcher der Kanal von Languedoc folgt, die Flachländer an den Küsten des Viscayischen und Mittelmeers miteinander verbindet. Die von der Nordseite des Tieflandes ausgehenden Halbinseln, wie Jütland, Holland, und die jener anliegenden Inseln sind gebirgslos, während die übrigen im W. und S. sämtlich Gebirge besitzen.
Das große europäische Tiefland, welches von den Gestaden des Nördlichen Eismeers bis zu denen des Schwarzen Meers seine größte Breite von 2270 km erreicht, westwärts sich aber mehr und mehr verschmälert, eingeschränkt durch die angrenzenden Berglandschaften und durch die Ost- und Nordsee, besitzt die [922] namhafte Länge von 3700 km. Südlich vom Ural ist seine Grenze topisch so unbestimmt wie die Europas überhaupt. Man hat diese Tiefebene, die bei 5,506,000 qkm (100,000 QM.) Flächeninhalt fast zwei Drittel des ganzen europäischen Kontinents umfaßt, in eine größere sarmatische und eine kleinere germanische geteilt und als Grenze die Sumpfniederungen zwischen den Gebieten der Weichsel und des Dnjepr angenommen. Besitzt das große europäische Tiefland gleich, insbesondere im O., ausgedehnte Ebenen im wahren Sinn des Wortes durch die nahezu horizontale Lagerung festerer Gesteinsplatten oder als noch nicht lange trocken gelegter Meeresboden, so ist das doch durchaus nicht sein allgemeiner Charakter, sondern meist ist es vielmehr ein wellenförmig-hügeliges Land, unterbrochen durch die breiten, ebenen Niederungen seiner Stromthäler. Sein charakteristisches Merkmal liegt in der vorherrschenden Horizontalität der sedimentären Gebirgsformationen und in der Abwesenheit oder großen Seltenheit von Höhen und Gebirgszügen mit gehobenen Gebirgsschichten. Doch finden wir im S. einen langen erhöhten Rücken, der als eine natürliche Scheide das einförmige Gebiet abgliedert, den südlichen oder uralo-karpathischen Landrücken. Er besteht aus zwei wesentlich verschiedenen Abteilungen, im O. aus dem Obtschej Syrt und den Wolgahöhen, welche die steilen Ufer an der rechten Seite der Wolga bilden, und die wir oben als Naturgrenze Asiens und Europas bezeichnet haben, und aus einer größern westlichen Abteilung, die als niedrige Bodenanschwellung aus der Steppe der Donischen Kosaken zwischen Taganrog und Perekop bis zur Lüneburger Heide an der Nordsee sich verfolgen läßt. Dieser westliche Abschnitt verläuft in seiner ganzen Erstreckung aus SO. nach NW. u. wird von der donischen Steppe bis Winniza am Bug von einer Urgebirgsplatte gebildet, welche die Stromschnellen in den Betten der sie durchschneidenden Flüsse, so des Dnjepr (Porogen), veranlaßt; er setzt sich durch Podolien, an den Grenzen Galiziens und durch Südpolen fort, wo er sich im niedrigen System des südpolnischen Mittelgebirges mit der 611 m hohen Lyssagora zu seiner höchsten Höhe erhebt. Weiter westlich breitet er sich zu dem 350 m hohen Plateau der Tarnowitzer Höhen aus, setzt sich als Trebnitzer Höhen fort und bildet die niederschlesischen Höhen an der Oder. Westlicher zieht durch Norddeutschland, parallel mit den letztgenannten Höhen, in gleicher nordwestlicher Richtung, vom Plateau der Oberlausitz aus eine Bodenanschwellung längs der Nordseite der Elbe, Fläming genannt, und jenseit der Elbe endet dann dies System nordwestlich gerichteter Landrücken mit der Lüneburger Heide in den Niederungen an der Nordsee. Klimatische und Bodenverhältnisse erteilen dem südlichen Landrücken im O. den Steppencharakter, machen ihn in Polen zu reichem Waldland, andernorts zur einsamen, trocknen Heide.
Einen zweiten Gürtel von Bodenanschwellungen hat man als nördlichen oder uralo-baltischen Landrücken zusammengefaßt. In Osteuropa ist es ein breiter, mit dichtem Wald und Sumpf und einzelnen Seen bedeckter, wenig markierter, sanft ansteigender Rücken, der aber eine wichtige Naturscheide bildet, indem er nicht allein die Wasserscheide zwischen den Zuflüssen des Nördlichen Eis- und des Baltischen Meers einerseits und dem Wolgasystem anderseits bildet, sondern auch eine Grenze der nordischen Pflanzen- und Tierwelt zieht und die finnischen Volksstämme von den Russen scheidet. Überwunden durch Kanäle, hat er aufgehört, ein Hemmnis des innern Verkehrs zu sein. Seine höchsten Rücken sind gegen 300 m hoch und erreichen im Quellgebiet der Wolga, im Waldaiplateau, 351 m Höhe. Westlich breitet er sich zu dem Plateau Ostlivlands, Semgallens und Litauens aus, das im Muna, südlich vom Peipussee, bis 324 m aufsteigt. Zwischen Niemen und Weichsel folgt der seenreiche ostpreußische Rücken, in dem der Hasenberg sich bis 194 m erhebt. Während an der ostpreußischen Küste zwischen den flachen, niedrigen, schmalen Nehrungen, welche die Haffe von der Ostsee abscheiden, nur die Küste des bernsteinreichen Samlandes zu etwa 100 m ansteigt, erhebt sich jenseit der Weichselniederungen, an den Grenzen Hinterpommerns und Westpreußens, der baltische Gürtel im Turmberg bei Schönberg zu einer Höhe von 334 m. Die steilen Uferhöhen an der Oder bei Stettin vermitteln die Verbindung des hinterpommerschen Rückens mit dem, welcher die Ukermark, Mecklenburg, Holstein und die ganze jütländische Halbinsel durchzieht, und von dem große Strecken unter das Niveau von 100 m sinken. Wo Lehmbedeckung ist, findet sich reicher Ackergrund, und der Boden trägt Laubwald, Buchen und Eichen; wo der Sand hervortritt, decken ihn die genügsame Kiefer und Heide; überall liegen aber Seen auf ihm, und mit vollem Recht verdient dieser nördliche Landrücken daher den Namen der baltischen Seenplatte. Die dänischen Inseln sind eine Fortsetzung dieses nördlichsten deutschen Tieflandes, auch ihre höchsten Höhen erheben sich nur wenig über 100 m; dasselbe gilt vom südlichsten Schweden. Um diese Landrücken und zwischen ihnen breiten sich Niederungen aus, zu denen sie sich sanft senken, so unmerklich, daß der Reisende es meist kaum bemerkt; zahlreiche Bäche fließen in sie hinab, und so breiten sich dort außer fruchtbaren Niederungen auch weite Sümpfe und Torfmoore aus, so die des Havellandes, die an der Spree, Netze, Warthe, Weichsel und am Bug; ihre größte Ausdehnung erhalten sie aber an der Ostgrenze des alten Polen, wo die großen, den östlichen Teil des Tieflandes von dem westlichen trennenden Rokitnosümpfe im obern Gebiet des Pripet sich durch 5 Längen- und 21/2 Breitengrade erstrecken. Während die nordöstlichen Niederungen einst von Sumpf und Wald bedeckt waren, die nur die Hand des Menschen der Kultur gewann, in den fruchtbaren westlichen Niederungen teilweise bis zur Ausrottung des Waldes, tritt man mit dem Dnjepr in die ausgedehnten, waldentblößten, trocknen Steppen, die nur längs der Flüsse Versumpfung des Landes zeigen. Auch in der Natur des baltischen Landrückens tritt mit den Grenzen Litauens eine Änderung hervor. Während westlich, im deutschen und preußisch-polnischen Tiefland, nur an einzelnen Punkten die feste Unterlage des darüber ausgebreiteten losen tertiären und diluvialen Schuttlandes auftaucht, breiten sich ostwärts, auf russischem Boden, unter diesen jüngern Bildungen des Landrückens sowohl als der Niederungen die Schichten der unterliegenden ältern Gesteine aus, und es sind vorzugsweise die ausgedehnten Kalkplatten, welche diesen Landstrichen den Charakter wahrer Ebenen geben. Auch ist das weite Flachland Rußlands zwischen dem nördlichen und südlichen Rücken noch weiter abgegliedert; von dem 270 m hohen, mit Wald und Sumpf bedeckten Plateau des Quellgebiets der Ströme Dnjepr und Düna, welches noch ganz den Charakter des erwähnten östlichen baltischen Rückens trägt, an den es sich anschließt, geht nämlich ein dritter, mittlerer Landrücken aus, dem die Wasserscheide zwischen Wolga und Dnjepr folgt, eine weitere Naturgrenze [923] des innern Rußland. Zwischen dem mittlern und nördlichen Rücken dehnt sich, wie durch einen Wall von beiden Westscheideküsten des obern Wolgagebiets umringt, das Becken von Großrußland aus. An der nördlichen Außenseite des uralo-baltischen Beckens breiten sich die endlosen Waldungen und gegen das Meer die weiten Tundren Nordrußlands und die seenreiche, niedrige Felsplatte Finnlands aus. Auch ein großer Teil des gegenüberliegenden Schweden ist Flachland, in welchem der Fels nur an den Flüssen und Seeufern hervortritt und das Niveau der Ebene in vereinzelten oder gedrängten Hügeln und Einzelbergen überragt, deren höchste, über den großen Seen, sich nicht über 500 m erheben. Soweit dieser Urfelsboden reicht, umgürten Felsklippen (Schären) die beiderseitigen Gestade der See.
Im grellen Gegensatz zu diesem nordöstlichen Flachland stehen die Niederungen, die von der Elbe bis zur französisch-belgischen Grenze das Mittelgebirgsland Europas vom Meer und dem baltischen Landrücken trennen. Hier finden wir von der Südgrenze Jütlands bis zu den Niederlanden die Düneninseln längs der Küste, die fetten Marschlandschaften längs der Küste und Flüsse und zwischen und hinter ihnen gegen das Binnenland die ausgedehnten Moorflächen, unterbrochen durch sandiges Geestland, und an vereinzelten Punkten, bei Lüneburg, bei Segeberg und an den Klippen von Helgoland, tritt die feste Unterlage zu Tage. In tiefen Buchten greift dies nördliche Tiefland in das Gebiet des Mittelgebirgsbogens ein, so längs der Oder mit der tiefen schlesischen Bucht im O., in der Mitte mit der Bucht der Leipziger Niederung, im W. mit der bis Bonn reichenden niederrheinischen Niederung, mit welcher nach O. die münstersche im Gebiet der obern Ems und Lippe zusammenhängt. Mitten im Binnenland, erst spät durch die Spalte des Rheinthals mit der niederrheinischen Bucht in Verbindung gesetzt, dehnt sich zwischen Mainz und Basel die mittelrheinische Tiefebene aus, ringsum von Gebirgen umfaßt, im S. mit dem niedrigen, isolierten Kaiserstuhlgebirge, welches sich in ihr erhebt, ein selbständiges Glied im Oberflächenbau Europas. Dagegen ist das Flachland Ostenglands eher dem großen europäischen Tiefland anzureihen. Jenseit der Landhöhen von Boulonnais folgen die 269,800 qkm (4900 QM.) umfassenden nord- und westfranzösischen Tieflandschaften, welche vom gebirgigen Zentralfrankreich die niedrigen Berginseln der Normandie und Bretagne trennen. Die nördliche steigt allmählich zu den Plateaus auf, welche die nordostfranzösischen Gebirge und das hohe Zentralfrankreich untereinander verbinden. Seine größte Ausdehnung hat das Tiefland im SW., wo es östlich von Carcassonne zwischen den Ausläufern Zentralfrankreichs und der Pyrenäen mit dem Rhônetiefland in Verbindung tritt. Letzteres, 11,000 qkm (200 QM.) groß, scheidet die Alpen und Zentralfrankreich voneinander und geht nordöstlich, allmählich ansteigend, in die Hochebene über, welche die Alpen im N. begrenzt. Nur zum Teil bestehen diese französischen Tiefländer aus Niederungsebenen, zum Teil zwischen den großen Strömen aus niedern Plateaus; zumeist sind sie Hügelland. In ihm treten nebeneinander große Gegensätze in der Anbaufähigkeit auf: die arme Sologne neben Frankreichs Garten an der Loire, die öden Heiden (landes) neben den weinreichen Hügeln an der Garonne, die Brackwasserbecken (étangs) der Südküste, die Sümpfe der Rhônemündung, die steinige Crauebene neben dem Garten der Provence und Languedocs. Außer Küstenniederungen besitzt Italien das die tiefe Bucht zwischen den Alpen und Apenninen einnehmende, 53,800 qkm (977 QM.) große Tiefland des Po, aus dessen horizontalen Ebenen sich im O. die niedrigen Euganeischen und Bericischen Hügel erheben, eine der fruchtbarsten, bevölkertsten Niederungen Europas. Die größten unter den isolierten Tieflandschaften Europas sind die an der Donau, von denen die walachische Donautiefebene 33,000 qkm (600 QM.) umfaßt; zu ihr gehört alles Land zwischen den siebenbürgischen Alpen und dem Balkan, die Niederungsebene der Walachei und das südwärts allmählich aufsteigende Bulgarien. Vor der weiten Öffnung gegen O. liegt der isolierte Baba Dagh in der Dobrudscha; nach W. dagegen schließen die nördliche und südliche Gebirgsbegrenzung zusammen, und durch gebirgige Engen muß sich die Donau ihren Weg aus dem obern Tiefland ins untere suchen. Dies obere Tiefland der Donau umfaßt, rings von Gebirgen umgeben, das Innere Ungarns und einen Teil seiner Nebenländer. Man teilt es in die große niederungarische Ebene von 113,500 qkm (2061 QM.), die in ihrem Innern ein wahres Steppenland ist, und die kleine ungarische Ebene von 12,400 qkm (225 QM.), die nur durch niedrige, isolierte Hügelzüge von der 2918 qkm (53 QM.) großen Tiefebene Niederösterreichs oder Wiens mit dem Marchfeld getrennt ist, während zwischen den beiden ungarischen Ebenen ein höheres Bergland liegt, durch welches die Donau hindurchbricht, um bei Ofen in die große ungarische Ebene einzutreten. Mit tiefen Buchten greifen diese Ebenen in die angrenzenden Gebirgsländer ein; als Fortsetzungen der letztern sind die kleinen Berginseln in Slawonien, Kroatien und an andern Grenzen der Ebene anzusehen. Jenseit der Enge am Leopoldsberg, westlich von Wien, folgt das bis zum Rhônetiefland hinüberreichende süddeutsche Hochland. Von den 1,101,300 qkm (20,000 QM.) welche auf den Umfang des gebirgigen Südwesteuropa, nach Ausschluß der drei südlichen Halbinseln, kommen, sind nicht weniger als 207,600 qkm (3770 QM.) von den Gebirgsgliedern des erstern eingeschlossenes Tiefland, so daß für die Hoch- und Mittelgebirgslandschaften des großen, von der Garonne zur untern Weser und untersten Donau reichenden Gebirgsdreiecks über 892,000 qkm (16,200 QM.) bleiben.
Den Kern des genannten großen Gebirgsdreiecks von Südwesteuropa bilden die Alpen. Sie liegen in der Mitte Europas, dehnen sich in der Richtung von WSW. nach ONO. von 6–18° östl. L. v. Gr. aus und werden im S. durch das Ligurische Meer, das Tiefland des Po, das Adriatische Meer und das Gebirgsland der griechischen Halbinsel, im W. durch das Thal des Rhône, im N. durch die langgestreckte Hochebene der Schweiz und Süddeutschlands, welche die Rhône- und Donautiefländer verbindet, begrenzt; Nord- und Südfuß begleitet eine Reihe prachtvoller, zum Teil in das Gebirge selbst eingreifender Seen; im O. treten die Ausläufer der Alpen in die ungarischen Ebenen. Ihre Breite nimmt von W. nach O. zu; zwischen Genf und Ivrea sind sie nur 150 km breit; vom äußersten Südwest- bis zum äußersten Nordostende mißt man 927 km und mit Einschluß der äußersten nordöstlichen Ausläufer sogar 1110; der Flächenraum beträgt 191,940 qkm (3486 QM.). Vier große Stromthäler umgeben das Hochgebirge von allen Seiten, von denen drei ihren Anfang im Herzen des Alpenzugs nehmen: Rhein, Rhône, Inn; das vierte, das Pothal, bildet nur eine kurze Furche des Westflügels. Die Gipfelhöhe steigt in den Westalpen von S. nach [924] N. von 2200–4250 m; in den Mittelalpen sinkt sie von W. nach O. von 4800–2600 m. Die mittlere absolute Kammhöhe der Ostalpen beträgt 1838 m, der Zentralalpen 2382 m, der Westalpen ca. 2000 m. Dem reichgegliederten Bau eines Kettengebirges mit mächtig aufgerichteter Zentralachse, der Zusammensetzung aus Gebirgsformationen der verschiedensten Erdzeiten, aus der Ur- bis in die neueste Zeit, und ihrer Verteilung um die ältere Achse, dem verschiedenartigen Gesteinscharakter derselben und der dadurch bedingten Mannigfaltigkeit von Berg- und Thalformen, vor allem aber seiner gewaltigen Erhebung, so daß sich durch das ganze Gebirge große Strecken über die Grenze des Waldes, umfangreiche selbst über die Grenze des ewigen Schnees erheben, aus dessen Region Gletscher in die höhern Thäler steigen: dem allen verdanken die Alpen ihr eigentümliches Gepräge.
Die Mittelgebirgslandschaften Südwesteuropas zerfallen in drei Hauptgruppen: die östliche (karpathische), die mittlere (deutsche), die westliche (französische). Die Thaleinsenkungen der March, Betschwa und obern Oder trennen die erste von der zweiten, das Plateau der Franche-Comté die zweite von der dritten, der untere Rhône die letztere von den westlichen Alpenzweigen. Die äußern Begrenzungen des ganzen großen Mittelgebirgskranzes, der den Hochgebirgskern der Alpen im W., N. und O. bogenförmig umgibt, bilden die angelagerten Tiefebenen. Die östliche Gruppe, die karpathische, ist auf allen Seiten von Tiefländern umgeben, im NO. von dem großen osteuropäischen, im S. von dem der untern Donau, im SW. von dem ungarischen und dem österreichischen. Im W., wo die karpathische Mittelgebirgsgruppe durch das March- und Betschwathal von der deutschen getrennt wird, ist eine natürliche Einsenkung, der Weg der Eisenbahn von Prerau nach Oderberg. Die Hauptausdehnung des in mächtigem Bogen die ungarischen Tiefländer von NW. über N. bis SO. umfangenden und Ungarn von Mähren, Schlesien, Galizien, der Bukowina, Moldau und Walachei trennenden Gebirges liegt in der Richtung von OSO. nach WNW. und mißt 820 km, in der entgegengesetzten Richtung wechselt die Ausdehnung sehr auffallend; der Flächenraum, den die Karpathen bedecken, beträgt gegen 188,500 qkm (3424 QM.). Das Gebirge besteht aus dem siebenbürgischen Hochland im O., einem ringsum von zum großen Teil noch mit wahrem Urwald bedeckten Gebirgen eingeschlossenen Viereck von 36,725 qkm (667 QM.) Umfang. Seinem Westrand gehört das metallreiche Siebenbürgische Erzgebirge an; die höchsten Gipfel haben der Süden und Südwesten aufzuweisen, wo sich der Negoi, östlich vom Rotenturmpaß, 2536 m hoch erhebt. Aus dem niedrigen, hügeligen Kessel des Innern brechen die Flüsse in tiefen, schwer gangbaren Thälern nach außen. Im NW. Ungarns erhebt sich am Ostufer der March das System der Parallelketten der Kleinen Karpathen, die, in der Fortsetzung der Ostalpen liegend, durch eine Reihe kleiner Urgebirgshöhen, die Hainburger Berge und das Leithagebirge, mit der Zentralkette der Alpen in Verbindung stehen. In der Tatra erreichen die Karpathen alpine Höhe (Gerlsdorfer Spitze 2663 m) und mit ihren kleinen, blauen Hochgebirgsseen, ihren Berg- und Felsformen und in ihrer Vegetation auch völlig alpine Natur. Südlich von der Tatra erhebt sich das metallreiche Ungarische Erzgebirge (Fatra) mit seinen trachytischen Zentralmassen und Längszügen; ähnliche trachytische Gebirge verbreiten sich aber auch weit ostwärts in die Landschaft Marmaros und in die Gebirge Siebenbürgens. Mit dem Ungarischen Erzgebirge in Verbindung tritt der Bakonyer Wald, der, die Natur der Kalkalpen und ihre Formationen tragend, in der Richtung von NO. nach SW. die nieder- und oberungarische Ebene trennt. An sein Südwestende schließt sich das mit Basaltkegeln erfüllte Terrain im SW. des Plattensees. Niedere Höhenzüge, darunter das kohlenreiche Fünfkirchener Bergländchen, erheben sich östlich vom Plattensee aus den Niederungen. Um den ganzen Norden und Osten schlingt sich aber vom wichtigen Jablunkapaß an der Zug des Karpathischen Waldgebirges (Bieskiden im W.) mit seinen langgestreckten, waldbedeckten Sandsteinrücken, im W. mit der Tatra, im SO. mit dem siebenbürgischen Hochland verbunden. An beiden Seiten der Karpathen, am Nordfuß des Karpathischen Waldgebirges in Galizien, in der Bukowina, aber auch am moldauischen und walachischen Außenrand sowie am Innenrand in der Marmaros und im Innern des siebenbürgischen Kessellandes charakterisiert ein Reichtum von Steinsalzstöcken, teilweise frei liegenden Steinsalzbergen, das Karpathenland. Bochnia und Wieliczka sind zwei der berühmtesten Steinsalzbergwerke Europas.
Das deutsche Mittelgebirgsland zerfällt in sechs Hauptglieder: 1) Das Gebirgssystem der Sudeten erstreckt sich, durch die mährisch-schlesische Einsenkung von den Karpathen getrennt, aus Südschlesien bis zur mittlern Elbe, Böhmen von Schlesien trennend; es umfaßt das Mährische Gesenke, das Riesengebirge, Isergebirge, das Waldenburger und das Glatzer Gebirge; 2) das sächsisch-thüringische Gebirgssystem reicht von der mittlern Elbe im Erzgebirge, im Fichtelgebirge und im reußisch-vogtländischen Stufenland bis zur Saale und westlicher im Franken- und Thüringer Wald, im Harz und im Weser-Bergland weiter bis zur Weser und umfaßt die Stufenländer von Sachsen und Thüringen; 3) das niederrheinische Gebirgssystem, dessen Nordostende mit dem Nordwestende des vorigen den nördlichen Winkel des europäischen Gebirgskreises bildet, breitet sich, durchschnitten von dem Rheinthal zwischen Bingen und Bonn, von der Westgrenze des Regierungsbezirks Kassel bis in den Nordosten Frankreichs, zu beiden Seiten des Rheins in südlicher Richtung aus; dazu gehören Taunus, Westerwald, Sauerland, Siebengebirge, Haarstrang und auf dem linken Rheinufer Hunsrücken, Eifel, das Hohe Venn, die Ardennen und der Argonner Wald; 4) das oberrheinische System, von dem vorigen durch das untere Mainthal und durch die Einsenkung von Kaiserslautern getrennt, begleitet die mittelrheinische Ebene zu beiden Seiten in südsüdwestlicher Richtung. Darin erheben sich der Spessart, Odenwald, Schwarzwald und links vom Rhein die Vogesen und die Haardt. Hierzu kommen noch 5) der Jura, welcher an der Isère beginnt und sich als Schweizer und Deutscher Jura bis zum Main hinzieht, und 6) die Berg- und Hügellandschaften des innern Deutschland und nördlichen Österreich, aus denen der Böhmerwald, das Mährische Gebirge, das Böhmische Mittelgebirge, Rhön und Vogelsberg emporragen. Zwischen Main und Alpen dehnen sich die Berglandschaften von Schwaben und Franken, die schwäbisch-bayrische u. die schweizerische Hochebene aus.
Zur dritten Hauptabteilung des mitteleuropäischen Gebirgsbogens, zum französischen Mittelgebirgsland, gehören nach obiger Begrenzung nur das zentrale Hochplateau Innerfrankreichs, die im O. und SO. sich daran anschließenden Gebirgsketten von Charolais und Lyonnais, die Cevennen und der Parallelzug des Forez. Im Innern [925] der Auvergne und im O. liegt ein ausgedehntes Gebiet vorhistorischer großartiger vulkanischer Thätigkeit. Hoch ragen über das granitische Plateau des Innern trachytische Dome empor, unter ihnen Innerfrankreichs höchster Gipfel, der 1886 m hohe Mont Dore. Das Plateau von Langres, wichtig durch seine Pässe aus dem Rhôneland nach Paris, verknüpft Zentralfrankreich mit dem oberrheinischen Gebirge.
Unter den Gebirgen der Halbinseln und Inseln Europas ist das den Westen und Norden der großen nordischen Halbinsel ihrer ganzen Länge nach durchziehende skandinavische das umfangreichste, 265,400 qkm (4820 QM.) umfassend; an Massenerhebung wird es nur von den Alpen übertroffen, an Gipfelhöhe aber selbst von den spanischen Gebirgen und von dem Ätna. Sein höchster Gipfel, der sich aber nur wenig über das allgemeine Niveau des Gebirgsplateaus erhebt, der Ymesfjeld oder Galdhöpig, erreicht nur 2560 m. Auf der Höhe eine wellenförmige, unwirtliche Hochebene (Fjelde), über die sich nur niedrige Kuppen und Rücken erheben, senkt es sich ostwärts allmählich gegen Schweden, durchschnitten von tiefen, zum Teil zu Felsschluchten verengerten Thälern, reich an langgestreckten Seen, voll wilder Szenerien, während es dagegen westwärts in steilen, wild zerrissenen Gehängen zur See abfällt. Tief greift zwischen den Felsrücken das Meer ein, ruhige, mehr Landseen als Meerbusen gleichende Fjorde bildend, während die Felsrücken selbst weit in die See hinausreichen und die Küste mit einer zahllosen Menge von kleinen Inseln und Felsklippen (Schären) umgürten. Massenerhebung und nördliche Lage sind Ursache der großen Ausdehnung des ewigen Schnees, der die höchsten Rücken bedeckt, und der zahlreichen großartigen Gletscherbildungen, die von ihnen ausgehen. Die Cimbrische Halbinsel, die dänischen und Ostseeinseln sowie die holländische Halbinsel sind als Fortsetzungen und abgerissene Teile der benachbarten Tiefländer anzusehen, obgleich einzelne, besonders der östlichern Inseln felsige Formen aufweisen. Großbritannien gleicht Skandinavien durch die zerrissenen, buchtenreichen, gebirgigen Westküsten und durch das Flachland an der Ostseite. Fast das ganze Schottland ist gebirgig, während in England, je weiter südlich, ein um so breiteres Flachland sich ausdehnt. Das gebirgige Großbritannien besteht aus mehreren durch schmälere oder breitere Niederungen getrennten Gebirgslandschaften, die, wenn auch der höchste Gipfel, der schottische Ben Nevis, nur 1343 m hoch ist, doch durch größere landschaftliche Reize das skandinavische Gebirge übertreffen. Ihre vorherrschende Richtung ist, wie in Skandinavien, aus SW. nach NO. Sie zerfallen in die nordschottischen Gebirge: die schottischen Hochlande und das Grampiangebirge, getrennt durch die Einsenkung, worin der große Loch Neß liegt, und das südschottische Grenzgebirge, von den Grampians durch eine von Meer zu Meer reichende Niederung geschieden; in England folgen dann von N. nach S. die seenreichen Cumbrian Mountains, das Walliser und das Cornishgebirge. In Irland waltet das Flachland vor. Von 165,000 qkm (3000 QM.) Gebirgsland der britischen Inseln fallen 68,000 qkm (1235 QM.) auf Schottland. Sämtliche Inseln, die Großbritannien im SW. und N. umgeben, selbst die dazwischenliegenden der Irischen See, sind, ebenso wie die Färöer und Island, Gebirgsinseln. Nur der Gegensatz in der Oberflächenform gegen die angrenzenden Niederungen berechtigt dazu, die niedern isolierten Berglandschaften der Normandie und Bretagne aus dem Flachland auszuscheiden, da die höchsten Höhen in der Bretagne kaum 420 m erreichen.
Die spanische oder Iberische Halbinsel ist zum bei weitem größten Teil Hochland, das sich in seltener Geschlossenheit, innen mit ausgedehnten Hochebenen von 700–800 m Höhe, aus dem Meer erhebt. Während das zentrale Tafelland ohne die scheidenden Gebirgsketten einen Flächeninhalt von 211,430 qkm (3840 QM.) einnimmt, umfaßt das Tiefland nur 21,800 qkm (396 QM.). Es wird von drei Küstenländern gebildet, dem aragonischen im NO. am Ebro, dem andalusischen im S. am Guadalquivir und dem des Tajo im W., von denen die beiden ersten tief ins Land eindringen, das Ebrotiefland die hohe Gebirgskette der Pyrenäen im S. begrenzt, welche eine schwer überschreitbare Grenzscheide mit hohen, felsigen Gipfeln, unter denen der Pic Néthou (3404 m) der höchste ist, zwischen Spanien und Frankreich vom Mittelmeer bis zum Viscayischen Meerbusen bildet. Großartig ist die Bildung ihrer Querthäler im Innern, auch besitzen sie ewigen Schnee und Gletscher. Ihre nordwestliche Fortsetzung bildet die Kette des Kantabrischen Gebirges. Wie im N. die Pyrenäen, so wird an der Südküste das Gebirgssystem von Granada, welches in der Sierra Nevada mit dem Cumbre Mulhacen eine Gipfelhöhe von 3481 m erreicht, durch das andalusische Tiefland vom Körper des Hochlandes getrennt. Außerdem ziehen noch zwei Gebirgsketten der Sierra Nevada parallel, aus WSW. nach ONO.: die niedrige Sierra Morena, das Randgebirge des Hochlandes gegen Andalusien, und die hohe, von der wild zerrissenen Sierra von Cintra bis zur Sierra Guadarrama reichende Kette des kastilischen Scheidegebirges auf dem Scheitel des Plateaus, dessen nordöstliche Grenze gegen das Ebrotiefland verwickelte Berg- und Gebirgslandschaften bilden. So umringt von Gebirgen, im Innern durch das kastilische Scheidegebirge getrennt, breiten sich die großen Hochebenen Altkastiliens im N. und Neukastiliens im S. des Scheidegebirges aus, waldlose Ebenen von Steppennatur, darin auch den Ebenen Aragoniens am Ebro gleichend. Auch die Balearen und Pithyusen sind bergige Inseln.
Auf der italischen Halbinsel herrscht das Gebirgsland vor. Vom Westende der Ligurischen Alpen am Meerbusen von Genua bis zur Straße von Messina ziehen im fortlaufenden Zusammenhang die Apenninen. Im nördlichen Lauf sind dieselben vorherrschend ein einförmiges, bewaldetes Sandsteingebirge mit wenig markiertem Rücken; mit dem Vorherrschen des Kalksteins aber werden die Bergformen scharf und selbst wild und die Berge höher; aber auch auf dem höchsten Berggipfel der Apenninen, dem nackten, 2919 m hohen Gran Sasso d’Italia in den Abruzzen, bleibt der Schnee nur in einzelnen Flecken an der Nordseite liegen. Der kalabrische Apennin ist Urgebirge. Fruchtbares Hügelgelände begleitet den Fuß, unterbrochen durch wenige ausgedehnte Ebenen; diese Landschaften bilden auf der Westseite den sogen. Subapennin, zu dem das fruchtbare Thal des Arno und die Campagna felice bei Neapel, über die sich der Vulkankegel des 1268 m hohen Vesuvs erhebt, die verödete Campagna von Rom, das Gebirgsland von Toscana und der Albaner Berge gehören. Nur im W. reicht das Gebirgs- und Hügelland an das Meer, so in den durch ihre Malaria berüchtigten Maremmen Toscanas und in den ihrer Fieber halber geflohenen Pontinischen Sümpfen; im O. dagegen trennt ein [926] ebener Küstenstrich Meer u. Hügelland; im SO. liegen die nur im Winter von Schafherden besuchten Ebenen von Apulien, die von dem nördlichern Küstenland durch die isolierte Gebirgsgruppe des Monte Gargano getrennt werden. Auch die italienischen Inseln sind gebirgig: Corsica mit dem 2710 m hohen Monte Cinto, Sardinien mit dem Berg Genargentu, 1918 m; auf Sizilien dagegen, in dessen Innerm der Plateaucharakter herrscht, steigt der mächtige Kegel des Ätna bis 3318 m empor. Italien ist der einzige Teil Europas, wenn wir Island ausnehmen, wo noch gegenwärtig die vulkanische Thätigkeit zum öftern Ausbruch kommt.
Auf der griechischen Halbinsel herrscht zwar gleichfalls hohes, vielverzweigtes Gebirgsland vor, nirgends erhebt es sich aber zu Höhen, wo mehr als Schneeflecke und kleine Schneefelder liegen bleiben; dabei umfaßt sie jedoch auch Ebenen von beträchtlichem Umfang, so an der untern Donau, an der Maritza, am Wardar, in Thessalien, in Böotien und die Hochebenen im Innern des gebirgigen Westens, darunter das Amselfeld oder die Ebene von Kossowo. Im NW. reicht das System der Dinarischen Alpen weit nach S., zuletzt in die südsüdöstliche Richtung übergehend und zahlreiche natürliche Bergfesten bildend, so in Montenegro (Tschernagora) und in Albanien. Südlich folgen der Pindus und die Berge des hellenischen Festlandes mit dem sagenreichen Parnaß; parallel mit den vorigen erheben sich Öta und Olymp an der thessalischen Küste, nordöstlich davon die Gebirgszüge der chalkidischen Halbinsel mit dem heiligen Athos. Auch der Despoto Planina (Rhodope), mit dessen Nordende der Rilo Dagh in Verbindung steht, zwischen Makedonien und Rumelien, folgt der gleichen Richtung. Von W. nach O. zieht dagegen das System des Balkans, das die untere Donauebene im S. begrenzt, bei Sofia unterbrochen durch eine plateauartige Einsenkung; wo es sich jenseits im W. an das dinarische System anschließt, erreicht das Land im Schar Dagh, dem alten Skardos, seine höchste Höhe. Auch die zahlreichen Inseln, die längs der Küste des Adriatischen und Ionischen Meers das Festland begleiten, und so auch alle Inseln des Archipels, selbst das südlich gelegene Kandia, sind durchaus gebirgiger Natur; auf letzterm erhebt sich der Ida bis zu 2450 m Höhe. Denkt man sich das Gebirgs- und Hochland Europas gleichmäßig über den gesamten Erdteil verteilt, so würde sich das Niveau desselben um 297 m erhöhen. Die mittlere Höhe der einzelnen Länder Europas zeigt folgende Tabelle:
Schweiz | 1299,9 | m |
Iberische Halbinsel | 700,6 | „ |
Griech. Halbinsel | 579,5 | „ |
Österreich-Ungarn | 517,9 | „ |
Italien | 517,2 | „ |
Skandinavien | 428,1 | „ |
Frankreich | 393,8 | „ |
Rumänien | 282,3 | „ |
Großbritannien | 217,7 | „ |
Deutsches Reich | 213,7 | „ |
Rußland | 167,1 | „ |
Belgien | 163,4 | „ |
Dänemark | 35,2 | „ |
Niederlande (ohne Luxemburg) | 9,6 | „ |
Die fließenden Gewässer Europas, deren Zahl man auf 230,000 schätzt, gehören zu drei verschiedenen Gebieten, nämlich zu dem des Kaspischen Sees, des Arktischen Meers und des Atlantischen Ozeans mit seinen zahlreichen Nebenmeeren. Zum Kaspischen See führt die Wolga die Gewässer Innerrußlands, der größte der europäischen Ströme mit einem Gebiet von 1,459,000 qkm (26,500 QM.), weit hinauf schiffbar und dadurch von Wichtigkeit für den Warenverkehr mit dem Osten, durch Kanäle auch mit dem Westen und Norden in Verbindung gesetzt. Unter den Flüssen des 1,288,000 qkm (23,400 QM.) betragenden Gebiets des Nördlichen Eismeers ist die Dwina nicht allein der bedeutendste, mit einem Gebiet von 365,400 qkm (6636 QM.), sondern auch der allein für den Verkehr wichtige; der Kubinskische und Weiße See (Bjeloje Osero) vermitteln die Kanalverbindung zwischen ihrem Hauptquellfluß, der Suchona, der Ostsee und dem Kaspischen Meer. Das Gebiet des Atlantischen Ozeans umfaßt 6,534,000 qkm (118,700 QM.), von denen nur 1,142,000 qkm (20,700 QM.) auf den offenen Ozean, 725,000 qkm (13,200 QM.) auf die Nordsee mit Skagerrak, 944,000 qkm (17,100 QM.) auf das Mittelländische Meer, 1,663,000 qkm (30,200 QM.) auf die Ostsee, 2,060,000 qkm (37,500 QM.) auf das Schwarze und Asowsche Meer kommen. In den die Ostsee umgebenden Ländern ist Europas Seenreichtum am größten: in Pommern liegen über 960, in West- und Ostpreußen 440, in Livland 1200, mehr noch in Finnland und seiner Nachbarschaft, hier auch Europas größte Seen: der Ladoga- und Onegasee, deren Gewässer die Newa zur Ostsee führt. Der Flächeninhalt des Ladogasees beträgt 18,129 qkm (329 QM.), der des Onegasees 9752 qkm (177 QM.). Von den übrigen Zuflüssen aus O. und S. entspringen nur die Weichsel und die Oder am Rande des europäischen Mittelgebirgslandes, die übrigen gehören dem Tiefland an. Charakteristisch für die Ostsee sind die großen Haffe, in welche sich Niemen, Weichsel und Oder ergießen. Das Nordseegebiet reicht mit Elbe, Weser und Maas bis tief in das deutsche Mittelgebirge, mit dem Rhein bis mitten in das Herz der Alpen hinein; eine größere Zahl kleiner Zuflüsse gehört nur dem Tiefland an, darunter auch die Eider auf der jütländischen Halbinsel und die Themse in England. Die Niederungen des Tieflandes erleichtern die Kanalisierung, und so finden wir zwischen dem Ost- und Nordseegebiet Kanalverbindung von der Düna bis zur Elbe und westlich zwischen den Flüssen des niederländischen Tieflandes wieder eine solche, die entwickeltste von ganz E. Auch in England sind die Zuflüsse der Nordsee mit denen des westlichen Meers durch großartige Kanalbauten in Verbindung gesetzt. In den Kanal ergießt sich die Seine; dem offenen Atlantischen Ozean strömen, außer einem Teil der großbritannischen Flüsse und den irischen, die nach W. fließenden Gewässer Frankreichs und der spanischen Halbinsel zu; unter ihnen hat die Loire das größte Gebiet, von 115,146 qkm (2091 QM.), nächst ihr die Garonne mit 90,550 qkm (1644 QM.) und der Tajo oder Tejo mit 82,525 qkm (1499 QM.). Viel für Schiffbarmachung und Kanalverbindung der Flüsse untereinander ist in Frankreich geschehen, und so führen denn vom Atlantischen Ozean zum Rheingebiet sowohl als zu dem Mittelmeer und seinen Zuflüssen Kanäle.
Unter den zahlreichen Zuflüssen des Mittelländischen Meers sind nur drei, der Ebro mit 99,922 qkm (1815 QM.), der Rhône mit 98,667 qkm (1792 QM.) und der Po mit 74,907 qkm (1360 QM.) Gebiet, Flüsse zweiten Ranges; die übrigen sind kleinere, den drei südeuropäischen Halbinseln ganz angehörige Flüsse. Das Schwarze Meer und das damit zusammenhängende Asowsche Meer empfangen drei Ströme ersten Ranges, darunter die Donau, den zweitgrößten Strom Europas, mit einem Flußlauf von 2780 km Länge und einem Gebiet von 816,950 qkm (14,837 QM.). Die Donau allein besitzt ein Delta unter den Zuflüssen des Schwarzen Meers, wie unter den Mittelmeerflüssen auch Po und Rhône, unter denen der Nordsee der Rhein; alle übrigen [927] Zuflüsse des Pontus öffnen sich mit weiten Flußbuchten (Limanen). Das Donaugebiet umfaßt das ganze Innere des östlichen Mittelgebirgslandes, die Nordabdachung der griechischen Halbinsel, den größten Teil der Alpen und des südlichen Teils des deutschen Mittelgebirgslandes. Auch die Steppenseen Ungarns, der Neusiedler und Plattensee, werden vom Donaugebiet umfaßt. Abgesehen von dem Donau-Mainkanal besitzt nur noch das große ungarische Tiefland Kanalverbindung. Von den übrigen größern Zuflüssen des Schwarzen Meers entspringt nur der Dnjestr am Rande der östlichen Mittelgebirgslande; der Dnjepr und der in das Asowsche Meer sich ergießende Don gehören ganz dem Tiefland an. Der Dnjepr ist durch Kanäle mit den Zuflüssen der Ostsee verbunden. Das Gebiet des Don beträgt 430,252 qkm (7814 QM.), das des Dnjepr 526,946 qkm (9570 QM.). Außer den schon erwähnten Seen finden sich noch einzelne zerstreute größere in Irland, im W. der italischen Halbinsel der Trasimenische und der Fuciner See, und im W. der griechischen Halbinsel die Seen von Ochrida und Skutari. E. gehört zu den in hydrographischer Hinsicht begünstigtsten Teilen der Erde, mit dem nur noch Nordamerika wetteifert.
Wenn sich aus Marcous geologischer Karte der Welt E. als der geologisch am reichsten gegliederte Erdteil darstellt, so ist nicht zu vergessen, daß in Wirklichkeit dieser Unterschied nicht oder doch nicht so grell besteht, und daß er mehr der Ausdruck bessern geologischen Wissens hinsichtlich der Verhältnisse Europas ist: ist doch alle geologische Kenntnis von diesem Erdteil ausgegangen und er am längsten und eingehendsten Objekt der wissenschaftlichen Untersuchungen gewesen. Als Oberflächenbildungen treten zunächst die Gesteine der archäischen Formationsgruppe in den zentralen Partien der großen europäischen Kettengebirge auf, so in den Alpen, den Karpathen, dem Kaukasus, ferner, als ein langes, schmales Band nordsüdlich vom Nördlichen Polarmeer bis in die Breiten des Nordendes des Kaspisees streichend, im Grenzgebirge gegen Asien, im Ural. Untergeordnet ist ihr Vorkommen in den Gebirgen der Iberischen Halbinsel, einschließlich der Pyrenäen, bedeutender in Zentralfrankreich, ferner auf Sardinien und Corsica. In Deutschland bestehen die Mittelgebirge, die Vogesen, der Schwarzwald, Odenwald, Harz, zum Teil aus den genannten Gesteinen. Die im geologischen Sinn so vollkommene Arrondierung Böhmens beruht in der Entwickelung der archäischen Gesteine in sämtlichen Grenzgebirgen des Landes. Als weitere Gebiete, in welchen sie sich in bedeutendern Massen vorfinden, sind die Balkanhalbinsel und Südrußland zwischen Bug und Dnjepr zu nennen; im N. sind die skandinavische Halbinsel sowie die nordwestlichen Provinzen Rußlands zwischen dem Bottnischen Meerbusen und Weißen Meer ganz überwiegend aus diesem altkristallinischen Material zusammengesetzt, das auch in Schottland und Nordirland zu Tage tritt. Silur und Devon, oft in inniger Verknüpfung mit Diorit und Diabas und deren Tuffen, den Schalsteinen, sind außer in England, dessen Provinzen ihnen den Namen gegeben, auch in Schottland und Irland weitverbreitet, in Frankreich besonders im nordwestlichen Teil, der Bretagne. Breite Streifen der beiden Formationen durchziehen ostwestlich Portugal und Spanien und beteiligen sich an der Zusammensetzung der Pyrenäen. Deutschland besitzt außer unbedeutenden Vorkommnissen in Thüringen und dem Fichtelgebirge Silur und namentlich Devon in großer Verbreitung im NW., wo die betreffenden Schichtsysteme über die Landesgrenze hinweg mit den belgischen in engem Zusammenhang stehen. In Österreich-Ungarn sind Schichten gleichen Alters aus dem Herzen Böhmens, aus Nordmähren und den Grenzländern gegen die Balkanhalbinsel aufzuführen. Wichtig sind endlich diese untersten Schichtsysteme der paläozoischen Gruppe im N. und O. Europas, in Skandinavien, welches neben diesen Schichten und den schon erwähnten ältesten Gesteinen jüngere Bildungen nur an seinen südlichen Grenzen aufzuweisen hat, sowie in Rußland. Im letztgenannten Land sind übrigens diese Gesteine sowie diejenigen der Kohlenformation in einem eigentümlichen Zustand der Unfertigkeit: anstatt der Thonschiefer setzen Thone, anstatt der Sandsteine Sande die Schichten zusammen, wohl infolge des Mangels an Bedeckung durch jüngere Schichten seit der Zeit der Ablagerung. Auch auf die Gesteine der Kohlenformation dehnt sich diese Eigentümlichkeit aus und gibt diesen alten russischen Kohlen eher das Aussehen jungtertiärer Braunkohlen. Bei der Verbreitung der Kohlenformation ist daran zu erinnern, daß sich dieselbe nicht mit dem Vorkommen bauwürdiger Kohle deckt, indem einesteils dieses technisch so überaus wichtige Material häufig auch dort in der Tiefe aufgesucht wird, wo jüngere Bildungen an der Oberfläche anstehen, andernteils aber die Verbreitung der ganzen Formation eine größere ist als diejenige des erfahrungsmäßig allein bauwürdige Kohle bergenden Gliedes derselben. Unbedeutend entwickelt auf der Iberischen Halbinsel und in Frankreich, spielt die Kohlenformation in England, Schottland und Irland eine bedeutende Rolle; in Deutschland ist sie in Westfalen, den Rheinlanden, Nassau und in Schlesien über große, zusammenhängende Territorien verbreitet, während sie in Sachsen und Thüringen kleinere, in Süddeutschland nur ganz unbedeutende Erstreckung besitzt. In Böhmen tritt sie um Pilsen herum auf, ferner in Nordmähren, nur unbedeutend in den Alpen, mächtiger dagegen im O. Europas, wo sie, teils längs des Urals, teils vom Weißen Meer ausgehend, bis in die Gegend südlich von Moskau langgestreckte Territorien bildet, nicht selten Kohle führend. – Die Dyasformation, besonders das Rotliegende, tritt an vielen Stellen als das Oberflächengebirge der Steinkohlenformation auf, ist übrigens in Großbritannien, Spanien und Frankreich meist nur untergeordnet als schmaler Streifen zwischen dieser und den Triasformationen entwickelt, während sie in Deutschland, und zwar deutlich in ihre zwei Glieder geschieden, eine nicht unbedeutende Verbreitung besitzt. Im Schwarzwald, in dem Donnersberg, den Vogesen, dem Odenwald und dem Erzgebirge kommt Rotliegendes, mit Porphyren als gleichzeitigem eruptiven Material eng verknüpft, entweder ganz ohne Zechstein oder doch nur mit geringen Andeutungen desselben vor, im N., so im Spessart, Thüringer Wald, Harz etc., daneben Zechstein, welcher als salzführende unterirdische Bildung bis in die norddeutsche Tiefebene nachgewiesen ist. Im O. Europas tritt die Formation, freilich in einer besondern, die Zweiteilung nicht mehr klar verratenden Facies, als sogen. Perm, in einer überaus weiten Verbreitung auf. – Die nächstjüngern Triasformationen finden ihre typischte Entwickelung in Deutschland, wo ihre drei Glieder immer nachweisbar sind und sie, abgesehen von einem kleinern Vorkommen in Oberschlesien, große, zusammenhängende Territorien bilden, die sich von Norddeutschland nach Süddeutschland [928] ausdehnen, jenseit des Rheins in den Vogesen und der Haardt ihre Fortsetzung finden und noch weit nach Frankreich hinein verfolgbar sind. Ob in Spanien mächtige, aber versteinerungsleere Schichten der Trias zuzuzählen sind, ist eine offene Frage. In England tritt die Trias zwar mächtig auf, aber insofern in einem vom deutschen stark verschiedenen Typus, als der Muschelkalk zwischen Buntsandstein und Keuper vollkommen fehlt. Ebenfalls in stark abweichender Facies beteiligt sich die Trias an dem Aufbau der Alpen, neben ihr aber in besonderer Mächtigkeit die Zwischenformation zwischen Trias und Jura, die rätische Formation, in Deutschland bloß dürftig angedeutet. – Von allen Jurabildungen ist die interessanteste der ununterbrochene Zug, welcher, von der Gegend der Rhônemündung ausgehend, als Jura Frankreich und die Schweiz trennt, als Schwäbische Alb durch Württemberg zieht und als Fränkische Schweiz sich bis zum Main verfolgen läßt. Nach Gesteinsmaterial und sonstiger Ausbildung nicht unwesentlich verschieden von dieser Facies des Jura ist derjenige, der im Innern Frankreichs entwickelt ist, und mit welchem alles, was in unbedeutender Menge im W. des Schwarzwaldes, weiter verbreitet in Norddeutschland und in England vorkommt, sich ungezwungener parallelisieren läßt als mit der schwäbisch-fränkischen Facies. Weitere Juragebiete finden sich in Spanien, Italien, in den Alpen, in Oberschlesien, von wo aus die Formation sich unterirdisch nachgewiesenermaßen bis an die Ostsee erstreckt, in Polen, in der Gegend von Moskau und weiter nordöstlich in ununterbrochener Folge bis zum Nördlichen Eismeer. – Die als Wealdenformation losgetrennte Zwischenbildung zwischen Jura- und Kreideformation findet sich in Südostengland, Nordostfrankreich und in Nordwestdeutschland (Deister), an letztgenanntem Orte technisch sehr wichtig, weil Kohle führend.
Die Kreideformation ist zunächst in der typischen, Kreide führenden Facies in England, Frankreich, Dänemark und Südschweden entwickelt, in Deutschland nur ganz untergeordnet im äußersten Norden, auf der Insel Rügen, während ihre übrigen deutschen Gebiete, in Westfalen, wo sie die Decke der Steinkohlenformation bildet, in Sachsen (und Nordböhmen), Schlesien und, wenig ausgedehnt, in der Gegend von Regensburg, teils aus Sandstein (dem sogen. Quadersandstein) und Mergel (dem sogen. Plänermergel), teils aus glaukonitischen Mergeln bestehen. Neben diesem auf der Natur der zusammensetzenden Gesteine beruhenden Unterschied machen sich sonstige, besonders auf paläontologische Merkmale begründete Faciesbildungen (Fehlen oder Auftreten von Hippuriten) bemerkbar, gewöhnlich als nördliche und südliche Facies bezeichnet. Die oben genannten Lokalitäten gehören sämtlich der nördlichen an, während sich die südliche (die Hippuritenkreide) von Portugal aus durch Spanien, die Pyrenäen und Südfrankreich hindurch verfolgen läßt und am Aufbau der Alpen, der Apenninen und der Karpathen sich beteiligt. Breite Kreidestreifen ziehen sich in die Balkanhalbinsel, und im O. erstrecken sich die betreffenden Gesteine bis zur Wolga und bauen den Kaukasus mit auf, während das Land nördlich und östlich des genannten Flusses sich aus älterm Material zusammensetzt, mit Ausnahme eines schmalen Streifens, der halbmondförmig etwa unter dem 40. Breitengrad westöstlich sich hinzieht. – Aus dem Umstand, daß die Gesteine tertiären Alters in den großen Kettengebirgen, den Pyrenäen, den Alpen, den Apenninen, den Karpathen, bis zu bedeutenden Höhen ansteigen, ist mit Recht geschlossen worden, daß sich der wesentliche Akt des Faltungsprozesses, welcher diese Gebirge bildete, erst nach der Ablagerung dieser dem ältern Tertiär angehörigen Gesteine vollzog. Andre, meist jüngere Tertiärbildungen stellen wohl arrondierte Becken dar, deren geographische Lage durch die Namen Pariser, Londoner, Mainzer, Wiener Becken genugsam fixiert ist. In Deutschland, besonders Norddeutschland, sind an vielen Stellen als Oberflächenbildungen Tertiärgesteine entwickelt, voneinander geschieden durch mächtige Diluvialablagerungen und oft technisch sehr wichtig durch die Führung von Braunkohle, welche auch, mitunter dunkel gefärbt und der Steinkohle äußerlich ähnlich, den Tertiärschichten der Alpen, Böhmens und andrer Gegenden eingelagert ist. Bildungen jüngsten tertiären Alters endlich (pliocän) stehen besonders charakteristisch in Südengland, in Italien (Subapenninenformation) und in den Steppen Südrußlands an. An vielen Punkten lieferte die vulkanische Thätigkeit der Tertiärperiode gewaltige Ausbrüche von Trachyten, Andesiten, Phonolithen u. Basalten. In Spanien Katalonien, in Frankreich die Auvergne und das Vivarois, die erloschenen Vulkane Irlands, der Färöer, der Shetlandsinseln und der Hebriden, in Deutschland Eifel, Siebengebirge, Vogelsgebirge, Habichtswald, Rhön, Kaiserstuhl, Hegau, die vereinzelten vulkanischen Kuppen des Lausitzer Gebirges, in Böhmen das Mittelgebirge, in Ungarn die alten Vulkane von Schemnitz und Tokay, in Italien die Euganeen: alles das sind Beispiele von Produkten des Vulkanismus während der Tertiärperiode, in welche auch die Anfänge derjenigen Eruptionsthätigkeit zurückragen, welche heute noch sich in Island, in Italien und im Griechischen Archipel abspielen. – Der Diluvialperiode als Zeit der Bildung gehört der weitverbreitete Löß an, welchem Rhein-, Main- und Donauthal ihre sprichwörtliche Fruchtbarkeit verdanken, und welcher im Elbthal (sowohl in Böhmen als in Sachsen), an der Oder und Weichsel, in Oberschlesien bis tief nach Rußland hinein in mitunter sehr bedeutender Mächtigkeit entwickelt ist. Ein besonderes Gepräge hat die diluviale Eiszeit einem großen Teil der Oberfläche Europas aufgedrückt durch das gewaltige transportierte Gesteinsmaterial, welches als Decke der ältern Formationen zurückblieb, als die von allen höhern Gebirgen ausgehenden, halb E. überziehenden Vergletscherungen sich allmählich in die bescheidenen heutigen Grenzen zurückzogen. Südfrankreich, das Tiefland Großbritanniens, die norddeutsche Tiefebene, einschließlich Hollands im W. und der russischen Ostseeprovinzen im O., ein großer Teil Süddeutschlands sind mit solchem „glazialen Schutt“ bedeckt. – Langsam, aber stetig wirken die sedimentären Gesteinsbildungsprozesse während der Alluvialzeit durch Absätze in Flußbetten, in Seen und im Meer, durch die Erosion der Oberflächengesteine, durch den Vertorfungsprozeß umwandelnd auf die Oberfläche Europas ein, während die vulkanische Thätigkeit der heutigen Entwickelungsphase der Erde speziell auf europäischem Grund und Boden auf ein Minimum reduziert ist: thätige Vulkane besitzen nur Island im N., das italienische Festland (Vesuv), einige italienische Inseln (Ischia mit dem Epomeo, die Liparischen Inseln mit dem Stromboli, Sizilien mit dem Ätna) und der Griechische Archipel (Santorin) im S. Europas.
[Mineralien.] An technisch wichtigen Produkten des Mineralreichs ist E. reich. Seine Kohlenschätze [929] sind mit wenigen Ausnahmen (hier und da im Rotliegenden, im Lias von Ungarn, in der norddeutschen Wealdenformation, in der schlesischen Kreideformation) der Steinkohlenformation und dem Tertiär eingelagert; Eisenerz bergen die mannigfaltigsten Formationen; Salz kommt bisweilen mit Kalisalzen zusammen in der Dyas (Norddeutschland), in mehreren Niveaus der Trias (Württemberg, Baden, Lothringen), in der Juraformation (Bex), im Tertiär (Spanien, Galizien, Siebenbürgen) vor und bildet sich in den übersättigten Salzseen der europäischen Ostgrenze auch jetzt noch fort. Der Hauptdistrikt für europäisches Petroleum sind die Nachbargegenden der Karpathen, abgesehen von unbedeutendern Mengen, wie sie z. B. Norddeutschland darbietet. Asphalt liefert das Juragebirge, Elsaß, die Umgegend Hannovers; Phosphorite entstammen dem Silur (Spanien), dem Devon (Nassau), während sie an einer Mehrzahl von Lokalitäten (so in Frankreich, Rußland etc.) mit den Juraschichten gleichalterig oder doch der Lagerung nach eng verknüpft sind.
Von den edlen Metallen wird Gold in bedeutender Menge nur im ungarisch-siebenbürgischen Erzgebirge und am mittlern Ural (hier auf sekundärer Lagerstätte mit Platina) gewonnen. Silber ist in geringer Menge sehr verbreitet, an Blei- und Kupfererze gebunden; reichere Silbererze finden sich vorzüglich in Norwegen (Kongsberg), im sächsischen Erzgebirge, am Harz und in der spanischen Provinz Guadalajara. Spanien ist auch ausgezeichnet durch seinen Reichtum an Quecksilber (Almaden in der Sierra Morena), das außerdem nur noch in Idria und an einigen andern Punkten der östlichen Alpen in nennenswerter Menge produziert wird. Kupfererze sind viel verbreitet; besonders reich sind der Ural, Thüringen (durch die zur Dyasformation gehörigen Kupferschiefer), Cornwall und Spanien (Rio Tinto). Zinnerz findet sich nur im sächsisch-böhmischen Erzgebirge, in Cornwall und in der Bretagne. Blei- und Zinkerze werden außer in den Gängen der Erzgebirge in England und Deutschland vielfach lagerartig im Devon, in der Steinkohlenformation und der Trias angetroffen. Der Bunte Sandstein ist in Rheinpreußen (Kommern) stellenweise mit Blei- und Kupfererzen imprägniert. Nickel- und Kobalterze sind im sächsischen Erzgebirge, in Thüringen, im Spessart, in den westlichen Alpen und in Skandinavien verbreitet. Antimon wird in größerer Menge, namentlich in Ungarn, als Begleiter der Gold- und Silbererze gewonnen. Vgl. v. Cotta, Erzlagerstätten Europas (Freiberg 1861).
E. ist der einzige Erdteil, der nirgends die heiße Zone berührt, vielmehr mit Ausnahme eines äußerst unbedeutenden Stücks (die nördlichsten Spitzen von Norwegen, Schweden und Nordrußland, die in der kalten Zone liegen) der gemäßigten angehört. Es hat daher vorherrschend ein gemäßigtes Klima. Infolge davon fehlen ihm allerdings die Pracht der Farben und der Reichtum der Formen in der Tier- und Pflanzenwelt, die Fülle der letztern, wie sie sich unter der tropischen Sonne entfaltet, aber mit ihr auch der Gegensatz zu jener üppigen Fülle, die Wüste, die dort oft dicht an sie herantritt. Anderseits ist E. aber auch von der Herrschaft des eisigen Pols befreit. Ebenso vermissen wir das Übermaß des kontinentalen wie des ozeanischen Klimas. Der Erdteil hat vielmehr vermöge seiner Lage die glücklichste Mischung beider Klimate. Dabei trennt weder ein geschlossenes Hochland, wie in Asien, noch ein mächtiges Meridiangebirge, wie in Amerika, Osten und Westen voneinander und macht sie zu gänzlich verschiedenen Pflanzen- und Tiergebieten. So kommt es, daß E. im Gegensatz zu allen übrigen Erdteilen durch eine gewisse Gleichartigkeit seiner Natur charakterisiert ist. Dabei ist es vor allen andern Teilen der Erde begünstigt durch seine Stellung gegen die aus der Tropengegend abfließenden Luft- und Meeresströmungen, die bis zu seinem Nordende, im Kampfe freilich mit den kalten Strömungen aus den Polargegenden, mildernd auf das Klima, insbesondere seines Westens, einwirken. Ihnen ist es zuzuschreiben, daß die Linien gleicher mittlerer Temperatur (Isothermen) hier einen weit höhern Bogen nach N. machen als auf der gegenüberliegenden Ostseite Amerikas wie auf der Ostseite der Alten Welt, und daß sich auch die Linien der mittlern Winterkälte ähnlich verhalten. In Nordamerika bedecken sich noch die Flüsse Pennsylvaniens auf gleicher Breite von Rom jährlich mit eisiger Decke; Südlabrador und Südkamtschatka besitzen, obgleich über 15° südlicher gelegen, doch gleiche mittlere Temperatur mit dem nördlichsten Norwegen. Wie Wärme, so führen uns auch die äquatorialen Windströmungen Feuchtigkeit und Regen zu. Je weiter im Innern des Erdteils, um so geringer sind diese Wirkungen, und so finden wir denn gegen O. eine immer geringere mittlere Jahrestemperatur. Die Linien mittlerer Winterkälte steigen noch weiter an den Westküsten nach N. als die der mittlern Jahrestemperatur, während sich die Sommerlinien umgekehrt verhalten. Die kältern Winter und heißern Sommer des kontinentalen Ostens reichen bis in die vom östlichen Mittelgebirge umschlossenen Ebenen hinein. Der Hauptgrund für diese Erscheinung liegt, abgesehen vom Golfstrom, in dem Vorherrschen der aus NO. und SW. wehenden Winde; denn durch die Achsendrehung der Erde nehmen die ursprünglich von N. oder S. kommenden Luftmassen in E. diese Richtungen an. Das Vorkommen der Buche, deren Verbreitungszone etwa durch eine von der Nordküste Irlands zur Nordküste des Skagerrak und von hier zu der Donaumündung gezogene Linie gegen NO. begrenzt wird, bezeichnet ungefähr die Gegenden, in denen ozeanische Einflüsse vorherrschen; doch sind die Westgestade Skandinaviens, die nördlichen Gegenden Großbritanniens und Irland denselben gleichfalls unterworfen, und der Übergang zum Kontinentalklima findet überhaupt, wo nicht hohe Gebirge feststehende Wetterscheiden bilden, nur sehr allmählich statt. Die Inseln und Halbinseln haben eine durch das Meer bedeutend gemilderte Temperatur, sowohl im Sommer als im Winter. Großbritannien und Irland haben eine feuchte, nebelige Luft, fast immer bewölkten Himmel; aber die Kälte steigt (die Gebirge ausgenommen) nicht leicht über 12° C., und Schnee bleibt selten liegen. Das südliche Schweden und Norwegen hat im Winter mildere Temperatur als die östliche Tiefebene.
Vermöge seiner geographischen Lage hat fast ganz E. eine regelmäßige Folge von vier in den Witterungsverhältnissen verschiedenartig ausgeprägten Jahreszeiten. Nur der äußerste Süden und der äußerste Norden sind davon auszunehmen, indem die Übergangsjahreszeiten, Frühling und Herbst, dort unmerklich mit dem Sommer und dem nur durch häufigere Regengüsse sich ankündigenden Winter verschmelzen, hier aber, wo heiße Sommer und kalte Winter, wie in allen Polargegenden, ungemein schnell aufeinander folgen, von sehr geringer Dauer sind. Die Differenz der Temperatur zweier verschiedener Orte [930] Europas wird übrigens viel mehr durch die Verschiedenheit der Wintertemperatur als durch die der Sommertemperatur ausgeprägt, denn für die Nord- und Südgrenzen des Erdteils ergibt die Mitteltemperatur des wärmsten Monats nur einen Unterschied von etwa 9–10°, die des kältesten aber den weit bedeutendern von 22–24°. Ähnliche Verhältnisse stellen sich auch bei einer Vergleichung zwischen dem Osten und Westen Europas heraus. Die mittlere Sommertemperatur der beiden unter gleicher geographischer Breite liegenden Orte Edinburg und Kasan ist z. B. nur um 2°, die mittlere Wintertemperatur beider dagegen um 13° unterschieden, während die mittlere Jahrestemperatur beider Punkte eine Differenz von 6° zu gunsten des erstern zeigt.
Welchen Einfluß die geographische Länge neben der Breite auf das Klima hat, ergibt sich aus folgender Tabelle:
Länge von Greenwich (westl. L. −) | Breite | Mittlere Temperatur in Graden Celsius | |||
Jahr | Winter | Sommer | |||
Lissabon | −9° 38′ | 38° 42′ | 16,66 | 11,66 | 21,66 |
Dublin | −6° 51′ | 53° 13′ | 9,45 | 3,90 | 15,00 |
Madrid | −4° 12′ | 40° 24′ | 14,37 | – | – |
Edinburg | −3° 41′ | 55° 57′ | 8,33 | 2,80 | 13,90 |
Bordeaux | −1° | 5′44° 50′ | 13,90 | 6,10 | 21,66 |
London | −0° 35′ | 51° 30′ | 10,00 | 3,90 | 16,10 |
Paris | 2° 20′ | 48° 50′ | 10,60 | 3,33 | 18,10 |
Karlsruhe | 5° 55′ | 49° | 1′10,60 | 1,10 | 18,90 |
Hamburg | 9° 29′ | 53° 33′ | 8,33 | 0,00 | 17,20 |
Drontheim | 9° 54′ | 63° 27′ | 4,45 | −5,00 | 13,90 |
Rom | 11° 59′ | 41° 54′ | 15,55 | 7,80 | 22,80 |
Kopenhagen | 12° | 5′55° 41′ | 7,80 | −1,10 | 17,20 |
Berlin | 12° 54′ | 52° 30′ | 7,80 | −1,10 | 16,66 |
Neapel | 13° 45′ | 40° 52′ | 16,66 | 10,00 | 23,33 |
Prag | 13° 55′ | 50° | 8′9,45 | −0,55 | 19,45 |
Wien | 15° 53′ | 48° 13′ | 10,60 | 0,00 | 20,55 |
Stockholm | 17° 46′ | 59° 21′ | 5,50 | −4,45 | 16,10 |
Danzig | 18° 10′ | 54° 24′ | 7,20 | −1,10 | 16,66 |
Budapest | 18° 33′ | 47° 49′ | 10,60 | −0,56 | 21,10 |
Umeå | 19° 47′ | 63° 50′ | 1,70 | −10,00 | 13,33 |
Warschau | 20° 32′ | 52° 13′ | 8,90 | −1,66 | 19,45 |
Nordkap | 25° 40′ | 71° 10′ | 0,00 | −5,50 | 5,56 |
St. Petersburg | 29° 48′ | 59° 57′ | 3,33 | −10,00 | 16,66 |
Kasan | 48° 37′ | 55° 47′ | 2,22 | −12,20 | 16,66 |
Die Lage Europas und die Beschaffenheit der nachbarlichen Erdräume, dann aber auch der Bau und die Form seiner eignen Oberfläche bilden die Grundbedingungen seiner Witterungsverhältnisse. Die Nähe Afrikas und der glühenden Sahara machen die Südwinde für Südeuropa heiß und trocken (so in Spanien der Solano, in Italien der Scirocco). Die Westwinde dagegen bringen, weil sie über einen ausgedehnten Ozean hinwehen, Regen, Nebel und Feuchtigkeit für die west- und teilweise noch für die mitteleuropäischen Länder; Ost- und Nordostwinde endlich sind für E. infolge ihres Wegs über die breiten, teilweise wasserarmen, steppenartigen Flächen des asiatischen Kontinents trockne Winde und behalten diesen Charakter noch im östlichen und mittlern Deutschland. In betreff der Niederschläge zerfällt E. in eine südliche Zone ohne Sommerregen und in eine nördliche mit Regen zu allen Jahreszeiten. Beide werden durch eine Linie getrennt, welche vom Viscayischen Meerbusen zum Südfuß der Cevennen und Seealpen, über die Apenninen nach Ancona hinzieht und die Balkanhalbinsel von Zara bis Burgas durchschneidet. Die südliche Hälfte der Südzone zeigt nur Winterregen, deren nördliche solche im Frühling und Herbst, während in der großen nördlichen Zone die Regenmenge sich über das Jahr gleichmäßiger verteilt. Letztere ist auf den britischen Inseln am größten und nimmt von hier in ostsüdöstlicher Richtung allmählich ab; sie ist ferner auf den Westküsten aller Halbinseln bedeutender als auf den östlichen, und namentlich gilt dies von jenen, welche, wie die italische und skandinavische, von Gebirgen durchzogen werden, deren Richtung der Direktion des wolkenbringenden Westwindes entgegengesetzt ist. Überhaupt hat die Verteilung der Gebirgsmassen den unverkennbarsten Einfluß auf den Charakter der Witterung, doch kommt es hierbei weniger auf die absolute Erhebung als auf die Ausdehnung der Hochflächen an. Die Pyrenäen, Cevennen, die skandinavischen und schweizerischen Alpen, die Karpathen und selbst die mitteldeutschen Gebirge bilden in ihren Regionen wahre Wetterscheiden. Zu Trautenau am Südfuß des Riesengebirges fallen jährlich 123 cm wässerigen Niederschlags, während Eichberg bei Hirschberg an der Nordseite nur 67,6 cm besitzt; zu Stubenbach am südwestlichen Außenrand Böhmens fallen 219,8 cm, zu Budweis nur 64 cm; zu Bergen an der norwegischen Westküste fallen 225 cm, zu Upsala nur 40 cm. Gewitter pflegen im N. des Erdteils nur im Sommer häufiger zu sein, im Winter aber äußerst selten vorzukommen; im S. dagegen sind sie auf keine Jahreszeit beschränkt. Die regenreichsten Punkte Europas sind der westliche Gebirgssaum der Pyrenäischen Halbinsel (Coimbra 301 cm), der Südfuß der Alpen (Tolmezzo 244 cm), die Westküste von Schottland (Styepaß 481,2 cm, Seathwaite 386,7 cm) und Norwegen (Bergen 225 cm). Die mittlere Regenhöhe von Westeuropa beträgt 70 cm, in Rußland hält sie sich meist zwischen 40 und 50 cm und sinkt nur im äußersten Südosten, bei Astrachan, auf 12,4 cm herab. Im allgemeinen zerfällt E. in drei große meteorologische Bezirke, in deren jedem ungefähr dieselben Witterungsverhältnisse herrschen: in den südeuropäischen, der die südlichen Halbinseln, die Tiefebenen des untern Rhône, des Po und der mittlern Donau umfaßt; den nordwesteuropäischen, der den größten Teil Frankreichs, die britischen Inseln, Deutschland, Jütland, Norwegen, die Ostseeländer und das westliche Rußland (ungefähr bis zum Meridian von Petersburg) begreift, und den osteuropäischen, zu welchem Schweden und das östliche Rußland gehören.
Hinsichtlich seiner Flora gehört E. zur paläarktischen Region, welche auch die gemäßigten Teile von Asien und den Nordrand von Afrika umfaßt. Im einzelnen lassen sich vier Zonen und Vegetationsreiche in E. unterscheiden: das polare Reich der Moose und Alpenpflanzen; das Reich der nordischen Waldbäume, der Birke und des Nadelholzes; das Reich kätzchentragender Laubbäume, die ihr Laub im Winter verlieren, und endlich das Reich immergrüner, kätzchentragender Laubbäume und Südfrüchte. Der ersten Zone, der der Moose und Alpenpflanzen, welche bis zur Jahresisotherme von 10° C. reicht, gehören Island und geringe Teile des nördlichen Skandinavien und Rußland an. Der Holzwuchs mangelt nur den äußersten Nordenden, wenn er gleich jenseit des 69. Parallels bereits sehr spärlich ist und sich auf verkrüppelte Birken, Weiden und Kiefern beschränkt. Reich vertreten sind in dieser Zone die Moose, Flechten und Saxifrageen. Der zweiten Zone, der der nördlichen Waldbäume, gehören Nord- und Mittelskandinavien und der größte Teil von Nordrußland, südwärts bis zum nördlichen Landrücken, an. Hier allein finden wir noch die unermeßlichen Waldungen, gegen die nördliche Grenze nur aus Birken bestehend, südlicher vorherrschend dichten Nadelwald [931] und nur in trocknen Lagen Birken; Kiefer und Rottanne, in Rußland auch Zirbel und Lärche, bilden den Nadelwald. Im N. ist der Wald nur an einzelnen Punkten gelichtet, um Platz für den Anbau von Gerste (in Norwegen noch bei 70°, am Ural bei 62° nördl. Br.) und Hafer, in Schweden auch für Kartoffeln zu geben; letztere werden auch auf den waldlosen schottischen Inseln und im entwaldeten Hochschottland gebaut. Von Mittelschweden an kommt dazu ausgedehnter Anbau des Roggens, in Rußland auch der von Buchweizen. Groß ist der Reichtum dieser Zone an Beerenpflanzen, Preißel- und Heidelbeeren im Wald, Erdbeeren, gewöhnlichen und arktischen Himbeeren in seinen Lichtungen, Zwerghimbeeren (Rubus Chamaemorus) und Moosbeeren auf den ausgedehnten Tiefmooren dieser Zone. Von Obst reicht nur die Kirsche weit nach N., erst im S. werden Äpfel und Birnen gepflanzt. Ausgedehnte bunte Berg- und saure Überschwemmungswiesen unterbrechen Wald, Heide und Kulturland. Die Flora dieser Zone ist artenarm, aber individuenreich und in üppigster Fülle auf dem fruchtbaren Boden entwickelt.
Die dritte Zone, die des Laubwaldes mit abfallenden Blättern, mit Buchen und Eichen, im russischen Osten ohne Buche, aber mit Ulme und Linde neben Birke und Eiche, nimmt den größten Teil Europas ein; sie umfaßt seine Hauptackerbaudistrikte, in denen nicht bloß das Bedürfnis des Inlandes gedeckt, sondern auch, besonders aus den fruchtbaren Niederungen, ein ausgedehnter Exporthandel getrieben wird und zwar nicht bloß mit Getreide, sondern auch mit Gespinstpflanzen und Ölfrucht, Lein und Hanf aus Rußland, wo ihr Anbau noch nordwärts in den vorigen Gürtel hineinreicht, Raps aus Deutschland und mit zahlreichen andern Handelspflanzen, darunter Tabak. Zu den Getreidearten der vorigen Zone gesellt sich der Weizen, der in England und Frankreich ausschließlich gebaut wird; im S. der Mais, überall auf unfruchtbarem Boden oder als Nachfrucht der Buchweizen, im O. die Hirse; ausgedehnt ist der Bau von Kartoffeln und Gemüse; auch Kirschen, Pflaumen, Äpfel und Birnen, im südlichen Teil die welsche Nuß, noch südlicher Pfirsiche, Mandeln und echte Kastanien werden in Fülle gewonnen. Mit dem Laubwald wechselt der Nadelwald von Fichten und Kiefern, in den Berggegenden auch von Tannen. Auch die Beerenpflanzen außer den wenigen arktischen Formen sind verbreitet und gewähren insbesondere in den Berg- und Gebirgsgegenden reiche Ausbeute. Ausgedehnte trockne Flächen sind mit Heide bedeckt, während in den Thaltiefen die Formation der Graswiesen zu ihrer schönsten und reichsten Entwickelung kommt und mit ihrem saftigen Grün eins der wesentlichsten Glieder in den Landschaftsbildern dieser Zone bildet. Wiesen und ausgedehnter Futterbau machen selbst in den kultiviertesten Teilen die Viehzucht zu einem der wichtigsten Erwerbszweige dieser Gegenden. Die Nordgrenze dieser Zone läuft durch Südnorwegen, durchschneidet Schweden unter dem 57.° und verläuft von da durch Rußland, wo die Buche nur in Polen und Podolien vorkommt, dagegen die dauerhaftere Wintereiche als Waldbaum am Ural bis 58° nördl. Br., die Sommereiche nur bis 54° reicht, der großartige Weizenbau dagegen erst bei 48° beginnt. Die Südgrenze wird durch die Pyrenäen und Alpen gebildet. Die Grenze des Weinbaues trennt diese Zone in einen nördlichen Teil, in dem nicht bloß auf den Höhen, sondern auch in den Niederungen Torfmoore große Räume einnehmen, und in einen südlichen, in dem schon gegen die Südgrenze die Kastanie ganze Wälder bildet und das Obst seine höchste Vollkommenheit erreicht. Die Polargrenze des Weinbaues reicht von der Loire zur Ahr-, Unstrut-, Moldau-, March- und Hernadmündung und schneidet den Don unter 48° nördl. Br. Die Rebe kommt zwar in einzelnen begünstigten Lokalitäten auch nordwärts der oben gezogenen Linie vor; aber nur an wenigen Stellen ist ihre Kultur noch von einiger Bedeutung (Siebengebirge, Grünberg), und nirgends bildet sie mehr einen hervorstechenden Zug in der Physiognomie der Landschaften.
Die vierte Zone, die der immergrünen Wälder und Agrumi (Südfrüchte), das Reich der Labiaten nach Schouw, ist auf die Küstenländer des Mittelmeers und auf die spanische Halbinsel beschränkt. In ihr ist die echte Kastanie nicht mehr bloß angepflanzt, sondern wirklicher Waldbaum; der Weinstock wird nicht mehr niedrig, wie diesseit der Alpen, gezogen, sondern man läßt ihn an Bäumen hinaufranken. Neben den Bäumen mit abfallendem Laub, unter denen in allen tiefern Gegenden die Buche gänzlich fehlt, gedeihen Eichen mit immergrünem Laub, zahlreiche immergrüne Sträucher: Buchsbaum, Lorbeer, Myrte, schön blühende Zistrosen, dabei auch schon echte Akazien. In begünstigtern Gegenden, wie in Südspanien, bei Nizza etc., tritt schon die Zwergpalme als schwer auszurottendes Unkraut, einzeln die angepflanzte Dattelpalme auf. Unter den Nadelbäumen herrschen andre Arten: die malerische Pinie (Pinus Pinaster), am Meer die terpentinreiche Strandkiefer (P. maritima), dazu, wenn auch angepflanzt, als die Charakterpflanze des Südens die schlanke, dunkle Cypresse. Die trocknen Berggehänge duften von wohlriechenden Labiaten, die verwilderte Opuntia und Agave gedeihen auf dem Felsboden. Auch weite Heiden, aber von höhern Heidesträuchern gebildet als im N., besitzt der Süden. Die Form der Wiese fehlt den dortigen Niederungen gänzlich, dagegen bedecken sich grasige Plätze im ersten Frühling mit schön blühenden Zwiebelgewächsen. Unter dem Getreide fehlen Roggen und Hafer, dafür herrschen Weizen und Mais; wasserreichere Gegenden würden sich für den Reisbau eignen, doch wird derselbe nur an der Nordgrenze (Po-Ebene, Türkei) und auch hier nur sporadisch betrieben. Ausgedehnt ist die Zucht saftiger Gurkenfrüchte, so der Melonen, und der Anbau von Bohnen. Selbst Baumwolle und Zuckerrohr hat man zu bauen versucht. Unter den Fruchtbäumen nehmen die echte Kastanie, die Feige und der Ölbaum die erste Stelle ein; dazu kommen die Südfrüchte, der Granatapfel, der Johannisbrotbaum, die Mandel, der Weinstock, der nicht bloß Wein, sondern auch getrocknete Beeren liefert. Statt der Wiesen gibt es ausgedehnten Futterbau, wo höhere Bodenkultur stattfindet. Während der größere Teil der Mittelgebirge, die höchsten Teile des ungarischen und Sudetensystems ausgenommen, bis auf die Höhen noch mit Wald bestanden und das ungarisch-siebenbürgische Gebirge noch mit wahrem Urwald bedeckt ist, der keine Axt gesehen, erheben sich die höhern Gebirge Südeuropas wie Nordeuropas in ihren hohen Teilen über die Region des Waldes, der noch zu oberst aus Nadelholz (nicht aus Birken, wie im N.) besteht, ein Teil, wie Alpen, Pyrenäen und skandinavisches Hochgebirge, bis über die Schneegrenze. Auch ein Teil des asturischen Hochgebirges trägt bleibenden Schnee, während er sich auf den Karpathen infolge ihrer kontinentalen Lage nur in einzelnen Schluchten an der Nordseite unter ihren höchsten Gipfeln erhält. Auf allen diesen bedeutendern Höhen folgt über dem hochstämmigen Nadelwald eine [932] Region der Alpensträucher, gebildet aus der Krummholzkiefer, von den südungarischen bis zu den pyrenäischen Gebirgen auch aus der Grünerle, in den Alpen und Pyrenäen aus den prächtigen Alpenrosen. Größer ist die Übereinstimmung des Nordens und Südens in den Alpenkräutern, doch ist die Mannigfaltigkeit größer im S. Wie die mitteleuropäische Flora ihre Polargrenze hat, so hat sie auch ihre äquatoriale, und so kommt es, daß man in den spanischen, italienischen und griechischen Gebirgen beim Aufsteigen aus der Tiefe auf die Höhen, wo die immergrüne Eiche und der Ölbaum gedeihen, erst eine Region des Nußbaums durchwandern muß, ehe man die Buche oder selbst die nordische Kiefer erreicht, über denen dann der Fichtenwald folgt. Von der Buchenregion an kehrt auch die Formation der geschlossenen Graswiese wieder.
In welcher Weise der Boden in den Hauptländern Europas verwertet wird, ergibt sich aus folgender Tabelle, wobei der unproduktiven Fläche auch Haus- und Hofräume, Wege, Ödland und Gewässer zugerechnet sind.
Staaten, nach der Größe des Areals geordnet |
Areal | Einwohner auf 1 QKilom. | Acker- und Gartenland | Weinland | Wiesen und Weiden | Waldungen | Produktive Fläche insgesamt | Unproduktive Fläche |
QKilom. | Proz. | Proz. | Proz. | Proz. | Proz. | Proz. | ||
Rußland | 5389628 | 16 | 21,6 | 0,02 | 22,0 | 38,0 | 81,62 | 18,38 |
Österreich-Ungarn | 622270 | 61 | 36,5 | 1,0 | 26,2 | 30,0 | 93,7 | 6,3 |
Deutsches Reich | 540519 | 84 | 48,2 | 0,3 | 19,5 | 25,7 | 93,7 | 6,3 |
Frankreich | 528572 | 71 | 50,0 | 4,4 | 13,9 | 15,8 | 84,1 | 15,9 |
Spanien (inkl. Balearen) | 499763 | 33 | 33,8 | 3,7 | 19,7 | 20,8 | 78,0 | 22,0 |
Schweden | 450574 | 10 | 6,2 | – | 4,2 | 37,8 | 48,2 | 51,8 |
Norwegen | 325422 | 6 | 2,1 | – | 2,8 | 24,0 | 28,9 | 71,1 |
Großbritannien | 314956 | 112 | 29,5 | – | 32,1 | 3,6 | 65,2 | 34,8 |
Italien | 288540 | 98 | 36,9 | 6,3 | 25,0 | 15,7 | 83,9 | 16,1 |
Türkei | 262404 | 25 | ? | ? | ? | ? | ? | ? |
Rumänien | 129947 | 41 | 29,3 | 0,8 | 21,3 | 16,9 | 68,3 | 31,7 |
Portugal | 89143 | 48 | 22,6 | 2,2 | 16,7 | 8,0 | 49,5 | 50,5 |
Griechenland | 64689 | 30 | 16,3 | 2,5 | 8,3 | 16,9 | 44,0 | 56,0 |
Bulgarien | 63972 | 31 | ? | ? | ? | ? | ? | ? |
Serbien | 48586 | 38 | 9,1 | 0,5 | 23,2 | 40,0 | 72,8 | 27,2 |
Schweiz | 41347 | 69 | 16,4 | 0,7 | 35,8 | 18,7 | 71,6 | 28,4 |
Dänemark | 38302 | 51 | 42,5 | – | 28,2 | 4,6 | 75,3 | 24,7 |
Niederlande | 33000 | 128 | 27,3 | – | 33,7 | 6,5 | 67,5 | 32,5 |
Belgien | 29455 | 194 | 53,9 | 0,01 | 12,4 | 15,1 | 81,41 | 18,59 |
Luxemburg | 2587 | 81 | 49,7 | 0,3 | 15,7 | 29,8 | 95,5 | 4,5 |
Auch hinsichtlich seiner Tierwelt gehört E. der paläarktischen Region an, doch sind deren Abweichungen von der Tierwelt Nordasiens so erheblich, daß man sich veranlaßt gesehen hat, die Niederung des Ob und Tobol als Grenze anzunehmen und anderseits die Fauna der südrussischen Steppen Sibirien zuzuweisen. Die Fauna läßt sich in vier den Pflanzengürteln entsprechende Reiche teilen, die sich im Hochgebirge als Regionen wiederholen. Arm, aber charakteristisch ist die Fauna des arktischen Reichs mit ihren Eisbären und Robben an der Küste, mit dem Renntier, arktischen Fuchs, Alpenhasen, Lemming, zahlreichen Wasservögeln und Fischen. Die einzigen Tiere im Besitz der Polarbevölkerung sind der Hund und das Renntier; nur Island besitzt Viehzucht. Das zweite Reich, das der Pelztiere, der nördlichen Waldzone entsprechend, und das dritte, das der Rindviehzucht, sind weniger scharf getrennt. Als vierte Zone schließt sich das Reich der mittelmeerischen Fauna an. Unter den Tieren der nördlichen Zone sind der Vielfraß und das Elen hervorzuheben. Eichhörnchen, Hermelin, Nörz liefern treffliches Pelzwerk im waldigen Rußland; hier haben sich auch noch Bär und Luchs erhalten, die Mitteleuropa und die Pyrenäen nur noch einzeln in ihren Hochgebirgen besitzen. Beiden gemein ist der Wolf, der sich aber nur im sarmatischen Osten, in den französischen Gebirgen und in den Alpen erhalten hat. Auffallend sind in der Waldzone noch die Armut an Amphibien, der unermeßliche Reichtum an Fischen, an Waldhühnern und Wasservögeln. Die Vogelberge Schottlands, seiner Inseln und der norwegischen Küste bieten einen bedeutenden, wenngleich gefahrvollen Erwerb der Bewohner. Viehzucht wird nur in engen Grenzen getrieben, Pferd und Rind in sehr kleinen Rassen gezogen. In der dritten Zone war einst das Elen im N. zu Hause, kommt jetzt aber außer Rußland nur noch in Ostpreußen (gehegt) vor, während der Auerochs, ehemals von ähnlicher Verbreitung, gegenwärtig auf kleine Gebiete in den Urwäldern Osteuropas (Bialowiczer Heide, Gouvernement Minsk) beschränkt ist. Das wilde Schwein, soweit die Eichen reichen, einst in ganz E. zu Hause, ist jetzt fast ausgerottet, auch in vielen Gegenden der Edelhirsch, und nur das Reh noch verbreiteter. In dieser Zone finden wir die Zucht vom Rind und Pferd, von Schaf und Ziege, von Schwein und Geflügel in größter Ausdehnung. Das mittelmeerische Reich besitzt in seinen wärmsten Teilen schon afrikanische Formen, die Genettkatze, zahlreichere Amphibien, den Gecko, das Chamäleon, den Geier. Hier ist die Zucht nicht bloß des Pferdes, sondern auch des Esels und Maulesels und des Büffels zu Hause, hier auch der Hauptsitz der Seidenzucht, ausgedehnt aber besonders die Zucht von Schafen und Ziegen. Von den Nachbarfaunen greift nach Südrußland auch die asiatische herein (z. B. Antilope), selbst in den Zuchttieren mit dem zweihöckerigen Kamel (in Südrußland, in der Moldau und Walachei). Unter den Gebirgstieren der alpinen Gebirge sind die Gemse und der nahezu ausgerottete Steinbock, auf den Gebirgen Sardiniens und Corsicas der Muflon vor allen zu erwähnen, während die nordischen Alpenhöhen die polare Fauna besitzen. Die Vögel Südeuropas stehen denen andrer Zonen an Größe und Farbenpracht nach, zeichnen sich aber zum Teil durch Gesang vorteilhaft aus. In Bezug auf Fische, Amphibien und Insekten ist der Süden im allgemeinen
[933] reicher an Gattungen und Arten, der Norden an Zahl und Menge. Bemerkenswert sind im N. der Hering und die vielen Dorscharten, im Mittelmeer der Thunfisch und die Sardelle. Wie die nördlichen Flüsse, so zeichnen sich im S. besonders Theiß und Wolga durch außerordentlichen Fischreichtum aus. Eidechsen und Schlangen sind im S. häufiger; demselben ausschließlich eigen sind die Tarantel, der Skorpion (besonders auf Sizilien), viele Krabben- und Krebsarten. Von Wichtigkeit ist die Kultur der Honigbiene, der Kochenille (Kermes), der Seidenraupe, der Blutegel. Edelkorallen finden sich an den Küsten Siziliens, der Balearen etc.
(Hierzu die „Völker- und Sprachenkarte von Europa“.)
Die Zahl der menschlichen Bewohner Europas wird gegenwärtig auf 331,612,360 berechnet, so daß auf 1 qkm 33 Bewohner kommen. Über Areal (mit Berücksichtigung von Strelbitskys Berechnungen), Einwohnerzahl, Dichtigkeit der Bevölkerung und ihre Zunahme in diesem Jahrhundert in den einzelnen Staaten Europas gibt folgende Tabelle Aufschluß:
Staaten, nach der Bevölkerungsdichtigkeit geordnet |
Areal | Bevölkerung | jährliche Zunahme in Prozenten | |||||
QKilom. | insgesamt | auf 1 qkm | 1801–20 | 1821–40 | 1841–60 | 1861–70 | 1871–80 | |
Belgien (1883) | 29455 | 5720807 | 194 | – | 0,9 | 0,4 | 0,6 | 1,0 |
Niederlande (1883) | 33000 | 4225065 | 128 | – | 0,9 | 0,7 | 0,87 | 1,3 |
Großbritannien und Irland (1881) | 314956 | 35411646 | 112 | 1,5 | 1,3 | 0,42 | 0,79 | 1,1 |
Italien (1882) | 288540 | 28733396 | 98 | 0,7 | 0,7 | 0,7 | 0,6 | 0,7 |
San Marino (1874) | 86 | 7816 | – | – | – | – | – | |
Monaco (1883) | 22 | 10108 | – | – | – | – | – | |
Deutsches Reich (1880) | 540519 | 45234061 | 84 | – | 1,18 | 0,77 | 0,76 | 1,1 |
Luxemburg (1880) | 2587 | 209570 | 81 | – | – | – | – | 0,67 |
Frankreich (1881) | 528572 | 37672048 | 71 | 0,56 | 0,62 | 0,36 | 0,24 | 0,5 |
Schweiz (1880) | 41347 | 2846102 | 69 | – | 1,3 | 0,7 | 0,6 | 0,7 |
Österreich-Ungarn (1880) | 622270 | 37882712 | 61 | – | 1,1 | 0,3 | 0,53 | 0,5 |
Liechtenstein (1880) | 157 | 9124 | 58 | – | – | – | – | 1,1 |
Dänemark (1880) | 38302 | 1969039 | 51 | 0,97 | 0,93 | 1,1 | 1,2 | 1,0 |
Dazu Färöer und Island | 106118 | 83666 | – | – | – | – | – | – |
Portugal (mit Azoren, 1881) | 91531 | 4575955 | 50 | – | 0,2 | −0,13 | 0,8 | 0,8 |
Rumänien 129947 | 5376000 | 41 | – | – | – | 1,2 | 1,2 | |
Serbien (1883) | 48582 | 1865683 | 38 | – | – | 0,5 | 1,6 | 2,0 (?) |
Spanien (mit Andorra, 1883) | 500270 | 16737365 | 33 | 0,42 | 0,18 | 2,0 (?) | 0,7 | 0,1 |
Griechenland (1879) | 64689 | 1979147 | 30 | – | 0,5 | 1,1 | 1,0 | 1,6 |
Montenegro | 9030 | 236000 | 26 | – | – | – | – | – |
Türkei (mit Bulgarien, Bosnien) | 326376 | 8650000 | 26 | – | – | – | – | – |
Rußland und Finnland (1881) | 5389628 | 86021185 | 16 | – | 1,3 | 0,92 | 0,92 | 1,5 |
Schweden (1883) | 450574 | 4603595 | 10 | 0,5 | 1,0 | 1,1 | 0,98 | 0,8 |
Norwegen (1875) | 325422 | 1806900 | 6 | 0,45 | 1,3 | 1,2 | 1,4 | 0,6 |
Europa: | 9881980 | 331866990 | 33 | – | – | – | – | – |
Dazu Asowsches Meer, Bodensee etc. | 41435 | – | – | – | – | – | – | – |
Zusammen: | 9923415 | – | – | – | – | – | – | – |
Die Bevölkerung gehört überwiegend dem indo-europäischen oder mittelländischen Stamm an, welcher in E. durch 8–9 Völkerfamilien vertreten ist, von denen mehrere einzelne reich an Gliedern und Zweigen sind. Die überwiegende Mehrzahl davon gehört dem indogermanischen Zweig an. Die griechisch-lateinische Familie (Romanen) enthält folgende Hauptvölker: Neugriechen, Italiener, Spanier und Portugiesen, Franzosen und Provençalen, Rätier, Walachen; die germanische Familie 3 Hauptnationen: Deutsche, Skandinavier und Engländer, von denen die ersten auch die Holländer und Vlämen begreifen, die zweiten in Schweden, Norweger, Dänen und Isländer zerfallen. Die slawische Familie umfaßt eine noch weit größere Zahl von Völkern und Völkerschaften, nämlich die nordslawischen Stämme: die Tschechen mit den Mähren, Slowaken und Lechen oder Polen, die Sorben oder Wenden und die Russen (Großrussen, Ruthenen oder Rußniaken und Weißrussen), und die südslawischen Stämme: die Slowenen oder Winden, die Serben (wozu Kroaten, Bosnier, Montenegriner und die Bewohner des eigentlichen Serbien gehören) und die Bulgaren. Die lettische Familie beschränkt sich auf Litauen und die Urbevölkerung Preußens; ihr am nächsten stehen die Albanesen oder Schkipetaren, die in der westlichen Türkei, in Griechenland und Sizilien wohnen. Da jedoch ihre Sprache vieles aus dem Lateinischen und Griechischen aufgenommen hat, führen wir sie in der Tabelle (S. 935) unter den Romanen auf. Die keltische Familie zählt 5 Völkerschaften: Iren, Gälen, Walliser (Kymren), Aremoriker (Bretonen) und Wallonen (Welsche). Hierzu kommen die armenischen Kolonisten und Handelsleute in Südosteuropa und die wandernden Horden der Zigeuner, so daß mit Ausnahme der persischen alle übrigen Völkerfamilien des indo-europäischen Stammes in mehreren oder einzelnen Zweigen (Romanen, Germanen, Slawen, Kelten, Letten) ausschließlich auf dem europäischen Boden Wurzel geschlagen haben oder doch nur durch größtenteils moderne Kolonisationen aus E. in andre Erdteile übergegangen sind. Unter diesen sind wieder die drei ersten (Romanen, Germanen und Slawen) in jeder Beziehung als die herrschenden Völkerfamilien Europas anzusehen. Dem semitischen Zweige gehören die Hebräer an, welche mit Ausnahme der skandinavischen und Iberischen Halbinsel, wo sie nur ausnahmsweise vorkommen, über den ganzen Erdteil verbreitet sind, und die Morisken, Abkömmlinge der Araber, in den abgeschlossenen Alpujarras in Spanien. Eine isolierte Stellung unter den Völkern Europas nehmen die Basken ein, die in einigen Pyrenäengegenden Spaniens und Frankreichs wohnen; ihre Sprache zeigt mit keiner andern Europas Verwandtschaft.
Der ethnographische Reichtum Europas wird indes [934] noch wesentlich vermehrt durch eine ansehnliche Zahl finnischer und tatarischer Völkerzweige. Zu den finnischen Volksstämmen gehören die Samojeden, die Finnen (Lappen, Tawasten, Karelier und Kwänen), Esthen, Kuren und Liven und Ungarn oder Magyaren nebst Szeklern sowie die schwachen Völkerreste der Wogulen, die bulgarischen und permischen Stämme (Tscheremissen, Mordwinen, Syrjänen, Wotjäken, Tschuwaschen oder Bergtataren u. a.). Die in E. heimisch gewordenen Völker tatarischen Stammes gehören entweder dem westlichen Zweig der eigentlichen tatarischen (mongolischen) Familie an, wie die Kalmücken, oder und zwar zum größten Teil der türkischen Familie, so die Osmanen auf der Balkanhalbinsel und die sogen. turkotatarischen Stämme (Nogaier, Baschkiren u. a.) in dem Steppenland am Kaspischen und Schwarzen Meer. Außerdem gehören zu ihr die magyarisierten Turkkolonien der Kumanen und Jazygen. Auf diese Weise steigt die Zahl aller in E. wohnenden und politisch oder sprachlich geschiedenen Nationen bis auf etwa 60, von denen 40 indo-europäische (arisch-semitische), 11 finnische (nordasiatische) und 9 tatarische (hochasiatische) sind. Diese 60 Nationen gehören 21 selbständigen Sprachzweigen, 13 besondern Völkerfamilien, 3 verschiedenen ethnographischen Varietäten der Menschheit an.
Die drei großen herrschenden Völkerfamilien haben sich folgendermaßen in das Land geteilt: Die drei südlichen Halbinseln des Erdteils und die drei zunächst anstoßenden Teile des Kontinents oder den ganzen kontinentalen Südwesten Europas, von der untern Donau bis zur Straße von Calais, vom südlichsten bis zum westlichsten Punkte des europäischen Festlandes und von der Straße von Gibraltar bis zur Enge des Bosporus nebst den benachbarten Inseln, nimmt vorzugsweise die griechisch-lateinische Familie ein. Im Herzen Europas und auf seinen nördlichen Halbinseln und Inseln haben fast ausschließlich die Nationen der germanischen Familie ihre Heimat gefunden. Der breite, flache Osten des Erdteils ist fast ganz Besitztum der slawischen Völker geworden. Fast alle von den Hauptstämmen über ihre Grenzen hinaus versprengten Zweige, besonders aber alle übrigen, nicht zu den drei Hauptfamilien gehörenden Nationen wohnen als Fremdlinge, als politisch Abhängige, höchstens als Adoptivkinder jener in dem Gebiet der einen oder der andern. Und zwar finden wir fast alle Nationen mongolischen Stammes, alle finnischen und tatarischen Völker im slawischen Osteuropa. Nur die osmanischen Türken haben ihre kriegerische Ansiedelung in der Sphäre der griechisch-lateinischen Familie gegründet. Von den kleinern Völkern des indo-europäischen Stammes hat sich dagegen keins dem höhern Osten zugewendet; sie berühren höchstens die Westgrenzen des slawischen, vorherrschend aber sitzen sie im germanischen oder romanischen E., wo ihnen jedoch, wie den Letten, entweder nur beschränkte Küstenlandschaften an Meeresbuchten des Festlandes oder, wie den an die äußersten Westenden des Erdteils gedrängten keltischen Völkerresten, fast nur meerumflossene, felsige Halbinseln und Inseln oder abgelegene Gebirgsöden geblieben sind. Keins der nicht zu den drei europäischen Hauptfamilien gehörigen Völker ist übrigens durch Anzahl, Ausbreitung und politisches Gewicht zu einer bleibenden Bedeutung gelangt; selbst die Magyaren und Türken, die hervorragendsten unter ihnen, behaupten heute nur noch eine untergeordnete Stellung unter den Völkern Europas. In Bezug auf die Kopfzahl kommen auf die Germanen 104,6 Mill., auf die Romanen 103,2 Mill., auf die Slawen 93,9 Mill. Unter den kleinern Nationen zählen die Kelten etwa 3 Mill. die Letten, Litauer etc. 3,1 Mill., die Semiten 5,9 Mill., (nach andrer Berechnung nur 5,4 Mill.), Finnen und Magyaren 11,4 Mill., Basken, Armenier und Zigeuner 1,6 Mill., endlich Türken, Tataren und Mongolen 5 Mill. Über die Nationalität der Bevölkerung der einzelnen Staaten gibt die Tabelle auf S. 935 Aufschluß; weitere Angaben über Dichtigkeit, Religion und Staatsverhältnisse gibt die statistische Übersicht beim Artikel „Bevölkerung“ (mit Karte). Über die sprachlichen Verhältnisse in E. vgl. Eingehenderes im Artikel Europäische Sprachen.
Unter seinen fast 332 Mill. Einwohnern zählt E. noch nicht 1 Mill. Nomaden; alle übrigen haben feste Wohnsitze und mit diesen Anteil an dem Kulturleben der Menschheit erhalten. Dabei sind die nicht angesiedelten Völkerschaften Europas an die fernsten, unwirtbarsten Enden des Erdteils verwiesen, auf die eisigen Felder des lappischen Gebirges, die beschneiten Höhen des Urals, die erstarrten Küsten des Eismeers und die dürren Steppen am Kaspischen Meer, wenn man diese zu E. rechnen will. Der ganze übrige Boden Europas ist, wenn wir die kleinen, allmählich verschwindenden Wanderhorden der Zigeuner, die sich hier und da, namentlich in Osteuropa, noch herumtreiben, abrechnen, nur von angesiedelten Völkern bewohnt. Der Ackerbau, diese erste Bedingung für das Aufgeben einer unsteten Lebensweise und die Gründung fester Wohnplätze, bildet die Grundlage wie der Existenz, so der Kultur fast aller europäischen Nationen; doch ist er für sie längst nicht mehr die einzige Erwerbsquelle. Auf ihm, als Basis, haben sich überall, wenngleich in verschiedenen Graden, die mannigfaltigsten Lebensquellen geöffnet und mit befruchtender Welle die reichsten Entfaltungen des materiellen wie des geistigen Daseins der Menschheit gezeitigt. Man findet in E. jetzt keine Nation mehr, welche sich auf den bloßen Ackerbau beschränkte; der Bergbau beschäftigt in den skandinavischen, schottischen, englischen, deutschen, karpathischen, uralischen Gebirgen, in den Alpen und Pyrenäen, auf der iberischen und italischen, in geringerm Maß auch auf der griechischen Halbinsel einen größern oder kleinern Teil der Bevölkerung. Handel und Gewerbfleiß sind allgemein verbreitet. Es gibt kein europäisches Volk, das nicht wenigstens einigen Anteil daran hätte; im allgemeinen aber übertreffen die germanischen Nationen, insbesondere die Briten und Deutschen, sowie von den Romanen die Franzosen alle andern, während die slawischen Völker und die übrigen Völker des Ostens darin noch am weitesten zurückstehen; doch haben die Russen seit einigen Jahren einen großen Teil des innerasiatischen Handels an sich gezogen, erfolgreich den Briten Konkurrenz machend. In ähnlicher Weise arbeiten Europas Völker und zwar vorzugsweise wieder die germanischen und ein Teil der romanischen thätig für die Ausbildung der Wissenschaften und Künste.
Die europäische Kultur ist aber nicht allein ein Produkt der Physik des Erdteils und der ursprünglichen Naturanlage seiner Völker, sondern noch vielmehr der allgemeinen Verbreitung des Christentums, der in jeder Beziehung heilsamsten und förderlichsten aller Religionen. Unter den 332 Mill., welche E. bewohnen, befinden sich nur etwa 12,7 Mill. Nichtchristen, nämlich 5,9 Mill. Juden, 6,4 Mill. Mohammedaner und 0,4 Mill. Heiden. Von diesen sind die Juden fast, wenn auch nicht gleichmäßig, [935] über den ganzen Erdteil zerstreut; die Mohammedaner dagegen sind auf die Balkanhalbinsel und die Uferlande des Kaspischen und Schwarzen Meers beschränkt, dort mit christlichen Bewohnern vermischt, hier über weite Landflächen ausgebreitet. Die heidnischen Bewohner aber sind in viel geringerer Zahl über die weiten Flächen an der untern Petschora und am Kaspischen Meer, über die uralischen und lappischen Gebirgshöhen und die eisigen Küsten von Kola zerstreut und gehören dem tatarischen und finnischen Stamm an. Die Christen zerfallen in kirchlicher Hinsicht in drei große Konfessionen: die römisch-katholische, griechisch-katholische und protestantische, erstere im SW., die zweite im O., die dritte in der Mitte des Erdteils herrschend. Im allgemeinen umfaßt die römische Kirche die romanischen, die griechische die slawischen, die protestantische die germanischen Völker; doch bestehen nicht unbedeutende Abweichungen von dieser Regel. So gehören zur römischen Kirche auch die Iren und ansehnliche Teile der Schotten, ein großer Teil der Deutschen und der Magyaren, die Polen und ein Teil der Litauer; zur griechischen die neugriechische und christlich-albanesische Bevölkerung der griechischen Halbinsel und des Archipels sowie die walachische der untern Donauebene und eines Teils von Siebenbürgen und Ungarn; zur protestantischen, außer geringen romanischen und slawischen Stämmen (in den Alpen, in Ungarn, in der Norddeutschen Ebene), die Mehrzahl der finnischen und ein Teil der lettischen Bevölkerung Europas. Wenn der Osten Europas den Anhängern der griechischen Kirche gehört, so haben sich die Protestanten und Katholiken seit der Reformation so in die Westhälfte geteilt, daß diese die südlichen, die verschiedenen Fraktionen des Protestantismus dagegen die mittlern und nordwestlichen Länder einnehmen. Doch finden auch hierbei mannigfaltige Modifikationen statt, und diese Gruppierung bedingt keineswegs eine strenge Scheidung. Entschieden und ganz ungeteilt gehören der katholischen Kirche nur die pyrenäische und italische Halbinsel sowie ihre Nachbarinseln; die protestantische dagegen herrscht in den Gestadeländern zwischen der Rhein- und Weichselmündung sehr bestimmt vor, entschieden auf den skandinavischen und dänischen [936] Halbinseln u. Inseln, ganz ausschließlich vielleicht nur auf Island. Die Ost- und die Nordsee werden auf allen Seiten und in allen ihren Teilen von Protestanten umwohnt; nur am Eingang des Kanals u. an der Weichselmündung berühren römisch-katholische, an der Newamündung griechische Kirchenangehörige die Süd- und Ostgestade dieser Meere. Dagegen bleiben die Protestanten, bis auf wenige, nicht sehr zahlreiche Kolonien (am Golfe du Lion, auf Malta und einigen Punkten der pontischen Küste), den Gestaden aller Teile des Mittelmeers fern. Auf der Ostseite des Bottnischen, Finnischen und Rigaischen Busens verschmelzen sie sich mehr und mehr mit den Anhängern der griechischen Kirche, und einzelne Gemeinden haben weit im Innern der großen sarmatischen Ebene eine Heimat gefunden. Die römischen Katholiken haben sich auch im N. Europas in mehreren Gegenden in großer, ja in vorherrschender Zahl behauptet, so in Irland, im Gebiet der Weichsel und der rechten Nebenflüsse der obern und mittlern Oder, am Frischen Haff und an der Passarge. In den mittlern Gegenden des Erdteils herrschen sie im obern Elb-, im obern und mittlern Donaugebiet, mit Ausnahme des Mündungslandes auch an den Ufern des Rheins und im W. dieses Stroms entschieden vor, wenngleich sich in allen diesen Gegenden auch protestantische Bewohner, namentlich auf den Gebirgen, in nicht geringer Zahl vorfinden. Das Gebiet der griechischen Kirche ist demnach fast doppelt so groß als das der beiden andern zusammengenommen, während das der evangelischen Kirche dem der römischem an Ausdehnung nicht unbedeutend nachsteht. Der Seelenzahl ihrer Bekenner nach ist die römisch-katholische Kirche mit etwa 156 Mill. Anhängern (darunter etwa 140,000 Altkatholiken) die in E. entschieden vorwaltende, während die Zahlen der auf dem kleinsten Gebiet lebenden Evangelischen, mit 76 Mill., und der auf dem größten wohnenden griechischen Christen, mit 82 Mill., einander fast gleich sind. Dazu kommen 5 Mill. Anhänger christlicher Sekten.
(Vgl. die „Staatenkarte von Europa“.)
Auch in betreff der politischen Verhältnisse läßt sich nicht verkennen, daß durch den Einfluß christlicher Gesittung u. den vielfachen Wechselverkehr der Staaten Europas untereinander dieselben, den politischen Verhältnissen Asiens und Afrikas gegenüber, ein gewisses gemeinsames europäisches Gepräge tragen, wenn auch erst die letzte Zeit dasselbe in dem bis dahin mehr im asiatischen Geist, mit rücksichtsloser Gleichgültigkeit gegen das menschliche Individuum regierten russischen Reich mehr hervortreten läßt; selbst in der europäischen Türkei, wo noch ganz orientalischer Despotismus zu Haus ist, sind Versuche dazu, wenigstens auf dem Papier, gemacht worden. Mannigfaltig, wie die Formen des Erdteils, sind auch die Staatsformen seiner Bewohner. E. besitzt Monarchien und Republiken, doch sind die letztern nicht allein in der Minderzahl, sondern auch in Bezug auf ihr politisches Gewicht von nicht überwiegender Bedeutung, die monarchischen dagegen mehrfach in einer Weise ausgeprägt, welche sie den republikanischen nahestellt. Nur im einförmigen Osten herrscht noch in diesem Augenblick gesetzlich der Wille eines Einzelnen; dagegen haben die Kulturverhältnisse des reicher individualisierten Westens diese despotisch-patriarchalische Form für die Dauer unmöglich gemacht. Daher finden wir im ganzen germanischen und romanischen Westen gegenwärtig gesetzlich konstitutionelle Regierungsformen, freilich in den verschiedensten Graden der Teilnahme und des Einflusses, den Herrscher und Völker auf die Gestaltung der öffentlichen Verhältnisse ausüben: von den konstitutionellen Verfassungen Deutschlands und Italiens mit dem gesetzlich festgestellten, entschiedenen Einfluß des Herrschers bis zu den Verfassungen Englands, Dänemarks und Norwegens, von denen das erstgenannte Land eine mehr aristokratische, Dänemark und Norwegen mehr demokratische Republiken sind, nur mit bleibender, erblicher Spitze, während Frankreich sich neuerdings wieder eine republikanische Verfassung gegeben hat. Mannigfaltig, wie die Staatsformen, sind auch der Umfang und die Macht dieser Staaten; Deutschland, der in sich gegliedertste Teil Europas, ist auch politisch am meisten individualisiert.
Von den Völkerfamilien Europas haben es nur die germanische, romanische und slawische zu dauernden staatlichen Bildungen gebracht. Aber die gegenwärtigen Kulturstaaten werden nicht von Völkern Eines Stammes bewohnt. Von den slawischen Reichen hat sich nur eine Nation, die russische, im Besitz einer selbständigen staatlichen Existenz erhalten. Alle übrigen Slawen sind in irgend ein fremdes Staatswesen, namentlich in das verwandte russische oder auch in das benachbarte österreichische und deutsche, besonders das preußische, und selbst in das magyarische und türkische, einverleibt und haben die eigne politische, seltener die in Sitte und Sprache fortlebende nationale Existenz aufgegeben; nur Serbien bildet ein unabhängiges Reich, und Bulgarien steht als gesondertes Fürstentum unter türkischer Oberhoheit. Auf der andern Seite hat der genannte große slawische Staatskörper ein sehr bedeutendes Einverleibungsvermögen bewiesen, indem er viele der zahlreichen, wenngleich in sich schwachen Völkerschaften finnischen und tatarischen Stammes, ebenso die lettischen Stämme und deutsche und schwedische Elemente in sich aufgenommen, obschon bisher noch nicht völlig assimiliert hat. Viel kräftiger zeigt sich das Streben nach politischer Gestaltung in den Völkern der lateinischen Familie. Romanische Staaten sind: Italien, das, bis vor wenigen Jahrzehnten in mehrere unabhängige Staaten geteilt, jetzt zu einem einheitlichen und rein italienischen Staat vereinigt ist, der fast die ganze italienische Nation umfaßt mit Ausnahme des französischen Corsica und einiger Teile der Schweiz und des südlichen Österreich; die beiden Staaten der spanischen Halbinsel: Portugal und Spanien, von denen letzteres einen Teil des Baskenlandes besitzt und im S. maurische Elemente in seine Bevölkerung aufgenommen hat; die Republik der Franzosen, der mächtigste unter den romanischen Staaten, hat im NO. niederdeutsche, im NW. Reste altkeltischer, im SW. baskische Bevölkerungen mit sich vereinigt; Belgien, obgleich mit vorherrschend niederdeutscher Bevölkerung, muß doch bei dem überwiegenden politischen Einfluß des romanisierten Teils derselben als romanischer Staat angesehen werden; auch die Kantone der westlichen und südlichsten Schweiz sind ganz oder teilweise romanisch. Seitdem sich Rumänien der türkischen Oberhoheit entzogen hat, steht nur der kleinste Teil romanischer Stämme unter fremder Herrschaft, außer den erwähnten Italienern die Ladiner Südtirols, die Walachen Ungarns und Siebenbürgens. Mehr als die Hälfte der griechischen Nation ist im Königreich Griechenland vereinigt.
Die mannigfaltigsten und zahlreichsten politischen Gestaltungen zeigen aber die germanischen Völker. Die Deutschen allein bilden gegenwärtig über 50 verschiedene, wenngleich in zwei größere Einheiten (Deutsches [937] Reich und die Schweiz) vereinigte souveräne Staaten, die Skandinavier 3; ungeteilt ist nur das Reich der Briten, welches sich ebendeswegen schon früh zu einer Weltmacht entwickelt hat. Trotz der großen Abschwächung des Einflusses nach außen, welche die Spaltung in so viele kleine politische Gemeinwesen und die daraus hervorgegangene Zersplitterung der innern Lebenskraft in früherer Zeit erzeugt hat, haben die germanischen Staaten sich doch durch bedeutende Einverleibungen aus dem Kreis der benachbarten Nationen zu verstärken gewußt; am wenigsten noch die skandinavischen Staaten, indem Schweden und Norwegen nur finnische Kolonien und einen Teil der schwachen lappischen Völkerschaft in sich schließen, die Dänen aber durch Aggregation der Isländer nur verwandtes Blut in sich aufgenommen haben. Bedeutender sind schon die europäischen Einverleibungen der Engländer, indem ihr Reich die drei insularen keltischen Völkerschaften: Gälen (Hochschotten), Welsche (Walliser) und Iren (Irländer) in sich aufgenommen hat; am bedeutendsten aber sind in dieser Beziehung die Staaten deutscher Nation, insbesondere Preußen und Österreich, und zwar vornehmlich durch Einverleibungen aus dem slawischen Völkerkreis bereichert worden. Preußen hat nicht nur, zusammen mit dem Königreich Sachsen, die schwachen wendischen Volksreste, sondern auch, wie Österreich, einen beträchtlichen Teil der polnischen Stämme und in den Litauern die letzten Überbleibsel der Urbevölkerung Preußens sich einverleibt. Am größten ist die Zahl der Nationalitäten, welche der österreichische Kaiserstaat umfaßt, der in dieser Beziehung nur vom russischen Reich übertroffen wird. Selbst die Bevölkerung der österreichischen Erblande ist nicht durchaus deutsch, sondern in dem Gebiet der alten Grenzmarken gegen SO. und O. haben sich neben dem deutschen Stamm noch romanische und slawische Elemente erhalten; die Bevölkerung der alten Reichslande Böhmen und Mähren ist nur an deren Gebirgsumwallungen germanisch, übrigens vorherrschend tschechisch; Galizien ist ganz slawisch und zwar zum Teil von Polen, zum Teil von Ruthenen russischen Stammes bewohnt, während Ungarn mit seinen Nebenländern in buntem Durcheinander magyarische, nord- und südslawische, romanische, in den Jazygen und Kumanen selbst Reste türkischer Bevölkerung mit einzelnen deutschen Sprachinseln umfaßt. Nur die Magyaren bilden darunter eine kompaktere Masse (41 Proz. der Gesamtbevölkerung), welche die Ebenen des Landes innehat und vom regsten Nationalitätsgefühl beseelt ist. Als Folge der politischen Zersplitterung der germanischen, insbesondere der deutschen, Staaten sind auf der andern Seite die Verluste anzusehen, welche Deutschland an die romanischen Staaten im W., an Frankreich (Franche-Comté und das französische Lothringen) und Belgien, erlitten hat. Dennoch stellt sich im ganzen für die germanischen Völker das Maß der Selbständigkeit immer noch am günstigsten heraus. Denn während fast ein Drittel der Slawen und etwa ein Zwölftel der Romanen unter fremder Botmäßigkeit stehen und keine dieser Völkergruppen, am wenigsten die slawische, für diesen Verlust durch die ihnen zugefallenen Aggregationen in vollem Maß entschädigt wird, haben die Germanen auf diese Weise kaum ein Zwanzigstel ihrer Gesamtheit eingebüßt und dafür ihren Staaten fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung einverleibt.
Auf solche Weise sind Europas Boden und Bevölkerung in zahlreiche politische Einheiten von sehr verschiedener Größe und Bedeutung zerlegt und gesondert. Man zählt im ganzen 77 Staaten (46 Monarchien und 31 Republiken), von welchen 51 in 2 Bundesstaaten vereinigt sind (das Deutsche Reich, mit 4 Königreichen, 6 Großherzogtümern, 5 Herzogtümern, 7 Fürstentümern, 3 Republiken und einem „Reichsland“, und die schweizerische Eidgenossenschaft), 2 durch Personal- und Realunion zusammenhängen (das Kaisertum Österreich und das Königreich Ungarn), 6 im Verhältnis der Personalunion zu einander stehen (das Königreich der Niederlande und das Großherzogtum Luxemburg, die Königreiche Schweden und Norwegen, das Kaisertum Rußland und das Großfürstentum Finnland) und 2 unter Oberhoheit eines andern Staats sich befinden (die Republik Andorra unter der Frankreichs und das Fürstentum Bulgarien unter der der Türkei). Ferner sind Monarchien, von Deutschland abgesehen: die Königreiche Großbritannien und Irland, Dänemark, Belgien, Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, Rumänien und Serbien; die Fürstentümer Monaco und Montenegro; die Republiken außer den 25 (22) Kantonen der Schweiz und den deutschen Freistädten: Frankreich, Andorra und San Marino. Unter diesen Staaten treten seit 1815 fünf als Großmächte hervor: Großbritannien, Frankreich, Rußland, Österreich-Ungarn und Deutschland (europäische Pentarchie), welche die oberste Leitung der politischen Angelegenheiten des Erdteils beanspruchen und in der That mehrmals sogen. europäische Fragen durch gemeinsam gepflogene Verhandlungen entschieden und ihre Beschlüsse in Vollzug gesetzt haben. Zu ihnen hat sich in den letzten Jahren als sechste Macht Italien gesellt. Von diesen sechs Großmächten gehören drei dem germanischen Völkerstamm an, während der lateinisch-griechische durch zwei und der slawische nur durch eine Großmacht vertreten ist. Aber nicht bloß die Großmächte, sondern alle selbständigen Staaten Europas werden durch ein gemeinsames Interesse zu einer höhern Einheit, einem großen ideellen europäischen Staatensystem vereinigt, dessen organischer Zusammenhang eben daraus hervorgeht, daß die Macht und der Einfluß jedes einzelnen Staats in E. ohne Verlust oder Gewinn für einen oder mehrere andre nicht erfolgen können. Hierauf beruht die Idee des politischen europäischen Gleichgewichts, dessen eifrige Bewachung eine der Hauptsorgen der sogen. Großmächte ist.
Die Erweiterungen der staatlichen Verbände über die natürlichen Grenzen hinaus beschränken sich in einer großen Zahl der modernen Staaten nicht bloß auf die Einverleibung stammfremder europäischer Elemente, es haben auch auf nichteuropäischem Boden die großartigsten Erwerbungen stattgefunden durch Kolonisation. Am stärksten ist der Impuls dazu bei denjenigen Völkern gewesen, welche durch die Lage und Natur ihrer Heimatsländer die größte Anregung erhalten: bei den Portugiesen und Spaniern einer-, den Engländern und Holländern anderseits, wobei sich aber der große Unterschied herausstellt, daß, während die einen, die beiden genannten lateinischen Völker, dadurch schwach und siech geworden, die andern ebendadurch neue Lebenskräfte eingesogen haben. Das Kolonisationsgebiet der Engländer erstreckt sich über alle Erdteile und übertrifft das Mutterland an Bevölkerung um mehr als das Siebenfache, an Länderraum um mehr als das Sechzigfache und ganz E. um das Doppelte. Die Holländer sind in neuerer Zeit von den Briten weit überflügelt worden; indes ist das, was sie eingebüßt haben, für E. nicht verloren gegangen, indem eben die britische Macht an vielen Punkten an die Stelle der niederländischen Herrschaft getreten ist. Erst seit 1884 hat auch das Deutsche [938] Reich den Anfang einer Kolonialpolitik gemacht, indem es Küstengebiete in Afrika und der Südsee (Neuguinea und Bismarck-Archipel) unter seinen Schutz gestellt hat. Die Kolonisationsgebiete der lateinischen Völker betragen gegenwärtig an Ausdehnung nur etwa den 6., an Bevölkerung kaum den 12. Teil der germanischen. Die slawischen Kolonisationen stehen an Ausdehnung den germanischen nahe, in Hinsicht der Bevölkerung machen sie aber kaum den 16. Teil derselben aus; dabei sind sie mit dem Mutterland in so unmittelbarer räumlicher Verbindung, daß sie nur zum geringern Teil den Charakter des Kolonisationsbesitzes an sich tragen und weniger durch die organische Kraft des Volkslebens von innen heraus als vielmehr durch mechanischen Ansatz von außen dem Staatskörper nach O. hin angewachsen sind. Mit Einschluß der Türkei, deren Kern allerdings eher in Asien zu suchen ist, gehorchen außerhalb Europas 314 Mill. Menschen auf 47,700,000 qkm (866,400 QM.) in bald größerer, bald geringerer Abhängigkeit europäischen Gesetzen, so daß das europäische Staatensystem ca. 57,6 Mill. qkm (1,046,600 QM.) mit 645 Mill. Menschen, also über zwei Fünftel alles Landes der Erde und über drei Siebentel aller Erdbewohner, umfaßt.
Vgl. außer den betreffenden Teilen in den geographischen Handbüchern von Stein-Hörschelmann, Klöden, Daniel, Roon etc.: Hoffmann, E. und seine Bewohner (Stuttg. 1835–40, 8 Bde.); K. Ritter, E., Vorlesungen (hrsg. von Daniel, Berl. 1863); Rudler und Ramsay, Europe (Lond. 1885); „Länderkunde von E.“ (hrsg. von Kirchhoff, Prag u. Leipz. 1885 ff.); Schubert, Handbuch der allgemeinen Staatskunde von E., Bd. 1–4 (Königsb. 1835–48); v. Reden, Vergleichende Kulturstatistik der Gebiets- und Bevölkerungsverhältnisse der Großstaaten Europas (Berl. 1848); Brachelli, Die Staaten Europas (4. Aufl., Brünn 1883; statistisch); Block, Die Machtverhältnisse der europäischen Staaten (Gotha 1862); Strelbitsky, Superficie de l’Europe (Petersb. 1882); Behm und Wagner, Die Bevölkerung der Erde (Gotha 1873–1882); Mendelssohn, Das germanische E.; zur geschichtlichen Erdkunde (Berl. 1836); Virchow, Die Urbevölkerung Europas (das. 1874); Kohl, Die Völker Europas (2. Aufl., Hamb. 1872); Derselbe, Die geographische Lage der Hauptstädte Europas (Leipz. 1874); Freeman, Historical geography of Europe (Lond. 1881); Geikie, Pre-historic Europe, a geological sketch (das. 1880).
Die wertvollsten Karten von E., teils einzeln, teils in Atlanten, sind von Berghaus, Kiepert, Reymann und Ösfeld (Mitteleuropa, in 331 Blättern, Glogau 1838–69), Liebenow (Mitteleuropa, in 164 Blättern, Hannov. 1869–71), Stieler, Ravenstein, Stülpnagel, Petermann (in 4 Blättern, Gotha 1867), Jiljin (Karte von Westeuropa, 1 : 1,500,000), die Generalkarte von Zentraleuropa (1 : 300,000, 207 Blätter, 1870–81, aus dem militärgeographischen Institut in Wien), Papen („Höhenschichtenkarte von Zentraleuropa“, 7 Blätter, Frankf. 1857–59), Steinhauser („Hypsometrische Karte von Mittel- und Südeuropa“, Wien 1857), Dumont („Carte géologique de l’Europe“, 1 : 4,000,000, Paris u. Lüttich 1875). Von historischen Kartenwerken sind hervorzuheben: Spruners „Historischer Handatlas für die Geschichte des Mittelalters und der neuern Zeit“, neue Bearbeitung von Menke, 90 Blätter (Gotha 1870 ff.), Wolfs „Historischer Atlas“ (Berl. 1877), G. Droysens „Historischer Handatlas“ (Leipz. 1885). Vgl. v. Sydow, Übersicht der wichtigsten Karten Europas (Berl. 1864).
[935]
Staaten | Jahr | Gesamtbevölkerung | Germanische Völker | Romanische Völker | Slawische Völker | Kelten und Kymren | Letten, Litauer, Preußen | Israeliten | Finnische Völker: Finnen, Magyaren etc. | Basken, Armenier, Mauren, Zigeuner | Türken, Tataren, Mongolen | |||||||||||
Deutsche, Holländer, Vlämen | Angelsachsen | Skandinavier | Franzosen, Occitaner, Katalanen | Italiener, Rätoromanen | Spanier, Portugiesen | Dakoromanen, Macedowalachen | Griechen | Albanesen | Russen, Ruthenen | Polen | Tschechen, Mähren, Wenden | Serben, Kroaten, Slowenen | Bulgarische Slawen | |||||||||
Rußland1 | 1881 | 83910 | 1200 | 15 | 40 | 9 | – | – | 800 | 60 | 1 | 62940 | 5990 | – | 30 | 125 | – | 3000 | 3000 | 3650 | 80 | 2970 |
Deutsches Reich | 1880 | 45234 | 41388 | 11 | 173 | 297 | 1 | – | – | – | – | 15 | 2454 | 181 | – | – | – | 150 | 562 | 1 | 1 | – |
Österr.-Ungarn2 | 1880 | 37892 | 9912 | 2 | – | 3 | 725 | – | 2623 | 2 | 3 | 3169 | 2502 | 7140 | 4162 | 30 | – | – | 1647 | 5915 | 156 | 1 |
Frankreich | 1881 | 37672 | 135 | 40 | 1 | 35692 | 465 | 63 | – | – | – | 2 | 8 | – | – | – | 1100 | – | 50 | – | 116 | – |
Großbritannien | 1881 | 35412 | 60 | 33234 | 25 | 30 | 6 | 2 | – | 1 | – | 2 | 5 | – | – | – | 1942 | – | 55 | – | 50 | – |
Italien3 | 1882 | 28751 | 25 | 8 | – | 150 | 28324 | 1 | – | 20 | 55 | – | – | – | 30 | – | – | – | 38 | – | – | – |
Spanien4 | 1883 | 16737 | 2 | 5 | – | 3526 | 4 | 12645 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | 5 | – | 550 | – |
Türkei | 1881 | 8650 | 3 | 2 | – | 1 | 6 | – | 318 | 1320 | 1400 | 20 | – | – | 1090 | 2000 | – | – | 90 | – | 400 | 2000 |
Belgien | 1883 | 5721 | 3190 | 4 | – | 2524 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | 3 | – | – | – |
Rumänien | 1878 | 5376 | 40 | 1 | – | 2 | 1 | – | 4600 | 5 | – | 16 | – | – | 45 | 24 | – | – | 400 | 30 | 210 | 2 |
Schweden | 1883 | 4604 | 3 | 1 | 4569 | – | – | – | – | – | – | 1 | – | – | – | – | – | – | 3 | 27 | – | – |
Portugal5 | 1881 | 4576 | – | 2 | – | 2 | – | 4556 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | 1 | – | 15 | – |
Niederlande6 | 1883 | 4434 | 4327 | 2 | – | 23 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | 82 | – | – | – |
Schweiz | 1880 | 2846 | 2031 | – | – | 608 | 200 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | 7 | – | – | – |
Finnland | 1882 | 2111 | 2 | – | 302 | – | – | – | – | – | – | 4 | – | – | – | – | – | – | – | 1803 | – | – |
Dänemark | 1880 | 2053 | 33 | 1 | 2015 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | 4 | – | – | – |
Griechenland | 1879 | 1979 | 1 | 2 | – | 1 | 3 | – | 28 | 1625 | 250 | – | – | – | – | – | – | – | 3 | – | 3 | 63 |
Serbien | 1883 | 1866 | 3 | – | – | – | – | – | 180 | – | 2 | – | – | – | 1646 | 3 | – | – | 3 | – | 27 | 2 |
Norwegen | 1875 | 1807 | 1 | 1 | 1777 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | 28 | – | – |
Montenegro | – | 236 | – | – | – | – | – | – | – | – | 5 | – | – | – | 231 | – | – | – | – | – | – | – |
Europa: | – | 331867 | 62356 | 33331 | 8902 | 42868 | 29735 | 17267 | 8549 | 3033 | 1716 | 66169 | 10959 | 7321 | 7234 | 2182 | 3042 | 3150 | 5953 | 11454 | 1608 | 5038 |
In Prozenten | – | 100 | 18,8 | 10,0 | 2,7 | 12,9 | 9,0 | 5,2 | 2,6 | 0,9 | 0,5 | 20,0 | 3,3 | 2,2 | 2,2 | 0,6 | 0,9 | 0,9 | 1,8 | 3,5 | 0,5 | 1,5 |
104,589 = 31,5 Proz. |
103,168 = 31,1 Proz. |
93,865 = 28,3 Proz. |
- 1 Mit Polen, ohne Kaukasusländer; 2 mit Liechtenstein; 3 mit San Marino und Monaco; 4 mit Andorra; 5 mit Azoren; 6 mit Luxemburg.
[284] Europa. Die Bevölkerung Europas beträgt gegenwärtig über 357 Mill., über deren Verteilung auf die einzelnen Staaten die folgende Tabelle Aufschluß gibt. Wie im Art. „Europa“ (Bd. 5, S. 933) schließen wir hier Besitzungen europäischer Staaten aus, die naturgemäß zu andern Erdteilen gehören, wenn sie auch ihrer Verwaltung nach mit Europa in Verbindung stehen. So fehlen hier bei Spanien die Kanarischen Inseln, bei Portugal Madeira; anderseits haben wir bei Großbritannien Gibraltar und Malta, bei Dänemark Island und bei Rußland Nowaja Semlja hinzugefügt. Die Arealangaben sind größtenteils nach den Berechnungen Wagners („Bevölkerung der Erde“, Bd. 8, Gotha 1891) angegeben.
Staaten, nach der Bevölkerungsdichtigkeit geordnet | Areal QKilom. |
Bevölkerung | |
insgesamt | auf 1 QKil. | ||
Belgien (Ende 1890) | 29457 | 6147041 | 208 |
Niederlande (Ende 1889) | 33000 | 4511415 | 138 |
Großbritannien (1891) | 314956 | 38088529 | 121 |
Italien (Ende 1890) | 286588 | 30158408 | 105 |
San Marino (1891) | 59 | 8200 | – |
Deutsches Reich (1890, ohne Bodensee) | 540419 | 49428470 | 91 |
Luxemburg (1890) | 2587 | 211088 | 82 |
Schweiz (1888, ohne Boden- und Genfersee) | 40820 | 2933334 | 72 |
Frankreich (1891) | 536408 | 38343192 | 71 |
Monaco (1888) | 22 | 13304 | – |
Österreich-Ungarn (1890) | 625518 | 41345329 | 66 |
Dazu Bosnien und Herzegowina (1885) | 51110 | 1336091 | – |
Liechtenstein (1886) | 159 | 9593 | – |
Dänemark (1890) | 38279 | 2172205 | 57 |
Dazu Faröer (1890) und Island (1888) | 106118 | 82178 | – |
Portugal (1881, mit Azoren) | 91760 | 4575955 | 50 |
Serbien (Ende 1890) | 48590 | 2162759 | 44 |
Rumänien | 131020 | 5000000 | 38 |
Spanien (Ende 1887) | 497244 | 17267638 | 35 |
Andorra | 452 | 10000 | – |
Griechenland (1889) | 65119 | 2217000 | 34 |
Türkei (mit Bulgarien und Novibazar) | 272543 | 8907375 | 32 |
Montenegro | 9080 | 200000 | 22 |
Rußland (1886) mit Finnland (1889) | 5389993 | 95990175 | 18 |
Schweden (Ende 1890) | 450574 | 4784675 | 10 |
Norwegen (1891) | 325285 | 1988997 | 6 |
Europa: | 9887160 | 357692996 | 36 |
Dazu Asowsches Meer, Boden-, Genfersee etc. | 42168 | – | – |
Zusammen: | 9929328 | – | – |